Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 7 U 139/09
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 25/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage der Bewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bei Vorliegen der Berufskrankheiten Nr. 4301 und 5101 der Anlage 1 BKV.
Keine Bildung einer Gesamt-MdE, sofern die beiden Berufskrankheiten kein einheitliches gesamtallergisches Geschehen bilden, sondern auch voneinander getrennte zusätzliche Einschränkungen bedingen.
Auch bei gemeinsamem Vorliegen der Berufskrankheiten der Nummern 5101 BKV und 4301 BKV sind grundsätzlich zwei voneinander getrennte MdE zu bilden. Lediglich dann, wenn das allergische Geschehen in jeder Hinsicht einheitlich ist (Bsp. Latex-Allergie) kann eine Gesamt-MdE gebildet werden. Sofern abgrenzbare Ausprägungen der Allergien bestehen, sind die Berufskrankheiten der Nr. 4301 und Nr. 5101 getrennt zu bewerten.
Keine Bildung einer Gesamt-MdE, sofern die beiden Berufskrankheiten kein einheitliches gesamtallergisches Geschehen bilden, sondern auch voneinander getrennte zusätzliche Einschränkungen bedingen.
Auch bei gemeinsamem Vorliegen der Berufskrankheiten der Nummern 5101 BKV und 4301 BKV sind grundsätzlich zwei voneinander getrennte MdE zu bilden. Lediglich dann, wenn das allergische Geschehen in jeder Hinsicht einheitlich ist (Bsp. Latex-Allergie) kann eine Gesamt-MdE gebildet werden. Sofern abgrenzbare Ausprägungen der Allergien bestehen, sind die Berufskrankheiten der Nr. 4301 und Nr. 5101 getrennt zu bewerten.
I. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 03.01.2012 wird aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 25.08.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.08.2009 sowie der Bescheid vom 15.07.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2009 werden dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, der Klägerin Verletztenrente nach einer MdE von 10 v.H. für die BK-Nr. 5101 BKV sowie von 10 v.H. für die BK-Nr. 4301 BKV ab dem 29.06.1999 zu zahlen.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Instanzen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob zwei anerkannte Berufskrankheiten, die BK-Nr. 4301 der Anlage I der Berufskrankheitenverordnung (BKV) und die BK-Nr. 5101 BKV als einheitlicher oder getrennter Versicherungsfall zu bewerten sind mit der Folge, dass entweder eine Gesamt-MdE zu bilden ist oder zwei einzelne MdE’s aus zwei Versicherungsfällen nebeneinander stehen.
Die 1979 geborene Klägerin absolvierte in der Zeit vom 01.08.1995 bis zum 31.07.1998 eine Ausbildung zur Bäckerin. Anschließend war die Klägerin bis zum 28.06.1999 als Bäckerin beschäftigt. Zu ihren Aufgaben zählte die Herstellung von Torten, Kuchen und Keksen, aber auch die Herstellung von Brötchenteig. Der Teig wurde hauptsächlich manuell mit in der Backstube üblichen Hilfsmitteln hergestellt. Die Klägerin knetete den Teig mit ihren Händen. Früchte wurden glasiert, gezuckert, dekoriert und in Stücke geschnitten.
Bereits Ende Januar 1996 traten bei der Klägerin erstmalig Ekzemherde an beiden Händen auf. Die behandelnde Hautärztin Frau Dr. K , L , befundete am 18.08.1996 seit Ende Januar 1996 Hauterkrankung an beiden Handrücken infolge Backzutaten ohne Arbeitsunfähigkeit. Bisherige epikutane Testungen sämtlich negativ. Befund: an beiden Handrücken nummuläre papulo-vesikuläre Ekzemherde, ebenfalls an der Innenseite des rechten Unterarms. Allergien bisher nicht bekannt. Als Diagnose hielt sie einen Verdacht auf toxisch-irritatives Ekzem fest, als Differenzialdiagnose: Kontaktekzem berufsbedingt bei endogener Disposition. Schutzsalben und Schutzhandschuhe gingen alle nicht. Nur Reinigungsarbeiten können gemieden werden. Tätigkeitsaufgabe sei zu prüfen hinsichtlich der Meidung von Feuchtarbeiten. Weitere hautärztliche Behandlung sei erforderlich.
Aufgrund der Meldung an die Beklagte leitete diese ein Feststellungsverfahren wegen des Vorliegens einer Berufskrankheit ein. Sie zog weitere Befundberichte ein. Oberarzt Dr. R und Dr. K -T der Abteilung für Klinische Allergologie, Berufs- und Umweltdermatologie der Universität L befundeten am 19.05.1999 und 28.06.1999 eine beruflich verursachte allergische Rhinitis und allergisches Asthma bronchiale bei nachgewiesenen IgE-vermittelten Sensibilisierungen auf Roggen-, Weizenmehl und andere Teigbestandteile sowie ein beruflich verursachtes, kombiniert irritatives und allergisches Kontaktekzem bei Feuchtarbeiten, Verdacht auf Protein-Kontaktdermatitis und nachgewiesene Mehlsensibilisierung. Nach der 2. Feststellung am 28.06.1999 hat die Klägerin zum 29.06.1999 ihre Tätigkeit als Bäckerin beendet. Sie wurde für einen Büroberuf umgeschult.
Die Beklagte beauftragte Dr. K , Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten, L , mit der Erstellung eines Gutachtens. In ihrem Gutachten vom 12.09.1999 kam diese zu dem Ergebnis, dass die Klägerin an einer Protein-Kontaktdermatitis leide. Sie befundete eine leicht pathologisch erniedrigte Alkaliresistenz (vier) als Hinweis auf eine mittelgradige Schädigung des Säureschutzmantels. Dies könne man auf den häufigen Umgang mit Wasser und feuchten Lebensmitteln zurückführen. Die Protein-Kontaktdermatitis sei eine seltene, durch spezifische IgE-Antikörper ausgelöste ekzematöse Sofortreaktion. Ursachen seien u.A. oft Mehle. Es zeige sich ein klinisch unspezifisches Ekzembild mit Erythemen, Vesikeln, Juckreiz ggf. auch Urticae meist innerhalb von 30 Minuten. Später entwickelten sich chronische Ekzeme. Diese Aussage werde auch im arbeitsdermatologischen Bulletin bestätigt. Wie im vorliegenden Fall könnten auch dort erst im Pricktest und durch spezifische IgE die Ursachen für die zunehmende Haut- und pulmonale Symptomatik der Versicherten nachgewiesen werden. Aufgrund der positiven Testergebnisse sowie des örtlichen und zeitlichen Zusammenhangs könne von einem hinreichend wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen den nachgewiesenen Allergien und der beruflichen Allergenexposition ausgegangen werden. Es liege keine wiederholt rückfällige Erkrankung im Sinne der Nr. 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) vor. Die Hauterkrankung sei sowohl wegen ihrer langen Dauer () 6 Monate) als auch wegen der zunehmenden Lungensymptomatik als schwer zu bezeichnen. Das Ausmaß der Allergie sei mittelgradig und die MdE schätze sie mit 15 v.H. ein.
Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Prof. Dr. S vom 14.10.1999 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 04.11.1999 die Anerkennung einer BK-Nr. 5101, Anlage 1 zur BKV, ab, weil die Voraussetzungen nicht erfüllt seien.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.03.2000 als unbegründet zurück. Eine schwere Hauterkrankung sei nicht anzunehmen. Entgegen der gutachterlichen Stellungnahme sei die Dauer der Behandlungsbedürftigkeit nach den Unterlagen der Krankenkasse nicht schwer.
Hiergegen hat die Klägerin beim Sozialgericht Leipzig (SG) Klage erhoben. Mit Urteil vom 10.02.2004 hat das SG bei der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 04.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2000 die Protein-Kontaktdermatitis als Berufskrankheit der Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV anerkannt.
