L 2 AS 2558/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AS 3615/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 AS 2558/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 8. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Leistungen zur Sicherung der Unterkunft nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 16. November 2008 im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch.

Der im Jahr 1967 geborene Kläger ist alleinstehend und steht seit 18. Juni 2010 unter rechtlicher Betreuung durch seine Prozessbevollmächtigte (vormals Alkoholmissbrauch, Minderbegabung, Messie). Seit dem Umzug seiner 1927 geborenen Mutter G. H. (H.) ins Altersheim lebt er allein in einem Zimmer in V.-S. in der H.straße. Zuvor bewohnte er seit 1983 gemeinsam mit seiner Mutter eine 77 m² große 3-Zimmer-Wohnung am A.ring. Für die Wohnung fiel eine Kaltmiete in Höhe von monatlich 354,20 EUR an. Hinzu kamen Nebenkosten in Höhe von 108,69 EUR im Monat (vgl. Mietbescheinigung Bl. 77 der Verwaltungsakte "KdU-Teil" - VA-KdU -). H. verfügt über eine Rente in Höhe von 959,94 EUR.

Nachdem der Kläger bis Ende des Jahres 2004 Leistungen nach dem damaligen Bundessozialhilfegesetz bezogen hatte, beantragte er am 11. Oktober 2004 bei der Agentur für Arbeit V.-S. die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Im Zusatzblatt 1 zur Feststellung der angemessenen Kosten der Unterkunft ist angekreuzt, der Kläger habe freies Wohnrecht bei seiner Mutter H (Bl. 1 VA-KdU). Die Eintragung erfolgte in grüner Farbe, also durch einen Mitarbeiter der Agentur für Arbeit. Die dem Antrag beigefügte Mietbescheinigung war von der Mutter des Klägers ausgefüllt worden (Bl. 9 VA-KdU). Darin war der Kläger als Untermieter einer Fläche von 26 m² aufgeführt. Als zu zahlende Miete war nur die der Mutter aufgeführt.

Die Agentur für Arbeit gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 18. November 2004 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 in Höhe von 345,- EUR monatlich (Bl. 72 LSG-Akte). Den Antrag auf Übernahme der Kosten der Unterkunft leitete sie an den Schwarzwald-Baar-Kreis als damals zuständigen Träger der Unterkunftskosten weiter.

Mit Bescheid vom 27. April 2005 lehnte der Schwarzwald-Baar-Kreis den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung der Unterkunft ab und verwies darauf, der Kläger habe freies Wohnrecht bei seiner Mutter (Bl. 6 der Verwaltungsakte des Jobcenters - VA-JC -). Der Kläger ging gegen den Bescheid nicht vor.

In der Folgezeit beantragte der Kläger regelmäßig die Weitergewährung des Arbeitslosengeldes II, erstmalig am 20. Mai 2005 (Bl. 8 VA-JC). Bezüglich der Kosten für Unterkunft und Heizung war in den Anträgen jeweils angekreuzt, es hätten sich keine Änderungen ergeben. Die Anträge wurden nicht an den Schwarzwald-Baar-Kreis weitergeleitet. Dieser erhielt lediglich die Bewilligungsbescheide der Agentur für Arbeit, erstmals am 13. Juni 2005 (Bl. 15 VA-KdU). Von Januar 2006 an vermerkte ein Mitarbeiter des Landkreises Schwarzwald-Baar auf den Bescheiden "wohnt mietfrei" (Bl. 27 VA-KdU).

In einem Gespräch am 17. November 2008 teilte der Kläger gegenüber dem Schwarzwald-Baar-Kreis mit, dass seine Mutter "selbst knapp an Geld" sei. Ab und zu gebe er ihr Geld. Er bat um die Übernahme der Kosten der Unterkunft (Bl. 71 VA-KdU). Der Kläger legte eine vom Vermieter seiner Mutter ausgefüllte Mietbescheinigung vor (Bl. 77 VA-KdU), in der die zu zahlende Miete in Kaltmiete und Nebenkosten aufgeschlüsselt und zugleich erklärt wurde, die Miete werde seit 1983 laufend gezahlt.

