L 8 SB 2406/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 2364/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2406/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Mai 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) sowie die Zuerkennung des Nachteilsausgleiches erhebliche Gehbehinderung (Merkzeichen "G") streitig.

Bei der 1959 geborenen Klägerin stellte das Landratsamt R. Sozialamt – Versorgungsamt – (LRA) zuletzt mit Bescheid vom 19.05.2008 wegen einer Funktionsbehinderung des linken Kniegelenkes (Teil-GdB 20), einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen und Kopfschmerzsyndrom (Teil-GdB 20), einer depressiven Verstimmung und psychovegetativen Störungen (Teil-GdB 20), unwillkürlicher Harnabgang, Gebärmuttersenkung und Hypermenorrhoe (Teil-GdB 10), Fingerpolyarthrose (Teil-GdB 10), einer Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks (Teil-GdB 10), einem Nierensteinleiden (Teil-GdB 10), einer chronisch-venösen Insuffizienz beidseits (Teil-GdB 10), Ohrgeräuschen – Tinnitus – (Teil-GdB 10) sowie einem chronischen Kontaktekzem (Teil-GdB 10) den GdB mit 40 neu sowie eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des §§ 33 b Einkommensteuergesetz jeweils seit 17.01.2008 fest. Ein hiergegen eingelegter Widerspruch der Klägerin blieb mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums S. – Landesversorgungsamt – vom 10.07.2008 ohne Erfolg.

Am 19.01.2011 stellte die Klägerin einen weiteren Änderungsantrag auf Erhöhung des GdB sowie auf Feststellung des Merkzeichens "G". Sie legte medizinische Befundunterlagen vor (Berichte PD Dr. H. vom 21.09.2009 und 28.08.2009, Diagnosen: AB-Teilruptur rechts, Syndesmosenzerrung links, Zustand nach AB-Plastik 1986; Bericht Dr. S.-W. vom 14.07.2009, Diagnosen: Spreizfuß beidseits, Plantarfasciitis links sowie Bericht Dr. K. vom 17.04.2008, Diagnosen: Breitflächige Bandscheibenprotrusion C5/6/7, TH 8-Block links, craniomandibuläre Dysfunktion, muskuläre Dysbalance bei leichter Thorakolumbalskoliose, Hohlrundrücken, Spondylose und Osteochondrose C5/6, deutlicher Inklinationsknick C5/6, leichte Skoliose HWS/BWS, beginnende Unkovertebralarthrose C5/6, Ganglion DIP 2. Finger rechts, beginnende Polyarthrose beider Hände, multisegmentale Spondylose und Osteochondrose BWS). Das LRA zog weitere medizinische Unterlagen bei (Ambulanzbericht S. K. K. vom 23.01.2011, Diagnosen: Impingement-Syndrom der Schulter rechts, V.a. HWS-Syndrom; Bericht Dr. H. vom 13.09.2010, Diagnose: HWS-Syndrom). Nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. S. vom 01.03.2011, der unter zusätzlicher Berücksichtigung einer Polyneuropathie mit einem Teil-GdB von 10 den Gesamt-GdB weiterhin mit 40 vorschlug, wurde dem Änderungsantrag der Klägerin vom LRA mit Bescheid vom 07.03.2011 nicht entsprochen (GdB und Merkzeichen "G").

Gegen den Bescheid vom 07.03.2011 legte die Klägerin wegen der "Neufestsetzung des GdB" Widerspruch ein. Sie machte starke Schmerzen sowie eine stark verformte Halswirbelsäule mit Bewegungseinschränkung, motorische Ausfälle des rechten Arms und der rechten Hand sowie ein Impingement-Syndrom der rechten Schulter als nicht hinreichend berücksichtigt geltend. Die Klägerin legte radiologische Berichte (Dr. S. vom 15.02.2011, Dr. U. vom 14.02.2011 und Dr. W. vom 05.02.2011) sowie bildgebendes Material vor. Eine Erhöhung des GdB auf mindestens 50 würde sie in die Lage versetzen, bei ihrem Arbeitgeber einen Wechsel auf einen "behindertengerechten" Arbeitsplatz zu begründen. Die Klägerin legte eine Aufstellung ihrer Erkrankungen vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2011 wies das Regierungspräsidium S. – Landesversorgungsamt – den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 07.03.2011 zurück. Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen könnten keinen höheren GdB als 40 begründen.

