Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 10 AS 29/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 665/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 140/13 B
Datum
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zu den Darlegungspflichten des Leistungsberechtigten bei Geltendmachung eines höheren Mehrbedarfs bei kostenaufwändiger Ernährung, wenn ein ernährungsbedingter Mehraufwand von 30 Prozent des in der Regelleistung enthaltenen Betragsanteils für Nahrungsmittel und Getränke bereits rechtskräftig zuerkannt ist.
I. Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 27. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Klägerin zu 2) wegen kostenaufwändiger Ernährung.
Die Klägerin zu 1) und ihre 1996 geborene Tochter, die Klägerin zu 2), beziehen seit dem Jahr 2005 Leistungen nach dem SGB II. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2008 wandte sich die Klägerin zu 1) an den damals zuständigen Leistungsträger, den Main-Kinzig-Kreis (MKK), und teilte mit, dass bei der Klägerin zu 2) nach einem Krankenhausaufenthalt vom 31. August 2008 bis 2. September 2008 eine Laktose– und Fruktoseunverträglichkeit festgestellt worden sei und beantragte die Bewilligung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung. Sie legte ein ärztliches Attest von Dr. QQ. vom 30. September 2008 vor, wonach bei der Klägerin zu 2) durch Atemtests eine Laktoseintoleranz und eine Fruktosemalabsorption nachgewiesen worden sei. Auf eine fruktose- und laktosearme Diät sei zu achten.
Mit Bescheid vom 22. Oktober 2008 lehnte der MKK den Antrag mit der Begründung ab, dass die Kriterien für die Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung nicht vorlägen. In ihrem Widerspruch vom 4. November 2008 machten die Klägerinnen geltend, dass aufgrund der festgestellten Laktose– und Fruktoseunverträglichkeit ein Mehrbedarf in Höhe von 71,58 EUR monatlich zu gewähren sei. Bei Laktose- und Fruktoseunverträglichkeit bzw. Intoleranz sei eine glutenfreie Kost erforderlich.
Die MKK wies mit Widerspruchsbescheid vom 29. Dezember 2008 den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach den neuesten ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen, die u.a. in die für die Beurteilung eines Mehrbedarfs heranzuziehenden Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge (Stand Oktober 2008) mündeten, sei für die bei der Klägerin zu 2) festgestellte Laktoseintoleranz und Fruktosemalabsorption die Gewährung eines Mehrbedarfs nicht erforderlich.
Am 9. Februar 2009 haben die Klägerinnen beim Sozialgericht Fulda Klage erhoben, die sich zunächst auch noch gegen andere Bescheide des MKK richtete. Im Laufe des Klageverfahrens ist der Beklagte im Wege der Funktionsnachfolge an die Stelle des MKK getreten. Die Klägerinnen haben vorgetragen, die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge könnten für Kinder und Jugendliche keine Anwendung finden.
Der Beklagte hat vorgetragen, die Notwendigkeit, bestimmte Lebensmittel zu vermeiden, führe nicht zwangsläufig zu höheren Kosten.
In einem gerichtlichen Vergleich vom 24. Juni 2009, der die anderen Streitgegenstände dieses Verfahrens sowie weitere Verfahren erledigte, erklärte sich der Beklagte bereit, wenn die Klage hinsichtlich des ernährungsbedingten Mehraufwands Erfolg haben sollte, diesen ab dem 1. August 2008 nachzuzahlen.
Im weiteren Verfahren reichten die Klägerinnen einen Bericht der WW-Kliniken gGmbH vom 23. September 2008 nach, der als Diagnosen eine Laktoseintoleranz und Fruktoseunverträglichkeit angibt. Weiter heißt es: "Wir empfehlen eine laktosearme sowie fruktosearme Diät für zunächst 6 Monate sowie eine Kontrolle der H2-Atemteste in 6 Monaten". Dr. QQ. führt in seinem Schreiben vom 4. September 2009 an das Sozialgericht aus: " es gilt die Empfehlung, sich laktosefrei zu ernähren. Dies bedeutet in praxi den Verzicht auf Milchzucker in allen Varianten; eine Ernährung mit laktosefreien Produkten (sogenannte Minus L-Produkte) ist möglich. Dies sind heutzutage in jedem Supermarkt zu erstehen." Eine Spezialnahrung sei nicht nötig. Ob die sogenannten Minus-L-Produkte teurer seien, vermöge er nicht zu sagen. Die Klägerinnen trugen hierzu vor, laktosefreie Produkte seien fast ausschließlich in Spezialgeschäften und in "gut sortierten" Supermärkten, nicht jedoch bei Discountern zu erhalten. Sie seien zum Teil bis zu 100 Prozent teurer als laktosehaltige Lebensmittel.
Nach weiteren Ermittlungen zum Sortiment des Discounters XY. hat das Sozialgericht Fulda der Klage mit Urteil vom 27. Oktober 2010 stattgegeben und den Beklagten verurteilt, der Klägerin zu 2) seit Antragstellung einen monatlichen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 30 % des in der Regelleistung enthaltenen Betragsanteils für Nahrungsmittel und Getränke zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach § 21 Abs. 5 SGB II, der über § 28 Abs. 1 SGB II auch für Sozialgeldempfänger gelte, erhielten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürften, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Voraussetzung für die Gewährung eines solchen Mehrbedarfs sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer drohenden oder bestehenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer kostenaufwändigen Ernährung. Dieser ursächliche Zusammenhang müsse nachgewiesen sein und zwar grundsätzlich durch ein ärztliches Attest, welches die Erforderlichkeit der besonderen verordneten Kostform darlege. Die vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen, insbesondere die Berichte der Klinik bestätigten, dass die Klägerin zu 2) an einer Laktose- und Fruktoseintoleranz leide. Dass sich die Fruktoseintoleranz wie in dem Befundbericht Dr. QQ. vom 4. September 2009 erwähnt, nahezu normalisiert habe, könne angesichts der zeitlich nachfolgenden Berichte der WW-Kliniken gGmbH vom 27. Januar 2010 und 3. Februar 2010, die weiterhin eine fruktose- und laktosearme Ernährung empfehlen, nicht nachvollzogen werden. Die notwendige Ernährungsweise der Klägerin zu 2) bedinge einen besonderen Kostenaufwand. Hinsichtlich der Kostformen und der diesbezüglich diagnostizierten Erkrankungen, die zur Leistung eines Mehrbedarfs führen sollen, ergäben sich zwar aus dem Gesetz keine Vorgaben. Allerdings solle nach der Gesetzesbegründung eine Orientierung vor allem an den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge erfolgen. Ob es sich bei den zwischenzeitlich aktualisierten Empfehlungen des Deutschen Vereins vom 1. Oktober 2008 nunmehr um antizipierte Sachverständigengutachten handele, könne im Ergebnis dahingestellt bleiben, da auch in diesem Falle Leistungsträger und Gerichte nicht von der Ermittlungspflicht im Einzelfall entbunden seien. Entscheidend sei, dass die Empfehlungen jedenfalls geeignet seien, als Grundlage für eine gleichmäßige und kontinuierliche Praxis und Rechtsprechung zu dienen, so dass sie im Regelfall als Orientierungshilfe herangezogen werden könnten. Zwar werde in den aktualisierten Empfehlungen des Deutschen Vereins ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese vor dem Hintergrund, dass zum Zeitpunkt der Erstellung ein eigenständiges Bemessungsverfahren für die Regelsätze für Minderjährige noch ausstand, weiterhin ausschließlich für Erwachsene gelten. Die Kammer sehe sich aber dennoch nicht daran gehindert, die Ausführungen des Deutschen Vereins bei minderjährigen Anspruchsstellern zumindest als weiteres Indiz für das Erfordernis einer kostenaufwändigen Ernährung heranzuziehen.
Im Ergebnis ist das Sozialgericht zu der Überzeugung gelangt, dass ein monatlicher Mehrbedarf in Höhe von 10 Prozent der Regelleistung - im Fall der Klägerin zu 2) seien dies 28,70 EUR -, wie sie der Deutsche Verein in seinen aktualisierten Empfehlungen vom 1. Oktober 2008 (im Hinblick auf volljährige Hilfebedürftige) bei konsumierenden Erkrankungen bzw. bei einer gestörten Nährstoffaufnahme oder Nährstoffverwertung vorsehe, noch nicht ausreichend erscheine, um den Mehrbedarf bei Laktose- und Fruktoseintoleranz zu decken. In Anbetracht der Tatsache, dass zum einen die Empfehlungen des Deutschen Vereins auf minderjährige Hilfebedürftige nicht ohne weiteres unmittelbar angewendet werden könnten und zum anderen die Klägerin zu 2) auch an einer Fruktoseunverträglichkeit leide, erachte die Kammer einen monatlichen Mehrbedarf von 30 Prozent des in der Regelleistung enthaltenen Betragsanteils für Nahrungsmittel und Getränke als angemessen. Die Kammer könne sich nicht dem Vorbringen der Klägerinnen anschließen, wonach bei jedem Einkauf Mehrkosten in Höhe von 40 Prozent anfielen. Auch wenn diese Mehrkosten durch die vorgelegten Einkaufsquittungen belegt seien, sei nicht davon auszugehen, dass bei jedem Einkauf laktose- und fruktosefreie Lebensmittel in dem dort aufgeführten Umfang erworben würden. Vor dem Hintergrund, dass der Antrag auf Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung am 17. Oktober 2008 gesondert gestellt wurde, sei der gesamte Zeitraum seit Antragstellung bis zur Entscheidung des Gerichts streitgegenständlich.
Mit ihrer am 8. Dezember 2010 eingelegten Berufung verfolgen die Klägerinnen ihr Begehren weiter mit dem Ziel, eine Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines höheren, als von dem erstinstanzlichen Gericht als angemessen angesehenen Mehrbedarfs zu erreichen.
Die Klägerinnen haben geltend gemacht, das Gericht müsse nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Einzelfallprüfung vornehmen, um den konkreten Bedarf zu ermitteln. Dies habe das Sozialgericht unterlassen.
Die Klägerinnen beantragen (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 27. Oktober 2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin zu 2) seit Antragstellung einen monatlichen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 70,00 EUR für den Zeitraum bis 30. Juni 2009 und für den Zeitraum ab 1. Juli 2009 in Höhe von 72,00 EUR zu gewähren;
hilfsweise
den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin zu 2) seit Antragstellung einen monatlichen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Der Beklagte hat geltend gemacht, entscheidendes Merkmal des § 21 Abs. 5 SGB II sei das des "Bedürfens". Maßgeblich könne daher nicht sein, wie viel laktosefreie Joghurts und andere Milchprodukte die Klägerin konsumieren möchte, sondern es komme darauf an, wie viel sie zwecks Meidung einer Mangel- oder Unterernährung benötige. Mit dieser Argumentation habe das Sozialgericht Detmold in einem Fall der Laktoseintoleranz bei Morbus Crohn bereits einen Anspruch dem Grunde nach verneint (SG Detmold vom 15. Juni 2010 - S 2 (6) SO 141/07 - juris).
Der Berichterstatter hat mit Hinweisschreiben vom 9. August 2011 darauf hingewiesen, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein individueller Mehrbedarf in einer den erstinstanzlich festgestellten Bedarf übersteigenden Höhe nicht vorgetragen sei. Da es sich um einen Umstand in der Sphäre der Klägerin zu 2) handele, sei insoweit eine Amtsermittlung "ins Blaue hinein" in Gestalt der Einholung eines ernährungswissenschaftliches Gutachtens weder erforderlich noch weiterführend.
Die Beteiligten wurden auf die Möglichkeit einer Entscheidung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen und dazu angehört.
Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Gerichtsakte des Parallelverfahrens S 10 AS 230/09 und der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat nach Anhörung der Beteiligten von der in § 153 Abs. 4 SGG vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht und durch Beschluss entschieden, weil er das Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Die Berufung ist statthaft, da das Sozialgericht sie gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen hat und das Landessozialgericht an die Zulassung gebunden ist (§ 144 Abs. 3 SGG).
Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, aber nicht begründet.
Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung kein abtrennbarer Teil der Regelung über die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II und kann damit nicht allein Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein (vgl. BSG vom 22. November 2011 – B 4 AS 138/10 R m.w.N.). Hier wurde jedoch in erster Instanz am 24. Juni 2009 ein Teilvergleich abgeschlossen, mit dem die anderen Streitpunkte (Fahrtkosten, Kosten für Fahrzeugreparaturen), die die Höhe der Leistungsgewährung insgesamt beeinflussen, unstreitig gestellt und die Überprüfung der angegriffenen Bescheide auf den Teilpunkt Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung begrenzt. Eine solche prozessuale Regelung durch Teilvergleich ist möglich (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 B 7 AS 8/06, juris Rn. 22) und führt hier mangels Anschlussberufung des Beklagten im Ergebnis dazu, dass im Berufungsverfahren allein noch zu prüfen ist, ob der Klägerin zu 2) ab dem 1. August 2008 ein höherer Mehrbedarf zusteht als in Höhe von 30 Prozent des Anteils für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke an der Regelleistung.