Mit Bescheid vom 27. November 2008 gewährte der Schwarzwald-Baar-Kreis dem Kläger Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II in Höhe von 219,50 EUR monatlich ab 17. November 2008 (Bl. 91 VA-KdU). Die Bewilligungen erfolgten fortan durchgehend bis zum Auszug des Klägers aus der Wohnung im April 2010. Seit 1. Mai 2010 bewohnt der Kläger allein ein Zimmer in einem Wohnheim, für das der Schwarzwald-Baar-Kreis ebenfalls die Kosten übernimmt.

Am 18. Juni 2010 wurde die Prozessbevollmächtigte des Klägers zu dessen Betreuerin bestellt (Bl. 321 VA-KdU). Seit 13. Juli 2010 besteht ein Einwilligungsvorbehalt (Bl. 365 VA-KdU).

Mit Schreiben vom 10. August 2010, eingegangen beim Schwarzwald-Baar-Kreis am darauffolgenden Tag, beantragte die Prozessbevollmächtigte des Klägers die Rücknahme des am 27. April 2005 ergangenen rechtswidrigen Verwaltungsaktes gemäß § 48 Verwaltungsverfahrensgesetz sowie die nachträgliche Bewilligung von Leistungen zur Sicherung der Unterkunft ab 11. Oktober 2004 bis 17. November 2008 (Bl. 443 VA-KdU).

In einem persönlichen Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Landkreises Schwarzwald-Baar erläuterte die Prozessbevollmächtigte des Klägers ihr Ansinnen. Es sei ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X gestellt worden, da dem Kläger in Anbetracht seines Gesundheitszustandes zu Unrecht Leistungen vorenthalten worden seien. Der Schwarzwald-Baar-Kreis sei von Amts wegen verpflichtet gewesen, die Verhältnisse der Mutter des Klägers zu überprüfen (Bl. 373 VA-KdU).

Mit Bescheid vom 22. September 2010 lehnte der Schwarzwald-Baar-Kreis den Antrag ab (Bl. 447 VA-KdU). Er verwies darauf, der Bescheid vom 27. April 2005 sei inhaltlich nicht zu beanstanden. Im Übrigen könne die Überprüfung nur bezüglich eines Zeitraums der zurückliegenden vier Jahre erfolgen, also ab 1. Januar 2006. Das Jahr 2005 sei von der Überprüfung ausgeschlossen.

Gegen den Bescheid legte die Prozessbevollmächtigte des Klägers am 30. September 2010 Widerspruch ein und bezog sich zur Begründung auf ihren bisherigen Vortrag (Bl. 465 VA KdU). Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2010 wies der Schwarzwald-Baar-Kreis den Widerspruch zurück (Bl. 471 VA-KdU). Er führte aus, es seien keine Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden. Der Kläger habe bei Antragstellung erklärt, mietfrei in der Wohnung seiner Mutter zu wohnen. Dies habe er durch seine Unterkunft bekräftigt. Gegen den ablehnenden Bescheid habe er sich nicht gewandt und die Entscheidung auch in der Folgezeit - bis 17. November 2008 - nie beanstandet. Der Kläger habe auch nie geltend gemacht oder nachgewiesen, dass er tatsächlich Mietzahlungen leistet. Im Übrigen stünde- sollte der Kläger tatsächlich Miete gezahlt haben - der Aufhebung des Bescheides § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB X entgegen, da der Kläger der vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtige Angaben gemacht hätte.

Am 11. November 2010 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und geltend gemacht, er habe eine Sonderschule besucht und schon vor Inkrafttreten des SGB II Sozialhilfe bzw. Arbeitslosenhilfe bezogen. Er habe im Haushalt seiner Mutter gelebt und mit dieser eine Bedarfsgemeinschaft gebildet. Diese Bedarfsgemeinschaft habe einen Anspruch auf Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gehabt. Er sei nach § 38 SGB II bevollmächtigt gewesen, auch für seine Mutter zu handeln. Der Schwarzwald-Baar-Kreis sei verpflichtet gewesen, das Einkommen seiner Mutter zu ermitteln und die Leistungen der Bedarfsgemeinschaft entsprechend zu berechnen. Der Schwarzwald-Baar-Kreis sei aber erst nach seiner erneuten Vorsprache im November 2008 tätig geworden. Zumindest ab 1. Januar 2006 habe er Anspruch auf nachträgliche Gewährung von Leistungen zur Sicherung der Unterkunft.

Der Schwarzwald-Baar-Kreis ist der Klage entgegengetreten und hat ausgeführt, eine Bedarfsgemeinschaft habe nicht bestanden. Antragsteller und leistungsberechtigte Person sei ausschließlich der Kläger gewesen. Dieser habe bei Antragstellung ausdrücklich erklärt, er wohne mietfrei. Eine Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse seiner Mutter habe sich daher erübrigt. Anhaltspunkte dafür, an den Angaben zu zweifeln, habe es nicht gegeben.

Mit Gerichtsbescheid vom 8. Juni 2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die im Wesentlichen zutreffende Begründung des Widerspruchsbescheides des Landkreises Schwarzwald-Baar Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, es erschließe sich nicht, weshalb zwischen dem Kläger und seiner Mutter eine Bedarfsgemeinschaft vorgelegen haben solle. Bei der Antragstellung habe der Kläger - unbestritten - erklärt, er wohne mietfrei, und später niemals etwas anderes erklärt, so dass die Nichtgewährung von Leistungen nicht nachweisliche rechtswidrig gewesen sei. Im Übrigen habe der - rechtskundig vertretene - Kläger weder im Verwaltungs- noch im Klageverfahren konkret vorgetragen, geschweige denn nachgewiesen, dass er kein freies Wohnrecht hatte und zur Mietzahlung rechtlich verpflichtet war. Ebenso wenig habe er tatsächliche Zahlungen belegt.

Gegen den am 17. Juni 2011 der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 20. Juni 2011 Berufung zum Landessozialgericht in Stuttgart eingelegt. Er bestreitet zunächst, dass er angegeben habe, mietfrei bei seiner Mutter zu wohnen. Er sei auf den ersten Blick behindert. Schon deshalb hätte der Schwarzwald-Baar-Kreis im Rahmen der Amtsermittlung erfragen müssen, wie hoch die Einkünfte der Bedarfsgemeinschaft seien. Dass eine Bedarfsgemeinschaft vorgelegen habe, hätte sich aus seinen Angaben ergeben. Im Zuge der Antragstellung habe er eine Mietbescheinigung vorgelegt, aus der sich ergeben habe, dass er einen Wohnraum von 26 m² bewohne. Diese Bescheinigung habe seine Mutter unterschrieben. Es sei die Pflicht des Schwarzwald-Baar-Kreis gewesen, das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft zu ermitteln. Stattdessen habe sich der Schwarzwald-Baar-Kreis zurückgelehnt und ein für ihn "kostenneutrales" mietfreies Wohnen angenommen. Es dürfe unterstellt werden, dass der Schwarzwald-Baar-Kreis im Rahmen der Berechnung des Bedarfs auch das Renteneinkommen seiner Mutter abgefragt habe. Der Schwarzwald-Baar-Kreis sei verpflichtet gewesen, ihn als unkundigen und offensichtlich behinderten Antragsteller auf Mängel bei der Antragstellung hinzuweisen und ihn etwa aufzufordern, fehlend scheinende Angaben zu machen oder unplausible Angaben zu plausibilisieren. Diese Voraussetzungen habe der Schwarzwald-Baar-Kreis nicht erfüllt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 8. Juni 2011 und den Bescheid des Landkreises Schwarzwald-Baar vom 22. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger ab 1. Januar 2006 bis 16. November 2008 Leistungen zur Sicherung der Unterkunft zu gewähren,

hilfsweise, den Bescheid des Beklagten vom 27. April 2005 aufzuheben und dem Kläger Leistungen zur Sicherung der Unterkunft vom 1. Januar 2006 bis 16. November 2008 zu gewähren.

Der Beklagte, der nach Bildung einer gemeinsamen Einrichtung zum 1. Juli 2011 die Prozessführung vom Schwarzwald-Baar-Kreis übernommen hat, beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtenen Bescheide für zutreffend. Er weist ergänzend darauf hin, der Kläger habe nach der Ablehnung seines Antrags auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung der Unterkunft keinen Antrag mehr gestellt. Beantragt habe er nur noch die Regelleistung. Anhaltspunkte zu weitergehender Prüfung habe es daher nicht gegeben. Daher sei auch fraglich, ob überhaupt eine Entscheidung über den Zeitraum ab Januar 2006 getroffen worden sei. Die Überprüfung der Zeit davon sei rechtlich nicht mehr möglich, da insoweit die Vier-Jahres-Frist abgelaufen sei.

Mit den Beteiligten wurde der Sachverhalt erörtert. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers wurde dabei insbesondere auf die Frage hingewiesen, ob der Schwarzwald-Baar-Kreis für die Zeit ab 2006 überhaupt eine Entscheidung getroffen habe, die nun nach § 44 SGB X überprüft werden könnte. Diskutiert wurde ferner, dass der Kläger bislang nicht vorgetragen habe, dass er verpflichtet gewesen sei, sich an den Kosten der Unterkunft zu beteiligen oder dies tatsächlich getan habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten (4 Bände) ebenso Bezug genommen wie auf die in der Sache entstandenen Gerichtsakten beider Instanzen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

I. Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und statthafte (§ 143 SGG) Berufung ist zulässig.

II.

Die Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat weder Anspruch auf Aufhebung des Bescheides des Schwarzwald-Baar-Kreises vom 27. April 2005 noch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung der Unterkunft vom 1. Januar 2006 bis 16. November 2008.

1. Die Berufung hat zunächst mit ihrem Hauptantrag auf Aufhebung der ergangenen Entscheidungen des Schwarzwald-Baar-Kreises vom 22. September und 9. Oktober 2010 sowie auf Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 16. November 2008 keinen Erfolg. Ein Anspruch auf Gewährung von Leistungen für diesen Zeitraum besteht nicht, da es bereits an einem Antrag für diese Zeit, über den noch nicht bestandskräftig entschieden wurde, fehlt.

Die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II setzt u.a. voraus, dass ein Antrag gestellt wurde. Allein die Kenntnis von einer Notlage genügt nicht aus. Für den im Streit stehenden Zeitraum liegt ein Antrag, über den noch nicht bestandskräftig entschieden wurde, nicht vor.

Einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung der Unterkunft hatte der Kläger am 11. Oktober 2004 gestellt. Über diesen Antrag hat der Schwarzwald-Baar-Kreis mit Bescheid vom 27. April 2005 entschieden. Der Bescheid ist bestandskräftig, nachdem der Kläger hiergegen Widerspruch nicht erhoben hat.

Weitere Anträge hat der Kläger bis zum 17. November 2008 nicht gestellt. Auf den von ihm eingereichten Formblättern hat er jeweils angekreuzt, es hätten sich bei den Kosten der Unterkunft keine Änderungen ergeben. Dabei bezogen sich die Angaben, ob sich etwas geändert hat, auf die zum Antrag vom 11. Oktober 2004 gemachten Angaben. Damals hatte der Kläger – oder jemand, der ihn bei der Antragstellung begleitete – angegeben, er habe bei seiner Mutter freies Wohnrecht. Der Kläger hat diese Angabe unterschrieben. Auf dieser Grundlage erging die ablehnende Entscheidung des Schwarzwald-Baar-Kreises. Anhand der späteren Angaben des Klägers, im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft habe sich nichts geändert, konnte dann nur der Schluss gezogen werden, dass die Übernahme von Kosten für die Unterkunft nicht mehr begehrt wird.

Ohne Antrag können Leistungen nach dem SGB II nicht bewilligt werden, § 37 SGB II.

2. Die Berufung hat ferner auch mit ihrem Hilfsantrag, der so auszulegen sein dürfte, dass der Kläger zusätzlich zu seinem Hauptantrag auch noch die Verpflichtung des Beklagten zur Aufhebung des Bescheides des Schwarzwald-Baar-Kreises vom 27. April 2005 begehrt, keinen Erfolg. Insoweit handelt es sich um einen Antrag im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Die Voraussetzungen dieser Norm liegen nicht vor.

Dabei scheitert die Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X bereits daran, dass für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 16. November 2008, für den der Kläger Leistungen begehrt, noch gar kein Verwaltungsakt erlassen wurde. Folglich kann auch eine Rücknahme nicht erfolgen.

