L 17 U 249/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 226/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 249/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 19.04.2000 und der Bescheid vom 28.03.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.07.1996 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, eine Berufskrankheit nach Nr 1102 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen und Verletztenrente nach einer MdE von 50 vH nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr 1102 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) streitig.

Der am 1950 geborene Kläger war nach einer Lehre als Werkzeugmacher vom 29.07.1968 bis 30.04.1970 als Justierer von Thermometern tätig. Anschließend arbeitete er als Bediener von Sandstrahlmaschinen in der Gießerei eines Eisenwerks - unterbrochen durch den Grundwehrdienst 1971 bis 1973. Seit 26.04.1973 war er wiederum als Justierer von Thermometern beschäftigt. Seine Tätigkeit umfasste das Justieren von Thermometern in hohen Temperaturen ab 200° (Anbringung von Meß- und Justierpunkten in verschiedenen Flüssigkeiten und Bädern). Er kam dabei ua mit Salpetersalzmischungen, Nitratstäuben, Quecksilber, Nitrosaminen, Methanol und Kohlenwasserstoffen in Berührung. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten (TAD) beschrieb in seiner Stellungnahme vom 09.06.1995 die Tätigkeit damit, dass quecksilbergefüllte Thermometer in verschiedene Bäder mit genau definierten Temperaturen getaucht und dann mit einer Farbmarkierung versehen werden. Das Quecksilber in den Thermometern war zwar vom Glas umschlossen, es blieb aber nicht aus, dass gelegentlich ein Thermometer zu Bruch ging und Quecksilber verschüttet wurde. Bei zahlreichen Expositionsmessungen wegen Quecksilber im Arbeitsbereich Justiererei (Luftmessungen) und beim Kläger selbst seit 1984 ist die sogenannte Auslöseschwelle (Grenzwerte: Luft 0,1 mg/m³; Blut 50 µg/l; Urin 200 µg/l) deutlich unterschritten worden. Nur bei Verabreichung des Medikamentes DMPS, das das körpervorhandene Quecksilber mobilisiert, wurden höhere Werte festgestellt.

Der Kläger klagte seit 1987 über Kopfschmerzen, Nervosität, wiederkehrenden Haarausfall und Zahnfleischbluten. Seit 28.11.1994 war er arbeitsunfähig krank.

Am 02.03.1995 legte der Allgemeinarzt Dr.R. eine ärztliche Anzeige über eine BK vor. Er fügte einen Arztbericht des Nervenarztes Dr.B. vom 16.12.1994 bei, in dem auf erhöhte Quecksilberblutwerte hingewiesen und als Diagnose Depression bei toxischer Belastung mit Quecksilber angegeben wurde.

Nach Beiziehung von Arztberichten des Dr.B. vom 20.03.1995 und des Nervenarztes Dr.B. vom 05.10.1995, des HV-Entlassungsberichtes der L.klinik B. vom 30.08.1995, einer Stellungnahme des Gewerbearztes Dr.E. vom 18.03.1996 sowie des Aktenvermerkes des TAD vom 02.02.1996 und eines Besichtigungsprotokolls des Gewerbeaufsichtsamtes über die A. Thermometerfabrik K. lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.03.1996 die Anerkennung einer BK nach Nr 1102 der Anlage 1 zur BKV ab. Danach hätten die 1988 und 1991 durchgeführten Quecksilberwertbestimmungen im Blut und Urin weit unter dem BAT-Grenzwert von 50 mg/l gelegen. Ebenso habe die nochmalige Quecksilberbestimmung im November 1995 Normalwerte gezeigt. Die vom Kläger vorgelegten positiven Quecksilber-Urinbefunde seien auf die Verabreichung des Medikamentes DMPS zurückzuführen, welches eine Mobilisierung von Quecksilber im Körper bewirke. Auch die Schadstoffmessung am Arbeitsplatz habe keine über den MAK-Wert liegende Quecksilberbelastung ergeben. Zwischen der Erkrankung des Klägers und der nur geringfügigen Quecksilbereinwirkung bestehe kein ursächlicher Zusammenhang (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 02.07.1996).

Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Würzburg erhoben und beantragt, die bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen insbesondere auf neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet ua als BK nach Nr 1102 der Anlage zur BKV anzuerkennen und mit einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 20 vH ab frühestmöglichem Zeitpunkt zu entschädigen. Er hat vorgetragen, die von der Beklagten durchgeführten Arbeitsplatz-Messungen hätten zu einem Zeitpunkt stattgefunden, als erhebliche Veränderungen und Umbauten vorgenommen waren.

Nach Beiziehung der Betriebsakte "A." des Gewerbeaufsichtsamts W. hat das SG Gutachten des Neurologen Dr.S. vom 19.02.1998, des Nervenarztes Dr.H. vom 02.03.1998 sowie des Arbeitsmediziners PD Dr.Z. vom 18.10.1999 veranlasst. Dr.S. hat eine leichte Polyneuropathie mit symmetrisch-sensiblen Auffälligkeiten feststellen können. Die Polyneuropathie trage vermutlich zu dem vom Versicherten geklagten Schwindel bei; eine zusätzliche Schädigung zentralnervöser Struktur sei nicht auszuschließen. Hinweise auf eine toxische Enzephalopathie seien diskret und unspezifisch geblieben. Dr.H. hat die Diagnose Polyneuropathie, hirnorganisches Psychosyndrom bei psychischer Überlagerung durch eine asthenische Persönlichkeitsstörung gestellt. Diese Diagnosen könnten einer Quecksilberintoxikation zugsprochen werden. Dies sei jedoch eine Frage der täglichen Exposition. PD Dr.Z. hat auf Grund des Krankheitsbildes eine beruflich bedingte Polyneuropathie und ein hirnorganisches Psychosyndrom durch Quecksilber oder andere Arbeitsstoffe als möglich angesehen. Ein derartiger Kausalzusammenhang könne aber nicht wahrscheinlich gemacht werden auf Grund des nach Tätigkeitsaufgabe unveränderten psychiatrischen Bildes und der seit den 80er Jahren dokumentierten Messungen.

Nach Vorlage eines Arztberichtes des Dr.R. vom 13.01.2000, der beim Kläger zusätzlich auf Psellismus und Erethismus verwies, hat das SG mit Urteil vom 19.04.2000 die Klage abgewiesen. Es hat sich im Wesentlichen auf die vom Gericht eingeholten Gutachten gestützt.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und vorgetragen, dass PD Dr.Z. nach der Untersuchung am 27.01.1998 sein schriftliches Gutachten erst mehr als eineinhalb Jahre später abgeschlossen habe. Er hat zudem eine ärztliche Stellungnahme des Dr.B. vom 11.01.2000 vorgelegt.

Der Senat hat eine Krankheitenauskunft der AOK Main-Tauber-Kreis vom 10.01.2001, einen Befundbericht des Dr.R. vom 19.02.2001, die Akten der LVA Unterfranken und des Amtes für Versorgung und Familienförderung Würzburg, die ärztlichen Unterlagen der Klinik H. , O. sowie die einschlägigen Röntgen- und CT-Aufnahmen zum Verfahren beigezogen. Sodann hat der Nervenarzt Prof.Dr.G. am 07.12.2001 ein Gutachten erstellt. Er hat beim Kläger eine mittelgradige organische psychische Störung gefunden bei zusätzlich in der Persönlichkeitsstruktur begründeten überlagerten Verhaltensweisen. Weiter sei eine sehr leichte bis leichte, überwiegend sensible distal symmetrische Polyneuropathie mit Berührungs- und Schmerzempfindungsstörungen sowie mit Missempfindungen zu unterstellen. Das Zusammentreffen einer distal symmetrischen Polyneuropathie und einer organischen psychischen Störung lasse an eine toxische Verursachung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit mit Quecksilber, vor allem mit Erhitzung der Salpetersäure, denken. Die MdE-Einschätzung hat er dem arbeitsmedizinischen Fachgebiet vorbehalten.

Anschließend hat der Arbeitsmediziner Dr.S. in seinen Gutachten vom 25.02.2002/04.01.2003 eine mittelgradige organisch-psychische Störung neben einer sehr leichten bis leichten, überwiegend sensiblen distal symmetrischen Polyneuropathie bestätigt. Diese Erkrankung sei berufsbedingt, und zwar eine BK nach Nr 1102. Die MdE sei ab 04.07.1995 mit 30, ab 27.01.1998 mit 40 und ab 10.05.2001 mit 50 vH zu bewerten.

Die Beklagte hat dem unter Vorlage eines arbeitsmedizinischen Gutachtens nach Aktenlage des Diplomchemikers und Arbeitsmediziners Dr.P. vom 31.07.2002/08.05.2003/26.03.2003 widersprochen.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Würzburg vom 19.04.2000 sowie des Bescheides vom 28.03.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.1996 zu verurteilen, beim Kläger eine BK nach Nr 1102 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen und Verletzenrente nach einer MdE von 50 vH zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 19.04.2000 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird ergänzend auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die ärztlichen Unterlagen der LVA Unterfranken und die Schwerbehindertenakte des Amtes für Versorgung und Familienförderung Würzburg Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig und auch begründet.

Der Kläger hat Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung einer BK gem § 551 Abs 1 RVO iVm Nr 1102 der Anlage 1 zur BKV, da die Voraussetzungen erfüllt sind.

Der Anspruch des Klägers ist noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu beurteilen, da die BK vor dem In-Kraft-Treten des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) am 01.01.1997 eingetreten ist (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII).

Nach § 551 Abs 1 RVO sind BKen die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung bezeichnet und die sich ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit zugezogen hat. Nach Nr 1102 der Anlage 1 zur BKV gelten als BKen auch Erkrankungen durch Quecksilber oder seine Verbindungen. Die Feststellung der vorgenannten BK setzt voraus, dass zum Einen die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK in der Person des Versicherten gegeben sein müssen, zum Anderen das typische Krankheitsbild dieser BK vorliegen muss und dieses im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre mit Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist (Kasseler Kommentar - Ricke - § 9 SGB VII RdNr 11; Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung Band III - Stand 1997 - § 9 SGB VII RdNr 21 ff).

Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für das Vorliegen einer BK nach Nr 1102 der Anlage 1 zur BKV sind erfüllt. Dies folgt nach Auffassung des Senats aus der mehr als zwanzigjährigen Exposition des Klägers gegenüber Quecksilber als Thermometerjustierer. Wenn der Kläger aus der Füllerei die stabförmigen Thermometer erhielt, dann waren sie zum Teil oben offen. Häufig glitten Quecksilbertröpfchen außen am Glas des Thermometers mit denen der Kläger in Berührung kam herab. Dies gilt insbesondere für die Zeit vor 1980. Beim Justieren platzten die Thermometer manchmal auf (der Gewerbearzt geht von 20 zerstörten Thermometern pro Jahr aus). Dabei ergoss sich das Quecksilber in die Salpeterjustierflüssigkeit und der Kläger musste mit der Schöpfkelle das heiße Quecksilber aus dem Salpeter in ein Marmeladenglas füllen. Dabei atmete er den farb- und geruchslosen Quecksilberdampf ein. In geringerem Umfang war auch eine Aufnahme über die Haut möglich (Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, M 1102 S 2). In dem Besichtigungsprotokoll vom 21.07.1980 des Gewerbeaufsichtsamtes Nürnberg beschreibt Dr.M. in der Justiererei herumliegende Quecksilberperlen, die auf eine Quecksilberbelastung schließen ließen. Die Werte der Arbeitsplatzkonzentration im Justierraum erbrachten Messungen, die zwar ab 1987 unterhalb des MAK-Wertes (0,1 mg/m³) lagen. Allerdings lag das Messergebnis vom 29.10.1980 gering darüber. Entgegen der Auffassung des PD Dr.Z. wurde also im Oktober 1980 durch Raumluftmessung nachgewiesen, dass die zulässige maximale Arbeitsplatzkonzentration überschritten war. Dabei kann der Zeitraum vor 1980 nicht beurteilt werden. Der Senat hat aber keine Bedenken davon auszugehen, dass bei den damaligen Arbeits- und Sicherheitsverhältnissen die Werte höher waren, auch wenn die Messung der Quecksilberkonzentration im Blut und Urin des Klägers bei 4 Messungen: 29.10.1980, 24.06.1988, 04.10.1989 und 15.02.1991 keine Überschreitung des BAT-Wertes zeigten.

Da die chronische Form der Erkrankung in der Regel durch langzeitige Aufnahme kleinster Quecksilber-Mengen entsteht (Mehrtens/Perlebach aaO M 1102 S 3) sieht der Senat in Übereinstimmung mit Dr.S. die arbeitstechnischen Voraussetzungen für das Vorliegen einer BK nach Nr 1102 der Anlage 1 zur BKV als erfüllt an.

Bei dem Kläger liegt auch das typische Krankheitsbild vor, das die BK Nr 1102 fordert. Nach den überzeugenden Gutachten von Dr.S. und Prof.Dr.G. leidet der Kläger an einer mittelgradigen organischen psychischen Störung sowie einer leichten, überwiegend sensibel distal symmetrischen Polyneuropathie. Diese Gesundheitsstörungen äußern sich in Beschwerden im Sinne eines Pelzigkeitsgefühls an den Fersen und Fingern, verbunden mit Taubheits- und Kribbelgefühl in den Beinen. Daneben klagte der Kläger schon sehr früh über extreme (migräneähnliche) Kopfschmerzen, Benommenheit, Schwindelgefühl und Kreislaufprobleme. Zudem fanden sich allgemeine nervöse Symptome, teilweise Haarausfall und Zahnfleischbluten. Die von Dr.P. verneinten Tremor, Psellismus und Erethismus werden dagegen in dem Arztbericht des Hausarztes Dr.R. vom 13.01.2000 beschrieben, der den Kläger über lange Zeit beobachten konnte.

Das Zusammentreffen der distal symmetrischen Polyneuropathie und einer organischen psychischen Störung ist, wie Prof.Dr.G. ausführt, mit einer toxischen Verursachung, hier Quecksilber, vereinbar. Diese Schlussfolgerung ist in Kenntnis des Krankheitsbildes und der langen Exposition gegenüber Quecksilber nachvollziehbar. Die chronische Form der Erkrankung durch Quecksilber wird nämlich durch Symptome von Seiten des zentralen Nervensystems gekennzeichnet. Es wird eine ängstliche Befangenheit beschrieben, Empfindlichkeit, Menschenscheu, Schreckhaftigkeit, Stimmungslabilität, zeitweise hemmungslose Erregung und unmotiviertes psychisches Verhalten. Zu den Symptomen des Krankheitsbildes gehört auch ein feinschlägiges Fingerzittern sowie Sensibilitätsstörung, Sprachstörung mit Stottern, Verwaschensein der Sprache und nachlassende Merkfähigkeit des Gedächtnisses sowie allgemeiner Persönlichkeitsschwund. Vergegenwärtigt man sich das bei dem Kläger vorliegende Krankheitsbild, so weist die Konstellation der verschiedenen Symptome auf eine Erkrankung durch Quecksilber hin. Auch Dr.P. räumt ein, dass dieses Krankheitsbild im Rahmen von Quecksilber-Belastungen auftreten kann, selbst bei leichten Quecksilberexpositionen.

Andere Ursachen für dieses Krankheitsbild lassen sich nicht finden, insbesondere keine Hinweise auf eine Zuckerkrankheit oder erhöhten Alkoholkonsum. Im CT wurde keine Gefäßerkrankung beschrieben. Zwar sind in einer KSP-Untersuchung des zentralen Nervensystems Durchblutungsstörungen dokumentiert worden. Diese stellen aber keine eindeutigen pathologischen Befunde dar, die als außerberufliche organische Ursache für das hirnorganische Psychosyndrom gelten können. Prof.Dr.G. hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der kernspintomografische Befund auf beginnende gefäßbedingte Gehirnveränderungen bei einem damals 50-jährigen Mann hinweist, ohne dass die insgesamt nur sehr leicht ausgeprägten Veränderungen das Gesamtausmaß des psychischen Befundes erklären könnten.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der erforderliche Zusammenhang zwischen der beruflichen Exposition und den Gesundheitsstörungen (organisches Psychosyndrom mit Polyneuropathie) mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bewiesen. Unter hinreichender Wahrscheinlichkeit ist eine Wahrscheinlichkeit zu verstehen, bei der nach vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt (BSGE 32, 203; 45, 285). Die beim Kläger vorliegenden Krankheitssymptome entsprechen der Symptomatik einer chronischen Quecksilbervergiftung. Der Vollbeweis ist für den Ursachenzusammenhang entgegen der Auffassung des Dr.P. nicht erforderlich.

Hinsichtlich der MdE ist auf die funktionellen Störungen des Nervensystems durch die BK abzustellen. Die organisch-psychische Störung des Klägers ist in Übereinstimmung mit Prof.G. als "mittelgradig" anzusehen. Hinzukommt die mit einer MdE von 10 vH zu bewertende Polyneuropathie. Insgesamt ist es angemessen - im Hinblick auf die Erfahrungswerte zur Bildung der Gesamt-MdE bei Hirnschädigungen (Schönberger/Mehrtens/Valentin Arbeitsunfall und Berufskrankheit 7.Aufl S. 275) - eine Gesamt-MdE von 50 vH zu schätzen. Diese liegt seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit vor.

Der Kläger hat somit Anspruch auf Anerkennung einer BK nach Nr 1102 der Anlage 1 zur BKV sowie auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 50 vH. Das Urteil des SG Würzburg war aufzuheben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved