L 1 KR 2/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 KN 548/11 KR
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 KR 2/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 48/13 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB als unzulässig verworfen
Die Berufung gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 29.11.2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Berechnung der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung in der Zeit vom 01.01.2011 bis zum 30.06.2011.

Der im Jahre 1938 geborene Kläger ist seit dem 01.04.2008 freiwilliges Mitglied der knappschaftlichen Krankenversicherung. Er bezieht eine Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund in Höhe von 1.546,60 Euro (Stand: 01.07.2009). Ferner verfügen er und seine Ehefrau über Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Die Beklagte berechnete die monatlichen Beiträge für die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung mit Bescheid vom 23.12.2010 unter Hinweis auf die Anpassung des für alle gesetzlichen Krankenkassen festgelegten einheitlichen Beitragssatzes für die Zeit ab 01.01.2011 neu und legte monatliche Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 524,52 Euro und zur Pflegeversicherung in Höhe von 67,43 Euro fest. Hiergegen legte der Kläger am 26.01.2011 Widerspruch ein, mit welchem er den Umstand als ungerecht beanstandete, dass die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung anders als bei pflichtversicherten Rentnern zur Berechnung des Beitrages herangezogen würden. Unter demselben Datum übersandte er den Einkommensteuerbescheid vom 16.11.2010 für das Jahr 2009 und begehrte eine Neuberechnung der Beiträge ab 01.01.2011. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.2011 zurück. Unter Heranziehung der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler sei eine Berücksichtigung der geänderten Einkünfte erst ab dem 01.02.2011 möglich. Danach bleibe das über den letzten Einkommensteuerbescheid festgesetzte Arbeitseinkommen bis zur Erteilung des nächsten Einkommensteuerbescheides maßgebend. Der neue Steuerbescheid sei für die Beitragsbemessung ab Beginn des auf die Ausfertigung folgenden Monats heranzuziehen. Lege das Mitglied den Einkommensteuerbescheid später vor und ergebe sich eine günstigere Beitragsbemessung, seien die Verhältnisse erst ab Beginn des auf die Vorlage dieses Einkommensteuerbescheides folgenden Monats zu berücksichtigen. Dies sei zwischenzeitlich auch mit entsprechendem Beitragsbescheid vom 12.02.2011 geregelt worden.

Mit den Bescheiden vom 12.02.2011 berechnete die Beklagte die Beiträge für die Zeit ab 01.02.2011 neu und legte den zu zahlenden monatlichen Beitrag für die Krankenversicherung auf 518,32 Euro und für die Pflegeversicherung auf 66,62 Euro fest. Die hiergegen eingelegten Widersprüche des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.06.2011 zurück. Wegen der Gründe wird auf den Inhalt dieses Bescheides Bezug genommen.

Der Kläger hat gegen den Widerspruchsbescheid vom 12.05.2011 am 17.06.2011 und gegen den Widerspruchsbescheid vom 27.06.2011 am 22.07.2011 jeweils Klage erhoben. Mit den angefochtenen Bescheiden würden zu seinen Lasten seine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zur Bemessung der Beiträge für die Krankenversicherung herangezogen, da er als Rentner freiwilliges Mitglied der Krankenversicherung sei. Pflichtversicherte Rentner, welche ggf. über erbliches Immobiliarvermögen verfügten, würden hingegen bezüglich ihrer Krankenversicherungsbeträge ausschließlich anhand der Renteneinkünfte bemessen. Diese Ungleichbehandlung von freiwillig versicherten Rentnern und pflichtversicherten Rentnern verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes und sei damit verfassungswidrig.

Das Sozialgericht Gelsenkirchen (SG) hat mit Beschlüssen vom 29.11.2011 die Klagen bezüglich der Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung jeweils abgetrennt und mit Gerichtsbescheiden vom selben Tage die Klagen hinsichtlich der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung abgewiesen. Nach § 240 Abs. 4 Satz 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) könnten Veränderungen der Beitragsbemessung aufgrund eines vom Versicherten geführten Nachweises nach Satz 2 nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden. Der Steuerbescheid für das Jahr 2009 sei erst im Januar 2011 vorgelegt worden, weswegen die Beklagte richtigerweise erst mit Bescheid vom 12.02.2011 ab 01.02.2011 eine Neuberechnung vorgenommen habe. Mit Blick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 03.02.1993 - 1 BvR 1920/929 - sei die Ungleichbehandlung von freiwillig versicherten und pflichtversicherten Rentnern verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Auf die vom Kläger im Klageverfahren betreffend den Widerspruchsbescheid vom 12.05.2011 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 22.08.2012 zugelassen. In dem Klageverfahren betreffend den Widerspruchsbescheid vom 27.06.2011 hat der Kläger am 02.01.2012 Berufung eingelegt. Die Berufungsverfahren sind mit Beschluss des Senats vom 22.08.2012 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.

Im Berufungsverfahren verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Ergänzend trägt er vor, dass der unterschiedliche Bemessungszeitpunkt bei der Änderung der Krankenkassenbeiträge zu einer nicht vertretbaren Ungleichbehandlung führe und daher nicht verfassungskonform sei. Dem Versicherten sei jedwede Möglichkeit genommen, eine Abänderung seiner Beiträge zu seinen Gunsten zum gleichen Zeitpunkt herbeizuführen wie dieses bei einer Abänderung zu seinen Lasten praktiziert werde. Er halte darüber hinaus unverändert daran fest, dass die Ungleichbehandlung von freiwillig- und pflichtversicherten Rentnern verfassungswidrig sei. Zwar mögen in der Vergangenheit Gründe bestanden haben, welche die Ungleichbehandlung hätten rechtfertigen können. Der Grund habe regelmäßig darin bestanden, dass freiwillig versicherte Rentner über höhere finanzielle Ressourcen verfügten als dieses bei pflichtversicherten Rentnern der Fall gewesen sei. Dabei sei in der Vergangenheit davon ausgegangen worden, dass der freiwillig versicherte Rentner im Laufe seines Berufslebens über deutlich höhere Einkünfte verfügt habe. Dieser Sachverhalt sei durch die Lebenswirklichkeit zwischenzeitlich überholt worden. Das finde seine Ursache darin, dass eine Vielzahl freiwillig Versicherter im Berufsleben deutlich geringere Einkünfte erzielt hätten als dieses ggf. bei pflichtversicherten Personen der Fall gewesen sei. Eine höhere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit liege aufgrund der Änderungen auf dem Arbeitsmarkt und im sozialen Gefüge zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr grundsätzlich auf Seiten der freiwillig versicherten Rentner.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten bezüglich der Beitragshöhe ab dem 01.07.2011 einen Unterwerfungsvergleich geschlossen.

Der Kläger beantragt,

die Gerichtsbescheide des SG Gelsenkirchen vom 29.11.2011 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.12.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2011 und unter Aufhebung des Bescheides vom 12.02.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.06.2011 zu verurteilen, die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung unter Berücksichtigung des Einkommensteuerbescheides vom 16.11.2010 ab 01.01.2011 bis 30.06.2011 unter Außerachtlassung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung neu zu berechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das SG hat die Klagen zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn diese Bescheide sind nicht rechtswidrig. Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass die Bescheide nicht nebeneinanderstehen. Vielmehr hat der Bescheid vom 12.02.2011 den Bescheid vom 23.10.2010 während des Widerspruchsverfahrens für die Zeit ab dem 01.02.2011 ersetzt und ist somit Gegenstand des - ersten - Widerspruchsverfahrens geworden (§ 86 SGG). Am Prüfungsmaßstab ändert dies indes nichts. Die Berechnung der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung durch die Beklagte ist weder mit Blick auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 GG (dazu 1) noch in Bezug auf den Zeitpunkt der Anpassung (dazu 2) zu beanstanden. Den Streitgegenstand haben die Beteiligten zulässigerweise auf den Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 30.06.2011 begrenzt, so dass sich die Prüfung des Senats hierauf beschränkt.

1) Nach § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) vom 26.03.2007 - BGBl. I S. 378 - wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV Spitzenverband) geregelt. Dabei ist nach § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitgliedes zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind.

Der GKV Spitzenverband hat in seinen "einheitlichen Grundsätzen zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge" mit Wirkung zum 01.01.2009 (sog. Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler vom 27.10.2008, zuletzt geändert am 30.05.2011) in § 3 Abs. 1 b bestimmt, dass Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und Einnahmen aus Kapitalvermögen den beitragspflichtigen Einnahmen nach Abzug von Werbungskosten zuzurechnen sind. Mit der Einbeziehung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in die beitragspflichtigen Einnahmen folgt der GKV Spitzenverband der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach zu der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des freiwillig versicherten Mitgliedes auch dessen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gehören (vgl. BSG Urteil vom 23.09.1999 - B 12 KR 12/98 R - m.w.N.; zuletzt zur Einbeziehung der Kapitalzahlung aus einem Rentenversicherungsvertrag in die beitragspflichtigen Einnahmen: BSG Urteil vom 27.01.2010 - B 12 KR 28/08 R -).

Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vor. Art. 3 Abs. 1 GG ist nur verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen dieser und einer anderen Gruppe keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) erschöpft sich allerdings der Gleichheitssatz nicht in dem Verbot einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung von Normadressaten. Vielmehr kommt in ihm ein Willkürverbot als fundamentales Rechtsprinzip zum Ausdruck, das nicht nur der Rechtsprechung, sondern auch der Gesetzgebung gewisse äußerste Grenzen setzt. Der Gesetzgeber handelt nicht schon dann willkürlich, wenn er unter mehreren Lösungen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste gewählt hat, sondern vielmehr nur dann, wenn sich ein sachgerechter Grund für eine gesetzliche Bestimmung nicht finden lässt; dabei genügt Willkür im objektiven Sinn, d. h. die tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit der Regelung in Bezug auf den zu ordnenden Gesetzgebungsgegenstand. Diese Kriterien gelten auch und gerade für die Beurteilung gesetzlicher Differenzierungen bei der Regelung von Sachverhalten; hier endet der Spielraum des Gesetzgebers erst dort, wo die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt. Eine derartige Willkür kann einer gesetzlichen Regelung nach ständiger Rechtsprechung aber nur dann vorgeworfen werden, wenn ihre Unsachlichkeit evident ist (vgl. BVerfGE 55, S. 72-95 m.w.N.). Das ist hier nicht gegeben.

Der Senat hat in seinem rechtskräftigen Urteil vom 08.03.2011 - L 1 (16) KR 237/09 - hierzu wie folgt ausgeführt: "Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) wegen unterschiedlicher Behandlung von pflichtversicherten Mitgliedern einerseits und freiwillig versicherten Mitgliedern andererseits vor. Zwischen beiden Personenkreisen liegen so wesentliche Unterschiede, dass eine Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Die Pflichtversicherung erfasst nach ihrer gesetzlichen Typisierung die Personengruppen, die wegen ihrer niedrigen Einkünfte eines Schutzes für den Fall der Krankheit bedürfen, der durch Zwang zur Eigenvorsorge erreicht werden soll. Demgegenüber verfolgen die Vorschriften über die freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung das Ziel, diese für solche Personen zu öffnen, bei denen ein ähnliches, aber eingeschränktes Schutzbedürfnis besteht. Von der Versicherungspflicht nicht erfasste Personen können kraft eigener Willensentschließung freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung werden oder sich privat gegen das Risiko der Krankheit versichern. Dieses Wahlrecht haben versicherungspflichtige Personen nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Differenzierung zwischen Pflichtversicherten und freiwillig versicherten Personen eine im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung langfristig bewährte Unterscheidung erkannt (BVerfG, Beschluss vom 15.03.2000 - 1 BVL 16/96). Es hat eine Verfassungswidrigkeit nur darin gesehen, dass langjährig versicherungspflichtig Beschäftigten, die durch Überschreitung der Jahresarbeitsverdienstgrenze zu freiwillig Versicherten geworden waren, der Zugang zur Pflichtversicherung der Rentner versperrt worden war, mit der Folge, dass sie Beitragsnachteile zu tragen hatten. Der Gesetzgeber hat die Verfassungswidrigkeit in Ausführung dieser Entscheidung nicht durch einen Eingriff in das Beitragsrecht beseitigt, sondern durch eine Öffnung des Zugangs zur Krankenversicherung der Rentner (vergl. zur Rechtsentwicklung näher Baier, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 5 SGB V Rnr. 59). Die unterschiedliche Beitragsbelastung von Pflichtversicherten einerseits und freiwillig Versicherten andererseits hat das Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet.

Auch im Übrigen ist ein Verstoß gegen Verfassungsbestimmungen nicht zu erkennen. Dass bei den freiwillig Versicherten höhere - teilweise mit einer Beschäftigung in keinem Zusammenhang stehende - Einnahmen berücksichtigt werden, entspricht dem die gesetzliche Krankenversicherung beherrschenden Solidaritätsprinzip, die Versicherten nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu Beiträgen heranzuziehen. Dies ist von Verfassung wegen nicht zu beanstanden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 03.02.1993 - 1 BVR 1920/92)."

An dieser Auffassung hält der Senat auch nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage fest. Nicht zuletzt der sachliche Unterschied zwischen Versicherungspflicht und Versicherungsberechtigung rechtfertigt - nach wie vor - eine unterschiedliche Behandlung der Versicherten auch bezüglich der Beitragshöhe bzw. der berücksichtigungsfähigen Einnahmen (vgl. LSG Hamburg Urteil vom 26.08.1997 - I KRBf 16/96 -).

2) Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind auch nicht deshalb rechtswidrig, weil sie die Beiträge unter Berücksichtigung der geringeren Einnahmen des Klägers erst zum 01.02.2011, d.h. für den Monat, der auf die Vorlage des Einkommensteuerbescheides folgte, neu berechnet hat. Diese Verfahrensweise folgt aus § 7 Abs. 7 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler, der über § 6 Abs. 6 entsprechende Anwendung für Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung findet. Nach § 7 Abs. 7 Sätze 3 und 4 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler ist der neue Einkommensteuerbescheid ab Beginn des auf die Ausfertigung folgenden Monats für die Beitragsbemessung heranzuziehen. Legt das Mitglied den Einkommensteuerbescheid später vor und ergäbe sich eine günstigere Beitragsbemessung, sind die Verhältnisse erst ab Beginn des auf die Vorlage dieses Einkommensteuerbescheids folgenden Monats zu berücksichtigen. Diese Regelung entspricht im Wesentlichen § 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V. Danach können Veränderungen der Beitragsbemessung auf Grund eines vom Versicherten geführten Nachweises nach Satz 2 nur zum 1. Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden.

Der Kläger hat den Einkommensteuerbescheid vom 16.11.2010 für das Jahr 2009, der niedrigere Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung ausweist als zuvor, erst am 26.01.2011 vorgelegt. In Anwendung der obigen Grundsätze durfte die Beklagte diese Veränderung erst mit dem Folgemonat der Vorlage, also zum 01.02.2011, berücksichtigen.

Grundsätzliche rechtliche Bedenken gegen die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler bestehen nicht. Dem GKV Spitzenverband wird mit § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für den Erlass dieser Bestimmungen gegeben. Dem Gesetzgeber ist es durch das Demokratiegebot nicht verwehrt, für abgegrenzte Bereiche der Erledigung öffentlicher Aufgaben durch Gesetz besondere Organisationsformen der Selbstverwaltung zu schaffen und dadurch vom Erfordernis lückenloser personeller demokratischer Legitimation aller Entscheidungsbefugten abzuweichen; es müssen nur Aufgaben und Handlungsbefugnisse der Organe in einem parlamentarischen Gesetz vorherbestimmt sein und deren Wahrnehmung muss der Aufsicht personell demokratisch legitimierter Amtswalter unterliegen (vgl. BSG Urteil vom 19.12.2012 - B 12 KR 20/11 R - s. Terminbericht Nr. 68/12 vom 19.12.2012 mit Hinweis auf BVerfGE 107, 59, 91, 94). Eine "ununterbrochene Legitimationskette" von den Normunterworfenen hin zum Normgeber bzw. den Repräsentanten im Normsetzungsgremium ist nicht erforderlich. Nötig sind lediglich institutionelle Vorkehrungen dafür, dass die betroffenen Interessen angemessen berücksichtigt werden. Diese Vorgaben wurden hier eingehalten (vgl. BSG a.a.O.; s. auch LSG NRW Urteil vom 26.01.2012 - L 16 KR 9/11 - anhängig BSG - B 12 KR 10/12 R -).

Auch die Regelung in § 6 Abs. 6 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler, wonach für die Berücksichtigung der Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung § 7 Abs. 7 und damit die Regelungen zu den Einnahmen Selbständiger entsprechend gelten, wird von der Ermächtigungsgrundlage des § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V getragen. Die Gleichstellung der Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung mit den Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit ist der Frage der Beitragsbemessung zuzuordnen, deren Regelung dem GKV Spitzenverband ausdrücklich zugewiesen ist. Für die Bemessung der Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit hat der Gesetzgeber darüber hinaus in § 240 Abs. 4 SGB V konkrete Vorgaben gemacht. So ist insbesondere in § 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V vorgesehen, dass Veränderungen der Beitragsbemessung auf Grund eines vom Versicherten geführten Nachweises nach Satz 2 nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden. Der Wortlaut ergibt eindeutig, dass der Nachweis von niedrigeren Einnahmen im Rahmen des Satz 2 dem Versicherten obliegt; er trägt im Zweifel die Feststellungslast (Beweislast) (vgl. KassKomm-Peters, 76. Ergänzungslieferung 2012, § 240 Rz. 56). Auch das BSG hat entschieden, dass die Anpassung der Beitragshöhe an die verschlechterte Einkommenssituation erst und nur zum Beginn des auf die Vorlage des letzten Einkommensteuerbescheides folgenden Monats vorgenommen werden darf (vgl. BSG Urteil vom 02.09.2009 - B 12 KR 21/08 R -). Die Absenkung der Beiträge aufgrund des am 26.01.2011 vorgelegten Einkommensteuerbescheides erst zum 01.02.2011, wie im Bescheid vom 12.02.2011 geschehen, ist daher rechtmäßig.

Ob die Beklagte - wie der Kläger vorträgt - bei durch Einkommensteuerbescheid nachgewiesenen höheren Einnahmen, die Beitragsanpassung zulässigerweise bereits im Folgemonat der Feststellung vornimmt, ist für die Entscheidung des vorliegenden Sachverhalts nicht relevant. Im hier zu beurteilenden Sachverhalt hält sich die Beklagte an die Vorgaben des § 7 Abs. 7 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler, die zudem der durch den Gesetzgeber in § 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V vorgegebenen Verfahrensweise entspricht. Im Übrigen ist der Gesetzesbegründung zu § 240 SGB V zu entnehmen, dass die Beschränkung auf die Zukunft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nicht gelten soll, wenn die Krankenkasse Beiträge nachberechnen will, weil sich der Versicherte früher einer korrekten Beitragsbemessung durch Unterlassen von Angaben entzogen hat (vgl. BT-Drucks 12/3937 S. 17). Insofern bestehen keine durchgreifenden Bedenken, wenn die Beklagte Beitragsanpassungen, die einen höheren Beitrag bedingen, im Folgemonat der Feststellung umsetzt. Ansonsten würden der Solidargemeinschaft ggf. Beiträge dadurch vorenthalten, dass der Versicherte Einkommensteuerbescheide, die ein höheres beitragspflichtiges Einkommen ausweisen, verspätet vorlegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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