Der einzige Verwaltungsakt, den der Schwarzwald-Baar-Kreis vor dem Ergehen des Bewilligungsbescheides vom 27. November 2008 erlassen hat, war die Entscheidung vom 27. April 2005. Darin wurde – auf den Antrag des Klägers vom 11. Oktober 2004 – entschieden, dass diesem Leistungen zur Sicherung der Unterkunft nach dem SGB II nicht zustehen. Weitere Entscheidungen über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung der Unterkunft sind nicht ergangen, da der Kläger bis zum 17. November 2008 keine weiteren Anträge gestellt hat. Auf den vom Kläger eingereichten Formblättern hat der Kläger jeweils angekreuzt, es hätten sich bei den Kosten der Unterkunft keine Änderungen ergeben. Dabei bezogen sich die Angaben, ob sich etwas geändert hat, auf die zum Antrag vom 11. Oktober 2004 gemachten Angaben. Damals hatte der Kläger – oder jemand, der ihn bei der Antragstellung begleitete – angegeben, er habe bei seiner Mutter freies Wohnrecht. Der Kläger hat diese Angabe unterschrieben. Auf dieser Grundlage erging die ablehnende Entscheidung des Schwarzwald-Baar-Kreises. Anhand der späteren Angaben des Klägers, im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft habe sich nichts geändert, konnte dann nur der Schluss gezogen werden, dass die Übernahme von Kosten für die Unterkunft nicht mehr begehrt wird. Dementsprechend verfuhr die Agentur für Arbeit V.-Schwenningen und reichte jeweils nur einen Abdruck der Bewilligungsentscheidungen an den Schwarzwald-Baar-Kreis zur Kenntnis weiter. Anhaltspunkte dafür, dass diese Vorgehensweise zu missbilligen wäre, sind nicht ersichtlich. Insbesondere waren die finanziellen Verhältnisse der Mutter des Klägers bei der Agentur für Arbeit nicht bekannt, da sie die Akten des Sozialamtes aus der Zeit der Geltung des Bundessozialhilfegesetzes nicht übernommen hat. Auch eine Bedarfsgemeinschaft, die Ermittlungen zu den Einkünften all ihrer Mitglieder erfordert hätte, bestand nicht. Im Zeitpunkt der Antragstellung Ende des Jahres 2004 war der Kläger bereits volljährig und konnte entsprechend der damals gültigen Rechtslage (§ 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II in der Fassung vom 30. Juli 2004) mit seiner Mutter keine Bedarfsgemeinschaft bilden. Innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft nach § 9 Abs. 5 SGB II (in der Fassung vom 24. Dezember 2003) hingegen, die der Kläger mit seiner Mutter bildete, kam es hierauf nicht an. Hier war nur zu prüfen, ob Hilfebedürftigkeit deshalb nicht bestand, weil der Kläger von seiner Mutter Leistungen erhielt oder dies jedenfalls erwartet werden konnte. Dieser Frage war die Agentur für Arbeit V.-S. nachgegangen, indem sie eine Erklärung der Mutter des Klägers anforderte, ob diese ihren Sohn finanziell unterstützt. Nachdem die Mutter des Klägers dies verneint hatte, wurden weitere Ermittlungen, die höchstens zu einer Kürzung des Anspruchs des Klägers hätten führen können - nicht angestellt. Eine Bewilligung von Leistungen durch die Agentur für Arbeit V.-S. auch an die Mutter des Klägers kam angesichts deren Alters von vornherein nicht in Betracht.

Die Wirkung des – mithin einzig ergangenen - Bescheides vom 27. April 2005 beschränkt sich auf den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2005. Darüber hinausgehende Rechtswirkungen beinhaltet er nicht.

Die Reichweite der Bestandskraft des Bescheides vom 17. April 2005 ist eine Frage der Bindungswirkung nach § 77 SGG. Für ablehnende Bescheide gilt insoweit, dass ihnen keine Dauerwirkung zukommt. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei der begehrten Leistung um eine Dauerleistung handelt oder nicht (vgl. BSG, Beschluss vom 10. Mai 1994, 9 BV 140/93, - juris Rdnr. 3 m.w.N.). Geregelt wird also durch einen ablehnenden Bescheid nur der Zeitraum bis zum Wirksamwerden der letzten Verwaltungsentscheidung, hier also – mangels Erhebung eines Widerspruchs durch den Kläger – bis zum Wirksamwerden des Bescheides vom 27. April 2005. Über diesen Zeitpunkt hinausgehende Wirkungen kommen dem Bescheid nicht zu. Hätte der Kläger nach Eintritt der Bestandskraft einen weiteren Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung der Unterkunft gestellt, wäre über einen neuen Antrag zu entscheiden gewesen, und nicht darüber, ob ein bereits ergangener Bescheid abzuändern ist.

Daran ändert sich nicht dadurch etwas, dass das Bundessozialgericht (ebenso wie der erkennende Senat) davon ausgeht, dass sich für den Fall des gerichtlichen Vorgehens gegen einen Ablehnungsbescheid der streitige Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz erstreckt (vgl. BSG, Urteil v. 11.12.2007 – B 8/9b SO 12/06 R – juris m.w.N.). Denn auch in einem solchen Fall ist die Ablehnung einer Leistung kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, weshalb ein auf einen während des Gerichtsverfahrens gestellten Antrages ergehender weitere Bescheid für einen Folgezeitraum nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Gerichtsverfahrens wird (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 96 Rdnr. 9f m.w.N.). Die Ausdehnung des streitigen Zeitraums bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beruht nur darauf, dass ein einmal gestellter Antrag solange fortwirkt, bis ein ablehnender Bescheid bestandskräftig geworden oder sich der Antrag sonst – beispielsweise durch Stellung eines Antrags für einen Folgezeitraum – erledigt hat.

Folglich liegt für den Zeitraum, für den der Kläger die Gewährung von Leistungen zur Sicherung der Unterkunft begehrt, kein Verwaltungsakt vor, der geändert werden könnte.

Im Übrigen liegen auch die inhaltlichen Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht vor. Der Schwarzwald-Baar-Kreis hat weder das Recht unrichtig angewandt noch ist er von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen hat.

Ausgehend von den damaligen Angaben des Klägers durfte der Schwarzwald-Baar-Kreis davon ausgehen, dass der Kläger keine Unterkunftskosten zu tragen hatte. Zwar sind in einer Haushaltsgemeinschaft die Kosten der Unterkunft regelmäßig nach Kopfteilen auf die Mitglieder der Gemeinschaft zu verteilen (BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 – B 14/11b AS 55/06 R -, juris). Dies gilt allerdings nur für den Regelfall; ein solcher lag hier nicht vor. Vielmehr durfte der Schwarzwald-Baar-Kreis nach den Angaben des Klägers davon ausgehen, dass auf diesen tatsächlich keine Kosten entfallen. In einer Situation der zu prüfenden war dies nicht so ungewöhnlich, dass es hätte näher hinterfragt werden müssen. Dass eine Mutter ihren volljährigen erwerbslosen Sohn von den Unterkunftskosten freihält und eine Beteiligung auch nicht verlangt, ist durchaus vorstellbar. Im Übrigen hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers bis heute nicht vorgetragen, dass sich der Kläger hätte an den Kosten beteiligen müssen oder dass er dies jemals getan hat.

Von einem unrichtigen Sachverhalt ist der Schwarzwald-Baar-Kreis ebenfalls nicht ausgegangen. Vielmehr bestreitet auch die Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht, dass dieser tatsächlich mietfrei wohnte. Ihr Vorbringen, wonach auf Seiten des Schwarzwald-Baar-Kreises oder der Agentur für Arbeit V.-S. gegen Beratungspflichten verstoßen worden sein soll, vermag hieran nichts zu ändern. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers spielt hier wohl darauf an, es hätte sich bei näherer Überprüfung herausgestellt, dass die Mutter des Klägers zur Tragung sämtlicher Unterhaltskosten gar nicht in der Lage war, bzw. dies unter Berücksichtigung ihrer finanziellen Verhältnisse jedenfalls nicht von ihr erwartet werden konnte. Dies ändert aber nichts daran, dass die damaligen Angaben, wonach der Kläger mietfrei wohnte, zutreffend waren. Offensichtlich hat die Mutter des Klägers sämtliche Unterkunftskosten bestritten, nachdem die Mietbescheinigung vom 8. November 2008 keine Rückstände aufweist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved