Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 33/02 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. Juni 2002 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat der Beklagten ihre außergerichtlichen Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.
Gründe:
I
Der Rechtsstreit betrifft das vertragszahnärztliche Honorar des Klägers.
Der Kläger, seit 1990 als Zahnarzt niedergelassen und zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen, betrieb zunächst eine Einzelpraxis, in der er von 1997 bis zum 14. April 1999 Frau Dr. B. als Assistentin beschäftigte. Anschließend war die Zahnärztin S. in der Praxis tätig, zunächst als Assistentin, ab dem 1. September 1999 als Partnerin einer Gemeinschaftspraxis. Er begehrt höheres Honorar für die im Jahr 1999 in der Praxis erbrachten Leistungen.
Im Hinblick auf die Budgetregelungen des Art 15 GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz vom 19. Dezember 1998 (BGBl I 3853) ergänzte die beklagte Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) ihren Honorarverteilungsmaßstab mit Wirkung zum 1. Januar 1999 (HVM in der Fassung des Beschlusses der Vertreterversammlung vom 19. Dezember 1998) um Honorarbegrenzungsregelungen unter anderem für den Bereich konservierend-chirurgischer Leistungen (§ 4 Abs 1a Nr 2 HVM: "konservierend-chirurgische Abrechnung"). In diesem Bereich war für jeden Vertragszahnarzt eine fallzahlabhängige individuelle Kontingentgrenze festzulegen. Für diese Leistungen war ein Punktedurchschnitt aus dem Verhältnis der Gesamtvergütung zu der Gesamtzahl konservierend-chirurgischer Behandlungsfälle der Vertragszahnärzte zu errechnen (Nr 2.4), dessen Multiplikation mit der individuellen Zahl konservierend-chirurgischer Behandlungsfälle des einzelnen Arztes die für ihn gültige Kontingentgrenze ergab (Nr 2.5 iVm 2.3 und 2.1). Die Punkte aus dem Leistungsbereich Individualprophylaxe wurden gesondert mit dem vollen Punktwert berücksichtigt (Nr 2.4 iVm 2.5 letzter Halbsatz). Diese Punktzahlermittlung erfolgte quartalsweise und wurde nach Jahresschluss für das Gesamtjahr zusammengefasst (Nr 2.4 iVm 2.1), wobei die in einem Quartal nicht verbrauchten Punkte dem individuellen Kontingent für das nächste Quartal zuzuschlagen waren (Nr 2.2 Satz 3). Erhöhte Kontingente konnte der Vorstand für besondere Fachgruppen wie die auf Überweisung tätigen Kieferchirurgen und Oralchirurgen sowie für solche Vertragszahnärzte festlegen, die erst weniger als acht Quartale vertragszahnärztlich tätig waren und weniger als 400 Behandlungsfälle hatten (Nr 2.7).
Auf dieser Grundlage legte die Beklagte gemäß Nr 2.4 HVM den abrechenbaren Punktedurchschnitt für das Jahr 1999 auf 78 Punkte je konservierend-chirurgischem Fall fest.
Für die Praxis des Klägers nahm die Beklagte getrennte Berechnungen für die acht Monate der Einzelpraxis und für die vier Monate der Gemeinschaftspraxis vor. Für die Einzelpraxis - dh für Januar bis August 1999 - setzte sie die individuelle Kontingentgrenze durch Multiplikation des Punktedurchschnitts (78 Punkte) mit der Zahl der in seiner Praxis behandelten konservierend-chirurgischen Fälle (2.523) auf 196.794 Punkte fest. Dadurch blieben 23.312 der von ihm geltend gemachten 220.106 Punkte für konservierend-chirurgische Leistungen unberücksichtigt, dh der Punktwert reduzierte sich um 10,59 % (jeweils ohne die gesondert zu vergütenden 21.246 Punkte für Individualprophylaxe). Dementsprechend behielt die Beklagte von dem anhand der gesamtvertraglich genannten Punktwerte errechneten Honorar von 348.176,54 DM (bei Punktwerten von ca 1,52 DM im Primärkassen-, ca 1,65 DM im Ersatzkassen- und ca 1,53 DM im Fremdkassenbereich) den Betrag von 10,59 % = 36.871,90 DM ein. Darüber erging an den Kläger ein separater Bescheid vom 12. April 2000.
Für die Gemeinschaftspraxis - dh für September bis Dezember 1999 - setzte die Beklagte keine individuelle Kontingentgrenze fest, weil die Praxis die ihr zustehenden Kontingente bei der Abrechnung konservierend-chirurgischer Leistungen nicht überschritten habe. Für diese Zeit legte sie entsprechend § 4 Abs 1a Nr 2.7 HVM für die Partnerin als Praxisneugründerin ein erhöhtes Punktekontingent von 114 (statt 78) Punkten, also für die Gemeinschaftspraxis insgesamt den Durchschnittsbetrag von 78 + 114 = 192: 2 = 96 Punkten je konservierend-chirurgischem Behandlungsfall, zu Grunde. In dem Honorarbescheid vom 14. April 2000 für das Quartal IV/1999 setzte die Beklagte wegen des Überschreitens der Punktmengengrenzen gemäß § 85 Abs 4b ff Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zwei Abzugsposten "Honorarrückforderung wg. Punktmengenüberschreitung" fest, die bezogen auf den Kläger 26.468,50 DM und auf die Zahnärztin S. 2.065,46 DM, also in der Gesamtsumme 28.533,96 DM, betrugen.
Im Widerspruchs- und Klageverfahren hat sich der Kläger umfassend gegen den Bescheid vom 14. April 2000 gewandt, auch gegen die Kumulation von Abzügen wegen der fallzahlabhängigen individuellen Kontingentgrenze und wegen der Degressionsregelungen des § 85 Abs 4b ff SGB V sowie gegen die Art der Berechnung der Abzüge im Verhältnis von Einzel- und Gemeinschaftspraxis. Er ist erfolglos geblieben. Im Berufungsverfahren hat er lediglich das Klagebegehren wegen der Problematik der Kontingentgrenzen im Verhältnis von Einzel- und Gemeinschaftspraxis weitergeführt und insoweit beantragt, eine Verrechnung der Punkte aus der Einzelpraxis mit denjenigen aus der am 1. September 1999 gegründeten Gemeinschaftspraxis vorzunehmen und im Rahmen der Gemeinschaftspraxis die Punktekontingentgrenzen gemeinschaftlich zu bewerten. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 5. Juni 2002). Es hat im Wesentlichen auf die Ausführungen des Sozialgerichts (SG) verwiesen. Ergänzend hat es ausgeführt, die abrechnungsmäßige Trennung der Einzel- von der Gemeinschaftspraxis sei rechtmäßig, weil es sich bei letzterer um ein aliud, nämlich um ein neues Rechtsgebilde nach einem Statuswechsel, handele.
Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger die Verletzung von Bundesrecht geltend. Die Doppelbelastung durch Degression und HVM-Begrenzung sei rechtswidrig, weil er für geleistete Arbeit nicht nur infolge der HVM-Begrenzung kein Honorar erhalte, sondern durch den zusätzlichen Degressionsabzug gemäß § 85b Abs 4b ff SGB V dafür sogar zahlen müsse. Die abrechnungsmäßige Trennung von Einzel- und Gemeinschaftspraxis sei rechtswidrig. Entsprechend § 4 Abs 1a Nr 2.2 Satz 3 HVM sei ein Ausgleich erforderlich. Sein Zulassungsstatus habe sich nicht geändert. Die Gemeinschaftspraxis stelle nur die Weiterführung der Zusammenarbeit mit demselben Patientenstamm in veränderter Rechtsform dar, weil seine Praxispartnerin bereits vorher bei ihm als Assistentin beschäftigt gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. Juni 2002 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19. Dezember 2001 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 14. April 2000 - in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 18. April 2001 - zu verurteilen, über den Degressionsabzug und sein Honorar neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. Juni 2002 als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
sie zurückzuweisen.
Die Beklagte bezweifelt die Zulässigkeit der Revision, weil sich der Kläger zwar im SG-Verfahren auch gegen die bundesrechtlichen Degressionsvorschriften gewandt, im LSG-Verfahren seinen Antrag allerdings nur noch auf die Verrechnung im Verhältnis von Einzel- und Gemeinschaftspraxis gestützt habe, was die Anwendbarkeit des § 4 Abs 1a Nr 2.2 Satz 3 HVM und damit nicht revisibles Satzungsrecht betreffe. Die Revision könne aber auch in der Sache keinen Erfolg haben. Sowohl die im HVM geregelten Kontingentgrenzen als auch der Degressionsabzug gemäß § 85 Abs 4b ff SGB V seien rechtmäßig und müssten kumulativ erfolgen. Die vom Kläger geforderte Gesamtbetrachtung von Einzel- und Gemeinschaftspraxis hätten die Vorinstanzen wegen des erfolgten Statuswechsels zu Recht abgelehnt. Dies gelte zumal angesichts der Regelung des § 4 Abs 1a Nr 2.7 HVM, der für einen hinzukommenden Praxispartner, der weniger als 8 Quartale tätig gewesen sei, ein Fallkontingent von 114 statt 78 Punkten vorsehe und so im Falle einer Gemeinschaftspraxis aus einem länger und einem kürzer tätigen Partner zu einem erhöhten arithmetischen Mittel führe. So sei ab dem 1. September 1999 das Fallkontingent von 78 auf 96 Punkte gestiegen. Diese Änderung sei erheblich. Zudem seien Vertragspartner der Patienten nunmehr der Kläger und seine Partnerin, nicht mehr der Kläger allein. Ferner hätten beide auch insgesamt die Fallzahlen gesteigert.
II
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.
Die Revision des Klägers ist insoweit unzulässig, als er sich gegen die Kumulation von Abzügen einerseits wegen der fallzahlabhängigen individuellen Kontingentgrenze und andererseits wegen der Degressionsregelungen des § 85 Abs 4b ff SGB V wendet. Das Urteil des SG hierzu ist rechtskräftig geworden (vgl § 141 Abs 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), weil der Kläger insoweit kein Rechtsmittel eingelegt hat. Er hat sich im Widerspruchs- und Klageverfahren noch umfassend gegen den Bescheid vom 14. April 2000, auch gegen die Kumulation von Abzügen wegen der fallzahlabhängigen individuellen Kontingentgrenze und wegen der Degressionsregelungen des § 85 Abs 4b ff SGB V sowie gegen die Art der Berechnung der Kontingentgrenzen im Hinblick auf den geänderten Praxisstatus, gewandt. Im Berufungsverfahren hat er das Klageverfahren aber lediglich wegen der Problematik der Kontingentgrenzen im Verhältnis von Einzel- und Gemeinschaftspraxis weitergeführt. Er hat in seinem Berufungsschriftsatz vom 18. Januar 2002 nämlich ausdrücklich nicht mehr den umfassenden Antrag des erstinstanzlichen Verfahrens weiterverfolgt, sondern sich auf das Begehren nach Verrechnung der Punkte aus der Einzelpraxis mit denjenigen aus der am 1. September 1999 gegründeten Gemeinschaftspraxis und nach einer übergreifenden Anwendung der Punktekontingentgrenzen beschränkt. Nur über dieses Klagebegehren (§ 123 SGG) hat auch das LSG entschieden.
Die mithin lediglich in diesem Umfang zulässige Revision ist unbegründet.
Klagebefugnis und Aktivlegitimation des Klägers als Partner einer Gemeinschaftspraxis zur Verfolgung des Begehrens nach höherem Honorar sind zu bejahen, weil - wovon hier auszugehen ist - der andere Partner ihn zur Prozessführung ermächtigt hat+ (vgl BGH NJW-RR 2002, 1377, 1378 unter 4.; zu einem Fall der Abwehr einer Honorarrückforderung s BSG, Urteil vom 12. September 2001, BSGE 89, 90, 92 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 5; zum Verhältnis von Gesellschaft und Gesellschaftern vgl ferner BGH, Urteil vom 29. Januar 2001, BGHZ 146, 341, 356 ff).
Dem Begehren nach einheitlich-zusammenfassender Berechnung für Einzel- und Gemeinschaftspraxis kann allerdings nicht schon entgegengehalten werden - wie die Beklagte dies tut -, insoweit seien nur Fragen nicht revisiblen Satzungsrechts, nämlich des § 4 Abs 1a Nr 2.2 Satz 3 HVM, betroffen. Denn im Rechtsstreit zu beurteilen ist bei der Auslegung dieser Bestimmung sowohl die Funktion der vom Bundessozialgericht auf Grund bundesrechtlicher Vorgaben akzeptierten Kontingentgrenzen als auch der Statuswechsel von der Einzel- zur Gemeinschaftspraxis, für dessen Bewertung auch die Vorschrift des § 33 Abs 2 der Zulassungsverordnung für Zahnärzte (Zahnärzte-ZV) heranzuziehen ist. Mithin steht - zumindest auch - einer Prüfung im Revisionsverfahren zugängliches Recht iS des § 162 SGG in Frage.
Das Begehren des Klägers, dass die Überschreitung der Kontingentgrenzen für die ersten acht Monate des Jahres 1999 in Einzelpraxis mit dem nicht ausgeschöpften Punktkontingent der vier Monate der Gemeinschaftspraxis verrechnet werde, hat indessen aus Sachgründen keinen Erfolg. Die von dem Kläger geltend gemachte (analoge) Anwendung des § 4 Abs 1a Nr 2.2 Satz 3 HVM ist im Lichte der bundesrechtlichen Bestimmungen zu Kontingentgrenzen und Gemeinschaftspraxis zu verneinen. Auch sonstige Gesichtspunkte rechtfertigen sein Begehren nicht.
Die Regelung der Nr 2.2 Satz 3 des § 4 Abs 1a HVM durchbricht den Grundsatz der Nr 2.4 iVm Nr 2.1, dass die Punktzahlermittlung quartalsweise erfolgt und nach Jahresschluss lediglich noch für das Gesamtjahr zusammengefasst wird, für den Fall, dass in einem Quartal Punkte nicht verbraucht wurden und das individuelle Kontingent für das nächste Quartal noch Raum für deren Vergütung bietet. Dann sind die in dem einen Quartal nicht verbrauchten Punkte dem individuellen Kontingent für das nächste Quartal zuzuschlagen (Nr 2.2 Satz 3). Diese Regelung kann nicht auf den Fall des Wechsels von der Einzel- zur Gemeinschaftspraxis übertragen werden.
Die Begründung einer Gemeinschaftspraxis stellt eine Statusänderung dar, was sich auch in dem in § 33 Abs 2 Satz 2 Zahnärzte-ZV geregelten Erfordernis zeigt, dass die gemeinsame Ausübung vertragszahnärztlicher Tätigkeit durch den Zulassungsausschuss genehmigt werden muss (vgl dazu zB BSG SozR 3-2200 § 368c Nr 1 S 3 f; BSGE 85, 1, 8 f = SozR 3-2500 § 103 Nr 5 S 35). Honorarbegrenzungen, wie sie hier im Bereich konservierend-chirurgischer Leistungen bestehen, dass nämlich für jeden Vertragszahnarzt eine fallzahlabhängige individuelle Kontingentgrenze festzulegen ist (fallzahlabhängiges Leistungskontingent (abgekürzt: FALK)), verfolgen das Ziel, die in § 71 Abs 1 und § 85 Abs 3 bis 3c SGB V normierten Obergrenzen für Erhöhungen der Gesamtvergütungen auf die einzelnen Leistungserbringer "herunterzubrechen" (vgl BSG, Urteil vom 11. September 2002, SozR 3-2500 § 85 Nr 48 S 409 mwN) und so jeden Einzelnen mit den Auswirkungen begrenzter Gesamtvergütungen zu belasten. Die HVM-Begrenzungsregelungen sollen dem Anreiz entgegenwirken, Behandlungsfälle aus nicht medizinisch indizierten Gründen auszudehnen, und die Vertragszahnärzte veranlassen, ihre Behandlungen auf den durchschnittlichen Aufwand zu beschränken. Kontingentgrenzen knüpfen durch die Beschränkung der je Behandlungsfall abrechenbaren Punkte dabei typischerweise an eine quartalsweise Betrachtung an, indem sie eine darüber hinausgehende Honorierung begrenzen oder auch gänzlich ausschließen.
Dem liefe es zuwider, einen überdurchschnittlichen und an sich insoweit nicht zu vergütenden Behandlungsaufwand der ersten Monate eines Jahres - oder auch nur eines Quartals - doch noch nachträglich zu honorieren. Die Ausnahme in § 4 Abs 1a Nr 2.2 Satz 3 HVM nimmt lediglich Rücksicht auf die von Quartal zu Quartal üblichen Schwankungen und wirkt daraus entstehenden Nachteilen entgegen, indem im Rahmen der Gesamtbetrachtung über ein Jahr eine Verrechnung zwischen aufeinander folgenden Quartalen ermöglicht wird. Dies impliziert als Voraussetzung, dass die Verhältnisse der Praxis im Wesentlichen gleich geblieben sind. Fehlt es hieran, so liefe die Anwendung der Ausnahmeregelung des § 4 Abs 1a Nr 2.2 Satz 3 HVM dem Ziel der Kontingentgrenze zuwider. Ihre Anwendbarkeit ist insbesondere dann zu verneinen, wenn eine Einzel- in eine Gemeinschaftspraxis umgewandelt wird. Denn dann liegt ein Statuswechsel vor, der vor allem dann gravierend ist, wenn er wie im vorliegenden Fall erhebliche Änderungen der individuellen Punktkontingente bewirkt. Hier wurde der Praxis auf Grund des Statuswechsels ab dem 1. September 1999 je konservierend-chirurgischem Behandlungsfall ein erhöhtes Fallkontingent von 96 Punkten zugeordnet, das sich als Durchschnittsbetrag aus den bisherigen 78 Punkten und dem auf 114 erhöhten Wert ergab, der für die neue Partnerin als Praxisneugründerin gemäß § 4 Abs 1a Nr 2.7 HVM zu Grunde gelegt wurde.
Könnte durch die Gründung einer Gemeinschaftspraxis mit einem Partner, der einen Anfängerbonus erhält, rückwirkend ein Vergütungsanspruch für einen in der Vergangenheit normwidrig hohen Fallaufwand erlangt werden, so stünde das im Widerspruch zu Inhalt und Ziel der Kontingentgrenzen, überdurchschnittliche Leistungsmengen nur in eingeschränktem Umfang zu honorieren. Hinzu kommt, dass der Kläger nach seinen Angaben sogar nur die Rechtsform der Praxis verändert hat, die neue Praxispartnerin nämlich schon vorher im Wesentlichen in gleicher Weise - als Assistentin - bei ihm tätig war.
Auch der Schutz des neuen Praxispartners spricht dafür, Einzel- und Gemeinschaftspraxis im Zeitablauf nicht als Einheit zu sehen. Bei einheitlicher Betrachtung ergäbe sich nämlich möglicherweise die Folgerung, dass der erst später eingetretene Praxispartner für eventuelle Regresse wegen früherer unzulässiger Verordnungen und für etwaige Honorarrückforderungen zB wegen nachträglicher sachlich-rechnerischer Richtigstellungen mitzuhaften hätte. Hiervor wird der hinzutretende Partner bewahrt, wenn der Wechsel des Praxisstatus als Zäsur anerkannt wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).
Gründe:
I
Der Rechtsstreit betrifft das vertragszahnärztliche Honorar des Klägers.
Der Kläger, seit 1990 als Zahnarzt niedergelassen und zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen, betrieb zunächst eine Einzelpraxis, in der er von 1997 bis zum 14. April 1999 Frau Dr. B. als Assistentin beschäftigte. Anschließend war die Zahnärztin S. in der Praxis tätig, zunächst als Assistentin, ab dem 1. September 1999 als Partnerin einer Gemeinschaftspraxis. Er begehrt höheres Honorar für die im Jahr 1999 in der Praxis erbrachten Leistungen.
Im Hinblick auf die Budgetregelungen des Art 15 GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz vom 19. Dezember 1998 (BGBl I 3853) ergänzte die beklagte Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) ihren Honorarverteilungsmaßstab mit Wirkung zum 1. Januar 1999 (HVM in der Fassung des Beschlusses der Vertreterversammlung vom 19. Dezember 1998) um Honorarbegrenzungsregelungen unter anderem für den Bereich konservierend-chirurgischer Leistungen (§ 4 Abs 1a Nr 2 HVM: "konservierend-chirurgische Abrechnung"). In diesem Bereich war für jeden Vertragszahnarzt eine fallzahlabhängige individuelle Kontingentgrenze festzulegen. Für diese Leistungen war ein Punktedurchschnitt aus dem Verhältnis der Gesamtvergütung zu der Gesamtzahl konservierend-chirurgischer Behandlungsfälle der Vertragszahnärzte zu errechnen (Nr 2.4), dessen Multiplikation mit der individuellen Zahl konservierend-chirurgischer Behandlungsfälle des einzelnen Arztes die für ihn gültige Kontingentgrenze ergab (Nr 2.5 iVm 2.3 und 2.1). Die Punkte aus dem Leistungsbereich Individualprophylaxe wurden gesondert mit dem vollen Punktwert berücksichtigt (Nr 2.4 iVm 2.5 letzter Halbsatz). Diese Punktzahlermittlung erfolgte quartalsweise und wurde nach Jahresschluss für das Gesamtjahr zusammengefasst (Nr 2.4 iVm 2.1), wobei die in einem Quartal nicht verbrauchten Punkte dem individuellen Kontingent für das nächste Quartal zuzuschlagen waren (Nr 2.2 Satz 3). Erhöhte Kontingente konnte der Vorstand für besondere Fachgruppen wie die auf Überweisung tätigen Kieferchirurgen und Oralchirurgen sowie für solche Vertragszahnärzte festlegen, die erst weniger als acht Quartale vertragszahnärztlich tätig waren und weniger als 400 Behandlungsfälle hatten (Nr 2.7).
Auf dieser Grundlage legte die Beklagte gemäß Nr 2.4 HVM den abrechenbaren Punktedurchschnitt für das Jahr 1999 auf 78 Punkte je konservierend-chirurgischem Fall fest.
Für die Praxis des Klägers nahm die Beklagte getrennte Berechnungen für die acht Monate der Einzelpraxis und für die vier Monate der Gemeinschaftspraxis vor. Für die Einzelpraxis - dh für Januar bis August 1999 - setzte sie die individuelle Kontingentgrenze durch Multiplikation des Punktedurchschnitts (78 Punkte) mit der Zahl der in seiner Praxis behandelten konservierend-chirurgischen Fälle (2.523) auf 196.794 Punkte fest. Dadurch blieben 23.312 der von ihm geltend gemachten 220.106 Punkte für konservierend-chirurgische Leistungen unberücksichtigt, dh der Punktwert reduzierte sich um 10,59 % (jeweils ohne die gesondert zu vergütenden 21.246 Punkte für Individualprophylaxe). Dementsprechend behielt die Beklagte von dem anhand der gesamtvertraglich genannten Punktwerte errechneten Honorar von 348.176,54 DM (bei Punktwerten von ca 1,52 DM im Primärkassen-, ca 1,65 DM im Ersatzkassen- und ca 1,53 DM im Fremdkassenbereich) den Betrag von 10,59 % = 36.871,90 DM ein. Darüber erging an den Kläger ein separater Bescheid vom 12. April 2000.
Für die Gemeinschaftspraxis - dh für September bis Dezember 1999 - setzte die Beklagte keine individuelle Kontingentgrenze fest, weil die Praxis die ihr zustehenden Kontingente bei der Abrechnung konservierend-chirurgischer Leistungen nicht überschritten habe. Für diese Zeit legte sie entsprechend § 4 Abs 1a Nr 2.7 HVM für die Partnerin als Praxisneugründerin ein erhöhtes Punktekontingent von 114 (statt 78) Punkten, also für die Gemeinschaftspraxis insgesamt den Durchschnittsbetrag von 78 + 114 = 192: 2 = 96 Punkten je konservierend-chirurgischem Behandlungsfall, zu Grunde. In dem Honorarbescheid vom 14. April 2000 für das Quartal IV/1999 setzte die Beklagte wegen des Überschreitens der Punktmengengrenzen gemäß § 85 Abs 4b ff Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zwei Abzugsposten "Honorarrückforderung wg. Punktmengenüberschreitung" fest, die bezogen auf den Kläger 26.468,50 DM und auf die Zahnärztin S. 2.065,46 DM, also in der Gesamtsumme 28.533,96 DM, betrugen.
Im Widerspruchs- und Klageverfahren hat sich der Kläger umfassend gegen den Bescheid vom 14. April 2000 gewandt, auch gegen die Kumulation von Abzügen wegen der fallzahlabhängigen individuellen Kontingentgrenze und wegen der Degressionsregelungen des § 85 Abs 4b ff SGB V sowie gegen die Art der Berechnung der Abzüge im Verhältnis von Einzel- und Gemeinschaftspraxis. Er ist erfolglos geblieben. Im Berufungsverfahren hat er lediglich das Klagebegehren wegen der Problematik der Kontingentgrenzen im Verhältnis von Einzel- und Gemeinschaftspraxis weitergeführt und insoweit beantragt, eine Verrechnung der Punkte aus der Einzelpraxis mit denjenigen aus der am 1. September 1999 gegründeten Gemeinschaftspraxis vorzunehmen und im Rahmen der Gemeinschaftspraxis die Punktekontingentgrenzen gemeinschaftlich zu bewerten. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 5. Juni 2002). Es hat im Wesentlichen auf die Ausführungen des Sozialgerichts (SG) verwiesen. Ergänzend hat es ausgeführt, die abrechnungsmäßige Trennung der Einzel- von der Gemeinschaftspraxis sei rechtmäßig, weil es sich bei letzterer um ein aliud, nämlich um ein neues Rechtsgebilde nach einem Statuswechsel, handele.
Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger die Verletzung von Bundesrecht geltend. Die Doppelbelastung durch Degression und HVM-Begrenzung sei rechtswidrig, weil er für geleistete Arbeit nicht nur infolge der HVM-Begrenzung kein Honorar erhalte, sondern durch den zusätzlichen Degressionsabzug gemäß § 85b Abs 4b ff SGB V dafür sogar zahlen müsse. Die abrechnungsmäßige Trennung von Einzel- und Gemeinschaftspraxis sei rechtswidrig. Entsprechend § 4 Abs 1a Nr 2.2 Satz 3 HVM sei ein Ausgleich erforderlich. Sein Zulassungsstatus habe sich nicht geändert. Die Gemeinschaftspraxis stelle nur die Weiterführung der Zusammenarbeit mit demselben Patientenstamm in veränderter Rechtsform dar, weil seine Praxispartnerin bereits vorher bei ihm als Assistentin beschäftigt gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. Juni 2002 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19. Dezember 2001 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 14. April 2000 - in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 18. April 2001 - zu verurteilen, über den Degressionsabzug und sein Honorar neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. Juni 2002 als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
sie zurückzuweisen.
Die Beklagte bezweifelt die Zulässigkeit der Revision, weil sich der Kläger zwar im SG-Verfahren auch gegen die bundesrechtlichen Degressionsvorschriften gewandt, im LSG-Verfahren seinen Antrag allerdings nur noch auf die Verrechnung im Verhältnis von Einzel- und Gemeinschaftspraxis gestützt habe, was die Anwendbarkeit des § 4 Abs 1a Nr 2.2 Satz 3 HVM und damit nicht revisibles Satzungsrecht betreffe. Die Revision könne aber auch in der Sache keinen Erfolg haben. Sowohl die im HVM geregelten Kontingentgrenzen als auch der Degressionsabzug gemäß § 85 Abs 4b ff SGB V seien rechtmäßig und müssten kumulativ erfolgen. Die vom Kläger geforderte Gesamtbetrachtung von Einzel- und Gemeinschaftspraxis hätten die Vorinstanzen wegen des erfolgten Statuswechsels zu Recht abgelehnt. Dies gelte zumal angesichts der Regelung des § 4 Abs 1a Nr 2.7 HVM, der für einen hinzukommenden Praxispartner, der weniger als 8 Quartale tätig gewesen sei, ein Fallkontingent von 114 statt 78 Punkten vorsehe und so im Falle einer Gemeinschaftspraxis aus einem länger und einem kürzer tätigen Partner zu einem erhöhten arithmetischen Mittel führe. So sei ab dem 1. September 1999 das Fallkontingent von 78 auf 96 Punkte gestiegen. Diese Änderung sei erheblich. Zudem seien Vertragspartner der Patienten nunmehr der Kläger und seine Partnerin, nicht mehr der Kläger allein. Ferner hätten beide auch insgesamt die Fallzahlen gesteigert.
II
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.
Die Revision des Klägers ist insoweit unzulässig, als er sich gegen die Kumulation von Abzügen einerseits wegen der fallzahlabhängigen individuellen Kontingentgrenze und andererseits wegen der Degressionsregelungen des § 85 Abs 4b ff SGB V wendet. Das Urteil des SG hierzu ist rechtskräftig geworden (vgl § 141 Abs 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), weil der Kläger insoweit kein Rechtsmittel eingelegt hat. Er hat sich im Widerspruchs- und Klageverfahren noch umfassend gegen den Bescheid vom 14. April 2000, auch gegen die Kumulation von Abzügen wegen der fallzahlabhängigen individuellen Kontingentgrenze und wegen der Degressionsregelungen des § 85 Abs 4b ff SGB V sowie gegen die Art der Berechnung der Kontingentgrenzen im Hinblick auf den geänderten Praxisstatus, gewandt. Im Berufungsverfahren hat er das Klageverfahren aber lediglich wegen der Problematik der Kontingentgrenzen im Verhältnis von Einzel- und Gemeinschaftspraxis weitergeführt. Er hat in seinem Berufungsschriftsatz vom 18. Januar 2002 nämlich ausdrücklich nicht mehr den umfassenden Antrag des erstinstanzlichen Verfahrens weiterverfolgt, sondern sich auf das Begehren nach Verrechnung der Punkte aus der Einzelpraxis mit denjenigen aus der am 1. September 1999 gegründeten Gemeinschaftspraxis und nach einer übergreifenden Anwendung der Punktekontingentgrenzen beschränkt. Nur über dieses Klagebegehren (§ 123 SGG) hat auch das LSG entschieden.
Die mithin lediglich in diesem Umfang zulässige Revision ist unbegründet.
Klagebefugnis und Aktivlegitimation des Klägers als Partner einer Gemeinschaftspraxis zur Verfolgung des Begehrens nach höherem Honorar sind zu bejahen, weil - wovon hier auszugehen ist - der andere Partner ihn zur Prozessführung ermächtigt hat+ (vgl BGH NJW-RR 2002, 1377, 1378 unter 4.; zu einem Fall der Abwehr einer Honorarrückforderung s BSG, Urteil vom 12. September 2001, BSGE 89, 90, 92 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 5; zum Verhältnis von Gesellschaft und Gesellschaftern vgl ferner BGH, Urteil vom 29. Januar 2001, BGHZ 146, 341, 356 ff).
Dem Begehren nach einheitlich-zusammenfassender Berechnung für Einzel- und Gemeinschaftspraxis kann allerdings nicht schon entgegengehalten werden - wie die Beklagte dies tut -, insoweit seien nur Fragen nicht revisiblen Satzungsrechts, nämlich des § 4 Abs 1a Nr 2.2 Satz 3 HVM, betroffen. Denn im Rechtsstreit zu beurteilen ist bei der Auslegung dieser Bestimmung sowohl die Funktion der vom Bundessozialgericht auf Grund bundesrechtlicher Vorgaben akzeptierten Kontingentgrenzen als auch der Statuswechsel von der Einzel- zur Gemeinschaftspraxis, für dessen Bewertung auch die Vorschrift des § 33 Abs 2 der Zulassungsverordnung für Zahnärzte (Zahnärzte-ZV) heranzuziehen ist. Mithin steht - zumindest auch - einer Prüfung im Revisionsverfahren zugängliches Recht iS des § 162 SGG in Frage.
Das Begehren des Klägers, dass die Überschreitung der Kontingentgrenzen für die ersten acht Monate des Jahres 1999 in Einzelpraxis mit dem nicht ausgeschöpften Punktkontingent der vier Monate der Gemeinschaftspraxis verrechnet werde, hat indessen aus Sachgründen keinen Erfolg. Die von dem Kläger geltend gemachte (analoge) Anwendung des § 4 Abs 1a Nr 2.2 Satz 3 HVM ist im Lichte der bundesrechtlichen Bestimmungen zu Kontingentgrenzen und Gemeinschaftspraxis zu verneinen. Auch sonstige Gesichtspunkte rechtfertigen sein Begehren nicht.
Die Regelung der Nr 2.2 Satz 3 des § 4 Abs 1a HVM durchbricht den Grundsatz der Nr 2.4 iVm Nr 2.1, dass die Punktzahlermittlung quartalsweise erfolgt und nach Jahresschluss lediglich noch für das Gesamtjahr zusammengefasst wird, für den Fall, dass in einem Quartal Punkte nicht verbraucht wurden und das individuelle Kontingent für das nächste Quartal noch Raum für deren Vergütung bietet. Dann sind die in dem einen Quartal nicht verbrauchten Punkte dem individuellen Kontingent für das nächste Quartal zuzuschlagen (Nr 2.2 Satz 3). Diese Regelung kann nicht auf den Fall des Wechsels von der Einzel- zur Gemeinschaftspraxis übertragen werden.
Die Begründung einer Gemeinschaftspraxis stellt eine Statusänderung dar, was sich auch in dem in § 33 Abs 2 Satz 2 Zahnärzte-ZV geregelten Erfordernis zeigt, dass die gemeinsame Ausübung vertragszahnärztlicher Tätigkeit durch den Zulassungsausschuss genehmigt werden muss (vgl dazu zB BSG SozR 3-2200 § 368c Nr 1 S 3 f; BSGE 85, 1, 8 f = SozR 3-2500 § 103 Nr 5 S 35). Honorarbegrenzungen, wie sie hier im Bereich konservierend-chirurgischer Leistungen bestehen, dass nämlich für jeden Vertragszahnarzt eine fallzahlabhängige individuelle Kontingentgrenze festzulegen ist (fallzahlabhängiges Leistungskontingent (abgekürzt: FALK)), verfolgen das Ziel, die in § 71 Abs 1 und § 85 Abs 3 bis 3c SGB V normierten Obergrenzen für Erhöhungen der Gesamtvergütungen auf die einzelnen Leistungserbringer "herunterzubrechen" (vgl BSG, Urteil vom 11. September 2002, SozR 3-2500 § 85 Nr 48 S 409 mwN) und so jeden Einzelnen mit den Auswirkungen begrenzter Gesamtvergütungen zu belasten. Die HVM-Begrenzungsregelungen sollen dem Anreiz entgegenwirken, Behandlungsfälle aus nicht medizinisch indizierten Gründen auszudehnen, und die Vertragszahnärzte veranlassen, ihre Behandlungen auf den durchschnittlichen Aufwand zu beschränken. Kontingentgrenzen knüpfen durch die Beschränkung der je Behandlungsfall abrechenbaren Punkte dabei typischerweise an eine quartalsweise Betrachtung an, indem sie eine darüber hinausgehende Honorierung begrenzen oder auch gänzlich ausschließen.
Dem liefe es zuwider, einen überdurchschnittlichen und an sich insoweit nicht zu vergütenden Behandlungsaufwand der ersten Monate eines Jahres - oder auch nur eines Quartals - doch noch nachträglich zu honorieren. Die Ausnahme in § 4 Abs 1a Nr 2.2 Satz 3 HVM nimmt lediglich Rücksicht auf die von Quartal zu Quartal üblichen Schwankungen und wirkt daraus entstehenden Nachteilen entgegen, indem im Rahmen der Gesamtbetrachtung über ein Jahr eine Verrechnung zwischen aufeinander folgenden Quartalen ermöglicht wird. Dies impliziert als Voraussetzung, dass die Verhältnisse der Praxis im Wesentlichen gleich geblieben sind. Fehlt es hieran, so liefe die Anwendung der Ausnahmeregelung des § 4 Abs 1a Nr 2.2 Satz 3 HVM dem Ziel der Kontingentgrenze zuwider. Ihre Anwendbarkeit ist insbesondere dann zu verneinen, wenn eine Einzel- in eine Gemeinschaftspraxis umgewandelt wird. Denn dann liegt ein Statuswechsel vor, der vor allem dann gravierend ist, wenn er wie im vorliegenden Fall erhebliche Änderungen der individuellen Punktkontingente bewirkt. Hier wurde der Praxis auf Grund des Statuswechsels ab dem 1. September 1999 je konservierend-chirurgischem Behandlungsfall ein erhöhtes Fallkontingent von 96 Punkten zugeordnet, das sich als Durchschnittsbetrag aus den bisherigen 78 Punkten und dem auf 114 erhöhten Wert ergab, der für die neue Partnerin als Praxisneugründerin gemäß § 4 Abs 1a Nr 2.7 HVM zu Grunde gelegt wurde.
Könnte durch die Gründung einer Gemeinschaftspraxis mit einem Partner, der einen Anfängerbonus erhält, rückwirkend ein Vergütungsanspruch für einen in der Vergangenheit normwidrig hohen Fallaufwand erlangt werden, so stünde das im Widerspruch zu Inhalt und Ziel der Kontingentgrenzen, überdurchschnittliche Leistungsmengen nur in eingeschränktem Umfang zu honorieren. Hinzu kommt, dass der Kläger nach seinen Angaben sogar nur die Rechtsform der Praxis verändert hat, die neue Praxispartnerin nämlich schon vorher im Wesentlichen in gleicher Weise - als Assistentin - bei ihm tätig war.
Auch der Schutz des neuen Praxispartners spricht dafür, Einzel- und Gemeinschaftspraxis im Zeitablauf nicht als Einheit zu sehen. Bei einheitlicher Betrachtung ergäbe sich nämlich möglicherweise die Folgerung, dass der erst später eingetretene Praxispartner für eventuelle Regresse wegen früherer unzulässiger Verordnungen und für etwaige Honorarrückforderungen zB wegen nachträglicher sachlich-rechnerischer Richtigstellungen mitzuhaften hätte. Hiervor wird der hinzutretende Partner bewahrt, wenn der Wechsel des Praxisstatus als Zäsur anerkannt wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).
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