L 1 KR 385/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 210 KR 51/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 385/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer stationären Behandlung im Schlaflabor.

Er ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert und leidet seit längerem an Schlafapnoe. Er beantragte die stationäre Schlaflaboruntersuchung unter Einreichung einer Verordnung von Krankenhausbehandlung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. med. KS vom 16. Mai 2008. Auf Nachfrage gab Dr. S an, die Behandlung solle in stationärer Form aufgrund eines Restless-Legs-Syndroms (RLS) und Schlafapnoe erfolgen. Eine ambulante kardiorespiratorische Polygraphie sei nicht durchgeführt worden. Auf Veranlassung des Beklagten gab der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e.V. (MDK) eine Stellungnahme vom 7. August 2008 ab. Nach den Richtlinien müsse zwingend zunächst eine Voruntersuchung durch einen schlafmedizinisch qualifizierten niedergelassenen Arzt ambulant durchgeführt werden. Dieses Verfahren der Stufendiagnostik sei nicht eingehalten worden.

Mit Bescheid vom 13. August 2008 lehnte die Beklagte daraufhin die Kostenübernahme für die beantragte stationäre Krankenhausbehandlung ab.

Der Kläger erhob Widerspruch. Der Beklagten sei die Problematik seiner Erkrankung bekannt. Sie zahle immerhin das benötigte Beatmungsgerät samt Stromkostenpauschale. Dass die Geräteeinstellung je nach Krankheitsverlauf neu eingestellt und angepasst werden müsse, sei auch bekannt. Derartiges sei nur im Schlaflabor möglich, zumal bei ihm das RLS berücksichtigt werden müsse.

Der MDK nahm unter dem 17. September 2008 ergänzend Stellung. Bei einer CPAP (continuous positive airway pressure)-pflichtigen schlafbezogenen Atmungsstörung seien polygrafische Nachuntersuchungen sechs Monate nach der Therapieeinleitung, im weiteren Verlauf nach klinischem Erfordernis, ambulant durchzuführen. Nachuntersuchungen im Schlaflabor könnten nach den Richtlinien nur im Einzelfall unter bestimmten Voraussetzungen durchgeführt werden. Das RLS begründe grundsätzlich keine stationären Kontrolluntersuchungen, es sei denn, dass Beschwerden vorlägen, die durch ambulante Untersuchungen nicht abgeklärt, bzw. nicht ambulant behandelt werden könnten. Ob eine Neueinstellung des Therapiegerätes erforderlich sei, sei aufgrund des klinischen Befundes und einer ambulant durchgeführten Polygraphie zu entscheiden.

Die Beklagte wies darauf hin mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2008 den Widerspruch zurück.

Der Kläger hat hiergegen am 14. Januar 2009 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Verwertbare Ergebnisse könnten nur in einem Schlaflabor erzielt werden, eine bloße Polygraphie "bringe nichts". Sein an die zehn Jahre altes Beatmungsgerät zeige deutliche Ausfallerscheinungen und sei zu ersetzen. Er hat eine Stellungnahme der Kliniken M vom 2. Mai 2002 beigefügt, wonach entsprechend den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin und Deutschen Gesellschaft für Pneumologie bei einer Kombination aus RLS und schlafbezogener Atmungsstörung eine stationäre Polysomnographie zur optimalen Therapieüberprüfung erforderlich erscheine.

Das SG hat einen Befundbericht des Dr. S eingeholt.

Mit Gerichtsbescheid vom 23. November 2011 hat es die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 13. August 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2008 sei rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte stationäre Krankenhausbehandlung.

Nach §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, § 39 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) hätten Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich sei, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- oder nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden könne. Hier seien die ambulanten fachärztlichen Behandlungsmöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft. Das ergebe sich aus den Stellungnahmen des MDK und der Angabe des behandelnden Arztes Dr. S. Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen habe die Polysomnographie als Maßnahme im Schlaflabor mit Beschluss vom 10. Dezember 1999 als neue Untersuchungsmethode anerkannt, in dem er sie in die Anlage A der Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 SGB V (BUB-Richtlinien) aufgenommen habe. Er habe dabei Aussagen getroffen, unter welchen Voraussetzungen diese Behandlung stationär, nämlich in einem Schlaflabor zu erbringen sei. Ob diese dann stets eine Krankenhausbehandlung im Sinne des § 39 SGB V darstelle, könne hier offen bleiben, weil der Kläger schon keinen Anspruch auf einen Aufenthalt in einem Schlaflabor nach den einschlägigen Richtlinien habe. Nach den BUB-Richtlinien in Anlage A "Anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden" Nr. 3 "Polygraphie und Polysomnographie im Rahmen der Differentialdiagnostik und Therapie der schlafbezogenen Atmungsstörung", zuletzt geändert mit Beschluss vom 15. Juni 2004/21. September 2004 habe der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) zur Diagnose der schlafbezogenen Atmungsstörung in § 3 die Stufendiagnostik, die schon seit Oktober 1991 als vertragsärztliche Leistung anerkannt worden sei, als weiterhin sinnvolle Diagnostik beibehalten. Danach sei zur Diagnostik einer atmungsbezogenen Schlafstörung für den Kläger der Aufenthalt in einem Schlaflabor nicht indiziert. Im Rahmen einer gestuften Diagnostik sei vor der sogenannten Polysomnographie, die mit einem Aufenthalt im Schlaflabor einhergehe, auf der Stufe 3 einer Polygraphie durchzuführen. Die Polygraphie solle während einer mindestens sechsstündigen Schlafphase erfolgen. Eine kardiorespiratorische Polysomnographie solle in zwei aufeinander folgenden Nächten mit, wenn möglich, wenigstens sechsstündigen Schlafphase in der zweiten Nacht durchgeführt werden (§ 3 Abs. 8 der Richtlinie). Sie solle nur dann als ergänzende Diagnostik durchgeführt werden, wenn trotz sorgfältiger klinisch-anamnestischer Abklärungen einschließlich Durchführung geeigneter Testverfahren und der nach Stufe 3 durchgeführten Polygraphie keine Entscheidung möglich sei, ob eine Therapie mittels CPAP oder anderer Verfahren notwendig sei (§ 3 Abs. 7 der Richtlinie). Nach Auskunft seines behandelnden Arztes Dr. S sei beim Kläger vor dessen Krankenhauseinweisung keine Polygraphie durchgeführt worden. Damit sei die Stufe 3 im Sinne der Richtlinien nicht durchgeführt worden. Es bestehe daher bis dahin keine Indikation nach § 3 der Richtlinie für einen stationären Aufenthalt bzw. einen Aufenthalt über Nacht in einem Schlaflabor. Soweit nach Klagerhebung am 7. Dezember 2010 bestätigt worden sei, dass bei einer vor elf Jahren bereits gesicherten Diagnostik einer ambulanten Polygraphie durchgeführt worden und einen Defekt des zur CPAP-Beatmung eingesetzten Gerätes ergeben habe, folge daraus keine Indikation für einen stationären Aufenthalt im Schlaflabor. Sie ergebe sich weder als Indikation zur weiteren Diagnostik, noch zur notwendigen Therapie, da nach § 3 Abs. 7 der Richtlinie eine kardiorespiratorische Polysomnographie (Stufe 4) nur dann als ergänzende Diagnostik durchgeführt werden könne, wenn trotz sorgfältiger klinisch-anamnestischer Abklärung einschließlich Durchführung geeigneter Testverfahren und der nach Stufe 3 durchgeführten Polygraphie keine Entscheidung möglich sei, ob eine Therapie mittels CPAP oder anderer Verfahren notwendig sei. Die Entscheidung für eine CPAP-Therapie sei bei dem Kläger bereits gefallen und werde von der jüngsten ärztlichen Bescheinigung nach durchgeführten Polygraphie vom 7. Dezember 2010 nicht in Frage gestellt, sondern die Benutzung des Gerätes werde (weiter) für dringend erforderlich erachtet. Eine Indikation zur stationären Aufnahme zur Therapie folge aus den vorliegenden Unterlagen ebenfalls nicht. § 5 der Richtlinie des GBA bestimme zu den Therapieverlaufskontrollen bei durchgeführter CPAP-Therapie:

§ 5 Therapieverlaufskontrollen

(1) Eine erste Kontrolle der Überdrucktherapie soll sechs Monate nach Einleitung einer CPAP-Therapie mit einer kardiorespiratorischen Polygraphie nach Stufe 3 erfolgen. Hierbei soll auch festgestellt werden, ob der Patient das Therapiegerät ausreichend nutzt (Betriebsstundenzähler, gegebenenfalls Auslesung des Nutzungsprotokolls). Bei komplikationslosem Verlauf sind weitere routinemäßige polygraphische Kontrolluntersuchungen nicht erforderlich. (2) Eine erneute kardiorespiratorische Polysomnographie ist nur bei schwerwiegenden Therapieproblemen erforderlich, die mit der Polygraphie nicht erkannt und nicht behoben werden können.

Weder der Kläger noch sein behandelnder Arzt oder der ärztliche Bericht vom 7. Dezember 2010 teilten schwerwiegende Therapieprobleme mit. Somit sei auch für eine Therapieoptimierung das Stufenverhältnis des § 3 der Richtlinie zu beachten. Gehe es allein darum, dass das vorhandene Gerät Verschleißerscheinungen und Ausfallerscheinungen zeige, bedinge dies keinen stationären Aufenthalt. Auch die Mehrzahl der Erkrankungen des Klägers, insbesondere das von ihm angeführte RLS werde in der Verordnung des Dr. S selbst nicht erwähnt. Dieser begründet die Krankenhauseinweisung allein mit der Schlafapnoe.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Es stünden sich hier divergierende Ärztestandpunkte und Aussagen gegenüber. Seinem allgemeinen Krankheitszustand, insbesondere der neben der Schlafapnoe bestehenden RLS-Erkrankung, sei nicht Rechnung getragen. Auch habe das Gericht seine ärztlichen Kompetenzen nicht bewiesen. Dies sei mit dem vom Bundesausschuss vorgeschlagenen Verfahren eindeutig nicht eruierbar, schon gar nicht im notwendigen Umfang. Er hat sich ferner auf das Urteil des Landessozialgerichts vom 25. März 2004 (L 11 SB 54/02) berufen. Auch seine Erkrankungen der Lendenwirbelsäule müssten berücksichtigt werden. Das SG habe gegen den Amtsermittlungsgrundsatz des § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verstoßen. Es habe nicht den relevanten medizinischen Sachverhalt ermittelt. Auf die von ihm eingereichten Atteste/Gutachten sei nicht eingegangen worden.

Mit Beschlüssen vom 12. März 2013 und 12. April 2013 hat es der Senat abgelehnt, dem Kläger Prozesskostenhilfe zu gewähren, weil die Berufung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Er hat im zweitgenannten Beschluss den Rechtsstreit auf den Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.

Der Kläger hat insoweit ergänzend vorgebracht, auch der Senat unterlasse es rechtswidrig, sich medizinischen Sachverstandes zu bedienen. Er ignoriere mutwillig und rechtsmissbräuchlich die Aussage der behandelnden Klinikärzte aus dem Jahre 2002.

Er beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Berlin vom 23. November 2011 und des Bescheides vom 13. August 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2008 die Kosten der am 16. Mai 2008 verordneten Krankenhausverordnung zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Entscheidung des SG.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in der Besetzung durch den Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern gemäß § 153 Abs. 5 SGG entscheiden. Der Rechtsstreit weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf (§ 105 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Es konnte entschieden werden, obgleich für den Kläger in der mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist. Der Kläger ist auf diese Möglichkeit in der Ladung hingewiesen worden (§§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 SGG).

Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Zur Vermeidung bloßer Wiederholungen verweist der Senat zunächst auf die zutreffende Begründung im angegriffenen Gerichtsbescheid (§ 153 Abs. 2 SGG) entsprechend.

Bei den von der Beklagten und vom SG herangezogenen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses handelt es sich entgegen der Annahme des Klägers nicht um bloße Empfehlungen oder Vorschläge, sondern um verbindliche Rechtsvorschriften. Sie müssen zwingend beachtet werden. Der Kläger kann einen stationären Krankenhausaufenthalt entgegen der Richtlinien nicht verlangen. Dass die Einhaltung des Stufenverfahrens allgemein oder speziell dem Kläger, der sich überwiegend auf ärztliche Feststellungen aus 2002 beruft, unzumutbar sein könnte, ist nach wie vor nicht ersichtlich. Dass hier die erforderlichen Formalien nicht eingehalten sind, konnte das SG und kann der hiesige Senat feststellen, ohne sich hierzu medizinischen Sachverstandes bedienen zu müssen. Ermittlungsbedarf ist nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved