L 8 AS 277/13 B KO

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 6 SF 1393/12 E
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AS 277/13 B KO
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Beschwerdeausschluss im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 197 SGG

1.Ein Richter ist in Beschwerdeverfahren gegen Beschlüsse über Erinnerungen in
Kostenfestsetzungsverfanren nicht ausgeschlossen, weil er am der Kostenfestsetzung jeweils zugrundeliegenden Hauptsacheverfahren mitgewirkt hat.

2. Das Sozialgericht entscheidet über Erinnerungen gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nach § 197 Abs. 2 SGG endgültig. Eine Beschwerde zum Landessozialgericht ist nicht statthaft (vgl. Senatsbeschlüsse vom 02.10.2012 - L 8 AS 727/12 B KO - juris; vom 13.03.2013 - L 8 AS 179/13 B KO - juris und vom 04.04.2013 - L 8 AS 1454/12 B KO - juris). Zu keiner anderen Beurteilung führt, dass andere Prozessordnungen Beschwerden in Kostenfestsetzungsverfahren unter gewissen Voraussetzungen zulassen.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 27. Dezember 2012 wird verworfen.

III. Die Entscheidung ergeht kostenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin begehrt die Festsetzung höherer vom Beschwerdegegner zu erstattender außergerichtlichen Kosten in einem Kostenfestsetzungsverfahren nach § 197 SGG.

Dem Kostenfestsetzungsverfahren zugrunde lag das beim SG Chemnitz (SG) geführte Eilverfahren S 6 AS 1902/12 ER, das am 07.06.2012 unstreitig beendet wurde. Zuständig für das Verfahren war nach dem richterlichen Geschäftsverteilungsplan Richter am SG S.

Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 22.10.2012 über die vom Beschwerdegegner zu erstattenden notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin hat das SG unter dem Vorsitz der Richterin am Sozialgericht F mit Beschluss vom 27.12.2012 zurückgewiesen. Die Rechtsmittelbelehrung lautet: "Dieser Beschluss ist endgültig § 197 Abs. 2 SGG."

Gegen den Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 23.01.2013 Beschwerde "gemäß § 33 RVG", hilfsweise Gegenvorstellung erhoben und die Vorlage einer gebührenrechtlichen Rechtsfrage an das BVerfG beantragt. Die Beschwerde sei statthaft, da "endgültig" in § 197 Abs. 2 SGG nicht bedeute, dass kein Rechtsmittel zulässig sei, sondern nur, dass das Erinnerungsverfahren abgeschlossen sei.

Die Akten des Eilverfahrens sowie des Kostenfestsetzungsverfahrens einschließlich des Erinnerungsverfahrens und die Beschwerdeakten haben dem Senat vorgelegen.

II.

1. Der Senat kann unter Mitwirkung des Richters am LSG S entscheiden, obwohl dieser erstinstanzlich mit dem Eilverfahren S 6 AS 1902/12 ER bis zu dessen unstreitigen Abschluss befasst war. § 60 Abs. 1 SGG i. V. m. § 41 Nr. 6 ZPO, wonach eine Gerichtsperson ausgeschlossen ist in Sachen, in denen sie in einem früheren Rechtszug beim Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, greift nicht Platz. Abgesehen davon, dass hier das Kostenfestsetzungsverfahren als von der Hauptsache zu trennendes selbständiges Nebenverfahren betroffen ist, führt eine richterliche Mitwirkung am erstinstanzlichen Verfahren als solche nicht zur Ablehnung (vgl. BSG, Urteil vom 14.04.2004 – B 9 VG 3/03 BH – juris RdNr. 4; Heinrich, in: Musielak, ZPO, 9. Aufl., § 41 RdNr. 13; vgl. auch BGH, Urteil vom 05.07.1960 – VI ZR 109/59 – juris). Notwendig ist vielmehr eine Mitwirkung bei der angefochtenen Entscheidung – hier dem Beschluss des SG vom 27.12.2012 – selbst, an der es fehlt.

2. Die Beschwerde ist unzulässig und war zu verwerfen. Gegen Entscheidungen des SG über Erinnerungen gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ist die Beschwerde nicht statthaft. § 197 Abs. 2 SGG verdrängt § 172 SGG (allg. Meinung; vgl. Senatsbeschluss vom 02.10.2012 – L 8 AS 727/12 B KO – juris RdNr. 11).

Eine andere Auslegung ist nicht im Hinblick auf § 178 Satz 1 SGG geboten. Sowohl die Systematik des RVG als auch der verschiedenen Festsetzungsverfahren schließt die Annahme aus, dass § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG als speziellere Norm § 197 Abs. 2 SGG verdrängt (vgl. hierzu ausführlich Senatsbeschluss vom 13.03.2013 – L 8 AS 179/13 B KO – juris RdNr. 5 ff.; ferner Senatsbeschluss vom 04.04.2013 – L 8 AS 1454/12 B KO –juris RdNr. 7).

Zu keiner anderen Beurteilung führt, dass andere Prozessordnungen Beschwerden in Kostenfestsetzungsverfahren unter gewissen Voraussetzungen zulassen (vgl. § 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG – andernfalls § 11 Abs. 2 RPflG). Insbesondere liegt keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Beteiligten des Sozialgerichtsverfahrens gegenüber Parteien eines zivilgerichtlichen Verfahrens vor. Abgesehen von der fehlenden Vergleichbarkeit der Personengruppen übersieht die Beschwerde, dass auch im zivilgerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren zulassungsfrei nur eine richterliche Entscheidungsinstanz eröffnet ist. Gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers nach § 103 ff. ZPO, § 21 Nr. 1 RPflG – die den Entscheidungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle im Sozialgerichtsprozess entsprechen (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 10.01.2013 – L 8 AS 701/12 B PKH – juris RdNr. 24) – findet je nach Höhe des Beschwerdewertes (§ 567 Abs. 2 ZPO) entweder die befristete Erinnerung (§ 11 Abs. 2 Satz 1 RPflG) oder die sofortige Beschwerde (§ 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG) statt. Im ersten Fall ist die richterliche Entscheidung über die befristete Erinnerung endgültig, sofern das Gericht die Rechtsbeschwerde nicht zulässt. Die sofortige Beschwerde ist unzulässig, da – jedenfalls bei richtiger Sachbehandlung – der Beschwerdewert des § 567 Abs. 2 ZPO (200,00 EUR) nicht erreicht sein kann. Die Rechtsbeschwerde wiederum bedarf der ausdrücklichen Zulassung (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO), die das Beschwerdegericht bindet (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO), nicht aber durch dieses auf eine Nichtzulassungsbeschwerde hin erfolgen kann (BGH, Beschluss vom 04.04.2012 – III ZA 9/12 – juris RdNr. 2 m.w.N.). Im zweiten Fall ist zwar die sofortige Beschwerde statthaft, weil der Beschwerdewert des § 567 Abs. 2 ZPO überschritten ist. Die sofortige Beschwerde findet aber gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers statt (§ 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 567 ZPO) und nicht gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts über den Kostenfestsetzungsbeschluss. Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist vielmehr nur die Rechtsbeschwerde möglich, sofern sie vom Beschwerdegericht zugelassen ist, wobei eine Überprüfung der unterbliebenen Zulassung durch die nächste Instanz ausgeschlossen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19.11.2003 – IV ZB 20/03 – juris RdNr. 3). Auch im zivilgerichtlichen Verfahren endet das Kostenfestsetzungsverfahren daher grundsätzlich und regelmäßig nach (nur) einer richterlichen Entscheidung.

Auch im Übrigen ist von Verfassungs wegen kein Mehr an Rechtsbehelfen erforderlich. Der von Art. 19 Abs. 4 GG geforderten Rechtsweggarantie ist mit der Eröffnung des Erinnerungsverfahrens gemäß § 197 Abs. 2 SGG gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ausreichend Rechnung getragen. Denn Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet keinen Instanzenzug (Sachs, in: ders. GG, 6. Aufl., Art. 19 RdNr. 120 m.w.N.).

III.

Über die beantragte Vorlage der gebührenrechtlichen Rechtsfrage an das BVerfG bedarf es keiner Entscheidung. Wegen der Unzulässigkeit der Beschwerde fehlt es an ihrer Entscheidungserheblichkeit. Abgesehen davon bilden die aufgeworfenen Rechtsfragen von vornherein keinen zulässigen Vorlagegegenstand im Sinne von Art. 100 Abs. 1 GG. Zulässiger Vorlagegegenstand können ausschließlich Parlamentsgesetze sein (statt aller Detterbeck, in: Sachs, GG, 6. Aufl., Art. 100 RdNr. 7).

IV.

Über die von der Beschwerdeführerin hilfsweise erhobene Gegenvorstellung hat das LSG, obwohl die Beschwerde keinen Erfolg hat, nicht zu befinden. Adressat dieser (außerordentlichen) Rechtsbehelfe ist der "iudex a quo", also das SG.

V.

Dieser Beschluss ist endgültig (§ 177 SGG).

Dr. Wahl Kirchberg Salomo
Rechtskraft
Aus
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