S 13 KR 79/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 79/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 490/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten der so genannten Del-Ferro-Therapie – einer Behandlung des Stotterns – in Amsterdam in Höhe von 1.795,00 EUR.

Der am 00.00.000 geborene Kläger litt seit dem vierten Lebensjahr unter extremem Stottern. Nach mehreren – erfolglosen – Therapien bei Logopäden beantragte er am 27.03.2012 die Übernahme der Kosten für einen zehntägigen Dell-Ferro-Intensivkurs (Stottertherapie) in Höhe von 1.795,00 EUR am Dell-Ferro-Institut in Amsterdam. Zur Begründung seines Antrags trug er vor, im Rahmen einer Informationsveranstaltung habe er es unter Anleitung der Therapeutin geschafft, nach langer Zeit wieder einmal einige Sätze stotterfrei zu sprechen. Das Therapeutenteam setze sich aus Atem-, Sprech- und Stimmlehrern, Therapeuten und Erfahrungskundlern zusammen.

Am 10.04.2012 lehnte die Beklagte den Leistungsantrag telefonisch ab. Am selben Tag teilte sie dem Kläger schriftlich mit, dass die Leistung zwar grundsätzlich abgelehnt werde, der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) aber nochmals eingeschaltet werde. Am 14.06.2012 teilte die Beklagte dem Kläger telefonisch mit, dass die Kosten für eine "Kasseler Stottertherapie" übernommen werden könnten; die Del-Ferro-Therapie werde aber in jedem Fall abgelehnt.

In einem Fragebogen der Beklagten berichtete die behandelnde Ärztin des Klägers, Dr. Wergen, der Kläger habe in den vergangenen zwölf Monaten Krankengymnastik, Zwerchfellentspannungsübungen und Logopädie erhalten, jedoch ohne wesentliche Besserung und Erfolg in Bezug auf das Stottern. Vom 30.07. bis 08.08.2012 absolvierte der Kläger im Rahmen eines zehntägigen Intensivkurses eine Stottertherapie im Del-Ferro-Institut in Amsterdam. Hierfür bezahlte er 1.795,00 EUR.

In einem von der Beklagten veranlassten MDK-Gutachten vom 16.08.2012 verwies Dr. U. auf eine Grundsatzstellungnahme des MDK aus dem August 2004; die Del-Ferro-Therapie könne nicht empfohlen werden; trotz einer mehr als zehn Jahre andauernden kontinuierlichen Marktpräsenz des Del-Ferro-Instituts lägen bis zum heutigen Tage keine publizierten Evaluationsergebnisse vor, die Rückschlüsse auf die Effizienz der Stottertherapie nach Del-Ferro zulassen würden. Es handele sich bei der Del-Ferro-Therapie um eine neue Behandlungsmethode, zu der keine Empfehlungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vorlägen. Der MDK wies sodann darauf hin, dass in dem genannten Grundsatzgutachten die "Kasseler Stottertherapie" positiv bewertet worden sei; es bestünde damit eine Therapieoption, deren Erbringung als ergänzende Leistungen zur Rehabilitation in Betracht käme.

Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Kostenübernahmeantrag durch Bescheid vom 04.09.2012 ab. Dagegen erhob der Kläger am 07.09.2012 Widerspruch. Er trug vor, dass auch Logopädie, die nach den Grundsätzen der Kasseler Stottertherapie erbracht worden sei, wie alle anderen Therapien erfolglos versucht worden sei. Mit der Del-Ferro-Therapie habe er durchschlagenden und anhaltenden Erfolg gehabt; bereits nach vier Stunden sei er stotterfrei gewesen und es auch geblieben. Er blühe auf und habe neue Lebensqualität.

Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 16.01.2013 zurück mit der Begründung, die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seien nicht erfüllt.

Dagegen hat der Kläger am 14.02.2013 Klage erhoben. Er wiederholt, dass die logopädische Behandlung über sechs Jahre ohne Erfolg geblieben sei. Erst die im Juli/August 2012 durchgeführte Behandlung im Del-Ferro-Institut in Amsterdam habe ihn vom Stottern geheilt. Er spreche fließend und ohne Hemmnisse. Der gelegentlich gegen die Del-Ferro-Therapie vorgebrachte Einwand, der Therapieerfolg halte nicht an, habe sich bei ihm nicht bestätigt. Zur Stützung seines Vortrags hat der Kläger eine CD über den Verlauf seiner Therapie im Del-Ferro-Institut sowie einen Artikel aus dem deutschen Ärzteblatt über das Stottern und seine Behandlung vorgelegt. Der Kläger ist der Auffassung, er erfülle die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruches nach § 13 Abs. 4 SGB V. Es komme nicht darauf an, dass die Leistung auch im Inland zu gewähren wäre. Denn § 13 Abs. 4 SGB V fordere lediglich einen zugelassenen Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU); dies treffe auf das Del-Ferro-Institut zu. Der Kläger behauptet, die Del-Ferro-Therapie sei in den Niederlanden und auch anderen europäischen Ländern anerkannt und werde von den Krankenkassen bezahlt. Diese Therapie sei eine spezielle Form der Stottertherapie, die sich fortlaufend mit steigender Erfolgsquote bewähre. Wenn sich der G-BA bisher nicht mit der Del-Ferro-Methode befasst habe, könne dies kein zureichender Grund für eine Entscheidung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sein. Der Kläger meint, es sei mit seinem Recht auf körperliche Unversehrtheit nicht vereinbar, die Del-Ferro-Therapie abzulehnen, nachdem alle anerkannten Behandlungsmethoden erfolglos verlaufen seien. Diese Behandlung sei nun erfolgreich gewesen. Auch wenn der G-BA die Methode nicht anerkannt habe, sei unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten sowie europa- und verfassungsrechtlichen Grundsatzerwägungen der Anspruch auf Kostenerstattung begründet.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.09.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.01.2013 zu verurteilen, ihm die durch eine Del-Ferro-Stottertherapie in den Niederlanden entstandenen Kosten von 1.795,00 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält einen Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 4 SGB V für nicht begründet, da die Voraussetzungen eines Primäranspruchs für die beantragte Leistung auch im Inland nicht erfüllt seien. Die Tatsache, dass sich der G-BA bisher nicht mit der Methode befasst habe, sei von wesentlicher rechtlicher Bedeutung, da hierdurch ein Inlandsleistungsanspruch zu verneinen sei. Ein Systemmangel sei nicht ersichtlich. Der im Einzelfall eingetretene Behandlungserfolg sei zwar erfreulich, aber für die rechtliche Bewertung der beantragten Leistung unerheblich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die von ihm selbst beschaffte, im Ausland erbrachte Del-Ferro-Stottertherapie in Höhe von 1.795,00 EUR.

Nach der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 13 Abs. 4 Satz 1 SGB V sind Versicherte berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der EU, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen aufgrund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind (Satz 2). Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte (Satz 3). Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf die Del-Ferro-Therapie nicht erfüllt.

Der Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 4 SGB V setzt einen konkreten primären Sach- oder Dienstleistungsanspruch des Versicherten voraus. Das wird im Wortlaut des Satzes 1 durch die Formulierung "anstelle" verdeutlicht. Die Abhängigkeit vom primären Sachleistungsanspruch bedeutet, dass dessen sachlich-rechtliche und sonstigen Leistungsvoraussetzungen erfüllt sein müssen. Art und Umfang der zustehenden Leistung bleiben unverändert, nur der Beschaffungsweg ändert sich. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Leistungen. Der danach in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch setzt daher – wie der Erstattungsanspruch bei im Inland in Anspruch genommenen Leistungen nach § 13 Abs. 3 SGB V – voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Maßgeblich für den Versicherungsschutz ist also insoweit der Leistungsumfang der deutschen GKV (LSG NRW, Urteil vom 13.02.2012 – L 1 KR 605/10). Behandlungen, die keine Leistung der deutschen GKV sind, können grundsätzlich auch nicht im Ausland zu Lasten der deutschen GKV in Anspruch genommen und abgerechnet werden (so: LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.05.2012 – L 10 KR 31/09; LSG Hessen, Urteil vom 17.04.2012 – L 1 KR 298/10; LSG NRW, Urteil vom 13.02.2012 – L 1 KR 605/10; SG Berlin, Urteil vom 23.03.2007 – S 86 KR 660/04; BSG, Urteil vom 27.09.2005 – B 1 KR 28/03 R; LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 03.05.2005 – L 11 KR 3740/04 – und vom 14.09.2004 – L 11 KR 2090/04). Die Del-Ferro-Stottertherapie ist keine Behandlung, die in Deutschland als Sachleistung zu Lasten der GKV in Anspruch genommen werden könnte (vgl. dazu bereits ausführlich: SG Dresden, Urteil vom 19.05.2005 – S 18 KR 400/01).

Bei der Stottertherapie nach Del-Ferro handelt es sich um ein neues Heilmittel, eine besondere Form der Sprechtherapie im Sinne der Heilmittel-Richtlinien, die der G-BA aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung in § 93 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erlassen hat. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 der Heilmittel-Richtlinien setzt die Abgabe von Heilmitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen eine Verordnung durch eine Vertragsärztin oder einen Vertragsarzt voraus. Vorliegend fehlt es bereits an einer solchen vertragsärztlichen Verordnung. Sie hätte auch nicht ausgestellt werden können. Denn nach § 138 SGB V dürfen die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte neue Heilmittel nur verordnen, wenn der G-BA zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt und in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Empfehlungen für die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung abgegeben hat. Trotz des etwas anderen Wortlauts wird der Anspruch des Versicherten auf Heilmittel durch diese Bestimmung in derselben Weise wie der Anspruch auf ärztliche Krankenbehandlung durch § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V ausgeschlossen, solange der G-BA nicht entschieden hat, dass das fragliche Mittel zur vertragsärztlichen Versorgung gehört. Insofern gelten die von der Rechtsprechung zur Anerkennung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung entwickelten Grundsätze entsprechend (SG Dresden, Urteil vom 19.05.2005 – S 18 KR 400/01 – unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 19.02.2002 – B 1 KR 16/00 R). Bisher hat der G-BA (noch) keine Empfehlungen zu der Del-Ferro-Therapie gegeben; sie ist nicht in den Heilmittel-Richtlinien als Leistung der GKV anerkannt.

Da eine Anerkennung durch einen Beschluss des G-BA fehlt, kommt eine Übernahme oder eine Erstattung der Behandlungskosten nur in Betracht, wenn die Unterlassung auf einem Versagen des gesetzlichen Leistungssystems beruht. Ein solches Systemversagen ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Einleitung oder die Durchführung des Verfahrens über die Anerkennung der neuen Methode willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen blockiert oder verzögert wird, obwohl die zur Beurteilung der Wirksamkeit, der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit benötigten Unterlagen dem Bundesausschuss oder den antragsberechtigten Stellen vorliegen, und deshalb eine für die Behandlung benötigte Therapie nicht eingesetzt werden kann. Das setzt voraus, dass die Wirksamkeit der neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen aufgrund wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken belegt werden muss. Nur ausnahmsweise, wenn ein Wirksamkeitsnachweis wegen der Art oder des Verlaufs der Erkrankung oder wegen unzureichender wissenschaftlicher Erkenntnisse auf erhebliche Schwierigkeiten stößt, darf darauf abgestellt werden, ob sich die in Anspruch genommene Therapie in der medizinischen Praxis durchgesetzt hat (BSG, Urteile vom 28.03.2000 – B 1 KR 11/98 R – und vom 05.07.1995 – 1 RK 6/95). Ein derartiger Systemmangel ist nicht ersichtlich.

Auch wenn die Del-Ferro-Therapie im Einzelfall – wie offensichtlich auch im Fall des Klägers – Erfolge in der Behandlung des Stotterns aufweisen kann, fehlt ihr der Wirksamkeitsnachweis aufgrund wissenschaftlich einwandfrei geführter Studien und Statistiken. Nach einer vom Gericht durchgeführten Internetrecherche soll der Neurologe Dr. van Hemert 1978 als erster die Del-Ferro-Hypothese zum Stottern getestet haben. Dies ergibt sich aus einer Kurzbeschreibung hierzu auf der Internetseite des Del-Ferro-Instituts (www.delferro.de). Jedoch ist nicht ersichtlich, dass Dr. van Hemert eine wissenschaftliche Studie über die Del-Ferro-Therapie durchgeführt hat. Prof. Dr. Macklem et altera haben vor mehr als zwanzig Jahren eine Studie über das Stottern durchgeführt, die 1990 in der Zeitschrift American Review of Respiratory Disease (141: 1510-1515) unter dem Titel "Respiratory Muscle Incoordination in Stuttering Speech" veröffentlich worden ist. Auch diese Studie erfüllt jedoch nicht die Kriterien einer wissenschaftlich einwandfrei geführten Studie, die den Nachweis der Wirksamkeit der Del-Ferro-Therapie erbringt. Es wurden lediglich Tests mit zehn Stotterern und fünf Kontrollpersonen ohne Sprechstörungen durchgeführt. Unter den Testpersonen waren drei Holländer, die bereits eine Klinik – offenbar das Del-Ferro-Institut – besucht hatten, in der die Kontrolle der Zwerchfellaktivität während des Sprechens trainiert wurde; gleichwohl, so heißt es in der abschließenden Zusammenfassung der Veröffentlichung von Prof. Dr. Macklem, stotterten diese drei Testpersonen in hohem Grade. Diese Aussage spricht eher gegen als für den wissenschaftlichen Nachweis der Wirksamkeit der Del-Ferro-Therapie.

Ein Kostenerstattungsanspruch ergibt sich auch nicht wegen Vorliegens einer notstandsähnlichen Krankheitssituation unter Berücksichtigung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5) entschieden, dass es mit den Grundrechten aus Artikel 2 Abs. 1 des Grundgesetzes i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip und aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar ist, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, generell von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Ein solcher Fall liegt hier ganz offensichtlich nicht vor und wird vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Dies gilt umso mehr, als mit der "Kasseler Stottertherapie" ein wissenschaftlich anerkanntes Behandlungskonzept vorliegt, das die Beklagte dem Kläger als Leistung der GKV angeboten hat. Der Kläger hat jedoch dieses Therapiekonzept nicht in seinem gesamten Umfang (stationär und ambulant) in Anspruch genommen, sondern nach seinen Angaben lediglich Logopädie, die sich an der Kasseler Stottertherapie orientiert.

Der Umstand, dass die Del-Ferro-Therapie dem Kläger erstmals geholfen und ihn inzwischen vom Stottern befreit hat, begründet allein keinen Anspruch auf Übernahme bzw. Erstattung der Kosten für die diese Behandlung, weil die Wirksamkeit der streitigen Therapie – wie dargelegt – nicht wissenschaftlich nachgewiesen ist. Dies aber muss sie sein, um den sich für den Behandlung- und Versorgungsanspruch eines Versicherten aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen genügen zu können. Der Leistungsanspruch eines Versicherten umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht. Hierzu genügt es nicht, dass die heutige Therapie bei einem Versicherten nach seiner eigenen Ansicht oder denjenigen seiner Ärzte positiv gewirkt hat. Zu Qualität und Wirksamkeit einer neuen Methode muss es vielmehr grundsätzlich zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen in dem Sinne geben, dass der Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist (BSG, Urteil vom 27.03.2007 – B 1 KR 17/06 R – m.w.N.). Dies trifft auf die Del-Ferro-Methode nicht zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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