Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 SB 3203/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2128/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. April 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) streitig.
Bei der 1950 geborenen Klägerin stellte das Versorgungsamt S. mit Bescheid vom 15.07.1999 wegen einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Syringomyelie und Bandscheibenschaden (Teil-GdB 30), einer reaktiven Depression (Teil-GdB 20) sowie Bluthochdruck (Teil-GdB 10) den GdB mit 40 sowie eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit fest. Ein hiergegen gerichteter Widerspruch der Klägerin blieb mit Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamts B.-W. vom 07.10.1999 ohne Erfolg.
Am 16.02.2005 beantragte die Klägerin beim nunmehr zuständigen Landratsamt B. - Versorgungsamt - (LRA) die Neufeststellung des GdB, dem mit Bescheid vom 22.04.2005 nicht entsprochen wurde.
Am 20.01.2010 stellte die Klägerin beim LRA – Versorgungsamt in S. – einen weiteren Antrag auf Neufeststellung des GdB. Das LRA nahm medizinische Befundunterlagen zu den Akten (Ärztlicher Entlassungsbericht der M. S. Klinik B. P.-G. vom 21.07.2008, Diagnosen: Chronisch rezidivierendes Cervikalsyndrom, Bandscheibenvorfall C2/C3, chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen; makroskopischer Befundbericht Dr. O. vom 04.05.2009; Coloskopiebericht Dr. H. vom 27.04.2009; Gastroskopiebericht Dr. H. vom 20.05.2009; Berichte Prof. Dr. R. vom 22.05.2009; Dr. S. vom 27.05.2009, 14.07.2009 und 12.10.2009, Diagnosen: peranale Blutungen, Hämorrhoidenleiden, Marisken, Analprolaps in Sklerosierungbehandlungen; Dr. Z. vom 07.07.2009, Diagnosen: Statische Wirbelsäulen-beschwerden bei muskulärer Insuffizienz, altersentsprechende degenerative Veränderung, Periarthritis coxae, zeitweilige Belastungsbeschwerden rechtes Handgelenk; Dr. F. vom 20.07.2009, Diagnosen: Depressive Episode, aktuell schwerer Ausprägung, depressive Reaktion bei Partnerkonflikt; M. S. vom 02.08.2009, Diagnosen: Nasenatmungsbehinderung, Hyperplasie der unteren Nasenmuscheln beidseits, OP 30.07.2009; Computertomographiebericht des Schädels des Radiologie Zentrums S. vom 15.10.2009, Beurteilung: Atlanto-axiale Assimilation und Invagination mit Hochstand des Dens axis in das Foramen magnum mit konsekutiver Foramen magnum Stenose und Ausbildung einer cervikalen Syrinx als eheste Ursache für die Kopfschmerzen; Ärztlicher Entlassungsbericht W. Klinik S. B. vom 12.01.2010, Diagnosen: Rezidivierende depressive Episode, gegenwärtig schwergradig, HWS- und LWS-Syndrom, Trochanter major-Syndrom beidseits, Verdacht auf Meniskusläsion rechts).
Entsprechend der gutachtlichen Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. W. vom 23.02.2010 entsprach das LRA dem Neufeststellungsantrag der Klägerin mit Bescheid vom 02.03.2010 nicht. Neue geltend gemachten Gesundheitsstörungen (Hämorrhoiden, Atembehinderung bei Verengung des Nasenganges, Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke) bedingten keinen Einzel-GdB von wenigstens 10. Eine wesentliche Verschlimmerung des Gesundheitszustandes sei nicht eingetreten.
Der gegen den Bescheid vom 02.03.2010 am 10.03.2010 eingelegte Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums S. – Landesversorgungsamt – vom 22.04.2010 zurückgewiesen.
Hiergegen erhob die Klägerin am 25.05.2010 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Sie machte zur Begründung geltend, zumindest hinsichtlich der Auswirkungen der psychischen Erkrankung genüge ein GdB von 20 nicht annähernd. Insgesamt müsse ein GdB von 50 angenommen werden. Sie sei nicht mehr in der Lage, selbstständig ihren Alltag zu bewältigen. Sie sei bei Dr. F. in regelmäßiger Behandlung gewesen. Die Klägerin legte ein Protokoll zum Krankheitsbild für einen (nicht näher bezeichneten) Zeitraum von einer Woche vor.
Das SG hörte den Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. B. und die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. schriftlich als sachverständige Zeugen an. Dr. B. teilte in seinen Stellungnahmen vom 12.04.2011 und 23.05.2011 mit, die Klägerin habe sich bei seinem Praxisvorgänger Dr. Z. zuletzt am 27.05.2009 in Behandlung befunden. Seither habe keine Behandlung stattgefunden. Dr. B. teilte (auf der Grundlage der Unterlagen seines Vorgängers) die Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes des Beklagten. Dr. F. teilte in ihrer Stellungnahme vom 17.07.2011 den Behandlungsverlauf und die Diagnosen (rezidivierende depressive Störung, zeitweise schwerer Ausprägung, depressive Reaktion bei chronischen Schmerzen und lange schwelendem Partnerkonflikt, Fibromyalgie, Migräne ohne Aura und nebenbefundlich, Foramen magnum-Stenose im Rahmen einer basilären Invagination mit Dens-Hochstand, cervikale Syringomyelie) und die erhobenen Befunde mit. Dr. F. schätzte den GdB auf 40 ein.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.04.2012 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, aus den nachgewiesenen Funktionseinschränkungen lasse sich kein höherer GdB als 40 feststellen.
Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 25.04.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten am 22.05.2012 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung vorgetragen, sie könne sich mit der Auffassung des SG nicht einverstanden erklären. Für die Funktionsstörungen der Wirbelsäule sei unstreitig zumindest ein GdB von 30 erforderlich. Überschneidungen der Auswirkungen der psychischen Erkrankung lägen nicht vor. Sie hätten einen eigenständigen Krankheitswert. Eine eigenständige Bewältigung des Alltages sei nicht mehr möglich. Sie erachte die weitere Abklärung des medizinischen Sachverhaltes von Amts wegen durch die Einholung insbesondere eines nervenärztlichen Gutachtens für erforderlich, was beantragt werde. Die Klägerin hat auf ein Hinweisschreiben des Berichterstatters vom 22.11.2012 die ärztliche Bescheinigung der Dr. F. vom 27.12.2012 vorgelegt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.04.2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 02.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.04.2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihr einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Der vorliegende medizinische Sachverhalt sei zutreffend gewürdigt worden. Aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Erkenntnisse.
Der Senat hat Dr. F. schriftlich als sachverständige Zeugin angehört. Sie hat in ihrer Stellungnahme vom 10.03.2013 den Behandlungsverlauf (nach längerer Pause habe sich die Klägerin am 20.12.2012 wieder vorgestellt), den erhobenen psychopathologischen Befund und die Diagnosen (rezidivierende depressive Störung, aktuell leicht- bis mittelgradiger Ausprägung, Migräne ohne Aura, Fibromyalgie, Foramen magnum-Stenose, cervikale Syringomyelie) mitgeteilt. Akute depressive Phasen ließen sich mehr oder minder gut medikamentös behandeln. Restsymptome hätten sich bei der Klägerin aber etabliert.
Der Beklagte ist der Berufung weiter entgegen getreten (Schriftsatz vom 21.03.2013).
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat den Berufungsantrag der Klägerin nach ihrem erkennbaren Begehren gefasst.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 02.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.04.2010 ist rechtmäßig. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Neufeststellung des GdB mit 50 (ab dem 20.01.2010) nicht zu. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 23.04.2012 ist nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 -9 RVs 15/96- BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R -, BSGE 91, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R -, RdNr 27, 30 m.w.N.). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 19 und vom 23.4.2009, a.a.O., RdNr 30).
Hiervon ausgehend ist im Vergleich zu dem im Bescheid vom 15.07.1999 mit einem GdB von 40 seit dem 07.05.1999 berücksichtigten Behinderungszustand der Klägerin eine wesentliche Änderung (Verschlimmerung) zur Überzeugung des Senats nicht eingetreten.
Eine wesentliche Änderung der mit einem Teil-GdB von 30 vom Beklagten berücksichtigten Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Erkrankung des Rückenmarks (Syringomyelie), die einen höheren Teil-GdB rechtfertigt, ist bei der Klägerin nicht eingetreten. Nach den VG Teil B 18.9 ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein Teil-GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten, die danach einen Teil-GdB von 40 rechtfertigen, liegen bei der Klägerin (nach wie vor) nicht vor. Nach dem im Hinblick auf den Änderungsantrag der Klägerin vom 20.01.2010 zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen und den im gerichtlichen Verfahren durchgeführten Ermittlungen ist nach dem Ärztlichen Entlassungsbericht der M. S. Klinik vom 21.06.2008 die Wirbelsäule der Klägerin in allen Wirbelsäulenabschnitten weitgehend frei beweglich bei einem Finger-Boden-Abstand von 0 cm und einer nur leichtgradig eingeschränkten Entfaltbarkeit (Schober 10/13,5 cm), leichter Rückenmuskelinsuffizienz und ISG-Druckschmerz beidseits. Dem entspricht im Wesentlichen der ihm Ärztlichen Entlassungsbericht der W. Klinik vom 12.01.2010 beschriebene Befund einer unauffälligen Halswirbelsäule bei freier Beweglichkeit und einem Finger-Boden-Abstand von 10 cm bei mäßigen Druckschmerz bei L5/S1 beidseits. Eine andere Bewertung rechtfertigt sich auch nicht durch die vom Beklagten außerdem berücksichtigte Erkrankung des Rückenmarks (Foramen magnum-Stenose und cervikale Syringomyelie). Motorische oder sensible Ausfälle/neurologische Ausfallerscheinungen bestehen bei der Klägerin nach den genannten Entlassungsberichten nicht. Dem entspricht auch die Aussage von Dr. F. in ihrer schriftlichen sachverständigen Zeugenauskunft vom 17.07.2011 an das SG, wonach die Foramen magnum-Stenose wie auch die cervikale Syringomyelie symptomlos sind. Dass eine neurochirurgische Kontrollbedürftigkeit besteht, wie Dr. F. außerdem angibt, ist nicht GdB-relevant. Eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlimmerung ist nicht ersichtlich. Dagegen spricht insbesondere, dass sich die Klägerin nach den schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. B. vom 12.04.2011 und 23.05.2011 zuletzt am 27.05.2009 (bei Dr. Z.) in orthopädischer Behandlung befunden hat. Eine Verschlimmerung wird im Übrigen von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Auch Dr. F. hat in ihrer schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 10.03.2013 an den Senat eine Verschlimmerung der Foramen magnum-Stenose und/oder der cervikalen Syringomyelie nicht beschrieben. Danach ist bei der Klägerin nach den dargestellten rechtlichen Vorgaben der VG hinsichtlich der Wirbelsäulenschäden und der Erkrankung des Rückenmarkes weiterhin vom Vorliegen eines Teil-GdB von (maximal) 30 auszugehen, wie ihn der Beklagte berücksichtigt hat.
Die auf psychiatrischem Gebiet bestehende Gesundheitsstörung der Klägerin rechtfertigt - entgegen ihrer Ansicht - weiterhin keinen höheren Teil-GdB als 20. Die Auswirkungen einer Fibromyalgie sind nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Senatsurteil vom 27.01.2012 - L 8 SB 768/11 -), entsprechend den Maßstäben der VG (wie früher der AHP) für psychovegetative oder psychische Störungen zu bewerten. Nach den VG Teil B 3.7 sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20 und stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewerten. Stärker behindernde Störungen liegen bei der Klägerin zur Überzeugung des Senats jedoch nicht vor. Nach den schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen der Dr. F. vom 17.07.2011 und 10.03.2013 befand sich die Klägerin zwischen 15.07.2009 und 22.12.2010 und (nach längerer Pause) ab 20.12.2012 in ihrer Behandlung. Dr. F. beschreibt in ihren Stellungnahmen eine rezidivierende depressive Störung wechselnden Schweregrads mit zeitweise schwerer Ausprägung. Demgegenüber nennt Dr. F. in ihrer Stellungnahme vom 10.03.2013 eine rezidivierende depressive Störung mit aktuell leichter Ausprägung. Damit besteht bei der Klägerin zur Überzeugung des Senats eine psychische Störung unterschiedlicher Ausprägung. Nach den VG Teil A 2f sind Schwankungen im Gesundheitszustand, wie sie bei der Klägerin auf psychiatrischem Gebiet vorliegen, mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen. In solchen Fällen ist bei der GdB-Beurteilung von dem "durchschnittlichen" Ausmaß der Beeinträchtigung auszugehen. Das durchschnittliche Ausmaß rechtfertigt auf psychiatrischem Gebiet keinen Teil-GdB von 30 (oder mehr). Nach den weiteren Angaben von Dr. F. haben sich bei der Klägerin während der Behandlung in früheren Jahren wie auch nach Beginn der Behandlung am 20.12.2012 Antidepressiva bewährt. Akute depressive Phasen lassen sich mehr oder minder gut medikamentös behandeln. Eine erhebliche Störung der Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit, des Gedächtnisses, des Antriebs, der Affektivität und des formalen Denkens beschreibt Dr. F. nur bei Vorliegen schwerer depressiver Phasen, die jedoch, wie ausgeführt, bei der Klägerin nicht dauerhaft vorliegen. Als dauerhafte Restsymptome beschreibt Dr. F. in ihrer Stellungnahme vom 10.03.2013 nur eine chronisch herabgestimmte Stimmungslage und eine Einschränkung des Reaktions-, Umstellungs- und Anpassungsvermögens sowie der psychischen Belastbarkeit, wobei sich die Klägerin allerdings nach der Beschreibung von Dr. F. bereits am 16.01.2013 (nach Beginn der Behandlung am 20.12.2012) in deutlich emotional ausgeglichenerem Zustand bei ihr wieder vorgestellt hat. Stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit beschreibt Dr. F. damit nicht. Dies gilt auch hinsichtlich den Angaben der Dr. F. in ihrer schriftlichen sachverständigen Zeugenauskunft vom 17.07.2011, in der Dr. F. von einem Überwiegen der Beschwerden der Klägerin durch ihre orthopädischen Erkrankungen ausgegangen ist und sie unter Berücksichtigung der Diagnosen rezidivierende depressive Störung, zeitweise schwerer Ausprägung, depressive Reaktion bei chronischen Schmerzen und lange schwebendem Partnerkonflikt, Fibromyalgie, Migräne ohne Aura und nebenbefundlich, Foramen magnum-Stenose im Rahmen einer basilären Invagination mit Dens-Hochstand, cervikale Syringomyelie - ohne Abweichung von der Ansicht des versorgungsärztlichen Dienst des Beklagten - bei der Klägerin den GdB mit etwa 40 eingeschätzt hat. Dass sich diese Einschätzung allein auf das Fachgebiet der Dr. F. beschränkt, lässt sich ihren Angaben in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 17.07.2011 nicht entnehmen. Im Übrigen fällt auf, dass sich die Klägerin, nachdem sie sich laut Aussagen der Dr. F. in ihrer Stellungnahme vom 17.07.2011 im Sommer 2010 psychisch wieder wohl gefühlt hat, erst im Anschluss an das richterliche Hinweisschreiben des Berichterstatters vom 22.11.2012, dass nach der Senatsrechtsprechung bei psychischen (seelischen) Leiden einen Teil-GdB von über 20 nicht angemessen sei, falls eine psychiatrische Behandlung nicht erfolge (vgl. zur genannten Senatsrechtsprechung: Urteil vom 17.12.2010 - L 8 SB 1549/10 -, veröffentlicht im Internet: www.sozialgerichtsbarkeit.de) am 20.12.2012 bei Dr. F. erneut in psychiatrische Behandlung begeben hat. Nach den weiteren Angaben der Dr. F. hat die Klägerin dabei angegeben, dass es ihr insbesondere im letzten Jahr (2011) sehr schlecht gegangen sein soll und sie bei einem Besuch in ihre Heimat schwer depressiv geworden sei. Sollte dies tatsächlich zutreffen, bleibt unverständlich, weshalb sich die Klägerin erst auf das richterliche Hinweisschreiben erneut in psychiatrische Behandlung begeben hat. Es drängt sich vielmehr auf, dass die Klägerin lediglich zur Verbesserung der Erfolgsaussichten ihrer Berufung auf das richterliche Hinweisschreiben reagiert hat.
Eine Verschlimmerung des Bluthochdruckleidens der Klägerin ist nicht ersichtlich und wird im Übrigen von ihr auch nicht geltend gemacht. Vielmehr lassen sich den vorliegenden medizinischen Befundunterlagen Blutdruckwerte der Klägerin im nicht erhöhten Bereich entnehmen (Ärztliche Entlassungsberichte M. S. Klinik vom 21.07.2008, RR 110/70 mmHg; W. Klinik vom 12.01.2010 RR 120/80 mmHg).
Eine wesentliche Änderung (Verschlimmerung) durch neu hinzugetretene Gesundheitsstörungen, die das Begehren der Klägerin stützen, liegt nicht vor. Nach den schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. F. vom 17.07.2011 und 10.03.2013 ist bei der Klägerin allerdings eine Migräne (ohne Aura) als Gesundheitsstörung neu hinzugetreten. Nach den VG Teil B 2.3 ist bei einer echten Migräne leichter Verlaufsform (Anfälle durchschnittlich einmal monatlich) der GdB von 0 bis 10 und bei mittelgradiger Verlaufsform (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend) der GdB von 20 bis 40 zu bewerten. Eine mittelgradige Verlaufsform der Migräne ist nicht nachgewiesen. Vielmehr bestätigt Dr. F. in ihrer schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 17.07.2011 bei der Klägerin nur gelegentliche Migräneanfälle und beschreibt in ihrer Stellungnahme vom 10.03.2013 Migräneanfälle nicht als relevante Behinderung der Klägerin. Danach ist wegen der Migräne nach den VG von einem Teil-GdB von 0 bis maximal 10 auszugehen. Entsprechendes gilt wegen der neu hinzugetretenen Hämorrhoiden, der Atembehinderung sowie der Funktionsbehinderung der Hüftgelenke, die der Beklagte nach den hierzu vorliegenden medizinischen Unterlagen und den schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage der gehörten Ärzte jeweils mit einem Teil-GdB von unter 10 zutreffend bewertet hat. Hiergegen hat die Klägerin zur Begründung ihrer Berufung im Übrigen auch keine substantiierten Einwendungen erhoben. Auch sonst lassen sich den zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen und den eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenauskünfte der die Klägerin behandelnden Ärzte keine neue Gesundheitsstörungen mit dauerhaften Behinderungen entnehmen und werden im Übrigen von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.
Danach ist bei der Klägerin weiterhin von einem Gesamt-GdB von 40 auszugehen. Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Die AHP und VG führen zur Umsetzung dieser Vorschriften aus, dass eine Addition von Einzel-GdB-Werten grundsätzlich unzulässig ist und auch andere Rechenmethoden für die Gesamt-GdB-Bildung ungeeignet sind. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird; ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. AHP Nr. 19 Abs. 3 bzw. VG Teil A 3). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG, SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5).
Hiervon ausgehend sind bei der Klägerin ein Einzel-GdB von (maximal 30) für die Wirbelsäule sowie ein Einzel-GdB von 20 für die seelische Störung in die Bildung des Gesamt-GdB einzubeziehen. Die übrigen Funktionseinschränkungen (Bluthochdruck, Migräne, Hämorrhoiden, Atembehinderung und Funktionsbehinderung der Hüftgelenke) bedingen einen Einzel-GdB von maximal 10 oder niedriger, die bei der Bildung des Gesamt-GdB nicht erhöhend zu berücksichtigen sind. Eine gesonderte Berücksichtigung schmerzbedingter Beeinträchtigungen bei der Bildung des Gesamt-GdB und damit die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft der Klägerin ist zur Überzeugung des Senats nicht gerechtfertigt. Nach den VG Teil A 2j schließen die in der GdB-Tabelle angegebenen Werte die üblicherweise vorhandenen Schmerzen mit ein. Eine das übliche Maß übersteigende Schmerzhaftigkeit, die eine ärztliche Behandlung erfordert, ist bei der Klägerin nicht nachgewiesen und wird von ihr im Übrigen auch nicht geltend gemacht. Der Gesamt-GdB ist damit weiterhin mit 40 zu bewerten. Dies würde im Übrigen selbst dann gelten, wenn bei der Klägerin hinsichtlich ihrer seelischen Störung von einem Teil-GdB von 30 ausgegangen würde, da im Hinblick auf die eher geringen funktionellen Einbußen der Klägerin im Bereich der Wirbelsäule von einem schwachen Teil-GdB von 30 auszugehen ist, der nicht rechtfertigt, die Schwerbehinderteneigenschaft der Klägerin festzustellen.
Anlass für weitere Ermittlungen besteht nicht. Der Senat hält den entscheidungserheblichen Sachverhalt durch die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen und die vom SG sowie im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen für geklärt. Neue Gesichtspunkte, die dem Senat Anlass zu weiteren Ermittlungen geben, hat die Klägerin nicht aufgezeigt. Soweit die Klägerin eine weitere Abklärung des medizinischen Sachverhaltes von Amts wegen für notwendig erachtet, insbesondere durch die Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens, sieht sich der Senat zur Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens im Hinblick auf die vom SG sowie im Berufungsverfahren eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen der Dr. F. nicht gedrängt. Der Antrag der Klägerin benennt keine relevanten Tatsachen als Beweisthema. Damit zielt der Antrag der Klägerin insgesamt darauf, ohne konkrete Anhaltspunkte weitere Ermittlungen ("ins Blaue hinein") anzustellen, die der im sozialgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz nicht gebietet und für die auch unter verfassungsrechtlichen Erwägungen keine Verpflichtung besteht (vgl. auch BSG, Beschluss vom 05.02.2009 - B 13 RS 85/08 B - veröffentlicht in juris), unabhängig davon, dass sich der Antrag durch ihre vorbehaltlose Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im Anschluss an die weiteren Ermittlungen des Senats bei Dr. F. erledigt hat, weshalb dem Antrag der Klägerin nicht zu entsprechen ist.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) streitig.
Bei der 1950 geborenen Klägerin stellte das Versorgungsamt S. mit Bescheid vom 15.07.1999 wegen einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Syringomyelie und Bandscheibenschaden (Teil-GdB 30), einer reaktiven Depression (Teil-GdB 20) sowie Bluthochdruck (Teil-GdB 10) den GdB mit 40 sowie eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit fest. Ein hiergegen gerichteter Widerspruch der Klägerin blieb mit Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamts B.-W. vom 07.10.1999 ohne Erfolg.
Am 16.02.2005 beantragte die Klägerin beim nunmehr zuständigen Landratsamt B. - Versorgungsamt - (LRA) die Neufeststellung des GdB, dem mit Bescheid vom 22.04.2005 nicht entsprochen wurde.
Am 20.01.2010 stellte die Klägerin beim LRA – Versorgungsamt in S. – einen weiteren Antrag auf Neufeststellung des GdB. Das LRA nahm medizinische Befundunterlagen zu den Akten (Ärztlicher Entlassungsbericht der M. S. Klinik B. P.-G. vom 21.07.2008, Diagnosen: Chronisch rezidivierendes Cervikalsyndrom, Bandscheibenvorfall C2/C3, chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen; makroskopischer Befundbericht Dr. O. vom 04.05.2009; Coloskopiebericht Dr. H. vom 27.04.2009; Gastroskopiebericht Dr. H. vom 20.05.2009; Berichte Prof. Dr. R. vom 22.05.2009; Dr. S. vom 27.05.2009, 14.07.2009 und 12.10.2009, Diagnosen: peranale Blutungen, Hämorrhoidenleiden, Marisken, Analprolaps in Sklerosierungbehandlungen; Dr. Z. vom 07.07.2009, Diagnosen: Statische Wirbelsäulen-beschwerden bei muskulärer Insuffizienz, altersentsprechende degenerative Veränderung, Periarthritis coxae, zeitweilige Belastungsbeschwerden rechtes Handgelenk; Dr. F. vom 20.07.2009, Diagnosen: Depressive Episode, aktuell schwerer Ausprägung, depressive Reaktion bei Partnerkonflikt; M. S. vom 02.08.2009, Diagnosen: Nasenatmungsbehinderung, Hyperplasie der unteren Nasenmuscheln beidseits, OP 30.07.2009; Computertomographiebericht des Schädels des Radiologie Zentrums S. vom 15.10.2009, Beurteilung: Atlanto-axiale Assimilation und Invagination mit Hochstand des Dens axis in das Foramen magnum mit konsekutiver Foramen magnum Stenose und Ausbildung einer cervikalen Syrinx als eheste Ursache für die Kopfschmerzen; Ärztlicher Entlassungsbericht W. Klinik S. B. vom 12.01.2010, Diagnosen: Rezidivierende depressive Episode, gegenwärtig schwergradig, HWS- und LWS-Syndrom, Trochanter major-Syndrom beidseits, Verdacht auf Meniskusläsion rechts).
Entsprechend der gutachtlichen Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. W. vom 23.02.2010 entsprach das LRA dem Neufeststellungsantrag der Klägerin mit Bescheid vom 02.03.2010 nicht. Neue geltend gemachten Gesundheitsstörungen (Hämorrhoiden, Atembehinderung bei Verengung des Nasenganges, Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke) bedingten keinen Einzel-GdB von wenigstens 10. Eine wesentliche Verschlimmerung des Gesundheitszustandes sei nicht eingetreten.
Der gegen den Bescheid vom 02.03.2010 am 10.03.2010 eingelegte Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums S. – Landesversorgungsamt – vom 22.04.2010 zurückgewiesen.
Hiergegen erhob die Klägerin am 25.05.2010 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Sie machte zur Begründung geltend, zumindest hinsichtlich der Auswirkungen der psychischen Erkrankung genüge ein GdB von 20 nicht annähernd. Insgesamt müsse ein GdB von 50 angenommen werden. Sie sei nicht mehr in der Lage, selbstständig ihren Alltag zu bewältigen. Sie sei bei Dr. F. in regelmäßiger Behandlung gewesen. Die Klägerin legte ein Protokoll zum Krankheitsbild für einen (nicht näher bezeichneten) Zeitraum von einer Woche vor.
Das SG hörte den Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. B. und die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. schriftlich als sachverständige Zeugen an. Dr. B. teilte in seinen Stellungnahmen vom 12.04.2011 und 23.05.2011 mit, die Klägerin habe sich bei seinem Praxisvorgänger Dr. Z. zuletzt am 27.05.2009 in Behandlung befunden. Seither habe keine Behandlung stattgefunden. Dr. B. teilte (auf der Grundlage der Unterlagen seines Vorgängers) die Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes des Beklagten. Dr. F. teilte in ihrer Stellungnahme vom 17.07.2011 den Behandlungsverlauf und die Diagnosen (rezidivierende depressive Störung, zeitweise schwerer Ausprägung, depressive Reaktion bei chronischen Schmerzen und lange schwelendem Partnerkonflikt, Fibromyalgie, Migräne ohne Aura und nebenbefundlich, Foramen magnum-Stenose im Rahmen einer basilären Invagination mit Dens-Hochstand, cervikale Syringomyelie) und die erhobenen Befunde mit. Dr. F. schätzte den GdB auf 40 ein.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.04.2012 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, aus den nachgewiesenen Funktionseinschränkungen lasse sich kein höherer GdB als 40 feststellen.
Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 25.04.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten am 22.05.2012 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung vorgetragen, sie könne sich mit der Auffassung des SG nicht einverstanden erklären. Für die Funktionsstörungen der Wirbelsäule sei unstreitig zumindest ein GdB von 30 erforderlich. Überschneidungen der Auswirkungen der psychischen Erkrankung lägen nicht vor. Sie hätten einen eigenständigen Krankheitswert. Eine eigenständige Bewältigung des Alltages sei nicht mehr möglich. Sie erachte die weitere Abklärung des medizinischen Sachverhaltes von Amts wegen durch die Einholung insbesondere eines nervenärztlichen Gutachtens für erforderlich, was beantragt werde. Die Klägerin hat auf ein Hinweisschreiben des Berichterstatters vom 22.11.2012 die ärztliche Bescheinigung der Dr. F. vom 27.12.2012 vorgelegt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.04.2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 02.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.04.2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihr einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Der vorliegende medizinische Sachverhalt sei zutreffend gewürdigt worden. Aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Erkenntnisse.
Der Senat hat Dr. F. schriftlich als sachverständige Zeugin angehört. Sie hat in ihrer Stellungnahme vom 10.03.2013 den Behandlungsverlauf (nach längerer Pause habe sich die Klägerin am 20.12.2012 wieder vorgestellt), den erhobenen psychopathologischen Befund und die Diagnosen (rezidivierende depressive Störung, aktuell leicht- bis mittelgradiger Ausprägung, Migräne ohne Aura, Fibromyalgie, Foramen magnum-Stenose, cervikale Syringomyelie) mitgeteilt. Akute depressive Phasen ließen sich mehr oder minder gut medikamentös behandeln. Restsymptome hätten sich bei der Klägerin aber etabliert.
Der Beklagte ist der Berufung weiter entgegen getreten (Schriftsatz vom 21.03.2013).
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat den Berufungsantrag der Klägerin nach ihrem erkennbaren Begehren gefasst.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 02.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.04.2010 ist rechtmäßig. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Neufeststellung des GdB mit 50 (ab dem 20.01.2010) nicht zu. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 23.04.2012 ist nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 -9 RVs 15/96- BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R -, BSGE 91, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R -, RdNr 27, 30 m.w.N.). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 19 und vom 23.4.2009, a.a.O., RdNr 30).
Hiervon ausgehend ist im Vergleich zu dem im Bescheid vom 15.07.1999 mit einem GdB von 40 seit dem 07.05.1999 berücksichtigten Behinderungszustand der Klägerin eine wesentliche Änderung (Verschlimmerung) zur Überzeugung des Senats nicht eingetreten.
Eine wesentliche Änderung der mit einem Teil-GdB von 30 vom Beklagten berücksichtigten Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Erkrankung des Rückenmarks (Syringomyelie), die einen höheren Teil-GdB rechtfertigt, ist bei der Klägerin nicht eingetreten. Nach den VG Teil B 18.9 ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein Teil-GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten, die danach einen Teil-GdB von 40 rechtfertigen, liegen bei der Klägerin (nach wie vor) nicht vor. Nach dem im Hinblick auf den Änderungsantrag der Klägerin vom 20.01.2010 zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen und den im gerichtlichen Verfahren durchgeführten Ermittlungen ist nach dem Ärztlichen Entlassungsbericht der M. S. Klinik vom 21.06.2008 die Wirbelsäule der Klägerin in allen Wirbelsäulenabschnitten weitgehend frei beweglich bei einem Finger-Boden-Abstand von 0 cm und einer nur leichtgradig eingeschränkten Entfaltbarkeit (Schober 10/13,5 cm), leichter Rückenmuskelinsuffizienz und ISG-Druckschmerz beidseits. Dem entspricht im Wesentlichen der ihm Ärztlichen Entlassungsbericht der W. Klinik vom 12.01.2010 beschriebene Befund einer unauffälligen Halswirbelsäule bei freier Beweglichkeit und einem Finger-Boden-Abstand von 10 cm bei mäßigen Druckschmerz bei L5/S1 beidseits. Eine andere Bewertung rechtfertigt sich auch nicht durch die vom Beklagten außerdem berücksichtigte Erkrankung des Rückenmarks (Foramen magnum-Stenose und cervikale Syringomyelie). Motorische oder sensible Ausfälle/neurologische Ausfallerscheinungen bestehen bei der Klägerin nach den genannten Entlassungsberichten nicht. Dem entspricht auch die Aussage von Dr. F. in ihrer schriftlichen sachverständigen Zeugenauskunft vom 17.07.2011 an das SG, wonach die Foramen magnum-Stenose wie auch die cervikale Syringomyelie symptomlos sind. Dass eine neurochirurgische Kontrollbedürftigkeit besteht, wie Dr. F. außerdem angibt, ist nicht GdB-relevant. Eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlimmerung ist nicht ersichtlich. Dagegen spricht insbesondere, dass sich die Klägerin nach den schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. B. vom 12.04.2011 und 23.05.2011 zuletzt am 27.05.2009 (bei Dr. Z.) in orthopädischer Behandlung befunden hat. Eine Verschlimmerung wird im Übrigen von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Auch Dr. F. hat in ihrer schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 10.03.2013 an den Senat eine Verschlimmerung der Foramen magnum-Stenose und/oder der cervikalen Syringomyelie nicht beschrieben. Danach ist bei der Klägerin nach den dargestellten rechtlichen Vorgaben der VG hinsichtlich der Wirbelsäulenschäden und der Erkrankung des Rückenmarkes weiterhin vom Vorliegen eines Teil-GdB von (maximal) 30 auszugehen, wie ihn der Beklagte berücksichtigt hat.
Die auf psychiatrischem Gebiet bestehende Gesundheitsstörung der Klägerin rechtfertigt - entgegen ihrer Ansicht - weiterhin keinen höheren Teil-GdB als 20. Die Auswirkungen einer Fibromyalgie sind nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Senatsurteil vom 27.01.2012 - L 8 SB 768/11 -), entsprechend den Maßstäben der VG (wie früher der AHP) für psychovegetative oder psychische Störungen zu bewerten. Nach den VG Teil B 3.7 sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20 und stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewerten. Stärker behindernde Störungen liegen bei der Klägerin zur Überzeugung des Senats jedoch nicht vor. Nach den schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen der Dr. F. vom 17.07.2011 und 10.03.2013 befand sich die Klägerin zwischen 15.07.2009 und 22.12.2010 und (nach längerer Pause) ab 20.12.2012 in ihrer Behandlung. Dr. F. beschreibt in ihren Stellungnahmen eine rezidivierende depressive Störung wechselnden Schweregrads mit zeitweise schwerer Ausprägung. Demgegenüber nennt Dr. F. in ihrer Stellungnahme vom 10.03.2013 eine rezidivierende depressive Störung mit aktuell leichter Ausprägung. Damit besteht bei der Klägerin zur Überzeugung des Senats eine psychische Störung unterschiedlicher Ausprägung. Nach den VG Teil A 2f sind Schwankungen im Gesundheitszustand, wie sie bei der Klägerin auf psychiatrischem Gebiet vorliegen, mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen. In solchen Fällen ist bei der GdB-Beurteilung von dem "durchschnittlichen" Ausmaß der Beeinträchtigung auszugehen. Das durchschnittliche Ausmaß rechtfertigt auf psychiatrischem Gebiet keinen Teil-GdB von 30 (oder mehr). Nach den weiteren Angaben von Dr. F. haben sich bei der Klägerin während der Behandlung in früheren Jahren wie auch nach Beginn der Behandlung am 20.12.2012 Antidepressiva bewährt. Akute depressive Phasen lassen sich mehr oder minder gut medikamentös behandeln. Eine erhebliche Störung der Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit, des Gedächtnisses, des Antriebs, der Affektivität und des formalen Denkens beschreibt Dr. F. nur bei Vorliegen schwerer depressiver Phasen, die jedoch, wie ausgeführt, bei der Klägerin nicht dauerhaft vorliegen. Als dauerhafte Restsymptome beschreibt Dr. F. in ihrer Stellungnahme vom 10.03.2013 nur eine chronisch herabgestimmte Stimmungslage und eine Einschränkung des Reaktions-, Umstellungs- und Anpassungsvermögens sowie der psychischen Belastbarkeit, wobei sich die Klägerin allerdings nach der Beschreibung von Dr. F. bereits am 16.01.2013 (nach Beginn der Behandlung am 20.12.2012) in deutlich emotional ausgeglichenerem Zustand bei ihr wieder vorgestellt hat. Stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit beschreibt Dr. F. damit nicht. Dies gilt auch hinsichtlich den Angaben der Dr. F. in ihrer schriftlichen sachverständigen Zeugenauskunft vom 17.07.2011, in der Dr. F. von einem Überwiegen der Beschwerden der Klägerin durch ihre orthopädischen Erkrankungen ausgegangen ist und sie unter Berücksichtigung der Diagnosen rezidivierende depressive Störung, zeitweise schwerer Ausprägung, depressive Reaktion bei chronischen Schmerzen und lange schwebendem Partnerkonflikt, Fibromyalgie, Migräne ohne Aura und nebenbefundlich, Foramen magnum-Stenose im Rahmen einer basilären Invagination mit Dens-Hochstand, cervikale Syringomyelie - ohne Abweichung von der Ansicht des versorgungsärztlichen Dienst des Beklagten - bei der Klägerin den GdB mit etwa 40 eingeschätzt hat. Dass sich diese Einschätzung allein auf das Fachgebiet der Dr. F. beschränkt, lässt sich ihren Angaben in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 17.07.2011 nicht entnehmen. Im Übrigen fällt auf, dass sich die Klägerin, nachdem sie sich laut Aussagen der Dr. F. in ihrer Stellungnahme vom 17.07.2011 im Sommer 2010 psychisch wieder wohl gefühlt hat, erst im Anschluss an das richterliche Hinweisschreiben des Berichterstatters vom 22.11.2012, dass nach der Senatsrechtsprechung bei psychischen (seelischen) Leiden einen Teil-GdB von über 20 nicht angemessen sei, falls eine psychiatrische Behandlung nicht erfolge (vgl. zur genannten Senatsrechtsprechung: Urteil vom 17.12.2010 - L 8 SB 1549/10 -, veröffentlicht im Internet: www.sozialgerichtsbarkeit.de) am 20.12.2012 bei Dr. F. erneut in psychiatrische Behandlung begeben hat. Nach den weiteren Angaben der Dr. F. hat die Klägerin dabei angegeben, dass es ihr insbesondere im letzten Jahr (2011) sehr schlecht gegangen sein soll und sie bei einem Besuch in ihre Heimat schwer depressiv geworden sei. Sollte dies tatsächlich zutreffen, bleibt unverständlich, weshalb sich die Klägerin erst auf das richterliche Hinweisschreiben erneut in psychiatrische Behandlung begeben hat. Es drängt sich vielmehr auf, dass die Klägerin lediglich zur Verbesserung der Erfolgsaussichten ihrer Berufung auf das richterliche Hinweisschreiben reagiert hat.
Eine Verschlimmerung des Bluthochdruckleidens der Klägerin ist nicht ersichtlich und wird im Übrigen von ihr auch nicht geltend gemacht. Vielmehr lassen sich den vorliegenden medizinischen Befundunterlagen Blutdruckwerte der Klägerin im nicht erhöhten Bereich entnehmen (Ärztliche Entlassungsberichte M. S. Klinik vom 21.07.2008, RR 110/70 mmHg; W. Klinik vom 12.01.2010 RR 120/80 mmHg).
Eine wesentliche Änderung (Verschlimmerung) durch neu hinzugetretene Gesundheitsstörungen, die das Begehren der Klägerin stützen, liegt nicht vor. Nach den schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. F. vom 17.07.2011 und 10.03.2013 ist bei der Klägerin allerdings eine Migräne (ohne Aura) als Gesundheitsstörung neu hinzugetreten. Nach den VG Teil B 2.3 ist bei einer echten Migräne leichter Verlaufsform (Anfälle durchschnittlich einmal monatlich) der GdB von 0 bis 10 und bei mittelgradiger Verlaufsform (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend) der GdB von 20 bis 40 zu bewerten. Eine mittelgradige Verlaufsform der Migräne ist nicht nachgewiesen. Vielmehr bestätigt Dr. F. in ihrer schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 17.07.2011 bei der Klägerin nur gelegentliche Migräneanfälle und beschreibt in ihrer Stellungnahme vom 10.03.2013 Migräneanfälle nicht als relevante Behinderung der Klägerin. Danach ist wegen der Migräne nach den VG von einem Teil-GdB von 0 bis maximal 10 auszugehen. Entsprechendes gilt wegen der neu hinzugetretenen Hämorrhoiden, der Atembehinderung sowie der Funktionsbehinderung der Hüftgelenke, die der Beklagte nach den hierzu vorliegenden medizinischen Unterlagen und den schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage der gehörten Ärzte jeweils mit einem Teil-GdB von unter 10 zutreffend bewertet hat. Hiergegen hat die Klägerin zur Begründung ihrer Berufung im Übrigen auch keine substantiierten Einwendungen erhoben. Auch sonst lassen sich den zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen und den eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenauskünfte der die Klägerin behandelnden Ärzte keine neue Gesundheitsstörungen mit dauerhaften Behinderungen entnehmen und werden im Übrigen von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.
Danach ist bei der Klägerin weiterhin von einem Gesamt-GdB von 40 auszugehen. Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Die AHP und VG führen zur Umsetzung dieser Vorschriften aus, dass eine Addition von Einzel-GdB-Werten grundsätzlich unzulässig ist und auch andere Rechenmethoden für die Gesamt-GdB-Bildung ungeeignet sind. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird; ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. AHP Nr. 19 Abs. 3 bzw. VG Teil A 3). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG, SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5).
Hiervon ausgehend sind bei der Klägerin ein Einzel-GdB von (maximal 30) für die Wirbelsäule sowie ein Einzel-GdB von 20 für die seelische Störung in die Bildung des Gesamt-GdB einzubeziehen. Die übrigen Funktionseinschränkungen (Bluthochdruck, Migräne, Hämorrhoiden, Atembehinderung und Funktionsbehinderung der Hüftgelenke) bedingen einen Einzel-GdB von maximal 10 oder niedriger, die bei der Bildung des Gesamt-GdB nicht erhöhend zu berücksichtigen sind. Eine gesonderte Berücksichtigung schmerzbedingter Beeinträchtigungen bei der Bildung des Gesamt-GdB und damit die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft der Klägerin ist zur Überzeugung des Senats nicht gerechtfertigt. Nach den VG Teil A 2j schließen die in der GdB-Tabelle angegebenen Werte die üblicherweise vorhandenen Schmerzen mit ein. Eine das übliche Maß übersteigende Schmerzhaftigkeit, die eine ärztliche Behandlung erfordert, ist bei der Klägerin nicht nachgewiesen und wird von ihr im Übrigen auch nicht geltend gemacht. Der Gesamt-GdB ist damit weiterhin mit 40 zu bewerten. Dies würde im Übrigen selbst dann gelten, wenn bei der Klägerin hinsichtlich ihrer seelischen Störung von einem Teil-GdB von 30 ausgegangen würde, da im Hinblick auf die eher geringen funktionellen Einbußen der Klägerin im Bereich der Wirbelsäule von einem schwachen Teil-GdB von 30 auszugehen ist, der nicht rechtfertigt, die Schwerbehinderteneigenschaft der Klägerin festzustellen.
Anlass für weitere Ermittlungen besteht nicht. Der Senat hält den entscheidungserheblichen Sachverhalt durch die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen und die vom SG sowie im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen für geklärt. Neue Gesichtspunkte, die dem Senat Anlass zu weiteren Ermittlungen geben, hat die Klägerin nicht aufgezeigt. Soweit die Klägerin eine weitere Abklärung des medizinischen Sachverhaltes von Amts wegen für notwendig erachtet, insbesondere durch die Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens, sieht sich der Senat zur Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens im Hinblick auf die vom SG sowie im Berufungsverfahren eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen der Dr. F. nicht gedrängt. Der Antrag der Klägerin benennt keine relevanten Tatsachen als Beweisthema. Damit zielt der Antrag der Klägerin insgesamt darauf, ohne konkrete Anhaltspunkte weitere Ermittlungen ("ins Blaue hinein") anzustellen, die der im sozialgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz nicht gebietet und für die auch unter verfassungsrechtlichen Erwägungen keine Verpflichtung besteht (vgl. auch BSG, Beschluss vom 05.02.2009 - B 13 RS 85/08 B - veröffentlicht in juris), unabhängig davon, dass sich der Antrag durch ihre vorbehaltlose Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im Anschluss an die weiteren Ermittlungen des Senats bei Dr. F. erledigt hat, weshalb dem Antrag der Klägerin nicht zu entsprechen ist.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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