Hiergegen erhob die Klägerin am 31.05.2011 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit dem Begehren die Schwerbehinderteneigenschaft festzustellen. Sie führte zur Begründung ihrer Klage aus, die zu den Akten gelangten und von ihr vorgelegten medizinischen Unterlagen seien vom Beklagten nicht hinreichend in die Beurteilung einbezogen worden. Eine neue Qualität der Behinderung habe ab dem 23.01.2011 zu einer durchgehenden Erwerbsunfähigkeit durch Krankmeldungen geführt. Auf Anregung der Krankenkasse habe sie im Mai 2011 an einer stationären Reha-Maßnahme der Deutschen Rentenversicherung teilgenommen. Die Klägerin legte weitere Befundberichte (Dr. H. vom 29.06.2011, Diagnosen: Bandscheibenvorfall C5/6 und C6/7, Sudeck Erkrankung und diskrete Myelopathie (im MR) und Dr. R. vom 01.07.2011, Diagnosen: Chronisches HWS-Syndrom mit Bandscheibenvorfällen, Schmerzsyndrom rechter Zeigefinger) sowie weiteres bildgebendes Material vor und informierte im Verlauf des Verfahrens über den aktuellen Sachstand. Ein GdB von mindestens 50 sei für sie existenziell notwendig. Die Klägerin legte eine Aufstellung ihrer Erkrankungen vor.

Das SG zog den Ärztlichen Entlassungsbericht der T. B. K. I. vom 10.06.2011 über eine stationäre Reha-Maßnahme vom 04.05.2011 bis 27.05.2011 bei (Diagnosen: Chronisch myostatisch dysfunktionelles Cervicalsyndrom, Unkovertebralarthrose, Spondylose, Z.n. Bänderriss-OP oberes Sprunggelenk rechts 1986) bei.

Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. A.-B. vom 02.11.2011 entgegen.

Das SG holte (von Amts wegen) das orthopädische Gutachten des Dr. R. vom 13.03.2012 sowie das neurologisch/psychiatrische Zusatzgutachten des Dr. O. vom 10.04.2012 ein. Dr. R. gelangte in seinem Gutachten nach einer ambulanten Untersuchung der Klägerin und unter Berücksichtigung der zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen und von der Klägerin geklagter Beschwerden zu der Bewertung, bei der Klägerin bestünden an Gesundheitsstörungen bzw. Funktionsbeeinträchtigungen ein sensibles Radikulärsyndrom rechts mit Beeinträchtigung der Zeigefingerfunktion rechts auf dem Boden fortgeschrittener degenerativer Veränderungen in den Segmenten C5/6 und C6/7 mit Einengung der Neuroforamina rechts und dadurch möglichen rezidivierenden Nervenwurzelreizerscheinungen und Kompressionen C6 und C7 rechts, ein degeneratives Lumbalsyndrom mit Ischialgien, anamnestisch belastungsabhängigen Wurzelreizerscheinungen der Wurzel L5 rechts ohne nachweisbare motorische Defizite relevanten Ausmaßes, eine geringe Funktionsbehinderung mit Schwellneigung des rechten oberen Sprunggelenkes, ein leichtes Subacromialsyndrom bei degenerativen Veränderungen im Bereich der Rotatorenmanschette rechte Schulter, eine beginnende Fingerpolyarthrose und angegebener Belastungsschmerz linkes Kniegelenk bei äußerlich unauffälligen Konturen und freier Funktion. Eine Verschlimmerung sei hinsichtlich der Beurteilung der Wirbelsäulenschädigung eingetreten. Es liege eine Verschlechterung im Bereich der HWS sowie der LWS vor, die eine Bewertung des GdB mit 30 ohne Erhöhung des Gesamt-GdB auf orthopädischem Fachgebiet rechtfertige. Die Feststellung eines zusätzlichen Teil-GdB auf neurologischem Gebiet und des Gesamt-GdB von 50 bestehe möglicherweise. Die Funktionsbehinderungen / Gesundheitsstörungen hinsichtlich des rechten Sprunggelenks, der rechten Schulter, der Fingerpolyarthrose sowie des linken Kniegelenks hätten keine GdB-relevante Änderung erfahren. Dr. O. diagnostizierte in seinem Gutachten einen zervikalen Bandscheibenschaden mit Neuropathie C7 rechts sowie einen lumbalen Bandscheibenschaden mit Neuropathie L5 rechts. Er gelangte zu der Beurteilung, das Verhalten der Klägerin während der Untersuchung mache Aggravation, nicht dagegen Simulation wahrscheinlich. An Gesundheitsstörungen / Funktionsbeeinträchtigungen lägen bei der Klägerin auf neurologischem Gebiet sensomotorische Beeinträchtigungen mit Funktionsstörung des rechten Armes und des rechten Beines mit einem Teil-GdB von 30 vor. Der Gesamt-GdB betrage 40, unter der Voraussetzung, dass sich in den weiteren Einzel-GdB keine Veränderungen ergäben. Eine depressive Verstimmung oder eine psychovegetative Störung von Krankheitswert bzw. messbarer Funktionsbeeinträchtigung, die mit einem Teil-GdB von 20 belegt worden sei, sei nicht mehr feststellbar. Es sei festzustellen, dass die Depression und die psychovegetative Störung insoweit mindestens seit Januar 2011 ausgeheilt seien.