Der 1996 geborenen Klägerin zu 2) steht – fortbestehende Hilfebedürftigkeit vorausgesetzt - ab Alter 15 bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres am 24. August 2014 Sozialgeld nach § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. SGB II zu. Seit 1. Januar 2013 beträgt der Regelsatz nach § 20 Abs. 5 SGB II 289,00 EUR. In den ab 1. Januar 2011 geltenden Regelbedarfstufen war für Jugendliche im Alter vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres 124,02 EUR für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke im Regelbedarf in Höhe von 287,00 EUR enthalten (Lenze in LPK-SGB II 4. Aufl. 2011 Anhang zu § 20 vor Rn. 1). Bei einem Regelbedarf von 289,00 EUR entspricht dem prozentual ein Anteil von 124,88 EUR für Nahrungsmittel und alkoholfrei Getränke. 30 Prozent hiervon sind 37,46 EUR. Die Klägerin begehrt für den Zeitraum ab 1. Juli 2009 72,00 EUR, also fast das Doppelte.
Es ist hier nicht zu entscheiden, ob wegen der Laktose- und Fruktoseintoleranz der Klägerin zu 2) überhaupt ein Mehrbedarf besteht, da der Beklagte nicht in Anschlussberufung gegangen ist. Es kann deshalb dahinstehen, ob das Urteil des Landessozialgerichts Thüringen vom 22. Februar 2012 - L 4 AS 1685/10, juris, wonach auf der Grundlage des dort eingeholten ernährungswissenschaftlichen Gutachtens höhere Ernährungskosten in Vergleich zu Gesunden bei jedweder Form der Laktoseintoleranz nicht anfallen, überzeugt.
Es ist auch nicht zu entscheiden, ob die Zuerkennung eines Mehrbedarfs in Höhe von 30 Prozent des Bedarfs für Nahrungsmittel und Getränke zu hoch ist. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein, ob der der Klägerin zu 2) zuzuerkennende Mehrbedarf noch höher ausfallen müsste. Dies ist nach Überzeugung des Senats auf der Grundlage der überzeugenden Darlegungen von Dr. QQ. vom 4. September 2009 jedenfalls zu verneinen. Einer weiteren Beweisaufnahme, insbesondere der Einholung eines ernährungswissenschaftlichen Gutachtens zur Klärung der Frage, ob der Klägerin zu 2) ein höherer Mehrbedarf wegen Laktose- und Fruktoseintoleranz als der erstinstanzlich zugesprochene Betrag von 30 Prozent des in der Regelleistung enthaltenen Betragsanteils für Nahrungsmittel und Getränke zusteht, bedurfte es nach Auffassung des Senats nicht.
Nach § 21 Abs. 5 SGB II wird bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Der Anspruch auf einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB II setzt voraus, dass die hilfebedürftige Person wegen einer Krankheit oder Behinderung eine besondere Ernährung benötigt und dass die konkret benötigte Ernährung tatsächlich kostenaufwändiger als die eines gesunden oder nicht-behinderten Menschen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt der Mehrbedarf § 21 Abs. 5 SGB II einen konkreten Bedarf voraus, der im Rahmen einer Einzelfallprüfung zu ermitteln ist (Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/7b AS 32/06 R - m.w.N.).
Dies erfordert nach Auffassung des Senates auf der ersten Stufe zunächst einen (abstrakten) Kausalzusammenhang zwischen einer Erkrankung und einer hierdurch indizierten Ernährungsweise. Da es sich um einen Mehrbedarf handelt, muss die Bedarfslage in der Person des Hilfebedürftigen tatsächlich bestehen. Dieser abstrakte Kausalzusammenhang zwischen Laktose- und Fruktoseintoleranz und der Empfehlung einer laktose- und fruktosearmen (vgl. die letzten vorliegenden ärztlichen Empfehlungen in den Arztbriefen der WW-Kliniken gGmbH vom 27. Januar 2010 und 3. Februar 2010), nicht einer laktose- und fruktosefreien Ernährung ist hier belegt.
Es entspricht dem Grundsatz individueller Bedarfsdeckung, dass ein Anspruch nach § 21 Abs. 5 SGB II nicht bereits dann besteht, wenn eine Erkrankung festgestellt wurde, deren Therapie oder Symptomlinderung abstrakt einer kostenaufwändigen Ernährung bedarf. Vielmehr muss – auf der zweiten Stufe – ein konkreter Bedarf bestehen, diese kostenaufwändige Ernährung in Anspruch zu nehmen. Der Leistungsberechtigte muss insoweit konkrete Umstände vortragen, dass er sich der Notwendigkeit der Diät bewusst ist und sich diätgemäß ernährt bzw. ernähren will (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. November 2006 - L 19 B 83/06 AS ER - juris).
Der auf einer dritten Stufe anzustellende Kostenvergleich bezieht sich auf den in der Regelleistung anerkannten Betrag für Ernährung und Getränke. Die Anerkennung eines Mehrbedarfs ist begrifflich immer nur in Bezug auf diesen Regelbedarfsbetrag möglich. Ob ein Mehrbedarf besteht, wie sich der Mehrbedarf konkret zusammensetzt und welche Mehrkosten er verursacht, ist eine Tatsachenfrage (vgl. Landessozialgericht Sachsen, Beschluss vom 12. Februar 2009, L 3 B 428/08 AS – NZB; SG Karlsruhe, Urteil vom 31. März 2011 - S 4 AS 2626/09 - juris).
Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei einer Kombination aus Laktose- und Fruktoseintoleranz eine diätetische Ernährungsweise erforderlich ist, die einen erhöhten Kostenaufwand begründet, wovon auch das Sozialgericht ausgegangen ist. Hinsichtlich der Klägerin zu 2) wird aber lediglich punktuell mit Schriftsatz vom 4. November 2009 das nach obigem Maßstab auf der zweiten und dritten Stufe maßgebliche Ausgabeverhalten bzw. die beabsichtigte Ernährung dargelegt. Selbst die punktuellen Schilderungen vermögen aus sich heraus jedenfalls einen höheren als den erstinstanzlich zugesprochenen Bedarf nicht zu begründen. Die beiden vorgelegten Kassenbons vom 24. und 28. Oktober 2009 belegen zwar, dass an diesen beiden Tagen laktosefreie und "minus-L"-Produkte für knapp 28,- EUR eingekauft wurden. Geht man davon aus, dass es sich um den Bedarf für 10 Tage handelt (es wurden alleine vier Liter laktosefreie bzw. "minus-L" Milch gekauft) und unterstellt man zugunsten der Klägerin zu 2), dass die Mehrkosten laktosefreier Milchprodukte 50 Prozent betragen, so gelangt man zu einem zehntäglichen Mehrbedarf von unter 10,- EUR, mithin einem unter der zuerkannten Leistung liegenden Betrag.
Entgegen der Ankündigung mit Schriftsatz vom 9. September 2011 ist weiterer Tatsachenvortrag zum Ausgabeverhalten nicht erfolgt. Ohne einen derartigen Vortrag, der allein in der Sphäre der Klägerinnen liegt, besteht kein Anlass zu einer weiteren Beweisaufnahme, worauf mit Verfügung des Senats vom 9. August 2011 hingewiesen worden ist. Eine Beweisaufnahme "ins Blaue hinein" zu der noch allein erheblichen Frage, ob die Klägerin zu 2) einen ernährungsbedingten Mehraufwand von über 30 Prozent des in der Regelleistung enthaltenen Betragsanteils für Nahrungsmittel und Getränke hat, ohne dass mitgeteilt wird, wie sich die Klägerin zu 2) ernährt und welche laktose- und fruktosearmen Nahrungsmittel und Getränke sie zu sich nimmt, ist nicht geboten. Es kann daher offen bleiben, ob der Konsum von "minus-L"-Produkten im durch die beiden Kassenbons belegten Umfang geboten ist. Hieran hegt der Senat erhebliche Zweifel, da im Falle einer laktosearmen Ernährung die empfohlene Zufuhrmenge an Calcium wohl auch ohne den Kauf von ggf. teureren laktosefreien Produkten durch den gezielten Einkauf normaler calciumreicher Lebensmittel (z.B. calciumreiches Mineralwasser) erreicht werden kann (vgl. näher SG Detmold vom 15. Juni 2010 - S 2 (6) SO 141/07 – juris und die von klägerischer Seite in erster Instanz vorgelegten Empfehlungen zur Ernährung bei Milchzuckerunverträglichkeit (Laktose-Intoleranz) des Universitätsklinikums Gießen). Dem ergänzenden Vortrag vom 9. September 2011 ist was im Gegensatz zur Darlegung des Dr. QQ. vom 4. September 2009 stünde – auch nicht zu entnehmen, dass die Fruktoseintoleranz einer entsprechenden Ernährung entgegenstünde.
Überdies ergaben die von Beklagtenseite mit Schriftsatz vom 30. April 2012 vorgetragenen und von Seiten der Klägerinnen unwidersprochen gebliebenen Ergebnisse seiner einschlägigen Ermittlungen zum Angebot laktosefreier Produkten bei Discountern für das Gericht nachvollziehbar für die Ersetzung herkömmlicher Milch durch laktosefreie Milch einen monatlichen Mehrbedarf in Höhe von ca. 6,00 Euro.
Den Vortrag der Klägerinnen, dass in verarbeiteten Lebensmitteln, z.B. Fertigprodukten, in der Regel Laktose enthalten und häufig auch der Fruktoseanteil hoch sei, hält der Senat für zutreffend. Dies spricht gegen eine Verwendung – häufig teurer - Fertigprodukte und für die eigene und damit regelmäßig kostengünstigere Zubereitung der Speisen. Der klägerische Vortrag zur Vermeidung von Fertigprodukten vermag damit das Begehren nach einem höheren als dem erstinstanzlich zuerkannten Mehrbedarf nicht zu stützen.
Auch hinsichtlich der Fruktoseunverträglichkeit gibt der Vortrag der Klägerinnen keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen. Die Klägerinnen halten folgende Obst- und Gemüsesorten für geeignet: Rhabarber; Zitrone, Limette, Papaya, Honigmelonen, Aprikosen, Sauerkirschen, Pfirsiche, Bohnen, Kopfsalat, Feldsalat, Chicoree, Spargel, Pilze, Rettich, Radieschen, Tomaten. Diese Produkte sind je nach Saison auch bei Discountern und damit günstig erhältlich.
Soweit wohl allein das Bayerische Landessozialgericht mit Urteil vom 13. September 2007 - L 11 AS 258/06 –, juris in einem Einzelfall einen höheren Bedarf zugesprochen hat, ist den dortigen Entscheidungsgründen weder der zugrundeliegende medizinische Erkenntnisstand noch eine dem hier zugrunde gelegten rechtlichen Maßstab entsprechende Tatsachenermittlung zu entnehmen. Zudem beruht die Entscheidung auf der überholten Fassung der Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge.
Auch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 9. Juni 2011 - B 8 SO 11/10 R, juris - erfordert für den vorliegenden Fall keine andere Beurteilung. Dort wird verlangt, bei einem Leistungsempfänger, bei dem mehrere Erkrankungen vorliegen, für die jeweils ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung aus medizinischen Gründen geltend gemacht wird, den Ernährungsaufwand aufgrund des gesamten Krankheitsbildes konkret zu ermitteln. Maßgeblich sei stets der Betrag, mit dem der medizinisch begründete, tatsächliche Kostenaufwand für eine Ernährung ausgeglichen werden könne, der von der Regelleistung nicht gedeckt ist. Er sei im Einzelfall im Wege der Amtsermittlung durch Einholung medizinischer und/oder ernährungswissenschaftlicher Stellungnahmen oder Gutachten zu klären. Für einen ernährungsbedingten Mehraufwand sei nicht entscheidend, ob ein bestimmtes Nahrungsmittel bei der Ernährung weggelassen werden könne. Entscheidend sei vielmehr, ob und durch welche Nahrungsmittel es ersetzt werden müsse und ob hierdurch Mehrkosten entstünden.
Vorliegend ist – anders als in dem Fall, der der zitierten Entscheidung des Bundessozialgericht zugrunde lag - das Krankheitsbild der Klägerin zu 2) ausermittelt. Der Senat stützt sich insoweit auf die Berichte der WW-Kliniken vom 27. Januar 2010 sowie 3. Februar 2010 und den Arztbericht von Dr. QQ. vom 4. September 2009.
Anhaltspunkte dafür, dass sich das in der angeführten Entscheidung des Bundessozialgerichts behandelte Problem einer ärztlichen Beurteilung des Ernährungsaufwands unter Berücksichtigung der wechselseitigen Auswirkungen verschiedener Erkrankungen auf die Ernährung für die hier allein noch zu klärende Frage, ob ein noch höherer als der erstinstanzlich zuerkannte Mehrbedarf zu gewähren ist, in entscheidungserheblicher Weise stellt, sieht der Senat danach nicht. Nach dem Vortrag der Klägerinnen gibt es keinen eine weitere Amtsermittlungspflicht auslösenden Anhalt dafür, dass ein noch höherer Mehrbedarf als in Höhe von 30 Prozent des in der Regelleistung enthaltenen Beitragsanteils für Nahrungsmittel und Getränke bedarfsgerecht sein könnte. Daher bedurfte es vorliegend nicht der Einholung eines medizinischen oder ernährungswissenschaftlichen Gutachtens.
Anders als im Fall des Bundessozialgerichts vom 9. Juni 2011 - B 8 SO 11/10 R, juris - haben die Beteiligten vorliegend andere Streitpunkte durch Teilvergleich unstreitig gestellt und die Überprüfung der angegriffenen Bescheide damit auf den Teilpunkt Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung begrenzt. Diese Regelung führt hier mangels Anschlussberufung des Beklagten im Ergebnis dazu, dass der Beklagte, den vom Sozialgericht ab Antragstellung ausgeurteilten Mehrbedarf ab 1. August 2008, dem Ersten des Monats, in dem nach dem Krankenhausaufenthalt der Klägerin zu 2) die Nahrungsmittelunverträglichkeiten erstmals festgestellt wurden, zu gewähren hat (vgl. Nr. 3 des Vergleichs vom 24. Juni 2009).
Die Berufung ist nach allem unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Klägerin zu 2) wegen kostenaufwändiger Ernährung.
Die Klägerin zu 1) und ihre 1996 geborene Tochter, die Klägerin zu 2), beziehen seit dem Jahr 2005 Leistungen nach dem SGB II. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2008 wandte sich die Klägerin zu 1) an den damals zuständigen Leistungsträger, den Main-Kinzig-Kreis (MKK), und teilte mit, dass bei der Klägerin zu 2) nach einem Krankenhausaufenthalt vom 31. August 2008 bis 2. September 2008 eine Laktose– und Fruktoseunverträglichkeit festgestellt worden sei und beantragte die Bewilligung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung. Sie legte ein ärztliches Attest von Dr. QQ. vom 30. September 2008 vor, wonach bei der Klägerin zu 2) durch Atemtests eine Laktoseintoleranz und eine Fruktosemalabsorption nachgewiesen worden sei. Auf eine fruktose- und laktosearme Diät sei zu achten.
Mit Bescheid vom 22. Oktober 2008 lehnte der MKK den Antrag mit der Begründung ab, dass die Kriterien für die Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung nicht vorlägen. In ihrem Widerspruch vom 4. November 2008 machten die Klägerinnen geltend, dass aufgrund der festgestellten Laktose– und Fruktoseunverträglichkeit ein Mehrbedarf in Höhe von 71,58 EUR monatlich zu gewähren sei. Bei Laktose- und Fruktoseunverträglichkeit bzw. Intoleranz sei eine glutenfreie Kost erforderlich.
Die MKK wies mit Widerspruchsbescheid vom 29. Dezember 2008 den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach den neuesten ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen, die u.a. in die für die Beurteilung eines Mehrbedarfs heranzuziehenden Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge (Stand Oktober 2008) mündeten, sei für die bei der Klägerin zu 2) festgestellte Laktoseintoleranz und Fruktosemalabsorption die Gewährung eines Mehrbedarfs nicht erforderlich.
Am 9. Februar 2009 haben die Klägerinnen beim Sozialgericht Fulda Klage erhoben, die sich zunächst auch noch gegen andere Bescheide des MKK richtete. Im Laufe des Klageverfahrens ist der Beklagte im Wege der Funktionsnachfolge an die Stelle des MKK getreten. Die Klägerinnen haben vorgetragen, die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge könnten für Kinder und Jugendliche keine Anwendung finden.
Der Beklagte hat vorgetragen, die Notwendigkeit, bestimmte Lebensmittel zu vermeiden, führe nicht zwangsläufig zu höheren Kosten.
In einem gerichtlichen Vergleich vom 24. Juni 2009, der die anderen Streitgegenstände dieses Verfahrens sowie weitere Verfahren erledigte, erklärte sich der Beklagte bereit, wenn die Klage hinsichtlich des ernährungsbedingten Mehraufwands Erfolg haben sollte, diesen ab dem 1. August 2008 nachzuzahlen.
Im weiteren Verfahren reichten die Klägerinnen einen Bericht der WW-Kliniken gGmbH vom 23. September 2008 nach, der als Diagnosen eine Laktoseintoleranz und Fruktoseunverträglichkeit angibt. Weiter heißt es: "Wir empfehlen eine laktosearme sowie fruktosearme Diät für zunächst 6 Monate sowie eine Kontrolle der H2-Atemteste in 6 Monaten". Dr. QQ. führt in seinem Schreiben vom 4. September 2009 an das Sozialgericht aus: " es gilt die Empfehlung, sich laktosefrei zu ernähren. Dies bedeutet in praxi den Verzicht auf Milchzucker in allen Varianten; eine Ernährung mit laktosefreien Produkten (sogenannte Minus L-Produkte) ist möglich. Dies sind heutzutage in jedem Supermarkt zu erstehen." Eine Spezialnahrung sei nicht nötig. Ob die sogenannten Minus-L-Produkte teurer seien, vermöge er nicht zu sagen. Die Klägerinnen trugen hierzu vor, laktosefreie Produkte seien fast ausschließlich in Spezialgeschäften und in "gut sortierten" Supermärkten, nicht jedoch bei Discountern zu erhalten. Sie seien zum Teil bis zu 100 Prozent teurer als laktosehaltige Lebensmittel.
Nach weiteren Ermittlungen zum Sortiment des Discounters XY. hat das Sozialgericht Fulda der Klage mit Urteil vom 27. Oktober 2010 stattgegeben und den Beklagten verurteilt, der Klägerin zu 2) seit Antragstellung einen monatlichen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 30 % des in der Regelleistung enthaltenen Betragsanteils für Nahrungsmittel und Getränke zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach § 21 Abs. 5 SGB II, der über § 28 Abs. 1 SGB II auch für Sozialgeldempfänger gelte, erhielten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürften, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Voraussetzung für die Gewährung eines solchen Mehrbedarfs sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer drohenden oder bestehenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer kostenaufwändigen Ernährung. Dieser ursächliche Zusammenhang müsse nachgewiesen sein und zwar grundsätzlich durch ein ärztliches Attest, welches die Erforderlichkeit der besonderen verordneten Kostform darlege. Die vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen, insbesondere die Berichte der Klinik bestätigten, dass die Klägerin zu 2) an einer Laktose- und Fruktoseintoleranz leide. Dass sich die Fruktoseintoleranz wie in dem Befundbericht Dr. QQ. vom 4. September 2009 erwähnt, nahezu normalisiert habe, könne angesichts der zeitlich nachfolgenden Berichte der WW-Kliniken gGmbH vom 27. Januar 2010 und 3. Februar 2010, die weiterhin eine fruktose- und laktosearme Ernährung empfehlen, nicht nachvollzogen werden. Die notwendige Ernährungsweise der Klägerin zu 2) bedinge einen besonderen Kostenaufwand. Hinsichtlich der Kostformen und der diesbezüglich diagnostizierten Erkrankungen, die zur Leistung eines Mehrbedarfs führen sollen, ergäben sich zwar aus dem Gesetz keine Vorgaben. Allerdings solle nach der Gesetzesbegründung eine Orientierung vor allem an den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge erfolgen. Ob es sich bei den zwischenzeitlich aktualisierten Empfehlungen des Deutschen Vereins vom 1. Oktober 2008 nunmehr um antizipierte Sachverständigengutachten handele, könne im Ergebnis dahingestellt bleiben, da auch in diesem Falle Leistungsträger und Gerichte nicht von der Ermittlungspflicht im Einzelfall entbunden seien. Entscheidend sei, dass die Empfehlungen jedenfalls geeignet seien, als Grundlage für eine gleichmäßige und kontinuierliche Praxis und Rechtsprechung zu dienen, so dass sie im Regelfall als Orientierungshilfe herangezogen werden könnten. Zwar werde in den aktualisierten Empfehlungen des Deutschen Vereins ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese vor dem Hintergrund, dass zum Zeitpunkt der Erstellung ein eigenständiges Bemessungsverfahren für die Regelsätze für Minderjährige noch ausstand, weiterhin ausschließlich für Erwachsene gelten. Die Kammer sehe sich aber dennoch nicht daran gehindert, die Ausführungen des Deutschen Vereins bei minderjährigen Anspruchsstellern zumindest als weiteres Indiz für das Erfordernis einer kostenaufwändigen Ernährung heranzuziehen.
Im Ergebnis ist das Sozialgericht zu der Überzeugung gelangt, dass ein monatlicher Mehrbedarf in Höhe von 10 Prozent der Regelleistung - im Fall der Klägerin zu 2) seien dies 28,70 EUR -, wie sie der Deutsche Verein in seinen aktualisierten Empfehlungen vom 1. Oktober 2008 (im Hinblick auf volljährige Hilfebedürftige) bei konsumierenden Erkrankungen bzw. bei einer gestörten Nährstoffaufnahme oder Nährstoffverwertung vorsehe, noch nicht ausreichend erscheine, um den Mehrbedarf bei Laktose- und Fruktoseintoleranz zu decken. In Anbetracht der Tatsache, dass zum einen die Empfehlungen des Deutschen Vereins auf minderjährige Hilfebedürftige nicht ohne weiteres unmittelbar angewendet werden könnten und zum anderen die Klägerin zu 2) auch an einer Fruktoseunverträglichkeit leide, erachte die Kammer einen monatlichen Mehrbedarf von 30 Prozent des in der Regelleistung enthaltenen Betragsanteils für Nahrungsmittel und Getränke als angemessen. Die Kammer könne sich nicht dem Vorbringen der Klägerinnen anschließen, wonach bei jedem Einkauf Mehrkosten in Höhe von 40 Prozent anfielen. Auch wenn diese Mehrkosten durch die vorgelegten Einkaufsquittungen belegt seien, sei nicht davon auszugehen, dass bei jedem Einkauf laktose- und fruktosefreie Lebensmittel in dem dort aufgeführten Umfang erworben würden. Vor dem Hintergrund, dass der Antrag auf Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung am 17. Oktober 2008 gesondert gestellt wurde, sei der gesamte Zeitraum seit Antragstellung bis zur Entscheidung des Gerichts streitgegenständlich.
Mit ihrer am 8. Dezember 2010 eingelegten Berufung verfolgen die Klägerinnen ihr Begehren weiter mit dem Ziel, eine Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines höheren, als von dem erstinstanzlichen Gericht als angemessen angesehenen Mehrbedarfs zu erreichen.
Die Klägerinnen haben geltend gemacht, das Gericht müsse nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Einzelfallprüfung vornehmen, um den konkreten Bedarf zu ermitteln. Dies habe das Sozialgericht unterlassen.
Die Klägerinnen beantragen (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 27. Oktober 2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin zu 2) seit Antragstellung einen monatlichen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 70,00 EUR für den Zeitraum bis 30. Juni 2009 und für den Zeitraum ab 1. Juli 2009 in Höhe von 72,00 EUR zu gewähren;
hilfsweise
den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin zu 2) seit Antragstellung einen monatlichen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Der Beklagte hat geltend gemacht, entscheidendes Merkmal des § 21 Abs. 5 SGB II sei das des "Bedürfens". Maßgeblich könne daher nicht sein, wie viel laktosefreie Joghurts und andere Milchprodukte die Klägerin konsumieren möchte, sondern es komme darauf an, wie viel sie zwecks Meidung einer Mangel- oder Unterernährung benötige. Mit dieser Argumentation habe das Sozialgericht Detmold in einem Fall der Laktoseintoleranz bei Morbus Crohn bereits einen Anspruch dem Grunde nach verneint (SG Detmold vom 15. Juni 2010 - S 2 (6) SO 141/07 - juris).
Der Berichterstatter hat mit Hinweisschreiben vom 9. August 2011 darauf hingewiesen, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein individueller Mehrbedarf in einer den erstinstanzlich festgestellten Bedarf übersteigenden Höhe nicht vorgetragen sei. Da es sich um einen Umstand in der Sphäre der Klägerin zu 2) handele, sei insoweit eine Amtsermittlung "ins Blaue hinein" in Gestalt der Einholung eines ernährungswissenschaftliches Gutachtens weder erforderlich noch weiterführend.
Die Beteiligten wurden auf die Möglichkeit einer Entscheidung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen und dazu angehört.
Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Gerichtsakte des Parallelverfahrens S 10 AS 230/09 und der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat nach Anhörung der Beteiligten von der in § 153 Abs. 4 SGG vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht und durch Beschluss entschieden, weil er das Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Die Berufung ist statthaft, da das Sozialgericht sie gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen hat und das Landessozialgericht an die Zulassung gebunden ist (§ 144 Abs. 3 SGG).
Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, aber nicht begründet.
Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung kein abtrennbarer Teil der Regelung über die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II und kann damit nicht allein Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein (vgl. BSG vom 22. November 2011 – B 4 AS 138/10 R m.w.N.). Hier wurde jedoch in erster Instanz am 24. Juni 2009 ein Teilvergleich abgeschlossen, mit dem die anderen Streitpunkte (Fahrtkosten, Kosten für Fahrzeugreparaturen), die die Höhe der Leistungsgewährung insgesamt beeinflussen, unstreitig gestellt und die Überprüfung der angegriffenen Bescheide auf den Teilpunkt Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung begrenzt. Eine solche prozessuale Regelung durch Teilvergleich ist möglich (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 B 7 AS 8/06, juris Rn. 22) und führt hier mangels Anschlussberufung des Beklagten im Ergebnis dazu, dass im Berufungsverfahren allein noch zu prüfen ist, ob der Klägerin zu 2) ab dem 1. August 2008 ein höherer Mehrbedarf zusteht als in Höhe von 30 Prozent des Anteils für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke an der Regelleistung.
Der 1996 geborenen Klägerin zu 2) steht – fortbestehende Hilfebedürftigkeit vorausgesetzt - ab Alter 15 bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres am 24. August 2014 Sozialgeld nach § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. SGB II zu. Seit 1. Januar 2013 beträgt der Regelsatz nach § 20 Abs. 5 SGB II 289,00 EUR. In den ab 1. Januar 2011 geltenden Regelbedarfstufen war für Jugendliche im Alter vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres 124,02 EUR für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke im Regelbedarf in Höhe von 287,00 EUR enthalten (Lenze in LPK-SGB II 4. Aufl. 2011 Anhang zu § 20 vor Rn. 1). Bei einem Regelbedarf von 289,00 EUR entspricht dem prozentual ein Anteil von 124,88 EUR für Nahrungsmittel und alkoholfrei Getränke. 30 Prozent hiervon sind 37,46 EUR. Die Klägerin begehrt für den Zeitraum ab 1. Juli 2009 72,00 EUR, also fast das Doppelte.
Es ist hier nicht zu entscheiden, ob wegen der Laktose- und Fruktoseintoleranz der Klägerin zu 2) überhaupt ein Mehrbedarf besteht, da der Beklagte nicht in Anschlussberufung gegangen ist. Es kann deshalb dahinstehen, ob das Urteil des Landessozialgerichts Thüringen vom 22. Februar 2012 - L 4 AS 1685/10, juris, wonach auf der Grundlage des dort eingeholten ernährungswissenschaftlichen Gutachtens höhere Ernährungskosten in Vergleich zu Gesunden bei jedweder Form der Laktoseintoleranz nicht anfallen, überzeugt.
Es ist auch nicht zu entscheiden, ob die Zuerkennung eines Mehrbedarfs in Höhe von 30 Prozent des Bedarfs für Nahrungsmittel und Getränke zu hoch ist. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein, ob der der Klägerin zu 2) zuzuerkennende Mehrbedarf noch höher ausfallen müsste. Dies ist nach Überzeugung des Senats auf der Grundlage der überzeugenden Darlegungen von Dr. QQ. vom 4. September 2009 jedenfalls zu verneinen. Einer weiteren Beweisaufnahme, insbesondere der Einholung eines ernährungswissenschaftlichen Gutachtens zur Klärung der Frage, ob der Klägerin zu 2) ein höherer Mehrbedarf wegen Laktose- und Fruktoseintoleranz als der erstinstanzlich zugesprochene Betrag von 30 Prozent des in der Regelleistung enthaltenen Betragsanteils für Nahrungsmittel und Getränke zusteht, bedurfte es nach Auffassung des Senats nicht.
Nach § 21 Abs. 5 SGB II wird bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Der Anspruch auf einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB II setzt voraus, dass die hilfebedürftige Person wegen einer Krankheit oder Behinderung eine besondere Ernährung benötigt und dass die konkret benötigte Ernährung tatsächlich kostenaufwändiger als die eines gesunden oder nicht-behinderten Menschen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt der Mehrbedarf § 21 Abs. 5 SGB II einen konkreten Bedarf voraus, der im Rahmen einer Einzelfallprüfung zu ermitteln ist (Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/7b AS 32/06 R - m.w.N.).
Dies erfordert nach Auffassung des Senates auf der ersten Stufe zunächst einen (abstrakten) Kausalzusammenhang zwischen einer Erkrankung und einer hierdurch indizierten Ernährungsweise. Da es sich um einen Mehrbedarf handelt, muss die Bedarfslage in der Person des Hilfebedürftigen tatsächlich bestehen. Dieser abstrakte Kausalzusammenhang zwischen Laktose- und Fruktoseintoleranz und der Empfehlung einer laktose- und fruktosearmen (vgl. die letzten vorliegenden ärztlichen Empfehlungen in den Arztbriefen der WW-Kliniken gGmbH vom 27. Januar 2010 und 3. Februar 2010), nicht einer laktose- und fruktosefreien Ernährung ist hier belegt.
Es entspricht dem Grundsatz individueller Bedarfsdeckung, dass ein Anspruch nach § 21 Abs. 5 SGB II nicht bereits dann besteht, wenn eine Erkrankung festgestellt wurde, deren Therapie oder Symptomlinderung abstrakt einer kostenaufwändigen Ernährung bedarf. Vielmehr muss – auf der zweiten Stufe – ein konkreter Bedarf bestehen, diese kostenaufwändige Ernährung in Anspruch zu nehmen. Der Leistungsberechtigte muss insoweit konkrete Umstände vortragen, dass er sich der Notwendigkeit der Diät bewusst ist und sich diätgemäß ernährt bzw. ernähren will (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. November 2006 - L 19 B 83/06 AS ER - juris).
Der auf einer dritten Stufe anzustellende Kostenvergleich bezieht sich auf den in der Regelleistung anerkannten Betrag für Ernährung und Getränke. Die Anerkennung eines Mehrbedarfs ist begrifflich immer nur in Bezug auf diesen Regelbedarfsbetrag möglich. Ob ein Mehrbedarf besteht, wie sich der Mehrbedarf konkret zusammensetzt und welche Mehrkosten er verursacht, ist eine Tatsachenfrage (vgl. Landessozialgericht Sachsen, Beschluss vom 12. Februar 2009, L 3 B 428/08 AS – NZB; SG Karlsruhe, Urteil vom 31. März 2011 - S 4 AS 2626/09 - juris).
Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei einer Kombination aus Laktose- und Fruktoseintoleranz eine diätetische Ernährungsweise erforderlich ist, die einen erhöhten Kostenaufwand begründet, wovon auch das Sozialgericht ausgegangen ist. Hinsichtlich der Klägerin zu 2) wird aber lediglich punktuell mit Schriftsatz vom 4. November 2009 das nach obigem Maßstab auf der zweiten und dritten Stufe maßgebliche Ausgabeverhalten bzw. die beabsichtigte Ernährung dargelegt. Selbst die punktuellen Schilderungen vermögen aus sich heraus jedenfalls einen höheren als den erstinstanzlich zugesprochenen Bedarf nicht zu begründen. Die beiden vorgelegten Kassenbons vom 24. und 28. Oktober 2009 belegen zwar, dass an diesen beiden Tagen laktosefreie und "minus-L"-Produkte für knapp 28,- EUR eingekauft wurden. Geht man davon aus, dass es sich um den Bedarf für 10 Tage handelt (es wurden alleine vier Liter laktosefreie bzw. "minus-L" Milch gekauft) und unterstellt man zugunsten der Klägerin zu 2), dass die Mehrkosten laktosefreier Milchprodukte 50 Prozent betragen, so gelangt man zu einem zehntäglichen Mehrbedarf von unter 10,- EUR, mithin einem unter der zuerkannten Leistung liegenden Betrag.