Im sich anschließenden Prüfungsverfahren durch die Beklagte zur Festsetzung einer etwaigen MdE holte die Beklagte ein Nachgutachten bei Frau Dr. K zur Frage der noch vorliegenden Erkrankungsfolgen bzw. dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit ein. Die Gutachterin gelangte in ihrem Nachgutachten vom 25.06.2004 zu der Einschätzung, dass sich "leichte" Hauterscheinungen darstellten, die bis zu drei Mal jährlich aufträten und unter adäquater Therapie schnell wieder abheilen würden. Sie schlug eine MdE von 10 v.H. als Dauerzustand vor.
Mit Bescheid vom 25.08.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente aufgrund der anerkannten BK-Nr. 5101 BKV ab. Die Folgen des Versicherungsfalles würden die Erwerbsfähigkeit nicht um wenigstens 10 v.H. mindern. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.08.2009 als unbegründet zurück. Gutachterlich sei lediglich eine MdE von 10 v.H. festgestellt worden. Eine Rente könne nur beansprucht werden, wenn eine MdE von wenigstens 20 v.H. bestünde.
Hiergegen hat die Klägerin am 04.09.2009 beim SG Leipzig Klage erhoben (Verfahren S 7 U 139/09). Aufgrund einer ärztlichen Anzeige von Dr. K -T der Universität L , Klinik für Hautkrankheiten vom 27.05.1999 wegen des Verdachts des Vorliegens einer Berufskrankheit der BK-Nr. 4301 BKV leitete die Beklagte ein weiteres Feststellungsverfahren ein. Sie zog auch hier Krankenunterlagen bei und beauftragte Prof. Dr. L von der Städtischen Klinik L West mit der Erstellung eines fachärztlichen Gutachtens (Facharzt für Innere Medizin). In seinem Gutachten vom 25.08.1999 gelangte Prof. Dr. L zu der Einschätzung, dass eine manifeste Ventilationsstörung nicht nachweisbar sei. Es liege eine durch IgE-vermittelte Sensibilisierung, eine allergische Rhinitis und ein allergisches Asthma bronchiale leichten Grades vor. Als Allergene hätten weitgehend Roggen- und Weizenmehle sowie andere Teigbestandteile gesichert werden können. Die Berufsaufgabe sei ärztlich indiziert gewesen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) liege bei der Klägerin bei maximal 10 v.H.
Mit Bescheid vom 07.09.1999 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK-Nr. 4301 BKV ab. Es bestehe allerdings die Gefahr, dass sich eine BK 4301 entwickeln könne. Die Beklagte sei daher bereit, der Klägerin Berufshilfe zu gewähren.
Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden.
Mit Überprüfungsantrag von Mitte 2000 beantragte die Klägerin, ihre Atemwegserkrankung als BK-Nr. 4301 BKV nun doch anzuerkennen.
Mit weiterem Bescheid vom 25.09.2000 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer allergisch obstruktiven Atemwegserkrankung einschließlich einer Rhinopathie ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2001 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 05.04.2001 Klage erhoben (Verfahren S 9 U 82/01).
Mit Urteil vom 13.12.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Anerkennung der bei ihr bestehenden Atemwegserkrankung als BK-Nr. 4301 BKV.
Hiergegen legte die Klägerin Berufung beim Sächsischen Landessozialgericht (LSG) ein. Auf Veranlassung des Senats erstellte Prof. Dr. M vom Klinikum St. Georg L , Facharzt für HNO-Krankheiten, ein medizinisches Sachverständigengutachten. Die Einwirkung der beruflich allergenisierenden Stoffe, vorliegend Roggen-, Weizenmehle sowie Teigbestandteile seien als Ursache der auftretenden obstruktiven Atemwegserkrankung und allergischen Rhinopathie anzusehen.
Mit Vergleich vom 24.02.2009 erkannte die Beklagte das Vorliegen einer Berufskrankheit der Nr. 4301 BKV ab dem 25.06.1999 an. Das Vorliegen einer MdE sollte in gesondertem Feststellungsverfahren festgestellt werden.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 15.07.2009 lehnte die Beklagte das Vorliegen einer MdE aufgrund der BK-Nr. 4301 BKV ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2009 als unbegründet zurück. Auch hiergegen hat die Klägerin am 27.11.2009 (S 77 U 186/09) Klage erhoben.
Mit Beschluss vom 10.03.2011 hat das SG die Streitsachen S 7 U 186/09 und S 7 U 189/09 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Zur Ermittlung des Vorliegens einer MdE im Zusammenhang mit der BK-Nr. 4301 BKV hat das SG ein internistisch-pneumologisches Gutachten bei Dr. K , Fachkrankenhaus C , eingeholt. In seinem Gutachten vom 13.07.2010 ist Dr. K zu der Einschätzung gelangt, dass aufgrund des Nachweises der leichtgradigen unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität und der durchgeführten systemischen Prednisolontherapie nach den Empfehlungen des Reichenhaller Merkblattes eine MdE mit 10 v.H. festgelegt werden sollte. Die MdE habe seit Beendigung der schädigenden Tätigkeit im Juni 1999 bestanden.
Das SG hat ein weiteres Gutachten bei Prof. Dr. S , Facharzt für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, J , eingeholt. Prof. Dr. S sollte die MdE für die beruflich bedingten Beschwerdekomplexe jeweils einzeln und in ihrer Gesamtheit (das heißt als Gesamt-MdE) bewerten. In seinem Gutachten vom 20.07.2011 ist der Gutachter zu der Einschätzung gelangt, dass sowohl die BK-Nr. 4301 BKV als auch die berufsbedingte Hauterkrankung BK-Nr. 5101 BKV jeweils mit einer MdE von unter zehn Prozent zu bewerten seien. Eine Gesamt-MdE für beide Erkrankungen von 10 v.H. sei medizinisch angemessen. Selbst wenn man die in den Vorgutachten von Frau Dr. K und Herrn Dr. K vorgeschlagenen Einzel-MdE-Sätze von zehn Prozent für jede Berufskrankheit zugrunde legen würde, würde sich im Hinblick auf die Mehlallergie als wesentliche gemeinsame Krankheitsursache der Atemwegs- und Hauterkrankung in der Summe keine höhere MdE als 15 Prozent ergeben.
Mit Gerichtsbescheid vom 03.01.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Eine MdE von 20 v.H. lasse sich nicht rechtfertigen. Weder wenn man annehme, dass es sich um zwei getrennte Versicherungsfälle handele, noch wenn man ein einheitliches Versicherungsgeschehen zugrunde legen würde, ließe sich vorliegend eine MdE von 20 v.H. bzw. zwei Mal getrennt 10 v.H. begründen. Die unspezifische bronchiale Hyperreagibilität habe nicht eindeutig nachgewiesen werden können. In Anlehnung an das Bamberger Merkblatt, sei vorliegend die MdE mit unter 10 v.H. zu bewerten.
Gegen den der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 19.01.2012 zugegangenen Gerichtsbescheid hat diese am 07.02.2012 beim LSG Berufung eingelegt.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die bei ihr vorhandenen Beeinträchtigungen nicht im Sinne einer einheitlichen Gesamt-MdE aus den beiden Berufskrankheiten festzusetzen seien, vielmehr müssten einzelne MdE’s festgesetzt werden und diese dann auch addiert werden. Sofern also eine Einzel-MdE von jeweils 10 v.H. festgestellt worden sei, müsse der Klägerin eine Verletztenrente nach einer MdE in Höhe von 20 v.H. gewährt werden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 03.01.2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.08.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.08.2009 und den Bescheid der Beklagten vom 15.07.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2009 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Verletztenrente nach einer MdE von jeweils wenigstens 10 v.H. aus der BK 4301 BKV und der BK 5101 BKV zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, dass hier eine einheitliche Gesamt-MdE aus beiden Berufskrankheiten zu bilden sei, da die allergische Erkrankung hier in einem einheitlichen Geschehen sowohl die Haut als auch die Atemwege betreffe. Selbst wenn die einzelne BK jeweils mit 10 v.H. bewertet werde, könne daher keine Gesamt-MdE in Höhe von 20 v.H. gebildet werden können. Die beiden einzelnen BKn seien nicht als Stützrenten jeweils zu behandeln.
Auf Veranlassung des Senats hat Prof. Dr. W , Facharzt für Arbeitsmedizin, Innere Medizin, Sozialmedizin, am 13.12.2012 ein Gutachten nach Aktenlage erstellt.
Prof. Dr. W hat für die Klägerin eine beruflich verursachte, a) IgE-vermittelte (Typ I – allergische), schwere, wiederholt rückfällige und vor der Unterlassung vorübergehend behandlungsbedürftige Hauterkrankung, nachgewiesen auf Mehlsorten und Doppelmalz im Bereich beider Handrücken und Unterarme als Protein-Kontaktdermatitis sowie eine b) mittelgradige Schädigung des Säureschutzmantels mit chemisch-irritativ erniedrigter Alkaliresistenz infolge von Feuchtarbeiten festgestellt.
Prof. Dr. W hat eine IgE-vermittelte beruflich verursachte, vorübergehend behandlungsbedürftige allergische Rhinopathie mit nachfolgender obstruktiver Erkrankung auch der tieferen Atemwege (Bronchopathie), nachgewiesen auf Roggenmehl-, Weizenmehl- sowie Malzstaub mit im inhalativen Provokationstest seit 1999 festgestellten anhaltend leichtgradigen Zeichen der unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität (UbH) diagnostiziert.
Er schlägt vor, die BK-Nr. 5101 BKV mit mindestens 10 v.H. seit Unterlassung der gefährdeten Tätigkeit am 25.06.1999 zu bewerten. Er orientiert sich dabei an den Hautarztberichten von Frau Dr. K aus dem Jahr 1996, den Herren Dr. R und Dr. K -T vom 19.05.1999 sowie dem Gutachten von Frau Dr. K vom 12.09.1999 sowie der Nachuntersuchung vom 25.06.2004 zur Verlaufskontrolle mit Empfehlung einer MdE von 10 v.H.
Die BK-Nr. 4301 BKV sei auch seit dem 25.06.1999 mit 10 v.H. zu bewerten. Dies sei durch Prof. Dr. L und Oberarzt Dr. K am 25.08.1999 bzw. 13.07.2010 so vorgeschlagen worden. Eine MdE von 10 v.H. für die BK-Nr. 4301 BKV sei auch durch die Beklagte am 18.08.2010 bereits anerkannt worden. Der Gutachter schlägt vor, die fachärztlichen MdE-Einschätzungen jeweils als eine Stütz-MdE zweier nicht gemeinsamer, sondern getrennt zu bewertender Krankheitsbilder anzusehen. Fallgestaltungen einer reinen Latexallergie im Bereich der Haut sowie auch des Atemtraktes nach Exposition gegenüber Latexstaub stünden dazu im Gegensatz, denn bei der Klägerin handele es sich pathophysiologisch nachweislich keinesfalls allein nur um die jeweils voll bewiesenen, beruflich verursachten Typ I-Allergien im Bereich der Haut sowie der oberen und tiefen Atemwege (Rhinopathie und Bronchopathie). Bei ihr sei hautfachärztlich durch den Nachweis einer deutlich reduzierten Alkaliresistenz gesichert, dass die Backstubentätigkeit zusätzlich zu einer mittelgradigen Schädigung des Säureschutzmantels der Haut mit chemisch-irritativ erniedrigter Alkaliresistenz geführt habe. Welche Chemikalien insbesondere aus der Gruppe der z. B. vor 17 Jahren gebräuchlichen Backhilfsmittel hierfür im Einzelnen ursächlich beteiligt waren, habe seinerzeit kausalanalytisch nicht differenziert werden können. Derartige Schädigungen des Säureschutzmantels führten jedoch aus arbeitsmedizinischer Sicht auf dem allgemeinen Arbeitsfeld zu weitaus größeren Einschränkungen, als dies für eine reine Mehlallergie an Haut und Atemtrakt zutreffe. Denn durch den Schaden am Säureschutzmantel der Haut blieben bekanntermaßen zusätzlich sämtliche weitere Tätigkeitsfelder im Sinne von Feuchtarbeiten verschlossen. Insofern hat der Gutachter empfohlen, beide Berufskrankheiten jeweils mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten.
Dem Senat lagen die Verwaltungsakten der Beklagten für beide Berufskrankheiten sowie die Gerichtsakten der ersten Instanz vor. Ihr Inhalt war Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Der Gerichtsbescheid des SG vom 03.01.2012 war aufzuheben. Der Bescheid der Beklagten vom 25.08.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.08.2009 sowie der Bescheid der Beklagten vom 15.07.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2009 sind dahingehend abzuändern, dass die Beklagte verurteilt wird, der Klägerin für die BK-Nr. 4301 BKV sowie für die BK-Nr. 5101 BKV jeweils eine MdE von 10 v.H. ab dem 29.06.1999 zu gewähren.
Der Klägerin steht ab dem 29.06.1999 ein Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von insgesamt 20 v.H. zu.
Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit in Folge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit in Folge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vom-Hundert-Sätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind dabei nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern (§ 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII). Die MdE richtet sich nach dem Umfang der aus den Unfallfolgen resultierenden Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und der sich daraus ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (z.B. BSG, Urteil vom 18.03.2003 – B 2 U 31/02 R –) ist neben der Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten die Anwendung medizinischer oder sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens erforderlich. Als Ergebnis dieser Wertung ergibt sich die Erkenntnis über den Umfang der dem Versicherten versperrten Arbeitsmöglichkeiten. Hierbei kommt es stets auf die gesamten Umstände des Einzelfalls an, wobei die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Versicherten durch die Folgen des Unfalls beeinträchtigt sind, in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet liegt. Hierbei sind in der gesetzlichen Unfallversicherung die so genannten MdE-Erfahrungswerte zu berücksichtigen, die allgemeine Erfahrungssätze darstellen und in der Regel die Basis für einen Vorschlag bilden, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet, wobei ihm nicht der Rechtscharakter einer gesetzlichen Norm zukommt (BSG, Urteil vom 02.05.2001 – B 2 U 24/00 R –). Im Streitfall liegt die Entscheidung beim Gericht.
Mit Urteil vom 10.02.2004 als auch durch gerichtlichen Vergleich vom 24.02.2009 steht sowohl das Vorliegen einer BK-Nr. 5101 BKV als auch das Vorliegen einer BK-Nr. 4301 BKV fest. Mithin geht es lediglich um die Bewertung der MdE im streitigen Verfahren.
Die Klägerin leidet an einer IgE-vermittelten (Typ I-allergischen) schweren, wiederholt rückfälligen und vor der Unterlassung vorübergehend behandlungsbedürftigen Hauterkrankung, nachgewiesen auf Mehlsorten und Doppelmalz im Bereich beider Handrücken und Unterarme als Proteinkontaktdermatitis (BK-Nr. 5101). Darüber hinaus leidet die Klägerin auch an einer mittelgradigen Schädigung des Säureschutzmantels mit chemisch-irritativ erniedrigter Alkaliresistenz infolge von Feuchtarbeiten. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund des schlüssigen und widerspruchsfreien Gutachtens von Prof. Dr. W vom 13.12.2012 fest.
Weiterhin liegt bei der Klägerin eine IgE-vermittelte vorübergehend behandlungsbedürftige allergische Rhinopathie mit nachfolgender obstruktiver Erkrankung auch der tieferen Atemwege (Bronchopathie), nachgewiesen auf Roggenmehl – Weizenmehl – sowie Malzstaub mit im inhalativen Provokationstest seit 1999 festgestellten anhaltend leichtgradigen Zeichen der unspezifischen bronchialen Hyperreagilität (UbH), BK 4301, vor. Auch dies steht zur Überzeugung des Senats anhand des überzeugenden Gutachtens von Prof. Dr. W sowie der Gutachten von Dr. K , Prof. Dr. L , Prof. S , Dr. K fest. Dass die beiden Berufskrankheiten in den genannten Formen vorliegen, ist zwischen den Beteiligten unstreitig und auch von der Beklagten jeweils anerkannt.
Fraglich ist einzig, wie die anerkannten Berufskrankheiten zu bewerten sind, ob es sich um ein einheitliches gesamtallergisches Geschehen handelt, oder ob hier zwei voneinander unabhängige, in ihren Auswirkungen verschiedene allergische Geschehen vorliegen, die dann auch mit einer voneinander getrennten MdE bewertet werden können. Dabei muss vorangestellt werden, dass der Normalfall der Bewertung zweier Berufskrankheiten voneinander getrennt zu erfolgen hat. Lediglich in ganz besonderen Ausnahmefällen kann – abweichend von diesem Grundsatz – eine einheitliche Gesamt-MdE auch bei zwei verschiedenen Berufskrankheiten gebildet werden. Denn nach der Rechtsprechung des BSG sind allergische Erkrankungen, die sowohl durch Hautsymptomatik als auch durch Atemwegsbeschwerden klinisch in Erscheinung treten, nicht zur differenzierten Bewertung der Verbreitung des Allergens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten geeignet. Da es sich um ein einheitliches Krankheitsgeschehen mit Symptomen an verschiedenen Organen handelt, sind derartige allergische Erkrankungen unter Rückgriff auf den Aspekt der Systemerkrankung als ein Versicherungsfall – gestützt auf BK-Nrn. 4301 BKV und 5101 BKV – zu behandeln: Eine Gesamt-MdE mit Einschluss der Auswirkungen der Allergie ist zu bilden (vgl. BSG, SozR 5677 Anl. 1 Nr. 42 Nr. 1 "Meniskuserkrankung"; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., Seite 1074; Mehrtens/Brandenburg, "Die Berufskrankheitenverordnung", Kommentar M 4301 Rd.-Nr. 12).
Die BK-Nr. 4301 ist mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten. Bei der Klägerin liegt eine nachgewiesene leichtgradige bronchiale Hyperreagibilität (UbH) vor. Dies steht zur Überzeugung des Senats nach den schlüssigen und widerspruchsfreien Gutachten von Dr. K vom 13.07.2010 sowie Prof. S in seinem Gutachten vom 20.07.2011 und Prof. Dr. W in seinem Gutachten vom 13.12.2012 fest. Die Kriterien nach dem "Reichenhaller Merkblatt" für eine MdE von 10 v.H. verlangen, dass in der Anamnese und in der Therapie keine Beschwerden bestehen, klinisch ein Normalbefund vorhanden ist, die Lungenfunktion im Grenzbereich liegen muss, die Belastungsuntersuchung einen normalen Sauerstoffgehalt aufweist und therapeutisch keine oder nur gelegentlich Bronchodilatatoren/inhalative Kortikoide oder Antihistaminika eingesetzt werden müssen. Diese Voraussetzungen sind bei der Klägerin nach den übereinstimmenden Einschätzungen der Gutachter gegeben. Der Senat folgt den für ihn schlüssigen und überzeugenden Gutachten. Die entsprechenden Voraussetzungen sind seit Juni 1999 gegeben. Sie sind dokumentiert bei Dr. K -T sowie bei Frau Dr. B (Lungenfachärztin). Der Senat hat hieran keinen Zweifel, auch wenn der Stammbaum zur Bestimmung einer unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität heutzutage ein fünfstufiger Methacholintest ist, welcher im Rahmen des Feststellungsverfahrens der Berufsgenossenschaft hier nicht durchgeführt worden ist.
Die bei der Klägerin vorhandene BK-Nr. 5101 BKV ist auch mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten. Bereits im Urteil vom 10.02.2004 – S 9 U 66/00 – ist bei der Klägerin eine beruflich bedingte Proteinkontaktdermatitis festgehalten worden. Von Frau Dr. K in ihrem Gutachten vom 25.06.2004 ist die MdE hieraus mit 10 v.H. als Dauerzustand eingeschätzt worden. Die bei der Klägerin vorhandene IgE-vermittelte (Typ I-allergische) schwere, wiederholt rückfällige und vor der Unterlassung vorübergehend behandlungsbedürftige Hauterkrankung, nachgewiesen auf Mehlsorten und Doppelmalz im Bereich beider Handrücken und Unterarme als Proteinkontaktdermatitis, besteht gemäß Gutachten von Prof. S und Prof. W. Dies steht zur Überzeugung des Senats fest.
Hinzu kommt eine mittelgradige Schädigung des Säureschutzmantels mit chemisch-irritativ erniedrigter Alkaliresistenz infolge von Feuchtarbeiten. Auch hier folgt der Senat den Einschätzungen des Gutachters Prof. W sowie Frau Frau Dr. K.
Die bei der Klägerin vorhandenen Einschränkungen, die jeweils mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten sind, bestehen nicht als Gesamtgeschehen und sind daher zu addieren, da es sich nicht nur um ein einheitliches Krankheitsgeschehen handelt, welches sich an Haut und Atemorganen zeigt. Vielmehr kommt das chemisch-irritative Hautgeschehen, welches durch Feuchtarbeiten bei Teig- und Knetmassenkontakt eine mittelgradige Schädigung des Säureschutzmantels ausbildet, gesondert hinzu und führt zu einer Bewertung jeweils mit einer MdE von 10 v.H.
Dass die bei der Klägerin vorhandenen MdE von jeweils 10 v.H. im Sinne getrennter Stütz-MdE und nicht als einheitliches Krankheitsbild zu bewerten sind, hängt mit den verschiedenen Allergien bei der Klägerin zusammen. Die Klägerin leidet nicht allein an einer beruflich verursachten Typ I-Allergie im Bereich der Haut sowie der oberen und tiefen Atemwege (Rhinopathie und Bronchopathie), vielmehr wurde bei ihr hautfachärztlich durch den Nachweis einer deutlich reduzierten Alkaliresistenz gesichert, dass die Backstubentätigkeit zusätzlich zu einer mittelgradigen Schädigung des Säureschutzmantels der Haut mit chemisch-irritativ erniedrigter Alkaliresistenz geführt hat. Derartige Schädigungen des Säureschutzmantels führen aus arbeitsmedizinischer Sicht auf dem allgemeinen Arbeitsfeld zu weitaus größeren Einschränkungen, als dies für eine reine Mehlallergie an der Haut und dem Atemtrakt zutrifft. Durch den Schaden am Säureschutzmantel der Haut bleiben weitere Tätigkeitsfelder im Sinne von Feuchtarbeiten verschlossen. Der Senat folgt hierbei den für ihn überzeugenden Ausführungen des Gutachters Prof. Dr. W , denen er sich nach eigener Prüfung anschließt. Für den Senat ist es nachvollziehbar und schlüssig, dass bei der Klägerin nicht lediglich ein allergisches Geschehen mit Ausprägung an Haut und Atemwegen vorliegt, sondern dass vielmehr hier voneinander unabhängige allergische Geschehen nebeneinander existieren und die Klägerin daher funktionell nicht überlappend beeinträchtigen. Es handelt sich nicht um ein einheitliches, allergisches Krankheitsgeschehen mit Symptomen an verschiedenen Organen, so dass es auch nicht wie beispielsweise bei der Latexallergie unter dem Aspekt der Systemerkrankung als ein Versicherungsfall (vgl. BSG SozR 5677 Anl. I Nr. 42 Nr. 1) – gestützt auf die BKn 4301 und 5101 – zu behandeln wäre. Es ist keine Gesamt-MdE zu bilden.