Die Klägerin nahm zu den eingeholten Gutachten Stellung (Schriftsatz vom 22.04.2012). Sie stellte insbesondere eine Remission der psychischen Situation in Abrede.

Mit Gerichtsbescheid vom 23.05.2012 wies das SG gestützt auf die Gutachten des Dr. R. und Dr. O. die Klage ab. Eine wesentliche Änderung mit der Folge, dass der GdB mit 50 festzustellen sei, lasse sich nicht nachweisen. Die Wirbelsäulenschädigung sei zwar mit einem Teil-GdB von 30 statt bisher 20 zu bewerten. Dies rechtfertige jedoch keinen Gesamt-GdB von 50, da sich die im Bescheid vom 19.05.2008 berücksichtigte depressive Verstimmung mit psychovegetativen Störungen deutlich gebessert habe. Die von der Klägerin vorgetragenen Gesichtspunkte rechtfertigten keine abweichende Schlussfolgerung. Der bislang für die Funktionsbehinderung beider Kniegelenke einschließlich des rechten Sprunggelenkes angenommene Teil-GdB von 20 sei grenzwertig hoch. Die hierzu festgestellten Befunde bedingten keinen Teil-GdB von 20.

Gegen den der Klägerin am 25.05.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat sie am 06.06.2012 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung unter Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen ausgeführt und erläutert, bei ihr bestünden Halsmarkschäden (Myelopathie) mit Begleiterscheinungen (Teil-GdB 50), Schäden der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule (Teil-GdB 30), Schädigungen der Beine, Kniegelenke, Füße mit Behinderungen, des rechten Schulterbereichs, Arme/Hand/Finger (Teil-GdB 30), psychische-, psychosomatische- und psychoreaktive Störungen (Teil-GdB 20) sowie weitere im Einzelnen bezeichnete Funktionsstörungen (jeweils Teil-GdB 10). Angesichts des gesamten Beschwerdebildes erscheine die Bewertung des Gutachters Dr. O. auf psychiatrischem Gebiet realitätsfremd und widerspräche anderen, medizinisch-gutachtlichen Äußerungen in dem gleichen Untersuchungs-Quartal. In den vom SG eingeholten Gutachten werde eine gravierende gesundheitliche Verschlimmerung seit 2008 bestätigt. Aufgrund der Gehbehinderung stehe auch der Antrag auf Zuerkennung des Merkzeichens "G" zum Entscheid an. Die Klägerin legte Auszüge aus einem Gutachten der P. Kliniken (Seite 9) sowie des Dr. B. an die Deutsche Rentenversicherung vor.

Die Klägerin beantragt (schriftsätzlich) sinngemäß, 1. Es wird festgestellt, dass das Sozialgericht Karlsruhe in den behinderungsrelevanten medizinischen Bewertungen von allen dazu vorliegenden Befunderhebungen diese unzureichend berücksichtigt und gewichtet hat. Die Richtigkeit und Vollständigkeit aller Tatsachenfeststellungen ist dadurch nicht gegeben. 2. Es wird festgestellt, dass aufgrund der zusätzlich geltend gemachten Funktionsbehinderungen gemäß ihrem Verschlimmerungsantrag eine Beschwerdeprogression tatsächlich eingetreten ist. Unter Berücksichtigung aller bisher erhobenen Befunde, auch in Wechselwirkung zueinander, ist zumindest von einem GdB 50 auszugehen. 3. Den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23.05.2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 07.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.05.2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Grad der Behinderung mit wenigstens 50 sowie das Merkzeichen "G" festzustellen und einen dementsprechenden Bescheid mit Schwerbehindertenausweis auszustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Die Auffassung der Klägerin werde durch den objektiven medizinischen Sachverhalt widerlegt.

Auf Nachfrage des Berichterstatters hat die Klägerin weiter vorgetragen, sie sei seit Januar 2011 in keiner spezifisch psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlung. Es hätte jedoch schmerztherapeutische und diagnosebegleitende Unterstützung psychotherapeutischen Charakters durch Ärzte stattgefunden.

