L 1 KA 51/11 KL

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 18 KR 481/10
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KA 51/11 KL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Für Verfahren, welche die Bestimmung einer Schiedsperson für den Abschluss eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b SGB V betreffen, ist nicht das Landessozialgericht nach § 29 Abs. 2 SGG erstinstanzlich zuständig (Anschluss an LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25.11.2010 - L 9 KA 2/10 ER KL - juris).

2. Streitigkeiten um die Bestimmung der Schiedsperson für den Abschluss eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung sind Angelegenheiten des Vertragsarztrechts im Sinne des § 10 Abs. 2 SGG.

3. Maßgeblich für die Erfüllung des in § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V geforderten Quorums sind bei der Bestimmung einer Schiedsperson die Verhältnisse im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung.

4. Mit der „Vertretung“ von mindestens 50 % der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte verlangt § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V der Hausärztegemeinschaft eine bestimmte soziale Mächtigkeit ab. Diese kann nicht nur durch Mandatierungserklärungen für den Abschluss von Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung belegt werden, sondern auch durch Mitgliedschaften in der Hausärztegemeinschaft, sofern deren satzungsgemäße Aufgabe der Abschluss solcher Verträge ist.
I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist die Bestimmung einer Schiedsperson für den Abschluss eines Vertrages über die hausarztzentrierte Versorgung gemäß § 73b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

Nachdem sich die Klägerin, eine bundesunmittelbare Krankenkasse, und der Beigeladene zu 1, ein regionaler Hausärzteverband, nicht auf einen Vertrag über die hausarztzentrierte Versorgung hatten einigen können – die Klägerin hatte einen Add-on-Vertrag vorgeschlagen, der Beigeladene zu 1 einen Vollversorgungsvertrag, über den die Klägerin nicht verhandeln wollte – , beantragte der Beigeladene zu 1 mit Schreiben vom 22.06.2009 die Einleitung eines Schiedsverfahrens und mit Schreiben vom 29.06.2009 bei der Beklagten die Benennung einer Schiedsperson. Die Klägerin hielt den Antrag des Beigeladenen zu 1 für unzulässig, da nach dessen Vertragsentwurf die Hausärztliche Vertragsgemeinschaft e.G. (HÄVG) Vertragspartner werden solle; zudem erfülle der Beigeladene zu 1 nicht die Anforderungen an eine Gemeinschaft im Sinne von § 73b Abs. 4 SGB V.

Mit Bescheid des Bundesversicherungsamts vom 27.08.2010 bestimmte die Beklagte den Beigeladenen zu 2 zur Schiedsperson in den Vertragsverhandlungen zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. Der Antrag des Beigeladenen zu 1 sei nicht deshalb unzulässig, weil er ursprünglich die HÄVG als Vertragspartner habe einbeziehen wollen. Entscheidend sei allein, dass der Beigeladene zu 1 seinen Anspruch auf Vertragsschluss nicht habe durchsetzen können. Gerade aus der bislang nicht erzielten Verständigung resultiere der Schlichtungsbedarf. Die Voraussetzungen für die Bestimmung einer Schiedsperson lägen vor. Der Beigeladene zu 1 sei eine Gemeinschaft im Sinne von § 73b Abs. 4 SGB V, da er über die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Sachsen vertrete. Für die Bestimmung des Begriffes "Allgemeinarzt" in § 73b Abs. 4 SGB V sei auf § 73a Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 SGB V abzustellen. Ausgehend hiervon repräsentiere der Beigeladene zu 1 50,05 % der Allgemeinärzte im KÄV-Bezirk Sachsen. Für die Wahl des Beigeladenen zu 2 sei maßgeblich gewesen, dass dieser aufgrund seiner früheren beruflichen Positionen über die notwendige Sachkenntnis sowie umfassende praktische Erfahrung für die Wahrnehmung der Aufgabe einer Schiedsperson verfüge.

Gegen die Bestimmung des Beigeladenen zu 2 als Schiedsperson hat die Klägerin am 29.09.2010 beim Sozialgericht Dresden (SG) Klage erhoben.

Mit Beschluss vom 15.10.2010 hat sich das SG für funktionell unzuständig erklärt und die Sache an das Sächsische Landessozialgericht (LSG) verwiesen. Wie das SG Magdeburg (Beschluss vom 03.09.2010 - S 1 KA 93/10 ER; Beschluss vom 20.09.2010 - S 1 KA 94/10) zutreffend entschieden habe, stelle die Bestimmung der Schiedsperson durch die Aufsichtsbehörde eine Maßnahme der Aufsicht im Sinne des § 29 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dar. Dem stehe nicht entgegen, dass die Aufsichtsbehörde mit der Einsetzung einer Schiedsperson nach § 73b Abs. 4a Satz 2 SGB V eine Maßnahme nicht ausschließlich gegenüber der ihrer Aufsicht unterstehenden Körperschaft treffe. Es gehöre zu den Kernaufgaben der Aufsicht, Maßnahmen zu ergreifen, welche die Gleichgewichtslage zwischen Privatrechtssubjekten und Selbstverwaltungskörperschaften sicherten, und hierzu erforderlichenfalls korrigierend in die Rechtsbeziehungen zwischen diesen einzugreifen. Für eine Einordnung als Aufsichtsangelegenheit spreche auch, dass durch die Verkürzung des Instanzenzuges am ehesten dem Anliegen des Gesetzgebers entsprochen werde, ein flächendeckendes Angebot hausarztzentrierter Versorgung möglichst rasch sicherzustellen. Ferner spreche dafür die Nähe der Materie zu den gemäß § 29 Abs. 2 Nr. 1 SGB V dem LSG im ersten Rechtszug zugewiesenen Schiedsamts- und Schiedsstellenangelegenheiten.

Unter Ersetzung ihres Bescheides vom 27.08.2010 hat die Beklagte mit Bescheid vom 28.02.2012 wiederum den Beigeladenen zu 2 zur Schiedsperson in den Vertragsverhandlungen zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1 bestimmt. Sie – die Beklagte – habe sich zwischenzeitlich entschlossen, das Quorum nicht mehr auf der Basis von Mandatierungserklärungen, sondern auf der Basis der Mitgliederzahlen im jeweiligen Hausärzteverband zu ermitteln. Auf dieser Basis sei aus Gleichbehandlungsgründen auch gegenüber der Klägerin die Bestimmung der Schiedsperson vorzunehmen. Danach erfülle der Beigeladene zu 1 zum Stichtag 01.04.2011 mit einem Repräsentationsgrad von 50,55 % der hausärztlich tätigen Allgemeinärzte das Quorum.

Die Klägerin bringt vor, die Beklagte habe bei der Bestimmung der Schiedsperson ihr Ermessen nicht bzw. fehlerhaft ausgeübt, da sie sich von vornherein entschieden habe, bundesweit für alle möglichen Schiedsverfahren lediglich vier Schiedspersonen zu benennen – davon den Beigeladenen zu 2 für sieben KÄV-Bezirke. Dies sei mit der vom Gesetzgeber gewollten Vielfalt möglicher Verträge nicht in Einklang zu bringen. Eine Auseinandersetzung mit sämtlichen Vertragsangeboten, allen Versicherten- und Morbiditätsstrukturen sowie der jeweiligen finanziellen Leistungsfähigkeit dürfte einer einzigen Schiedsperson faktisch unmöglich sein. Insoweit sei zu besorgen, dass es in Sachsen entgegen der gesetzgeberischen Intention eine kollektivrechtliche Lösung geben werde. Außerdem werde bestritten, dass der Beigeladene zu 1 mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte vertrete. Ein Abstellen auf den Fachgruppencode 01 dürfte zu kurz greifen. Zwar habe der Gesetzgeber erkennbar auf den Begriff der Allgemeinärzte im Sinne des § 73 Abs. 1a Nr. 1 SGB V abgestellt. Doch komme die Zuordnung zum Fachgruppencode 01 auch bei Facharztanerkennungen nach alten Weiterbildungsordnungen und bei Ärzten aus anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) in Betracht. Da die Heranziehung der Fachgruppencodes nur eingeschränkt hilfreich sei, seien nicht nur die Ärzte mit dem Fachgruppencode 01, sondern auch diejenigen mit den Fachgruppencodes 02 und 03 einzubeziehen.

Die Klägerin beantragt, die Bescheide der Beklagten vom 27. August 2010 und 28. Februar 2012 aufzuheben. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

"Allgemeinarzt" im Sinne von § 73b Abs. 4 SGB V sei nicht jeder an der hausärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt, sondern nur ein hausärztlich tätiger Facharzt für Allgemeinmedizin oder Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin (Fachgruppencode 01). Die Praktischen Ärzte (Fachgruppencode 02) und die Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung (Fachgruppencode 03) seien daher nicht zu berücksichtigen. Unter Allgemeinarzt sei sowohl derjenige mit einer fünfjährigen Weiterbildungszeit als auch derjenige zu verstehen, der nach altem Recht nur eine dreijährige Weiterbildung durchlaufen habe. Mit der frühzeitigen Festlegung auf den Beigeladenen zu 2 als Schiedsperson habe sie – die Beklagte – der Pflicht zur schnellen und flächendeckenden Umsetzung der hausarztzentrierten Versorgung entsprochen. Auch im Wege des Schiedsverfahrens werde eine selektivvertragliche Regelung herbeigeführt, da die Verträge nur Wirkung zwischen den unmittelbaren Vertragsparteien entfalteten, die es zudem in der Hand hätten, ihre jeweiligen Vorstellungen zum Vertragsinhalt im Schiedsverfahren vorzubringen. Soweit die Verträge Ähnlichkeiten aufwiesen, liege dies in der Natur der Sache. Wegen der beschränkten Anzahl qualifizierter und verfügbarer Schiedspersonen sei es faktisch nicht möglich, für jeden Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung eine andere Schiedsperson zu bestimmen.

Der Beigeladene zu 1 beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hält die Bestimmung des Beigeladenen zu 2 zur Schiedsperson für rechtmäßig. Dessen fachliche und persönliche Eignung stehe außer Zweifel. Die Beklagte habe ihr Auswahlermessen durch die Entscheidung, einheitliche Schiedspersonen für alle Verfahren anhand der KÄV-Bezirke zu bestimmen, gesetzeskonform ausgeübt. Die möglicherweise von anderen Krankenkassen abweichenden Umstände könnten in ausreichendem Maße im Schiedsverfahren berücksichtigt werden. Die Bündelung der Schiedsverfahren entspreche am besten dem Zweck der gesetzlichen Regelung, rasch ein flächendeckendes Angebot der hausarztzentrierten Versorgung sicherzustellen. Die Bündelung führe auch nicht zu einem Kollektivvertragssystem. Die Klägerin sei dadurch nicht gehindert, im Rahmen des Schiedsverfahrens ihre Vorstellungen vom Vertragsinhalt einzubringen. Die Bestimmung einer "eigenen" Schiedsperson für das Schiedsverfahren der Klägerin wäre ermessensfehlerhaft, weil dies von der allgemeinen Praxis der Beklagten abwiche, ohne dass es durch einen besonderen Umstand geboten wäre. Die Zweifel der Klägerin an seiner – des Beigeladenen zu 1 – Legitimation nach § 73b Abs. 4 SGB V seien unhaltbar. Die Beklagte habe zutreffend ausschließlich auf die Allgemeinärzte im Sinne von § 73a Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 SGB V unabhängig von der Weiterbildungsdauer abgestellt.

Der Beigeladene zu 2 stellt keinen Antrag. Ein Schiedsspruch sei noch nicht ergangen. Das Schiedsverfahren sei aber bereits mündlich verhandelt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG).

1. Der Senat ist für die Entscheidung über die Klage zuständig, nachdem das SG das vorliegende Verfahren mit bindender Wirkung an ihn verwiesen hat (§ 98 Satz 2 SGG in Verbindung mit § 17a Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz). Der Senat teilt jedoch weder die Auffassung des SG über seine erstinstanzliche Zuständigkeit (a) noch diejenige über die Zuordnung der Streitigkeit zu den Angelegenheiten des allgemeinen Krankenversicherungsrechts (b).

a) Für Verfahren, welche die Bestimmung der Schiedsperson für den Abschluss eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b Abs. 4a Satz 2 SGB V betreffen, ist keine erstinstanzliche Zuständigkeit des LSG gegeben. Der Senat schließt sich dem LSG Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 25.11.2010 - L 9 KA 2/10 ER KL - juris Rn. 17 ff.) an, das den Beschlüssen des SG Magdeburg (vom 03.09.2010 - S 1 KA 93/10 ER - und vom 20.09.2010 - S 1 KA 94/10) entgegengetreten ist, denen das SG gefolgt ist. Eine erstinstanzliche Zuständigkeit des LSG ergibt sich weder aus § 29 Abs. 2 Nr. 2 SGG noch in entsprechender Anwendung des § 29 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Obwohl die Bestimmung der Schiedsperson durch die für die Krankenkasse zuständige Aufsichtsbehörde erfolgt (§ 73b Abs. 4a Satz 2 SGB V), handelt es sich bei Streitigkeiten darüber nicht um eine Aufsichtsangelegenheit im Sinne des § 29 Abs. 2 Nr. 2 SGG. Anders als das LSG Sachsen-Anhalt angenommen hat, ergibt sich dies allerdings nicht bereits daraus, dass die Bestimmung der Schiedsperson durch die Aufsichtsbehörde weder von einem Rechtsverstoß abhängt noch von Amts wegen erfolgt. Denn das Sozialversicherungsrecht kennt Staatsaufsicht nicht nur als Rechtsaufsicht, sondern auch in Gestalt der Fachaufsicht (vgl. § 87 Abs. 1 und 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IV] und Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 06.05.2009 - B 6 A 1/08 R - BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr. 2, jeweils Rn. 34 ff.). Auch ein von außen veranlasstes Tätigwerden der Aufsichtsbehörden ist dem Sozialversicherungsrecht nicht fremd, wie Genehmigungserfordernisse (z.B. § 195 Abs. 1 SGB V) und Beanstandungsbefugnisse (z.B. § 94 Abs. 1 SGB V) zeigen. Entscheidend gegen eine Wertung als Aufsichtsmaßnahme spricht, dass die Bestimmung der Schiedsperson durch die Aufsichtsbehörde die Einigung beider Vertragsparteien ersetzt (§ 73b Abs. 4a Satz 2 SGB V) und damit nicht nur das Einverständnis der Krankenkasse, sondern auch das Einverständnis der Gemeinschaft von Allgemeinärzten im Sinne des § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V, die keiner Staatsaufsicht untersteht. Begehrt diese Gemeinschaft gegen die Bestimmung der Schiedsperson Rechtsschutz, weil sie mit der Auswahl durch die für die Krankenkasse zuständige Aufsichtsbehörde nicht einverstanden ist, kann von einer Aufsichtsangelegenheit nicht gesprochen werden. Eine unterschiedliche Bewertung je nachdem, welche Vertragspartei Klage erhebt, mit der Folge eines unterschiedlichen Instanzenzuges ist abzulehnen – zumal die Bestimmung der Schiedsperson durch eine staatliche Behörde nicht nur ihren unmittelbaren Adressaten nach, sondern auch ihrer Funktion nach keine Maßnahme der Staatsaufsicht ist. Denn bei der Bestimmung der Schiedsperson handelt die Aufsichtsbehörde im Rahmen einer mit der Beantragung des Schiedsverfahrens eingeleiteten Konfliktschlichtung selbst als Konfliktschlichter. Wie die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson an die Stelle der inhaltlichen Einigung der Parteien tritt (§ 73b Abs. 4a Satz 1 SGB V), ersetzt die Bestimmung der Schiedsperson durch die Aufsichtsbehörde die verfahrensbezogene Einigung der Parteien (§ 73b Abs. 4a Satz 2 SGB V). Streitigkeiten über die Bestimmung der Schiedsperson durch die Aufsichtsbehörde stellen daher keine Aufsichtsangelegenheiten dar. Vielmehr weisen sie eine Nähe zu den Schiedsamts- und Schiedsstellenangelegenheiten auf, für die nach § 29 Abs. 2 Nr. 1 SGG das LSG erstinstanzlich zuständig ist. Eine entsprechende Anwendung des § 29 Abs. 2 Nr. 1 SGG auf die dort nicht mit aufgezählten Angelegenheiten der Schiedspersonen scheidet aber aus, weil – wie das LSG Sachsen-Anhalt eingehend dargelegt hat (Beschluss vom 25.11.2010 - L 9 KA 2/10 ER KL - juris Rn. 21) – angesichts der Regelungsgeschichte nicht von einer planwidrigen Lücke, sondern von einem beredten Schweigen auszugehen ist. Hinzu kommt, dass § 29 Abs. 2 SGG als Ausnahmevorschrift zu § 8 SGG eng auszulegen ist.

b) Der Senat folgt dem SG auch darin nicht, dass es sich bei Streitigkeiten um die Bestimmung der Schiedsperson für den Abschluss eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung um Angelegenheiten des allgemeinen Krankenversicherungsrechts handelt. Vielmehr sind diese Streitigkeiten dem Vertragsarztrecht im Sinne des § 10 Abs. 2 SGG zuzuordnen. Denn auch Streitigkeiten über die hausarztzentrierte Versorgung sind Streitigkeiten "aufgrund der Beziehungen zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten ... einschließlich ihrer Vereinigungen und Verbände". Zwar ist die hausarztzentrierte Versorgung aus dem das Vertragsarztrecht kennzeichnenden Kollektivvertragssystem zwischen Krankenkassen und KÄVen herausgelöst (vgl. § 73b Abs. 4 Satz 6, Abs. 5 Satz 4, Abs. 7 SGB V). Doch lässt sie sich als "besondere hausärztliche Versorgung" (§ 73b Abs. 1 SGB V) nicht von der hausärztlichen Regelversorgung (§ 73 Abs. 1 Satz 2 SGB V) abkoppeln, weshalb an der hausarztzentrierten Versorgung auch nur Ärzte teilnehmen dürfen, die zur Teilname an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt sind. Da die Gemeinschaften im Sinne des § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V mehrheitlich aus Vertragsärzten – nämlich aus an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzten – bestehen müssen, sind sie auch als Vereinigungen von Vertragsärzten im Sinne des § 10 Abs. 2 SGG anzusehen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.09.2010 - L 11 KA 3/10 B ER - juris Rn. 28). "Aufgrund" der Beziehungen zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten kann eine Streitigkeit auch dann entstehen, wenn sie mit einem Dritten über die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten besteht, wie hier über ein Schiedsverfahren zwischen einer Krankenkasse und einer Gemeinschaft von Hausärzten (im Ergebnis ebenso Ulrich, NZS 2011, 448, 450 f.). Dementsprechend hat das Vierte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2011 (BGBl. I S. 3057) mit dem in § 10 Abs. 2 SGG eingefügten Satz 2 Nr. 3, wonach auch Klagen aufgrund von Verträgen nach § 73b SGB V zu den Angelegenheiten des Vertragsarztrechts zählen, lediglich die Rechtslage klargestellt, nicht aber geändert (so auch BT-Drucks. 17/6764, S. 13).

2. Der Klage ist unbegründet.

Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist nach § 96 Abs. 1 SGG der Bescheid vom 28.02.2012, der den ursprünglich mit der Klage angefochtenen Bescheid vom 27.08.2010 vollständig ersetzt hat.

Die Klägerin ist durch den Bescheid der Beklagten vom 28.02.2012 nicht rechtswidrig beschwert. Denn die Voraussetzungen für die Bestimmung einer Schiedsperson durch das Bundesversicherungsamt der Beklagten sind erfüllt (dazu a und b); auch deren Auswahlentscheidung ist nicht ermessensfehlerhaft (dazu c).

Rechtsgrundlage für die Bestimmung einer Schiedsperson für ein Schiedsverfahren zur flächendeckenden Sicherstellung einer hausarztzentrierten Versorgung ist § 73b Abs. 4a Satz 2 SGB V. Danach bestimmt die für die Krankenkasse zuständige Aufsichtsbehörde die Schiedsperson, wenn sich die Vertragsparteien auf diese nicht einigen konnten. Neben der fehlenden Einigung auf eine Schiedsperson müssen auch die Voraussetzungen des § 73b Abs. 4 Satz 2, Abs. 4a Satz 1 SGB V für die Einleitung eines Schiedsverfahrens erfüllt sein. Danach kann eine Gemeinschaft im Sinne des § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V die Einleitung eines solchen Schiedsverfahrens beantragen, wenn sie sich mit einer Krankenkasse über einen Vertrag über die hausarztzentrierte Versorgung nicht einigen konnte. Dies erfordert zum einen, dass die Gemeinschaft "mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung" vertritt, und zum anderen, dass sich die Vertragsparteien, mithin diese Gemeinschaft und die Krankenkasse, nicht auf einen Vertrag über die hausarztzentrierte Versorgung einigen konnten. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen eine Schiedsperson zu bestimmen.

a) Der Beigeladene zu 1 ist eine Gemeinschaft im Sinne des § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V, da er mehr als die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte im Bezirk der KÄV Sachsen vertritt.

(1) Maßgeblich hierfür sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.01.2011 - L 7 KA 66/10 B ER - juris Rn. 5; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.10.2010 - L 11 KA 61/10 B ER - juris Rn. 43). Dies entspricht dem Grundsatz, dass maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei Anfechtungsklagen gegen Ermessensverwaltungsakte der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ist (siehe nur Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 10. Aufl., § 54 Rn. 33 f.). Um eine solche Klage handelt es sich hier, da die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid eine Ermessensentscheidung über die Auswahl einer Schiedsperson zu treffen hatte. Allerdings beziehen sich die Grundsätze über den maßgeblichen Zeitpunkt darauf, ob Änderungen der Sach- oder Rechtslage nach der letzten Verwaltungsentscheidung vom Gericht zu berücksichtigen sind. Hinzu kommt, dass es sich bei dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage um eine Frage nicht des Prozessrechts, sondern des materiellen Rechts handelt (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.04.1990 - 8 C 87/88 - NVwZ 1991, 360). Aus dem materiellen Recht kann sich ergeben, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für den Erlass eines Verwaltungsakts bereits bei dessen Beantragung vorgelegen haben müssen. Dies ist indessen bei der Bestimmung der Schiedsperson für den Abschluss eines Vertrages über die hausarztzentrierte Versorgung nicht der Fall.

Den Vorschriften des § 73b SGB V über das Schiedsverfahren (Absatz 4 Satz 2, Absatz 4a) lässt sich nicht entnehmen, wann eine Gemeinschaft von Allgemeinärzten das gesetzliche Quorum erfüllen muss. § 73b Abs. 4 Satz 2 SGB V bestimmt lediglich, dass "die Gemeinschaft" bei Nichteinigung der Vertragsparteien die Einleitung eines Schiedsverfahrens beantragen kann. Und § 73b Abs. 4a Satz 1 SGB V schreibt vor, dass sich die Vertragsparteien auf eine unabhängige Schiedsperson zu verständigen haben, wenn "eine Gemeinschaft gemäß Absatz 4 Satz 2 die Einleitung eines Schiedsverfahrens" beantragt. Welche Anforderungen an diese "Gemeinschaft" zu stellen sind, ergibt sich weder aus § 73b Abs. 4 Satz 2 SGB V noch aus § 73b Abs. 4a Satz 1 SGB V, sondern allein aus § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V. Dies ist auch konsequent, denn der in § 73b Abs. 4 Satz 2, Abs. 4a SGB V geregelte Konfliktlösungsmechanismus ist Folge des in § 73b Abs. 4a Satz 1 SGB V angeordneten Kontrahierungszwangs. Die Befugnis zur Einleitung eines Schiedsverfahrens muss sich daher mit der Privilegierung beim Vertragsschluss decken.

Aus der Zusammenschau mit § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V folgt nicht, dass eine Schiedsperson nur ernannt werden darf, wenn die Gemeinschaft bereits im Zeitpunkt der Antragstellung das Quorum erfüllt hat. Dabei ist dem in § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V erwähnten Stichtag (30.06.2009) keine Bedeutung beizumessen, da er sich allein auf die Verpflichtung der Krankenkassen zum Abschluss von Verträgen über die hausarztzentrierte Versorgung bezieht, nicht aber auf die Hierarchie ihrer Vertragspartner (Kingreen/Temizel, ZMGR 2009, 134, 135). Folglich handelt es sich beim 30.06.2009 weder um eine Ausschlussfrist für den Kontrahierungszwang mit privilegierten Gemeinschaften noch für die Einleitung von Schiedsverfahren (von Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 46 und 49; Mehdorn, ZMGR 2012, 3 Fn. 3 – unklar insoweit Orlowski in: ders./Rau/Wasem/Schirmer/Zipperer, GKV-Kommentar, § 73b SGB V Rn. 44 f., Stand Juni 2009). Von entscheidender Bedeutung ist demgegenüber die Formulierung in § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V, dass "Verträge mit Gemeinschaften zu schließen [sind], die" ein bestimmtes Quorum erfüllen. Hieraus ergibt sich, dass das Quorum im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erfüllt sein muss (vgl. Sproll in: Krauskopf, § 73b Rn. 29, Stand Juli 2011). Dies gilt nicht nur beim einvernehmlichen Abschluss eines Vertrages, sondern muss auch gelten, wenn eine Schiedsperson gemäß § 73b Abs. 4a Satz 1 SGB V den Inhalt des Vertrages festlegt (vgl. Huster in: Becker/Kingreen, SGB V, 2. Aufl. § 73b Rn. 10). Daher ist ein Schiedsverfahren einzustellen, sobald die Gemeinschaft das gesetzliche Quorum dauerhaft unterschreitet (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.01.2011 - L 7 KA 66/10 B ER - juris Rn. 5). Stellt aber § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V für die Erfüllung des Quorums allein auf den Zeitpunkt des Zustandekommens des Vertrages – gleichgültig, ob durch übereinstimmende Willenserklärungen der Parteien oder durch Schiedsspruch – ab, kann bei der Bestimmung der Schiedsperson nach § 73b Abs. 4a Satz 2 SGB V der maßgebliche Zeitpunkt für die Erfüllung des Quorums kein früherer sein als derjenige der Behördenentscheidung. Die für die Krankenkasse zuständige Aufsichtsbehörde darf den Antrag auf Bestimmung einer Schiedsperson deshalb nicht dann ablehnen, wenn im Zeitpunkt der Antragstellung das Quorum nicht erfüllt war, sondern nur dann, wenn dies im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung der Fall ist. Hierfür spricht auch, dass der Antrag auf Bestimmung einer Schiedsperson solange fortwirkt, bis über ihn entschieden ist. Eine Gemeinschaft, bei der sich herausstellt, dass sie erst nach der Antragstellung das Quorum erfüllt hat, muss daher nicht ihren Antrag zurücknehmen und einen neuen Antrag auf Bestimmung einer Schiedsperson stellen, sondern kann an ihrem ursprünglich gestellten Antrag festhalten.

Zu keiner anderen Beurteilung führt die in § 73b Abs. 4 Satz 3 und 4 SGB V den Krankenkassen eröffnete Möglichkeit, Verträge über die hausarztzentrierte Versorgung mit anderen Partnern als mit Gemeinschaften nach § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V zu schließen. Diese Möglichkeit besteht grundsätzlich nur, wenn ein Vertrag über die hausarztzentrierte Versorgung bereits mit einer privilegierten Gemeinschaft abgeschlossen worden ist (§ 73b Abs. 4 Satz 3 SGB V) oder wenn sich eine solche Gemeinschaft nicht finden lässt (§ 73b Abs. 4 Satz 4 SGB V). Auch im letztgenannten Fall (Satz 4) verweist § 73b Abs. 4 SGB V auf die "Voraussetzungen nach Satz 1", der für die Erfüllung des Quorums auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abstellt. Dabei ist eine hypothetische Betrachtung anzustellen, da § 73b Abs. 4 Satz 4 SGB V den Fall betrifft, dass aus tatsächlichen Gründen ein Vertrag mit einer privilegierten Gemeinschaft nicht zustande kommt. Die damit unter Umständen verbundene Unsicherheit über die Berechtigung zum Vertragsschluss mit nicht privilegierten Partnern rechtfertigt es nicht, bei der aufsichtbehördlichen Prüfung des Quorums vor der Bestimmung einer Schiedsperson den Zeitpunkt der Antragstellung für maßgeblich zu halten. Denn der Bescheid, mit dem die Aufsichtsbehörde eine Schiedsperson bestimmt, dient nicht dazu diese Unsicherheit zu beseitigen und den Status einer privilegierten Gemeinschaft verbindlich festzustellen. Vielmehr ist die Erfüllung des Quorums nur eine Vorfrage für die Bestimmung der Schiedsperson durch die Aufsichtsbehörde. Doch selbst wenn es sich anders verhielte und der aufsichtsbehördliche Bescheid statusfeststellenden Charakter besäße, könnte er (Rechts-) Sicherheit erst ab seinem Erlass vermitteln.

(2) In § 73b SGB ist zwar nicht ausdrücklich geregelt, welche Ärzte als "Allgemeinärzte" im Sinne des Abs. 4 Satz 1 anzusehen sind; aus Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 und 2 der Vorschrift ergibt sich aber, dass nicht alle an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragsärzte darunter fallen. Der Gesetzesgeber hat hinsichtlich des Begriffs "Allgemeinarzt" auf § 73 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 SGB V Bezug genommen (vgl. BT-Drucks. 16/10609, S. 53), für dessen Auslegung wiederum § 95a Abs. 2 SGB V heranzuziehen ist, wonach die Berechtigung zum Führen der Facharztbezeichnung für Allgemeinmedizin erforderlich ist. Mithin sind "Allgemeinärzte" im Sinne von § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V allein Fachärzte für Allgemeinmedizin sowie Fachärzte für Innere und Allgemeinmedizin (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.12.2010 - L 11 KA 58/10 B ER - juris Rn. 34; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25.11.2010 - L 9 KA 2/10 ER KL - Rn. 25; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.09.2010 - L 3 KA 68/10 B ER - nicht veröffentlicht). Dieser Arztgruppe wird entsprechend Anlage 2 der Richtlinie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung nach § 75 Abs. 7 SGB V zur Vergabe der Arzt- und Betriebsstättennummern der Fachgruppencode 01 zugeordnet.

Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Ärzte mit den Fachgruppencodes 02 und 03 nicht heranzuziehen. Sowohl die praktischen Ärzte (Fachgruppencode 02) als auch die hausärztlich tätigen Internisten (Fachgruppencode 03) werden in § 73 Abs. 1a Satz 1 SGB V von den Allgemeinärzten abgegrenzt (vgl. Nr. 1 auf der einen und Nr. 3 und 4 mit § 95a Abs. 4 SGB V auf der anderen Seite). Weder praktische Ärzte noch Fachärzte für Innere Medizin haben die für Allgemeinärzte im Sinne des § 73 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 SGB V erforderliche allgemeinmedizinische Facharztausbildung durchlaufen. Es ist daher auch ausgeschlossen, sie als "Allgemeinärzte" im Sinne des § 73 Abs. 4 Satz 1 SGB V anzusehen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.12.2010 - L 11 KA 58/10 B ER - juris Rn. 34).

Der Senat hält auch die Bedenken der Klägerin gegen die Heranziehung der Fachgruppencodes für nicht stichhaltig. Dass dem Fachgruppencode 01 auch Fachärzte für Allgemeinmedizin zugeordnet werden, die ihre Weiterbildung nach altem Recht absolviert haben, ist unschädlich. Zwar heißt es in den Gesetzesmaterialien, dass die Allgemeinärzte deswegen gegenüber den anderen Hausärzten privilegiert werden sollen, weil sie eine auf fünf Jahre verlängerte Weiterbildungszeit absolvieren (BT-Drucks. 16/10609, S. 54). Daraus kann aber nicht hergeleitet werden, dass Fachärzte für Allgemeinmedizin nur dann als "Allgemeinärzte" im Sinne des § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V anzusehen sind, wenn sie eine fünfjährige Weiterbildung durchlaufen haben. Denn § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V knüpft einschränkungslos an den Begriff des "Allgemeinarztes" in § 73 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 SGB V an, der eine solche restriktive Interpretation nicht zulässt. Hieran vermag die zitierte Stelle in den Gesetzesmaterialien nichts zu ändern (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.12.2010 - L 11 KA 58/10 B ER - juris Rn. 35 ff.). Gleiches gilt für das Vorbringen der Klägerin, die Zuordnung zum Fachgruppencode 01 komme auch bei EU-Ärzten in Betracht.

(3) Ausgehend hiervon hat die Beklagte zu Recht angenommen, dass der Beigeladene zu 1 im maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte im Bezirk der KÄV Sachsen vertreten hat.

Dabei hat die Beklagte in dem Bescheid vom 28.02.2012 zu Recht die Mitgliedschaft in einer Gemeinschaft für ausreichend gehalten, zu deren satzungsgemäßen Aufgaben der Abschluss von Verträgen mit den Krankenkassen gehört (Huster in: Becker/Kingreen, SGB V, § 73b Rn. 10; ders. NZS 2010, 69, 70 f.; Orlowski in: ders./Rau/Wasem/Schirmer/Zipperer, GKV-Kommentar, § 73b SGB V Rn. 37; Adolf in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 73b Rn. 66). Denn unter der in § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V geforderten "Vertretung" einer ausreichenden Zahl von Allgemeinärzten ist keine rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung zu verstehen, da Vertragspartei die qualifizierte Gemeinschaft von Allgemeinärzten und nicht der einzelne Allgemeinarzt ist. Vielmehr ist "Vertretung" in § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V im Sinne von Repräsentation zu verstehen und mit dem Quorum von 50 % der Allgemeinärzte eine bestimmte soziale Mächtigkeit verlangt (vgl. Orlowski, ZMGR 2009, 124, 127 f.). Diese soziale Mächtigkeit kann nicht nur durch Mandatierungserklärungen für den Abschluss von Verträgen über die hausarztzentrierte Versorgung belegt werden, sondern auch durch die Mitgliedschaft in einer Gemeinschaft, deren satzungsgemäße Aufgabe der Abschluss solcher Verträge ist. Letzteres ist beim Beigeladenen zu 1 der Fall.

Der Beigeladene zu 1 hat bei Erlass des Bescheids vom 28.02.2012 mindestens die Hälfte der im KÄV-Bezirk Sachsen hausärztlich tätigen Allgemeinärzte vertreten. Dies ergibt sich aus den Unterlagen in den beigezogenen Akten der Beklagten. Danach hatte der Beigeladene zu 1 allerdings das Quorum bei der Antragstellung im Juni 2009 noch nicht erfüllt. Wie die Beklagte dem Beigeladenen zu 1 mit Schreiben vom 20.10.2009 mitteilte, hatte die erste, auf der Grundlage von Mandatierungserklärungen durchgeführte Quorumsprüfung eine Quote von 45,53 % ergeben. Daraufhin legte der Beigeladene zu 1 im April 2010 nachgebesserte und neue Mandatierungserklärungen vor. Nach deren Überprüfung nahm die Beklagte an, dass das Quorum mit 50,05 % erfüllt sei, und teilte dieses Ergebnis den Krankenkassen mit, der Klägerin mit Schreiben vom 10.05.2010. Danach waren vom Beigeladenen zu 1 für den KÄV-Bezirk 1.028 Mandatierungserklärungen vorgelegt worden, von denen 945 berücksichtigt werden konnten, woraus sich bei 1.888 Allgemeinärzten im KÄV-Bezirk eine Quote von 50,05 % ergab. Anders als die Klägerin nahm der Verband der Ersatzkassen (VdEK) Einsicht in die Akten zur Quorumsprüfung, aufgrund derer er nur 909 Mandatierungen anerkannte, was bei 1.848 Allgemeinärzten im KÄV-Bezirk zu einer Quote von 49,19 % führte. Die Beklagte entschied sich daraufhin, bei der Quorumsprüfung auf die Mitgliederzahl abzustellen und forderte beim Beigeladenen zu 1 eine Mitgliederliste zum 01.04.2011 an. Von den darin verzeichneten 975 Fachärzten für Allgemeinmedizin berücksichtigte sie 926, woraus sich bei 1.832 Allgemeinärzten (Ärzten mit Fachgruppencode 01) im KÄV-Bezirk eine Quote von 50,55 % ergab. Diesem Prüfergebnis stimmte der VdEK zu; gleichwohl musste die Beklagte im November 2011 eine Schiedsperson bestimmen, da sich die durch den VdEK vertretenen Ersatzkassen und der Beigeladene zu 1 nicht auf eine Schiedsperson einigen konnten. Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit dieser Quorumsprüfung bestehen nicht. Ebenso wenig besteht Grund für die Annahme, dass das Quorum im maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung (28.02.2012) wieder unterschritten wurde. Vielmehr steht nach Überzeugung des Senats fest, dass der Beigeladene zu 1 jedenfalls seit 01.04.2011 mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte im Bezirk der KÄV Sachsen vertritt. Weder der Beigeladene zu 1 noch die Beklagte musste die Erfüllung des Quorums gegenüber der Klägerin durch Vorlage von Mandatierungserklärungen oder Mitgliederlisten nachweisen. Sicher trifft es zu, dass die Krankenkasse vor dem einvernehmlichen Abschluss eines Vertrages über die hausarztzentrierte Versorgung nach § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V die Erfüllung des Quorums zu prüfen hat und von der Gemeinschaft entsprechende Nachweise verlangen kann. Im Verfahren über die Bestimmung einer Schiedsperson durch die Aufsichtsbehörde hat aber diese und nicht die Krankenkasse die Erfüllung des Quorums zu prüfen. Folglich sind der Aufsichtsbehörde und nicht der Krankenkasse die erforderlichen Nachweise vorzulegen. Daran ändert sich nichts dadurch, dass die Beweislast für die Erfüllung des Quorums weiterhin bei der Gemeinschaft liegt (vgl. BT-Drucks. 16/10609, S. 54).

b) Es liegt auch die weitere Voraussetzung des § 73b Abs. 4 Satz 2 SGB V vor, dass sich die Beteiligten auf einen Vertrag über die hausarztzentrierte Versorgung nicht einigen konnten. Eine Nichteinigung in diesem Sinne liegt nicht bereits dann vor, wenn ein Vertrag nicht zustande gekommen ist. Erforderlich ist aber auch nicht, dass beide Seiten Vertragsverhandlungen übereinstimmend für gescheitert erklären. Auch bilaterale Vertragsverhandlungen müssen nicht vorausgegangen sein. Denn andernfalls hätten es die Krankenkassen in der Hand, durch Verweigerung jeglicher Vertragsverhandlungen die Einleitung eines Schiedsverfahrens zu blockieren. Angesichts des gesetzgeberischen Ziels, durch Einführung eines Schiedsverfahrens die Verpflichtung zum Abschluss von hausarztzentrierten Verträgen durchzusetzen, muss es daher genügen, wenn zumindest eine Vertragspartei einen Einigungsversuch unternommen hat (von Alemann/Scheffczyk, NZS 2012, 45, 49). Dies ist hier der Fall. Zwischen den Beteiligten sind Vertragsverhandlungen geführt worden. Die Klägerin hatte einen Add-on-Vertrag vorgeschlagen, der Beigeladene zu 1 einen Vollversorgungsvertrag, über den die Klägerin nicht verhandeln wollte.

c) Da sich die Klägerin und der Beigeladene zu 1 schließlich nicht auf eine Schiedsperson verständigen konnten (zu dieser Voraussetzung: § 73b Abs. 4a Satz 1 SGB V), war das Bundesversicherungsamt der Beklagten als für die Klägerin zuständige Aufsichtsbehörde befugt, eine Schiedsperson zu bestimmen (§ 73b Abs. 4a Satz 2 SGB V). Die Erwägungen, die die Beklagte hierbei zur Bestimmung des Beigeladenen zu 2 veranlasst haben, bewegen sich im Rahmen des ihr zukommenden Auswahlermessens.

Bedenken gegen die fachliche und persönliche Eignung des Beigeladenen zu 2 als Schiedsperson, insbesondere gegen seine Unabhängigkeit (§ 73b Abs. 4a Satz 1 SGB V), sind weder von der Klägerin vorgebracht worden noch sonst ersichtlich.

Die Vorgehensweise der Beklagten bei der Bestimmung der Schiedsperson bewegt sich im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens. Angesichts des mit der Einführung des Schiedsverfahrens verfolgten Ziels einer "raschen Sicherstellung" eines flächendeckenden Angebots der hausarztzentrierten Versorgung (vgl. BT-Drucks. 16/10609, S. 54), ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte für die KÄV-Bezirke jeweils einheitlich nur wenige Schiedspersonen bestimmt hat. Da bis zum Ablauf der vom Gesetzgeber eingeräumten Umsetzungsfrist (30.06.2009) nur wenige Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung abgeschlossen worden sind, wäre das Ziel einer raschen Sicherstellung einer solchen Versorgung in Frage gestellt, wenn für jedes einzelne Schiedsverfahren nach § 73b Abs. 4a SGB V eine jeweils andere Schiedsperson eingesetzt werden müsste (LSG Nordrhein-Westfalen, 28.12.2010 - L 11 KA 58/10 B ER - juris Rn. 49 ff.). Der Vorgehensweise der Beklagten steht auch nicht eine "vom Gesetzgeber gewollte Vielfalt möglicher Verträge" entgegen. Soweit die Klägerin damit meint, die Bestimmung einer Schiedsperson für eine Mehrzahl von Schiedsverfahren führe faktisch zu kollektivrechtlichen Verträgen, trifft das nicht zu. Das Schiedsverfahren wird nach § 73b Abs. 4 Satz 2, Abs. 4a SGB V zwischen den Vertragsparteien geführt. Das sind die jeweilige Krankenkasse und die Gemeinschaft der Allgemeinärzte im Gebiet einer KÄV. Zwischen diesen Parteien wird mittels des Schiedsverfahrens eine vertragliche Regelung hinsichtlich der strittigen Punkte herbeigeführt. Die Verträge wirken allein zwischen diesen Parteien. Insoweit wird – verglichen mit den Gesamtverträgen zwischen den Krankenkassenverbänden und KÄVen – eine selektivvertragliche Regelung geschaffen. Den Vertragsparteien bleibt es unbenommen, ihre jeweiligen Vorstellungen zum Vertragsinhalt in das Schiedsverfahren einzubringen. Sofern eine Schiedsperson mehrere Verfahren durchführt, ändert sich hieran nichts. Sollten die verschiedenen Verträge Ähnlichkeiten aufweisen, ergibt sich dies daraus, dass Gegenstand des Schiedsverfahrens ein von sämtlichen Krankenkassen anzubietendes, umgrenztes Versorgungsangebot für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung innerhalb eines KÄV-Bezirks ist und die regionalen Strukturen sich vielfach nicht grundlegend voneinander unterscheiden. Zudem hat der Gesetzgeber in § 73b Abs. 2 SGB V inhaltliche Anforderungen an die hausarztzentrierte Versorgung vorgegeben, die naturgemäß zu einer Ähnlichkeit der Verträge führen, ohne dass deswegen den Gesamtverträgen ähnelnde Kollektivverträge vorliegen. Hieran würde auch die Benennung unterschiedlicher Schiedspersonen im Gebiet einer KÄV nichts ändern. Außerdem unterliegt es der Dispositionsfreiheit der Parteien, welche Punkte sie streitig stellen und inwieweit die Schiedsperson sodann entscheiden muss (LSG Nordrhein-Westfalen, 28.12.2010 - L 11 KA 58/10 B ER - juris Rn. 56; vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25.11.2010 - L 9 KA 2/10 ER KL - Rn. 30). Daher lässt die Vorgehensweise der Beklagten bei der Bestimmung der Schiedsperson Ermessensfehler nicht erkennen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Kosten des Beigeladenen zu 1 sind nach § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, da er – anders als der Beigeladene zu 2 – einen Antrag gestellt hat (vgl. BSG, Urteil vom 31.05.2006 - B 6 KA 62/04 R - BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr. 3, jeweils Rn. 16).

Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz. Im vorliegenden Fall ist vom Auffangstreitwert ist auszugehen, da das wirtschaftliche Interesse der Klägerin nicht beziffert werden kann und genügend tatsächliche Anhaltspunkte für eine Schätzung fehlen.

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