Nach alledem hat die Klägerin jeweils eine MdE in Höhe von 10 v.H. als Stützrente zu erhalten, so dass die Berufung der Klägerin Erfolg hat. Als Rentenbeginn war der 29.06.1999 zu bestimmen. Mit diesem Tag hat die Klägerin die gefährdende Tätigkeit auf Dauer aufgegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen.
Schmidt Tröger Dr. Scholz
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Instanzen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob zwei anerkannte Berufskrankheiten, die BK-Nr. 4301 der Anlage I der Berufskrankheitenverordnung (BKV) und die BK-Nr. 5101 BKV als einheitlicher oder getrennter Versicherungsfall zu bewerten sind mit der Folge, dass entweder eine Gesamt-MdE zu bilden ist oder zwei einzelne MdE’s aus zwei Versicherungsfällen nebeneinander stehen.
Die 1979 geborene Klägerin absolvierte in der Zeit vom 01.08.1995 bis zum 31.07.1998 eine Ausbildung zur Bäckerin. Anschließend war die Klägerin bis zum 28.06.1999 als Bäckerin beschäftigt. Zu ihren Aufgaben zählte die Herstellung von Torten, Kuchen und Keksen, aber auch die Herstellung von Brötchenteig. Der Teig wurde hauptsächlich manuell mit in der Backstube üblichen Hilfsmitteln hergestellt. Die Klägerin knetete den Teig mit ihren Händen. Früchte wurden glasiert, gezuckert, dekoriert und in Stücke geschnitten.
Bereits Ende Januar 1996 traten bei der Klägerin erstmalig Ekzemherde an beiden Händen auf. Die behandelnde Hautärztin Frau Dr. K , L , befundete am 18.08.1996 seit Ende Januar 1996 Hauterkrankung an beiden Handrücken infolge Backzutaten ohne Arbeitsunfähigkeit. Bisherige epikutane Testungen sämtlich negativ. Befund: an beiden Handrücken nummuläre papulo-vesikuläre Ekzemherde, ebenfalls an der Innenseite des rechten Unterarms. Allergien bisher nicht bekannt. Als Diagnose hielt sie einen Verdacht auf toxisch-irritatives Ekzem fest, als Differenzialdiagnose: Kontaktekzem berufsbedingt bei endogener Disposition. Schutzsalben und Schutzhandschuhe gingen alle nicht. Nur Reinigungsarbeiten können gemieden werden. Tätigkeitsaufgabe sei zu prüfen hinsichtlich der Meidung von Feuchtarbeiten. Weitere hautärztliche Behandlung sei erforderlich.
Aufgrund der Meldung an die Beklagte leitete diese ein Feststellungsverfahren wegen des Vorliegens einer Berufskrankheit ein. Sie zog weitere Befundberichte ein. Oberarzt Dr. R und Dr. K -T der Abteilung für Klinische Allergologie, Berufs- und Umweltdermatologie der Universität L befundeten am 19.05.1999 und 28.06.1999 eine beruflich verursachte allergische Rhinitis und allergisches Asthma bronchiale bei nachgewiesenen IgE-vermittelten Sensibilisierungen auf Roggen-, Weizenmehl und andere Teigbestandteile sowie ein beruflich verursachtes, kombiniert irritatives und allergisches Kontaktekzem bei Feuchtarbeiten, Verdacht auf Protein-Kontaktdermatitis und nachgewiesene Mehlsensibilisierung. Nach der 2. Feststellung am 28.06.1999 hat die Klägerin zum 29.06.1999 ihre Tätigkeit als Bäckerin beendet. Sie wurde für einen Büroberuf umgeschult.
Die Beklagte beauftragte Dr. K , Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten, L , mit der Erstellung eines Gutachtens. In ihrem Gutachten vom 12.09.1999 kam diese zu dem Ergebnis, dass die Klägerin an einer Protein-Kontaktdermatitis leide. Sie befundete eine leicht pathologisch erniedrigte Alkaliresistenz (vier) als Hinweis auf eine mittelgradige Schädigung des Säureschutzmantels. Dies könne man auf den häufigen Umgang mit Wasser und feuchten Lebensmitteln zurückführen. Die Protein-Kontaktdermatitis sei eine seltene, durch spezifische IgE-Antikörper ausgelöste ekzematöse Sofortreaktion. Ursachen seien u.A. oft Mehle. Es zeige sich ein klinisch unspezifisches Ekzembild mit Erythemen, Vesikeln, Juckreiz ggf. auch Urticae meist innerhalb von 30 Minuten. Später entwickelten sich chronische Ekzeme. Diese Aussage werde auch im arbeitsdermatologischen Bulletin bestätigt. Wie im vorliegenden Fall könnten auch dort erst im Pricktest und durch spezifische IgE die Ursachen für die zunehmende Haut- und pulmonale Symptomatik der Versicherten nachgewiesen werden. Aufgrund der positiven Testergebnisse sowie des örtlichen und zeitlichen Zusammenhangs könne von einem hinreichend wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen den nachgewiesenen Allergien und der beruflichen Allergenexposition ausgegangen werden. Es liege keine wiederholt rückfällige Erkrankung im Sinne der Nr. 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) vor. Die Hauterkrankung sei sowohl wegen ihrer langen Dauer () 6 Monate) als auch wegen der zunehmenden Lungensymptomatik als schwer zu bezeichnen. Das Ausmaß der Allergie sei mittelgradig und die MdE schätze sie mit 15 v.H. ein.
Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Prof. Dr. S vom 14.10.1999 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 04.11.1999 die Anerkennung einer BK-Nr. 5101, Anlage 1 zur BKV, ab, weil die Voraussetzungen nicht erfüllt seien.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.03.2000 als unbegründet zurück. Eine schwere Hauterkrankung sei nicht anzunehmen. Entgegen der gutachterlichen Stellungnahme sei die Dauer der Behandlungsbedürftigkeit nach den Unterlagen der Krankenkasse nicht schwer.
Hiergegen hat die Klägerin beim Sozialgericht Leipzig (SG) Klage erhoben. Mit Urteil vom 10.02.2004 hat das SG bei der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 04.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2000 die Protein-Kontaktdermatitis als Berufskrankheit der Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV anerkannt.
Im sich anschließenden Prüfungsverfahren durch die Beklagte zur Festsetzung einer etwaigen MdE holte die Beklagte ein Nachgutachten bei Frau Dr. K zur Frage der noch vorliegenden Erkrankungsfolgen bzw. dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit ein. Die Gutachterin gelangte in ihrem Nachgutachten vom 25.06.2004 zu der Einschätzung, dass sich "leichte" Hauterscheinungen darstellten, die bis zu drei Mal jährlich aufträten und unter adäquater Therapie schnell wieder abheilen würden. Sie schlug eine MdE von 10 v.H. als Dauerzustand vor.
Mit Bescheid vom 25.08.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente aufgrund der anerkannten BK-Nr. 5101 BKV ab. Die Folgen des Versicherungsfalles würden die Erwerbsfähigkeit nicht um wenigstens 10 v.H. mindern. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.08.2009 als unbegründet zurück. Gutachterlich sei lediglich eine MdE von 10 v.H. festgestellt worden. Eine Rente könne nur beansprucht werden, wenn eine MdE von wenigstens 20 v.H. bestünde.
Hiergegen hat die Klägerin am 04.09.2009 beim SG Leipzig Klage erhoben (Verfahren S 7 U 139/09). Aufgrund einer ärztlichen Anzeige von Dr. K -T der Universität L , Klinik für Hautkrankheiten vom 27.05.1999 wegen des Verdachts des Vorliegens einer Berufskrankheit der BK-Nr. 4301 BKV leitete die Beklagte ein weiteres Feststellungsverfahren ein. Sie zog auch hier Krankenunterlagen bei und beauftragte Prof. Dr. L von der Städtischen Klinik L West mit der Erstellung eines fachärztlichen Gutachtens (Facharzt für Innere Medizin). In seinem Gutachten vom 25.08.1999 gelangte Prof. Dr. L zu der Einschätzung, dass eine manifeste Ventilationsstörung nicht nachweisbar sei. Es liege eine durch IgE-vermittelte Sensibilisierung, eine allergische Rhinitis und ein allergisches Asthma bronchiale leichten Grades vor. Als Allergene hätten weitgehend Roggen- und Weizenmehle sowie andere Teigbestandteile gesichert werden können. Die Berufsaufgabe sei ärztlich indiziert gewesen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) liege bei der Klägerin bei maximal 10 v.H.
Mit Bescheid vom 07.09.1999 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK-Nr. 4301 BKV ab. Es bestehe allerdings die Gefahr, dass sich eine BK 4301 entwickeln könne. Die Beklagte sei daher bereit, der Klägerin Berufshilfe zu gewähren.
Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden.
Mit Überprüfungsantrag von Mitte 2000 beantragte die Klägerin, ihre Atemwegserkrankung als BK-Nr. 4301 BKV nun doch anzuerkennen.
Mit weiterem Bescheid vom 25.09.2000 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer allergisch obstruktiven Atemwegserkrankung einschließlich einer Rhinopathie ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2001 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 05.04.2001 Klage erhoben (Verfahren S 9 U 82/01).
Mit Urteil vom 13.12.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Anerkennung der bei ihr bestehenden Atemwegserkrankung als BK-Nr. 4301 BKV.
Hiergegen legte die Klägerin Berufung beim Sächsischen Landessozialgericht (LSG) ein. Auf Veranlassung des Senats erstellte Prof. Dr. M vom Klinikum St. Georg L , Facharzt für HNO-Krankheiten, ein medizinisches Sachverständigengutachten. Die Einwirkung der beruflich allergenisierenden Stoffe, vorliegend Roggen-, Weizenmehle sowie Teigbestandteile seien als Ursache der auftretenden obstruktiven Atemwegserkrankung und allergischen Rhinopathie anzusehen.
Mit Vergleich vom 24.02.2009 erkannte die Beklagte das Vorliegen einer Berufskrankheit der Nr. 4301 BKV ab dem 25.06.1999 an. Das Vorliegen einer MdE sollte in gesondertem Feststellungsverfahren festgestellt werden.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 15.07.2009 lehnte die Beklagte das Vorliegen einer MdE aufgrund der BK-Nr. 4301 BKV ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2009 als unbegründet zurück. Auch hiergegen hat die Klägerin am 27.11.2009 (S 77 U 186/09) Klage erhoben.
Mit Beschluss vom 10.03.2011 hat das SG die Streitsachen S 7 U 186/09 und S 7 U 189/09 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Zur Ermittlung des Vorliegens einer MdE im Zusammenhang mit der BK-Nr. 4301 BKV hat das SG ein internistisch-pneumologisches Gutachten bei Dr. K , Fachkrankenhaus C , eingeholt. In seinem Gutachten vom 13.07.2010 ist Dr. K zu der Einschätzung gelangt, dass aufgrund des Nachweises der leichtgradigen unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität und der durchgeführten systemischen Prednisolontherapie nach den Empfehlungen des Reichenhaller Merkblattes eine MdE mit 10 v.H. festgelegt werden sollte. Die MdE habe seit Beendigung der schädigenden Tätigkeit im Juni 1999 bestanden.
Das SG hat ein weiteres Gutachten bei Prof. Dr. S , Facharzt für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, J , eingeholt. Prof. Dr. S sollte die MdE für die beruflich bedingten Beschwerdekomplexe jeweils einzeln und in ihrer Gesamtheit (das heißt als Gesamt-MdE) bewerten. In seinem Gutachten vom 20.07.2011 ist der Gutachter zu der Einschätzung gelangt, dass sowohl die BK-Nr. 4301 BKV als auch die berufsbedingte Hauterkrankung BK-Nr. 5101 BKV jeweils mit einer MdE von unter zehn Prozent zu bewerten seien. Eine Gesamt-MdE für beide Erkrankungen von 10 v.H. sei medizinisch angemessen. Selbst wenn man die in den Vorgutachten von Frau Dr. K und Herrn Dr. K vorgeschlagenen Einzel-MdE-Sätze von zehn Prozent für jede Berufskrankheit zugrunde legen würde, würde sich im Hinblick auf die Mehlallergie als wesentliche gemeinsame Krankheitsursache der Atemwegs- und Hauterkrankung in der Summe keine höhere MdE als 15 Prozent ergeben.
Mit Gerichtsbescheid vom 03.01.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Eine MdE von 20 v.H. lasse sich nicht rechtfertigen. Weder wenn man annehme, dass es sich um zwei getrennte Versicherungsfälle handele, noch wenn man ein einheitliches Versicherungsgeschehen zugrunde legen würde, ließe sich vorliegend eine MdE von 20 v.H. bzw. zwei Mal getrennt 10 v.H. begründen. Die unspezifische bronchiale Hyperreagibilität habe nicht eindeutig nachgewiesen werden können. In Anlehnung an das Bamberger Merkblatt, sei vorliegend die MdE mit unter 10 v.H. zu bewerten.
Gegen den der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 19.01.2012 zugegangenen Gerichtsbescheid hat diese am 07.02.2012 beim LSG Berufung eingelegt.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die bei ihr vorhandenen Beeinträchtigungen nicht im Sinne einer einheitlichen Gesamt-MdE aus den beiden Berufskrankheiten festzusetzen seien, vielmehr müssten einzelne MdE’s festgesetzt werden und diese dann auch addiert werden. Sofern also eine Einzel-MdE von jeweils 10 v.H. festgestellt worden sei, müsse der Klägerin eine Verletztenrente nach einer MdE in Höhe von 20 v.H. gewährt werden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 03.01.2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.08.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.08.2009 und den Bescheid der Beklagten vom 15.07.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2009 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Verletztenrente nach einer MdE von jeweils wenigstens 10 v.H. aus der BK 4301 BKV und der BK 5101 BKV zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, dass hier eine einheitliche Gesamt-MdE aus beiden Berufskrankheiten zu bilden sei, da die allergische Erkrankung hier in einem einheitlichen Geschehen sowohl die Haut als auch die Atemwege betreffe. Selbst wenn die einzelne BK jeweils mit 10 v.H. bewertet werde, könne daher keine Gesamt-MdE in Höhe von 20 v.H. gebildet werden können. Die beiden einzelnen BKn seien nicht als Stützrenten jeweils zu behandeln.
Auf Veranlassung des Senats hat Prof. Dr. W , Facharzt für Arbeitsmedizin, Innere Medizin, Sozialmedizin, am 13.12.2012 ein Gutachten nach Aktenlage erstellt.
Prof. Dr. W hat für die Klägerin eine beruflich verursachte, a) IgE-vermittelte (Typ I – allergische), schwere, wiederholt rückfällige und vor der Unterlassung vorübergehend behandlungsbedürftige Hauterkrankung, nachgewiesen auf Mehlsorten und Doppelmalz im Bereich beider Handrücken und Unterarme als Protein-Kontaktdermatitis sowie eine b) mittelgradige Schädigung des Säureschutzmantels mit chemisch-irritativ erniedrigter Alkaliresistenz infolge von Feuchtarbeiten festgestellt.
Prof. Dr. W hat eine IgE-vermittelte beruflich verursachte, vorübergehend behandlungsbedürftige allergische Rhinopathie mit nachfolgender obstruktiver Erkrankung auch der tieferen Atemwege (Bronchopathie), nachgewiesen auf Roggenmehl-, Weizenmehl- sowie Malzstaub mit im inhalativen Provokationstest seit 1999 festgestellten anhaltend leichtgradigen Zeichen der unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität (UbH) diagnostiziert.
Er schlägt vor, die BK-Nr. 5101 BKV mit mindestens 10 v.H. seit Unterlassung der gefährdeten Tätigkeit am 25.06.1999 zu bewerten. Er orientiert sich dabei an den Hautarztberichten von Frau Dr. K aus dem Jahr 1996, den Herren Dr. R und Dr. K -T vom 19.05.1999 sowie dem Gutachten von Frau Dr. K vom 12.09.1999 sowie der Nachuntersuchung vom 25.06.2004 zur Verlaufskontrolle mit Empfehlung einer MdE von 10 v.H.
Die BK-Nr. 4301 BKV sei auch seit dem 25.06.1999 mit 10 v.H. zu bewerten. Dies sei durch Prof. Dr. L und Oberarzt Dr. K am 25.08.1999 bzw. 13.07.2010 so vorgeschlagen worden. Eine MdE von 10 v.H. für die BK-Nr. 4301 BKV sei auch durch die Beklagte am 18.08.2010 bereits anerkannt worden. Der Gutachter schlägt vor, die fachärztlichen MdE-Einschätzungen jeweils als eine Stütz-MdE zweier nicht gemeinsamer, sondern getrennt zu bewertender Krankheitsbilder anzusehen. Fallgestaltungen einer reinen Latexallergie im Bereich der Haut sowie auch des Atemtraktes nach Exposition gegenüber Latexstaub stünden dazu im Gegensatz, denn bei der Klägerin handele es sich pathophysiologisch nachweislich keinesfalls allein nur um die jeweils voll bewiesenen, beruflich verursachten Typ I-Allergien im Bereich der Haut sowie der oberen und tiefen Atemwege (Rhinopathie und Bronchopathie). Bei ihr sei hautfachärztlich durch den Nachweis einer deutlich reduzierten Alkaliresistenz gesichert, dass die Backstubentätigkeit zusätzlich zu einer mittelgradigen Schädigung des Säureschutzmantels der Haut mit chemisch-irritativ erniedrigter Alkaliresistenz geführt habe. Welche Chemikalien insbesondere aus der Gruppe der z. B. vor 17 Jahren gebräuchlichen Backhilfsmittel hierfür im Einzelnen ursächlich beteiligt waren, habe seinerzeit kausalanalytisch nicht differenziert werden können. Derartige Schädigungen des Säureschutzmantels führten jedoch aus arbeitsmedizinischer Sicht auf dem allgemeinen Arbeitsfeld zu weitaus größeren Einschränkungen, als dies für eine reine Mehlallergie an Haut und Atemtrakt zutreffe. Denn durch den Schaden am Säureschutzmantel der Haut blieben bekanntermaßen zusätzlich sämtliche weitere Tätigkeitsfelder im Sinne von Feuchtarbeiten verschlossen. Insofern hat der Gutachter empfohlen, beide Berufskrankheiten jeweils mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten.
Dem Senat lagen die Verwaltungsakten der Beklagten für beide Berufskrankheiten sowie die Gerichtsakten der ersten Instanz vor. Ihr Inhalt war Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Der Gerichtsbescheid des SG vom 03.01.2012 war aufzuheben. Der Bescheid der Beklagten vom 25.08.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.08.2009 sowie der Bescheid der Beklagten vom 15.07.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2009 sind dahingehend abzuändern, dass die Beklagte verurteilt wird, der Klägerin für die BK-Nr. 4301 BKV sowie für die BK-Nr. 5101 BKV jeweils eine MdE von 10 v.H. ab dem 29.06.1999 zu gewähren.
Der Klägerin steht ab dem 29.06.1999 ein Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von insgesamt 20 v.H. zu.
Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit in Folge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit in Folge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vom-Hundert-Sätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind dabei nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern (§ 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII). Die MdE richtet sich nach dem Umfang der aus den Unfallfolgen resultierenden Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und der sich daraus ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (z.B. BSG, Urteil vom 18.03.2003 – B 2 U 31/02 R –) ist neben der Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten die Anwendung medizinischer oder sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens erforderlich. Als Ergebnis dieser Wertung ergibt sich die Erkenntnis über den Umfang der dem Versicherten versperrten Arbeitsmöglichkeiten. Hierbei kommt es stets auf die gesamten Umstände des Einzelfalls an, wobei die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Versicherten durch die Folgen des Unfalls beeinträchtigt sind, in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet liegt. Hierbei sind in der gesetzlichen Unfallversicherung die so genannten MdE-Erfahrungswerte zu berücksichtigen, die allgemeine Erfahrungssätze darstellen und in der Regel die Basis für einen Vorschlag bilden, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet, wobei ihm nicht der Rechtscharakter einer gesetzlichen Norm zukommt (BSG, Urteil vom 02.05.2001 – B 2 U 24/00 R –). Im Streitfall liegt die Entscheidung beim Gericht.
Mit Urteil vom 10.02.2004 als auch durch gerichtlichen Vergleich vom 24.02.2009 steht sowohl das Vorliegen einer BK-Nr. 5101 BKV als auch das Vorliegen einer BK-Nr. 4301 BKV fest. Mithin geht es lediglich um die Bewertung der MdE im streitigen Verfahren.
Die Klägerin leidet an einer IgE-vermittelten (Typ I-allergischen) schweren, wiederholt rückfälligen und vor der Unterlassung vorübergehend behandlungsbedürftigen Hauterkrankung, nachgewiesen auf Mehlsorten und Doppelmalz im Bereich beider Handrücken und Unterarme als Proteinkontaktdermatitis (BK-Nr. 5101). Darüber hinaus leidet die Klägerin auch an einer mittelgradigen Schädigung des Säureschutzmantels mit chemisch-irritativ erniedrigter Alkaliresistenz infolge von Feuchtarbeiten. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund des schlüssigen und widerspruchsfreien Gutachtens von Prof. Dr. W vom 13.12.2012 fest.
Weiterhin liegt bei der Klägerin eine IgE-vermittelte vorübergehend behandlungsbedürftige allergische Rhinopathie mit nachfolgender obstruktiver Erkrankung auch der tieferen Atemwege (Bronchopathie), nachgewiesen auf Roggenmehl – Weizenmehl – sowie Malzstaub mit im inhalativen Provokationstest seit 1999 festgestellten anhaltend leichtgradigen Zeichen der unspezifischen bronchialen Hyperreagilität (UbH), BK 4301, vor. Auch dies steht zur Überzeugung des Senats anhand des überzeugenden Gutachtens von Prof. Dr. W sowie der Gutachten von Dr. K , Prof. Dr. L , Prof. S , Dr. K fest. Dass die beiden Berufskrankheiten in den genannten Formen vorliegen, ist zwischen den Beteiligten unstreitig und auch von der Beklagten jeweils anerkannt.
Fraglich ist einzig, wie die anerkannten Berufskrankheiten zu bewerten sind, ob es sich um ein einheitliches gesamtallergisches Geschehen handelt, oder ob hier zwei voneinander unabhängige, in ihren Auswirkungen verschiedene allergische Geschehen vorliegen, die dann auch mit einer voneinander getrennten MdE bewertet werden können. Dabei muss vorangestellt werden, dass der Normalfall der Bewertung zweier Berufskrankheiten voneinander getrennt zu erfolgen hat. Lediglich in ganz besonderen Ausnahmefällen kann – abweichend von diesem Grundsatz – eine einheitliche Gesamt-MdE auch bei zwei verschiedenen Berufskrankheiten gebildet werden. Denn nach der Rechtsprechung des BSG sind allergische Erkrankungen, die sowohl durch Hautsymptomatik als auch durch Atemwegsbeschwerden klinisch in Erscheinung treten, nicht zur differenzierten Bewertung der Verbreitung des Allergens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten geeignet. Da es sich um ein einheitliches Krankheitsgeschehen mit Symptomen an verschiedenen Organen handelt, sind derartige allergische Erkrankungen unter Rückgriff auf den Aspekt der Systemerkrankung als ein Versicherungsfall – gestützt auf BK-Nrn. 4301 BKV und 5101 BKV – zu behandeln: Eine Gesamt-MdE mit Einschluss der Auswirkungen der Allergie ist zu bilden (vgl. BSG, SozR 5677 Anl. 1 Nr. 42 Nr. 1 "Meniskuserkrankung"; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., Seite 1074; Mehrtens/Brandenburg, "Die Berufskrankheitenverordnung", Kommentar M 4301 Rd.-Nr. 12).
Die BK-Nr. 4301 ist mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten. Bei der Klägerin liegt eine nachgewiesene leichtgradige bronchiale Hyperreagibilität (UbH) vor. Dies steht zur Überzeugung des Senats nach den schlüssigen und widerspruchsfreien Gutachten von Dr. K vom 13.07.2010 sowie Prof. S in seinem Gutachten vom 20.07.2011 und Prof. Dr. W in seinem Gutachten vom 13.12.2012 fest. Die Kriterien nach dem "Reichenhaller Merkblatt" für eine MdE von 10 v.H. verlangen, dass in der Anamnese und in der Therapie keine Beschwerden bestehen, klinisch ein Normalbefund vorhanden ist, die Lungenfunktion im Grenzbereich liegen muss, die Belastungsuntersuchung einen normalen Sauerstoffgehalt aufweist und therapeutisch keine oder nur gelegentlich Bronchodilatatoren/inhalative Kortikoide oder Antihistaminika eingesetzt werden müssen. Diese Voraussetzungen sind bei der Klägerin nach den übereinstimmenden Einschätzungen der Gutachter gegeben. Der Senat folgt den für ihn schlüssigen und überzeugenden Gutachten. Die entsprechenden Voraussetzungen sind seit Juni 1999 gegeben. Sie sind dokumentiert bei Dr. K -T sowie bei Frau Dr. B (Lungenfachärztin). Der Senat hat hieran keinen Zweifel, auch wenn der Stammbaum zur Bestimmung einer unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität heutzutage ein fünfstufiger Methacholintest ist, welcher im Rahmen des Feststellungsverfahrens der Berufsgenossenschaft hier nicht durchgeführt worden ist.
Die bei der Klägerin vorhandene BK-Nr. 5101 BKV ist auch mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten. Bereits im Urteil vom 10.02.2004 – S 9 U 66/00 – ist bei der Klägerin eine beruflich bedingte Proteinkontaktdermatitis festgehalten worden. Von Frau Dr. K in ihrem Gutachten vom 25.06.2004 ist die MdE hieraus mit 10 v.H. als Dauerzustand eingeschätzt worden. Die bei der Klägerin vorhandene IgE-vermittelte (Typ I-allergische) schwere, wiederholt rückfällige und vor der Unterlassung vorübergehend behandlungsbedürftige Hauterkrankung, nachgewiesen auf Mehlsorten und Doppelmalz im Bereich beider Handrücken und Unterarme als Proteinkontaktdermatitis, besteht gemäß Gutachten von Prof. S und Prof. W. Dies steht zur Überzeugung des Senats fest.
Hinzu kommt eine mittelgradige Schädigung des Säureschutzmantels mit chemisch-irritativ erniedrigter Alkaliresistenz infolge von Feuchtarbeiten. Auch hier folgt der Senat den Einschätzungen des Gutachters Prof. W sowie Frau Frau Dr. K.
Die bei der Klägerin vorhandenen Einschränkungen, die jeweils mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten sind, bestehen nicht als Gesamtgeschehen und sind daher zu addieren, da es sich nicht nur um ein einheitliches Krankheitsgeschehen handelt, welches sich an Haut und Atemorganen zeigt. Vielmehr kommt das chemisch-irritative Hautgeschehen, welches durch Feuchtarbeiten bei Teig- und Knetmassenkontakt eine mittelgradige Schädigung des Säureschutzmantels ausbildet, gesondert hinzu und führt zu einer Bewertung jeweils mit einer MdE von 10 v.H.
Dass die bei der Klägerin vorhandenen MdE von jeweils 10 v.H. im Sinne getrennter Stütz-MdE und nicht als einheitliches Krankheitsbild zu bewerten sind, hängt mit den verschiedenen Allergien bei der Klägerin zusammen. Die Klägerin leidet nicht allein an einer beruflich verursachten Typ I-Allergie im Bereich der Haut sowie der oberen und tiefen Atemwege (Rhinopathie und Bronchopathie), vielmehr wurde bei ihr hautfachärztlich durch den Nachweis einer deutlich reduzierten Alkaliresistenz gesichert, dass die Backstubentätigkeit zusätzlich zu einer mittelgradigen Schädigung des Säureschutzmantels der Haut mit chemisch-irritativ erniedrigter Alkaliresistenz geführt hat. Derartige Schädigungen des Säureschutzmantels führen aus arbeitsmedizinischer Sicht auf dem allgemeinen Arbeitsfeld zu weitaus größeren Einschränkungen, als dies für eine reine Mehlallergie an der Haut und dem Atemtrakt zutrifft. Durch den Schaden am Säureschutzmantel der Haut bleiben weitere Tätigkeitsfelder im Sinne von Feuchtarbeiten verschlossen. Der Senat folgt hierbei den für ihn überzeugenden Ausführungen des Gutachters Prof. Dr. W , denen er sich nach eigener Prüfung anschließt. Für den Senat ist es nachvollziehbar und schlüssig, dass bei der Klägerin nicht lediglich ein allergisches Geschehen mit Ausprägung an Haut und Atemwegen vorliegt, sondern dass vielmehr hier voneinander unabhängige allergische Geschehen nebeneinander existieren und die Klägerin daher funktionell nicht überlappend beeinträchtigen. Es handelt sich nicht um ein einheitliches, allergisches Krankheitsgeschehen mit Symptomen an verschiedenen Organen, so dass es auch nicht wie beispielsweise bei der Latexallergie unter dem Aspekt der Systemerkrankung als ein Versicherungsfall (vgl. BSG SozR 5677 Anl. I Nr. 42 Nr. 1) – gestützt auf die BKn 4301 und 5101 – zu behandeln wäre. Es ist keine Gesamt-MdE zu bilden.
Nach alledem hat die Klägerin jeweils eine MdE in Höhe von 10 v.H. als Stützrente zu erhalten, so dass die Berufung der Klägerin Erfolg hat. Als Rentenbeginn war der 29.06.1999 zu bestimmen. Mit diesem Tag hat die Klägerin die gefährdende Tätigkeit auf Dauer aufgegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen.
Schmidt Tröger Dr. Scholz
Rechtskraft
Aus
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