Entgegen der Ankündigung mit Schriftsatz vom 9. September 2011 ist weiterer Tatsachenvortrag zum Ausgabeverhalten nicht erfolgt. Ohne einen derartigen Vortrag, der allein in der Sphäre der Klägerinnen liegt, besteht kein Anlass zu einer weiteren Beweisaufnahme, worauf mit Verfügung des Senats vom 9. August 2011 hingewiesen worden ist. Eine Beweisaufnahme "ins Blaue hinein" zu der noch allein erheblichen Frage, ob die Klägerin zu 2) einen ernährungsbedingten Mehraufwand von über 30 Prozent des in der Regelleistung enthaltenen Betragsanteils für Nahrungsmittel und Getränke hat, ohne dass mitgeteilt wird, wie sich die Klägerin zu 2) ernährt und welche laktose- und fruktosearmen Nahrungsmittel und Getränke sie zu sich nimmt, ist nicht geboten. Es kann daher offen bleiben, ob der Konsum von "minus-L"-Produkten im durch die beiden Kassenbons belegten Umfang geboten ist. Hieran hegt der Senat erhebliche Zweifel, da im Falle einer laktosearmen Ernährung die empfohlene Zufuhrmenge an Calcium wohl auch ohne den Kauf von ggf. teureren laktosefreien Produkten durch den gezielten Einkauf normaler calciumreicher Lebensmittel (z.B. calciumreiches Mineralwasser) erreicht werden kann (vgl. näher SG Detmold vom 15. Juni 2010 - S 2 (6) SO 141/07 – juris und die von klägerischer Seite in erster Instanz vorgelegten Empfehlungen zur Ernährung bei Milchzuckerunverträglichkeit (Laktose-Intoleranz) des Universitätsklinikums Gießen). Dem ergänzenden Vortrag vom 9. September 2011 ist was im Gegensatz zur Darlegung des Dr. QQ. vom 4. September 2009 stünde – auch nicht zu entnehmen, dass die Fruktoseintoleranz einer entsprechenden Ernährung entgegenstünde.
Überdies ergaben die von Beklagtenseite mit Schriftsatz vom 30. April 2012 vorgetragenen und von Seiten der Klägerinnen unwidersprochen gebliebenen Ergebnisse seiner einschlägigen Ermittlungen zum Angebot laktosefreier Produkten bei Discountern für das Gericht nachvollziehbar für die Ersetzung herkömmlicher Milch durch laktosefreie Milch einen monatlichen Mehrbedarf in Höhe von ca. 6,00 Euro.
Den Vortrag der Klägerinnen, dass in verarbeiteten Lebensmitteln, z.B. Fertigprodukten, in der Regel Laktose enthalten und häufig auch der Fruktoseanteil hoch sei, hält der Senat für zutreffend. Dies spricht gegen eine Verwendung – häufig teurer - Fertigprodukte und für die eigene und damit regelmäßig kostengünstigere Zubereitung der Speisen. Der klägerische Vortrag zur Vermeidung von Fertigprodukten vermag damit das Begehren nach einem höheren als dem erstinstanzlich zuerkannten Mehrbedarf nicht zu stützen.
Auch hinsichtlich der Fruktoseunverträglichkeit gibt der Vortrag der Klägerinnen keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen. Die Klägerinnen halten folgende Obst- und Gemüsesorten für geeignet: Rhabarber; Zitrone, Limette, Papaya, Honigmelonen, Aprikosen, Sauerkirschen, Pfirsiche, Bohnen, Kopfsalat, Feldsalat, Chicoree, Spargel, Pilze, Rettich, Radieschen, Tomaten. Diese Produkte sind je nach Saison auch bei Discountern und damit günstig erhältlich.
Soweit wohl allein das Bayerische Landessozialgericht mit Urteil vom 13. September 2007 - L 11 AS 258/06 –, juris in einem Einzelfall einen höheren Bedarf zugesprochen hat, ist den dortigen Entscheidungsgründen weder der zugrundeliegende medizinische Erkenntnisstand noch eine dem hier zugrunde gelegten rechtlichen Maßstab entsprechende Tatsachenermittlung zu entnehmen. Zudem beruht die Entscheidung auf der überholten Fassung der Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge.
Auch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 9. Juni 2011 - B 8 SO 11/10 R, juris - erfordert für den vorliegenden Fall keine andere Beurteilung. Dort wird verlangt, bei einem Leistungsempfänger, bei dem mehrere Erkrankungen vorliegen, für die jeweils ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung aus medizinischen Gründen geltend gemacht wird, den Ernährungsaufwand aufgrund des gesamten Krankheitsbildes konkret zu ermitteln. Maßgeblich sei stets der Betrag, mit dem der medizinisch begründete, tatsächliche Kostenaufwand für eine Ernährung ausgeglichen werden könne, der von der Regelleistung nicht gedeckt ist. Er sei im Einzelfall im Wege der Amtsermittlung durch Einholung medizinischer und/oder ernährungswissenschaftlicher Stellungnahmen oder Gutachten zu klären. Für einen ernährungsbedingten Mehraufwand sei nicht entscheidend, ob ein bestimmtes Nahrungsmittel bei der Ernährung weggelassen werden könne. Entscheidend sei vielmehr, ob und durch welche Nahrungsmittel es ersetzt werden müsse und ob hierdurch Mehrkosten entstünden.
Vorliegend ist – anders als in dem Fall, der der zitierten Entscheidung des Bundessozialgericht zugrunde lag - das Krankheitsbild der Klägerin zu 2) ausermittelt. Der Senat stützt sich insoweit auf die Berichte der WW-Kliniken vom 27. Januar 2010 sowie 3. Februar 2010 und den Arztbericht von Dr. QQ. vom 4. September 2009.
Anhaltspunkte dafür, dass sich das in der angeführten Entscheidung des Bundessozialgerichts behandelte Problem einer ärztlichen Beurteilung des Ernährungsaufwands unter Berücksichtigung der wechselseitigen Auswirkungen verschiedener Erkrankungen auf die Ernährung für die hier allein noch zu klärende Frage, ob ein noch höherer als der erstinstanzlich zuerkannte Mehrbedarf zu gewähren ist, in entscheidungserheblicher Weise stellt, sieht der Senat danach nicht. Nach dem Vortrag der Klägerinnen gibt es keinen eine weitere Amtsermittlungspflicht auslösenden Anhalt dafür, dass ein noch höherer Mehrbedarf als in Höhe von 30 Prozent des in der Regelleistung enthaltenen Beitragsanteils für Nahrungsmittel und Getränke bedarfsgerecht sein könnte. Daher bedurfte es vorliegend nicht der Einholung eines medizinischen oder ernährungswissenschaftlichen Gutachtens.
Anders als im Fall des Bundessozialgerichts vom 9. Juni 2011 - B 8 SO 11/10 R, juris - haben die Beteiligten vorliegend andere Streitpunkte durch Teilvergleich unstreitig gestellt und die Überprüfung der angegriffenen Bescheide damit auf den Teilpunkt Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung begrenzt. Diese Regelung führt hier mangels Anschlussberufung des Beklagten im Ergebnis dazu, dass der Beklagte, den vom Sozialgericht ab Antragstellung ausgeurteilten Mehrbedarf ab 1. August 2008, dem Ersten des Monats, in dem nach dem Krankenhausaufenthalt der Klägerin zu 2) die Nahrungsmittelunverträglichkeiten erstmals festgestellt wurden, zu gewähren hat (vgl. Nr. 3 des Vergleichs vom 24. Juni 2009).
Die Berufung ist nach allem unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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