Der Senat hat aus den Akten der Klägerin bei der Deutschen Rentenversicherung weitere medizinische Befundunterlagen (Dr. S. vom 17.03.2011, 07.08.2011 und 10.11.2011, Dr. H. vom 17.10.2011, Dr. H. vom 15.08.2011 und 29.06.2011, Dr. R. vom 01.07.2011, Herzzentrum B. K. vom 20.06.2011, T. B. K. vom 26.05.2011, Dr. H. vom 24.02.2011, S. K. K. vom 18.08.2011) sowie die Gutachten des Facharztes für Chirurgie Dr. B. vom 26.06.2012 und des Nervenarztes Dr. N. vom 24.10.2012 (jeweils an die Deutsche Rentenversicherung) beigezogen. Dr. B. diagnostizierte in seinem Gutachten bei der Klägerin ein Impingement-Syndrom der rechten Schulter, eine Spondylarthrose der HWS mit Wurzelreizsyndrom und Bandscheibenprotrusionen C6/7 sowie C5/C6 mit Ausbildung einer Hyperpathie im Bereich des rechten Zeigefingers, eine konsekutiv bedingte Bewegungseinschränkung des rechten Zeigefingers und eine hypochondrische Persönlichkeitsstörung. Dr. N. diagnostizierte in seinem Gutachten eine somatoforme Schmerzstörung, eine depressive Entwicklung sowie cervicale Bandscheibenschäden mit Radikulopathie.

Der Beklagte trat der Berufung unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. K. vom 14.03.2013 weiter entgegen.

Klägerin hat an ihrem Begehren festgehalten (Schriftsatz vom 08.04.2013).

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die beigezogene Gerichtsakte des Landessozialgerichts Baden-Württemberg L 5 R 1707/09 und einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat über die Berufung der Klägerin gemäß § 126 Sozialgerichtsgesetzt (SGG) nach Aktenlage entscheiden können, da die ordnungsgemäß geladene Klägerin nicht erschienen ist, die Klägerin in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist und der zum Termin erschienene Beklagte eine solche Entscheidung beantragt hat.

Der Senat hat den schriftsätzlich gestellten Berufungsantrag der Klägerin teilweise sachdienlich gefasst.

Soweit die Klägerin schriftsätzlich beantragt hat, 1. festzustellen, dass das SG in den behinderungsrelevanten medizinischen Bewertungen von allen dazu vorliegenden Befunderhebungen diese unzureichend berücksichtigt und gewichtet hat, und die Richtigkeit und Vollständigkeit aller Tatsachenfeststellungen dadurch nicht gegeben ist sowie 2. festzustellen, dass aufgrund der zusätzlich geltend gemachten Funktionsbehinderungen gemäß ihrem Verschlimmerungsantrag eine Beschwerdeprogression tatsächlich eingetreten ist, sind diese Feststellungsanträge nicht zulässig. Diese Begehren der Klägerin sind im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreites einer isolierten Feststellung nicht zugänglich. Die Feststellungsanträge sind vielmehr bereits Gegenstand des vorrangigen Begehrens der Klägerin auf Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft, und in diesem Rahmen inzidenter zu prüfen, weshalb sie als zusätzliche isolierte Feststellungsanträge nicht zulässig sind.

Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren außerdem eine Entscheidung über die Zuerkennung des Merkzeichens "G" begehrt, erweist sich dieses Begehren ebenfalls als unzulässig. Denn gegen die Nichtzuerkennung des Merkzeichens "G" im Bescheid des LRA vom 07.03.2011 hat die Klägerin weder Widerspruch eingelegt noch Klage erhoben. Ihr Widerspruch gegen den Bescheid vom 07.03.2011 sowie ihre gegen den Widerspruchsbescheid vom 10.05.2011 (in dem zum Merkzeichen "G" keine Entscheidung getroffen wurde) erhobene Klage richteten sich ausdrücklich nur gegen die Nichtzuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft (GdB 50), weshalb der Bescheid vom 07.03.2011 hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Merkzeichens "G" teilweise Bestandskraft erlangt hat.

Die im Übrigen gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch sonst zulässige Berufung der Klägerin auf Neufeststellung des GdB mit wenigstens 50 ist nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 07.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.05.2011 ist rechtmäßig. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Neufeststellung des GdB mit wenigstens 50 (ab dem 19.01.2011) nicht zu. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 31.05.2012 ist nicht zu beanstanden. Das SG hat die zu den Akten gelangten medizinischen Befunderhebungen zureichend berücksichtigt und gewichtet.

Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 -9 RVs 15/96- BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R -, BSGE 91, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).

Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R -, RdNr 27, 30 m.w.N.). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 19 und vom 23.4.2009, a.a.O., RdNr 30).

Hiervon ausgehend ist im Vergleich zu dem im Bescheid vom 19.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.07.2008 mit einem GdB von 40 seit dem 17.01.2008 berücksichtigten Behinderungszustand der Klägerin eine wesentliche Änderung (Verschlimmerung) - entgegen dem Vorbringen der Klägerin - zur Überzeugung des Senats nicht eingetreten.

Allerdings ist hinsichtlich des Wirbelsäulenleidens der Klägerin seit Januar 2011 von einer Verschlimmerung auszugehen. Insoweit ist eine Beschwerdeprogression bei der Klägerin tatsächlich eingetreten. Nach den vom SG eingeholten Gutachten des Dr. R. vom 13.03.2012 und des Dr. O. vom 10.04.2012 ist bei der Klägerin im Vergleich zu dem Bescheid vom Mai 2008 (morphologisch) eine Befundverschlechterung eingetreten. Es besteht nunmehr eine Radikulärsymptomatik der Halswirbelsäule, die sich vor allem in einer sensiblen Störung (Hyper- und Dysästhesie) des rechten Zeigefingers mit deutlichem Funktionsdefizit (Abstand Fingerkuppe und Hohlhand ca. 2 cm, Schonhaltung) äußert. Weiter besteht eine leichte bis mäßige Trizepsschwäche rechts, die bewirkt, dass der Arm nicht vollständig im Ellenbogen gestreckt werden kann. Weiter sind vom Lumbalbereich ausgehende Beschwerden hinzugetreten (Wurzelreizerscheinungen rechts, sensible Störung des Fußrückens rechts und des Sprunggelenks), wie Dr. R. und Dr. O. in ihren Gutachten nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt haben. Diese Verschlimmerungen rechtfertigten seit Januar 2011 einen Teil-GdB von 30 (statt bisher 20). Hiervon gehen Dr. R. und Dr. O. übereinstimmend aus. Ihre Ansicht entspricht den rechtlichen Vorgaben der VG. Nach den VG Teil B 18.9 ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein Teil-GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten, die einen Teil-GdB von 40 rechtfertigen, liegen bei der Klägerin allerdings nicht vor. Dem steht entgegen, dass bei der Klägerin nach den von Dr. R. wie Dr. O. in ihren Gutachten beschriebenen Befunden sowohl hinsichtlich der Halswirbelsäule eine nur leichte bis mittelgradige Einschränkung der Bewegungsfähigkeit besteht, bei nicht wesentlich eingeschränkter Beweglichkeit der Brust-und Lendenwirbelsäule. Dies wird auch durch die im Gutachten von Dr. B. vom 26.06.2012 an die Deutsche Rentenversicherung beschriebenen Wirbelsäulenbefunde bestätigt. Im Übrigen geht auch die Klägerin selbst hinsichtlich der Wirbelsäulenschäden von einem Teil-GdB von 30 aus.

Der Ansicht der Klägerin, Schädigungen der Beine/Kniegelenke/Füße, des rechten Schulterbereichs, Arm/Hand/Finger seien mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten, kann nicht gefolgt werden. Ihre Ansicht entspricht bereits nicht den rechtlichen Vorgaben der VG. Nach den VG Teil A 2e ist der GdB im Allgemeinen nach Funktionssystemen zusammenfassend zu beurteilen. Dem steht die von der Klägerin vorgenommene Zusammenfassung der Funktionssysteme Beine/Kniegelenke/Füße einerseits sowie Schulter/Arm/Hand/Finger andererseits bereits entgegen. Weiter ist eine dauerhafte Verschlimmerung, die die Ansicht der Klägerin trägt, nicht nachgewiesen und wird von der Klägerin im Übrigen auch nicht substantiiert dargetan. Insbesondere liegt bei der Klägerin hinsichtlich der rechten Schulter nach dem Gutachten des Dr. R. vom 13.03.2012 keine GdB-relevante Funktionsbehinderung bei allenfalls geringfügiger Impingement-Symptomatik vor. Nach den VG Teil B 18.13 sind Bewegungseinschränkung des Schultergelenks (einschließlich Schultergürtel) Armhebung nur bis zu 120° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit mit einem GdB von 10 und Armhebung nur bis zu 90° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit mit einem GdB von 20 zu bewerten. Eine Instabilität des Schultergelenks liegt bei der Klägerin nicht vor. Eine Funktionsbeeinträchtigung der rechten Schulter, die nach diesen rechtlichen Vorgaben einen Teil-GdB von 20 rechtfertigt, ist zur Überzeugung des Senats bei der Klägerin nicht nachgewiesen. Nach den von Dr. R. in seinem Gutachten beschriebenen Schultergelenksbefund rechts liegt bei der Klägerin lediglich eine endgradige Einschränkung der Elevation und Abduktion bis max. 140 bis 150° vor, die noch keinen Teil-GdB von wenigstens 10 rechtfertigt. Dem entspricht der im Bericht des Dr. H. vom 24.02.2011 beschriebene Schultergelenksbefund (Flexion seitengleich 155°). Auch im Entlassungsbericht der T. B. K. I. vom 16.06.2011 ist eine freie Beweglichkeit im Bereich der oberen (und unteren Extremitäten) der Klägerin ohne Hinweis auf relevante Funktionsdefizite beschrieben. Zwar beschreibt Dr. B. in seinem Gutachten vom 02.08.2012 an die Deutsche Rentenversicherung eine herabgesetzte aktive Schultergelenksbeweglichkeit bei der Vorwärtsbewegung und Rückwärtsbewegung von nur 90° mit Schmerzangaben beim passiven Weiterbewegen. Eine Limitierung der Schultergelenkbeweglichkeit auf 90° ist damit nicht gegeben. Dem entsprechen auch die Beschreibungen von Dr. O. im Gutachten vom 10.04.2012. Dass bei der Klägerin seit der Begutachtung durch Dr. R. eine dauerhafte Verschlimmerung hinsichtlich des Schultergelenks rechts eingetreten ist, lässt sich den Gutachten von Dr. B. und Dr. O. nicht entnehmen. Vielmehr besteht nach der Ansicht des Dr. B. (u.a.) für eine Einschränkung der Schultergelenksbeweglichkeit rechts kein eindeutiges medizinisches Korrelat. Weiter spricht der Umstand, dass die Oberarmmuskulatur der Klägerin beidseits gut ausgeprägt und gut tonisiert ist sowie das Fehlen eines deutlichen Muskeldefizits, wie Dr. B. in seinem Gutachten weiter beschreibt, gegen eine relevante (dauerhafte) funktionelle Einschränkung der Beweglichkeit und der Belastbarkeit des Schultergelenks rechts und belegt die Beschwerdeangaben der Klägerin bei der Begutachtung durch Dr. O., Arbeiten mit der rechten Hand seien ihr nicht möglich, nicht. Die von Dr. B. und Dr. O. beschriebene Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenks kann deshalb nicht Grundlage der GdB-Bemessung sein. Dr. B. schreibt in seinem Gutachten vom 02.08.2013 zudem u.a. Schmerzen des rechten Armes einer Somatisierungsstörung zu, die - zur Vermeidung einer Doppelbewertung - nicht auf orthopädischem Gebiet, sondern gemäß VG Teil B 3.7 zu berücksichtigen sind.

Hinsichtlich der bei der Klägerin sonst auf orthopädischem Gebiet liegenden Gesundheitsstörungen/Funktionseinschränkungen ist eine Verschlimmerung im Vergleich zu den im letzten bindenden Bescheid berücksichtigten Gesundheitszustand der Klägerin nicht eingetreten. Dr. R. hat in seinem Gutachten eine GdB-relevante Änderung hinsichtlich des rechten Sprunggelenkes sowie des linken Kniegelenks und der Fingerpolyarthrose, wie auch der rechten Schulter, überzeugend und nachvollziehbar verneint. Dem folgt der Senat.

Auch auf psychiatrischem Fachgebiet ist eine Verschlimmerung, die jedenfalls einen Teil-GdB von über 20 seit Januar 2011 rechtfertigt, nicht eingetreten. Nach dem Gutachten von Dr. O. vom 10.04.2012 war bei der Klägerin jedenfalls zum Untersuchungszeitpunkt am 09.03.2012 eine depressive Verstimmung und eine psychovegetative Störung von Krankheitswert bzw. messbarer Funktionsbeeinträchtigung nicht mehr feststellbar. Diese Bewertung ist nach dem von Dr. O. in seinem Gutachten beschriebenen psychischen Befund und der beschriebenen Tagesgestaltung für den Senat nachvollziehbar und überzeugend. Die hiergegen von der Klägerin erhobenen Einwendungen rechtfertigen keine andere Beurteilung. Soweit die Klägerin dabei auf den von der Beklagten zur Zeit des Ergehens des Bescheides vom 19.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.07.2008 auf psychischem Gebiet berücksichtigten Gesundheitszustand und die hierzu relevanten Untersuchungsunterlagen abstellt, kommt es darauf nicht an. Entsprechendes gilt für die von der Klägerin geschilderte "Normalfall-abweichende-Konstellation" zum Untersuchungszeitpunkt durch Dr. O ... Maßgeblich bleibt vielmehr, dass nach den nachvollziehbaren und plausiblen Beschreibungen im Gutachten des Dr. O. eine relevante Behinderung auf psychischem Gebiet bei der Klägerin nicht mehr festzustellen war, was im Übrigen auch den im Gutachten beschriebenen Beschwerdeangaben der Klägerin entspricht, dass psychische Beschwerden nicht bestünden. Allerdings geht Dr. N. in seinem Gutachten vom 24.10.2012 an die Deutsche Rentenversicherung demgegenüber vom Vorliegen einer somatoformen Schmerzstörung und einer depressiven Entwicklung bei der Klägerin aus. Der von Dr. N. in seinem Gutachten beschriebene psychologische Befund rechtfertigt jedoch allenfalls die Annahme leichter Störungen, die nach den VG Teil B 3.7 einen Teil-GdB von 0 bis 20 rechtfertigen. So beschreibt Dr. N. in seinem Gutachten an psychischen Auffälligkeiten lediglich, dass die Klägerin bei mäßig gedrückter Stimmungslage affektiv labilisiert wirke und beim (ausführlichen und weitschweifigen) Vortragen der Vorgeschichte und Beschwerden unter einem erhöhten Leidensdruck stehe. Dabei kann vorliegend offen bleiben, ob die von Dr. N. gestellte Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung mit der Annahme einer nach den VG Teil B 3.7 mit einem Teil-GdB von 30 bis 40 zu bewertenden stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit zutrifft. Immerhin hat Dr. O. bei der Begutachtung der Klägerin eine solche Diagnose nicht gestellt, sondern eine relevante depressive Verstimmung und eine psychovegetative Störung von Krankheitswert bei der Klägerin verneint. Einer Teil-GdB Bewertung von 30 bis 40 steht bereits entgegen, dass bei der Klägerin nach der Ansicht von Dr. N. eine adäquate Behandlung auf psychischem Gebiet nicht erfolgt und der konsequente Einsatz einer antidepressiven Behandlung begleitet von einer Verhaltenstherapie nicht in Anspruch genommen wird, was nach der Rechtsprechung des Senats gegen einen tatsächlich bestehenden erhöhten Leidensdruck der Klägerin spricht. Auch sonst lässt sich dem Gutachten von Dr. N. eine Alltagsbeeinträchtigung, die den Allgemeinzustand der Klägerin wesentlich verschlimmert, nicht entnehmen, worauf Dr. K. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 14.03.2013 überzeugend hinweist. Damit erachtet der Senat auf psychischem Gebiet einen Teil-GdB von (maximal) 20 weiterhin für angemessen. Dieser Bewertung entspricht im Übrigen auch die Ansicht der Klägerin, die auf psychischem Fachgebiet von einem Teil-GdB von 20 ausgeht.

Auf neurologischem Gebiet liegen bei der Klägerin keine Gesundheitsstörungen vor, die zusätzlich zu berücksichtigen sind. Eine mit einem Teil-GdB zu berücksichtigenden Halsmarkschädigung (Myelopathie) – nach Ansicht der Klägerin Teil-GdB von 50 – liegt bei der Klägerin nicht vor. Dr. H. diagnostiziert zwar in seinem Befundbericht vom 29.06.2011 bei der Klägerin eine Myelopathie, die jedoch als diskret (im MRT) beschrieben wird. Neue, nicht berücksichtigte Funktionseinschränkungen lassen sich der Befundbeschreibung von Dr. H. und auch sonst nicht entnehmen und sie bestätigt die von der Klägerin geltend gemachten Begleiterscheinungen nicht. Eine solche Gesundheitsstörung wird von Dr. O. in seinem Gutachten vom 19.04.2012 auch nicht als GdB-relevant bewertet/diagnostiziert.

Entsprechendes gilt für von der Klägerin geklagte weitere Gesundheitsstörungen. So konnten nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen von Dr. O. im Gutachten vom 10.04.2012 von der Klägerin geklagte Kopfschmerzen, unspezifische Schwindelbeschwerden, Gleichgewichtstörungen, und Schluckbeschwerden mit den durchgeführten Untersuchungen nicht objektiviert werden.

Dass bei den im Bescheid vom 19.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.07.2008 sonst berücksichtigten Gesundheitsstörungen der Klägerin (unwillkürlicher Harnabgang, Gebärmuttersenkung, Hypermenorrhoe, Nierensteinleiden, chronisch-venöse Insuffizienz beidseits und Ohrgeräusche - Tinnitus -) eine relevante Verschlimmerung eingetreten ist, ist den zu den Akten gelangten und vom Senat beigezogenen medizinischen Unterlagen und Gutachten nicht zu entnehmen. Dies gilt auch hinsichtlich der sonst von der Klägerin neu geltend gemachten Gesundheitsstörungen (Gallenblasen- und Gallenwegerkrankung). Insbesondere fehlt es auch an Anhaltspunkten für das Vorliegen von relevanten Durchblutungsstörungen des Gehirns.

Die Behinderungen der Klägerin bedingen danach weiterhin keinen höheren Gesamt-GdB als 40. Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Die AHP und VG führen zur Umsetzung dieser Vorschriften aus, dass eine Addition von Einzel-GdB-Werten grundsätzlich unzulässig ist und auch andere Rechenmethoden für die Gesamt-GdB-Bildung ungeeignet sind. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird; ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. AHP Nr. 19 Abs. 3 und VG Teil A 3) Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG, SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP).

Danach ist bei der Klägerin weiterhin von einem Gesamt-GdB von 40 auszugehen, weshalb eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X nicht eingetreten ist. Ausgehend von einem Teil-GdB von 30 für das Wirbelsäulenleiden sowie einem Teil-GdB von 20 (depressive Verstimmung, psychovegetative Störungen) ist nach den genannten rechtlichen Vorgaben der VG weiterhin ein Gesamt-GdB von 40 zu bilden. Sonstige Gesundheitsstörungen, die eine höhere Bewertung des Gesamt-GdB rechtfertigen, liegen bei der Klägerin nicht vor. Die vom Beklagten mit einem Teil-GdB von 20 in Ansatz gebrachte Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks sowie des rechten Sprunggelenks rechtfertigen die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft der Klägerin (GdB 50) nicht, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend entschieden hat. Nach dem Gutachten von Dr. R. vom 13.03.2012 liegen bei der Klägerin hinsichtlich des linken Kniegelenks allenfalls leichte Funktionsbehinderungen vor. So beschreibt Dr. R. eine freie Beweglichkeit, keinen Erguss, negative Innenmeniskuszeichen, einen stabilen Kollateral- sowie Kreuzbandapparat, keine Weichteilschwellung, kein Druckschmerz und kein retropatellarer Verschiebeschmerz. Dem entspricht im Wesentlichen auch der von Dr. B. in seinem Gutachten vom 02.08.2012 an die Deutschen Rentenversicherung beschriebene Kniegelenksbefund. Damit liegt bei der Klägerin keine Funktionsbehinderung des linken Kniegelenkes vor, die nach den rechtlichen Vorgaben der VG einen Teil-GdB von 10 rechtfertigt. Hinsichtlich des rechten Sprunggelenks beschreibt Dr. R. in seinem Gutachten vom 13.03.2012 eine Einschränkung der Supination von ca. 50 % im Seitenvergleich zu links, eine Schwellung im Außenknöchelbereich sowie einen Druckschmerz und eine eingeschränkte Beweglichkeit des oberen Sprunggelenkes mit Flexion/Extension von 40-0-10°. Dem entspricht im Wesentlichen auch die von Dr. B. in seinem Gutachten vom 02.08.2012 an die Deutsche Rentenversicherung beschriebene Beweglichkeit des oberen Sprunggelenkes bei freier Beweglichkeit des unteren Sprunggelenkes. Damit ist bei der Klägerin hinsichtlich der unteren Extremitäten (links/rechts) lediglich von einer leichten Funktionsbehinderung auszugehen, die es nicht rechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung, insbesondere der Schwerbehinderteneigenschaft, zu schließen. Entsprechendes gilt für die mit einem Teil-GdB von 10 zu bewertenden sonstigen Gesundheitsstörungen der Klägerin.

Anlass für weitere Ermittlungen besteht nicht. Der Senat hält den entscheidungserheblichen Sachverhalt durch die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen und die vom SG sowie im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen für geklärt. Neue Gesichtspunkte, die Anlass zu weiteren Ermittlungen geben, hat die Klägerin nicht aufgezeigt. Auch die Klägerin hält den Rechtsstreit für entscheidungsreif (Schriftsatz vom 08.04.2013).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved