L 11 KA 19/98

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 19 Ka 11/97
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 19/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 26/99 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 26.11.1997 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten des Beklagten auch für das Berufungsverfahren zu tragen. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob Diättherapie als Heilmittel anzuerkennen ist.

Die Klägerin ist staatlich geprüfte Diätassistentin und seit 1986 in Köln in eigener Praxis selbständig tätig. Dort führt sie eigenverantwortlich diättherapeutische Maßnahmen und Ernährungsberatung im Rahmen ärztlicher Anordnungen durch. Der Verband Deutscher Diätassistenten e. V., dessen Mitglied die Klägerin ist, bemüht sich seit 1992 um eine Anerkennung der Diättherapie als Heilmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Beklagte lehnte zuletzt mit Schreiben vom 20.07.1995 und 07.08.1996 eine Anerkennung von Diätberatung und -therapie als verordnungsfähiges Heilmittel ab. Der Arbeitsausschuß sei nach eingehender Diskussion zu dem Konsens gekommen, daß es sich um eine reine Beratungsleistung handele. Darüberhinaus stelle die Diätberatung/Diättherapie kein klassisches Heilmittel dar, weil unter Heilmittel medizinische Maßnahmen zu verstehen seien, die unmittelbar am Körper des Patienten und durch äußerliche Einwirkung auf den Körper durchgeführt würden.

Zur Begründung ihrer im Januar 1997 erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, die Auffassung des Beklagten, es handele sich nicht um ein Heilmittel, weil die Maßnahme nicht unmittelbar am Körper des Patienten ansetze, greife zu kurz. Der Begriff des Heilmittels sei offen und für Neuerungen zugänglich. Jedenfalls dann, wenn Diättherapie der Linderung, Eindämmung oder Heilung ernährungsbedingter Krankheiten diene, könne ihr die Qualität als Heilmittel nicht abgesprochen werden. Es fänden sich in den Heil- und Hilfsmittel-Richtlinien auch Mittel wie etwa die Beschäftigungstherapie, die ähnlich wie die Diättherapie zu bewerten sei.

Die Ernährungsberatung sei ein wichtiger Teil der Versorgung, der von den niedergelassenen Ärzten nicht vollständig abgedeckt werden könne. Wenn ihr der Zugang zum System der gesetzlichen Krankenversicherung verwehrt werde, verletze dies ihr Recht auf Freiheit der Berufsausübung aus Art. 12 Grundgesetz (GG).

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, die Diättherapie im Sinne des § 3 des Gesetzes über den Beruf des Diätassistenten als Heilmittel anzuerkennen sowie
2. über den therapeutischen Nutzen der Diättherapie zu entscheiden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat geltend gemacht, die Diättherapie sei kein Heilmittel im Sinne der Heil- und Hilfsmittelrichtlinien, weil auch die diätische Ernährung der allgemeinen Lebensführung zuzurechnen sei und deshalb nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden könne. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Änderung der Richtlinien, weil sie von ihnen allenfalls mittelbar und in tatsächlicher Hinsicht betroffen sei. Rechtspositionen für in das System der gesetzlichen Krankenversicherung nicht eingebundene Leistungserbringer würden durch die Richtlinien nicht begründet.

Mit Urteil vom 26.11.1997 hat das Sozialgericht Köln die Klage abgewiesen. Die Grundrechte der Klägerin aus Art. 12 und Art. 14 GG seien nicht verletzt, weil durch die Ablehnung des Beklagten nur Chancen und Erwerbsmöglichkeiten betroffen seien. Die Klägerin sei grundsätzlich nicht gehindert, ihre Leistungen anzubieten. Der Ausschluß dieser Leistungen aus dem System der gesetzlichen Krankenversicherung berühre den grundrechtlichen Schutzbereich nicht.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie trägt im wesentlichen vor, bei der Teilnahme an der gesetzlichen Krankenversicherung handele es sich nicht lediglich um eine zusätzliche Chance und einen zusätzlichen Absatzmarkt, sondern es gehe bei einem Ausschluß aus diesem System praktisch um eine Zulassungssperre. Das Bundesverfassungsgericht gehe ganz offenkundig vom Vorliegen einer objektiven berufsregelnden Tendenz aus, wenn es in seiner Kassenarztentscheidung anerkenne, daß der nicht einbezogene Leistungserbringer praktisch an der Behandlung zahlreicher Patienten gehindert sei, die ihn sonst in Anspruch nehmen würden. Die Diätassistenten stellten die einzige Berufsgruppe dar, die ein parlamentarisches Berufsgesetz vorweisen könnten, das eine Therapieform regele, die gleichwohl nicht in das System der gesetzlichen Krankenversicherung integriert sei. Auch im Europäischen Ausland, etwa in der Schweiz, sei die Diättherapie als eigenständiges Heilmittel anerkannt und in das System der Krankenversicherung integriert. Wenn Art. 12 GG als Maßstab heranzuziehen sei, sei der Bundesausschuß nicht hinreichend legitimiert, entsprechende Eingriffe vorzunehmen. Anders als bei dem Methadonurteil des Bundessozialgerichts (BSG) seien hier nicht Versicherte und Vertragsärzte betroffen, sondern externe Leistungserbringer, die am System der Selbstverwaltung in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht beteiligt seien. Es bestehe schließlich ein großer Bedarf an diättherapeutischen Leistungen, der nicht durch Vertragsärzte gedeckt werden könne.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 26.11.1997 abzuändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, es fehle an der für ein Heilmittel charakteristischen äußeren Einwirkung auf den Körper. Unabhängig davon handele es sich bei der Diättherapie um eine Maßnahme, die der allgemeinen Lebensführung zuzurechnen und entsprechend dem in § 33 SGB V festgelegten Grundsatz nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfaßt sei. Soweit sich aus einer Erkrankung die Notwendigkeit einer besonderen Ernährung ergebe, sei der behandelnde Arzt gehalten, den Patienten über die Notwendigkeit der Ernährungsumstellung zu beraten. Ein Eingriff in Art. 12 GG sei nicht gegeben. Die Aufnahme oder der Ausschluß von Heil- und Hilfsmitteln in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung wirke sich lediglich reflexartig auf die Berufausübungschancen der Klägerin aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, auch des Vorbringens der Beteiligten, wird auf die Gerichtsakte verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufnahme der Diättherapie in die Heilmittel und Hilfsmittel-Richtlinien des Beklagten.

Die Klage der Klägerin ist als Leistungsklage auf Erlaß einer Maßnahme der Selbstverwaltung zulässig gewesen (vgl. BSG vom 01.10.1990 - 6 RKA 22/88 - BSGE 67, 251- SozR 3-2500 § 92 Nr. 2; BSG vom 01.10.1990 - 6 RKa 3/90 -. Die Leistungen 1992, 315). Eine Anfechtungsklage scheidet mangels Vorliegens eines Verwaltungsaktes aus. Die Schreiben des Beklagten an den Verband Deutscher Diätassistenten sind keine Verwaltungsakte, sondern lediglich Mitteilungen, die sich zudem nicht an die Klägerin, sondern an den Verband richteten.

Der Senat läßt es gerade angesichts der ausführlichen Erörterungen in der mündlichen Verhandlung offen, ob es sich bei der Ernährungsberatung und Diättherapie per definitionen um ein Heilmittel handelt und ob die Einbeziehung in den Heilmittelkatalog der gesetzlichen Krankenversicherung rechtlich notwendig, zweckmäßig oder sinnvoll ist oder nicht. Die Klägerin hat jedenfalls weder einen Rechtsanspruch auf eine Änderung der Heilmittel- und Hilfsmittel-Richtlinien und Anerkennung der Diättherapie noch auf eine formelle Entscheidung des Beklagten.

Die Heilmittel- und Hilfsmittel-Richtlinien werden gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V vom Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen beschlossen und sollen die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten geben. Gemäß § 92 Abs. 8 SGB V sind sie Bestandteil der Bundesmantelverträge. In den Richtlinien ist gemäß § 92 Abs. 6 Nr. 1 SGB V insbesondere ein Katalog der verordnungsfähigen Heilmittel aufzustellen. Vor seiner Entscheidung hat der Bundesausschuß den in § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB V genannten Organisationen der Leistungserbringer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, § 92 Abs. 6 Satz 2 SGB V. Der Bundesausschuß wird gemäß § 91 Abs. 1 SGB V gebildet von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, den Bundesverbänden der Krankenkassen, der Bundesknappschaft und den Verbänden der Ersatzkassen.

Der Senat schließt sich der Rechtsprechung aller mit Vertragsarztrecht und Krankenversicherung befaßten Senate des Bundessozialgerichts an, nach der den Richtlinien des Bundesausschusses Rechts normqualität zukommt (vgl. BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 4; § 92 Nrn. 6 und 7; § 101 Nr. 1; § 135 Nr. 4). Das Bundessozialgericht sieht den Bundesausschuß aufgrund seiner Struktur als gemeinsames Gebilde der ihn tragenden Körperschaften als verbandsdemokratisch legitimiert an, verbindliche Regelungen gegenüber den Mitgliedern der Körperschaften zu schaffen (kritisch zu dieser Rechtsprechung u.a.: Knittel, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Stand April 1998, § 92 Rdnr. 41, 42; Ossenbühl, Richtlinien im Vertragsarztrecht, NZS 1997, 497 ff.; Plantholz, Verfassungsmäßige Wirkung der Richtlinien im Vertragsarztrecht auf Außenseiter, SGb 1997, 549 ff.). Der Bundesausschuß kann damit sowohl die Kassenärztlichen Vereinigungen und ihre Mitglieder als auch die Krankenkassen mit seinen Richtlinien binden. In seiner Rechtsprechung zu den Bedarfsplanungs-Richtlinien hat das Bundessozialgericht es auch gebilligt, daß die Richtlinien-Bestimmungen im Sinne einer sog. Außenseitererstreckung auch Wirkung für Dritte entfalten, nämlich für Ärzte, die noch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen und ihre Zulassung erst erreichen wollen (vgl. Urteile vom 18.03.1998 - B 6 KA 35/97 R und B 6 KA 37/95 R).

Durch die Heilmittel- und Hilfsmittel-Richtlinien gibt der Beklagte einerseits dem Vertragsarzt vor, welche Mittel von ihm zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden können, an dererseits konkretisiert die Richtlinie den Anspruch des Versicherten auf Versorgung mit Heilmitteln aus § 32 Abs. 1 SGB V. Neue Heilmittel dürfen gemäß § 138 SGB V nur verordnet werden, wenn der Bundesausschuß zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt und in den Richtlinien Empfehlungen für die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung abgegeben hat. Die von der Klägerin angebotene "Diättherapie" ist in den geltenden Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Heilmitteln und Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung vom 17.06.1992, zuletzt geändert am 18.02.1998, nicht aufgeführt. Sie ist damit in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht verordnungsfähig.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Änderung der Richtlinien. Ein besonderes Rechtsverhältnis, aus dem sie einen solchen Anspruch herleiten könnte, etwa eine Mitgliedschaft, eine Zulassung oder ein Vertrag, bestehen nicht. Eine gesetzlich geschützte Rechtsposition hat die Klägerin auch nicht durch die Einfügung von § 92 Abs. 6 Satz 2 SGB V erlangt. Normiert ist dort nur ein Recht der Verbände der Heilmittelerbringer, zu den Richtlinien vor ihrem Erlaß Stellung zu nehmen (Plantholz, aaO, 554 spricht von einem Recht auf Verfahrensteilhabe). Der Bundesausschuß hat sich mit den vorgetragenen Argumenten auseinanderzusetzen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, daß zwar keine rechtlich geschützten Positionen, wohl aber wirtschaftliche Interessen von Herstellern und Erbringern von Heil- und Hilfsmitteln betroffen sind ( vgl. Hess, in: Kasseler Kommentar, Stand Dezember 1998, § 92 Rdnr. 16 a). Subjektive Rechte einzelner Leistungserbringer werden damit nicht begründet.

Auch nach den Richtlinien selbst, hier Anlage 1 Nr. 3, kann die begehrte Entscheidung des Beklagten über die Verordnungsfähigkeit und den therapeutischen Nutzen neuer Heilmittel nur auf begründeten Antrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder eines Spitzenverbandes der Krankenkassen erfolgen. Die Klägerin als Anbieter von sonstigen Dienstleistungen, ihr Verband und z. B. Vertreiber von Geräten gehören dazu nicht. Unabhängig davon hat sich der Beklagte tatsächlich mit der Diättherapie befaßt. Ein weiteres Tätigwerden kann die Klägerin rechtlich nicht verlangen.

Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus den Grundrechten der Klägerin. Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, wonach Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen nicht in die grundrechtlich geschützte Sphäre der außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung stehenden Leistungserbringer und -anbieter eingreifen (vgl. Urteile des Senats vom 21.08.1991 - L 11 Ka 20/90 -, vom 10.11.1993 - L 11 Ka 112/92 - NZS 1994, 267 - und vom 15.02.1995 - L 11 Ka 57/94). Er sieht sich darin durch die oben skizzierte Anerkennung der normativen Wirkung der Richtlinien gegenüber den Korporationsmitgliedern und die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des Bundesverfassungsgerichts aus früherer und nachfolgender Zeit zur Grundrechtsbetroffenheit externer Leistungserbringer bestätigt. Den Richtlinien fehlt nicht nur final, sondern auch objektiv eine die Berufsausübung der nicht unmittelbar am System Beteiligten regelnde Tendenz.

Das BSG hat in den schon genannten zwei Entscheidungen vom 01.10.1990 in vergleichbaren Konstellationen einen Eingriff in den Schutzbereich von Art. 12 und 14 GG durch Richtlinien des Bundesausschusses verneint. Betroffen war in einem Fall (6 RKa 22/88) der Inhaber eines Kurbades, der sich gegen den Ausschluß von römisch-irischen und russisch-römischen Bädern von der Verordnungsfähigkeit als Heilmittel im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung wandte. Das BSG hat in dieser Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, daß der Leistunganbieter von Heil- und Hilfsmitteln keine Ansprüche auf Änderung einer Richtlinie des Bundesausschusses geltend machen könne, weil die Richtlinie für ihn allenfalls wirtschaftliche Auswirkungen habe, aber keine Rechtsposition begründe oder beseitige. Aus den Grundrechten der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und der Gewährleistung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) könne ein Leistungsanbieter grundsätzlich keine Steuerungsentscheidungen durch die Richtlinien des Bundesausschusses angreifen, weil sie sich nicht an diese Leistungserbringer, sondern an einen anderen Adressatenkreis, nämlich Vertragsärzte, Versicherte und Krankenkassen, richteten und die Leistungserbringer allenfalls mittelbar beträfen. Eine objektiv berufsregelnde Tendenz bestehe nicht, weil weder vorgeschrieben werde, wie eine bestimmte Leistung zu erbringen sei, noch die Verordnungsfähigkeit wegen der Art der Leistungen ausgeschlossen werde. Es werde lediglich nicht die Notwendigkeit gesehen, bestimmte Leistungen in den Kreis der verordnungsfähigen Leistungen aufzunehmen. Dies sei aber eine Frage des unternehmerischen Risikos. Kein Leistungsanbieter habe einen Rechtsanspruch auf Abnahme seiner Leistung. Mit dem Argument, daß bloße Umsatz- und Gewinnchancen nicht geschützt seien, hat das BSG auch einen Verstoß gegen Art. 14 GG verneint. Aus denselben Gründen negativ entschieden hat das BSG am 01.10.1990 über die Klage eines Arzneimittelherstellers gegen den Ausschluß der Verordnungsfähigkeit (6 RKa 3/90) von Saftzubereitungen durch die Arzneimittel-Richtlinien.

Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 20.09.1991 (- 1 BvR 1621/89 - Die Leistungen 1992, 237) ausgeführt, der Ausschluß von Arzneimitteln gegen bestimmte Erkrankungen durch § 34 Abs. 1 SGB V habe für die Berufsausübung der Hersteller dieser Arzneimittel lediglich Reflexwirkung. Eine objektiv berufsregelnde Tendenz, die eine Prüfung am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz zur Folge hätte, sei dabei nicht erkennbar. Die Einbindung in das System der gesetzlichen Krankenversicherung wirke sich für die Arzneimittelhersteller zwar umsatzfördernd aus, dies sei aber lediglich eine Nebenfolge der gesetzlichen Regelung für Dritte, die Versicherten und die Kostenträger. Ein Recht der Arzneimittelhersteller auf Beibehaltung eines bestimmten Leistungsspektrums komme nicht in Betracht.

Im Beschluss vom 20.09.1991 (- 1 BVR 879/90 - SozR 3-2500 § 34 Nr. 1 - NJW 1992, 735) hat das Bundesverfassungsgericht allerdings eine objektiv berufsregelende Tendenz für die Arzneimittelhersteller angenommen durch die gesetzliche Ermächtigung zum Ausschluß unwirtschaftlicher Arzneimittel von der Versorgung in § 34 Abs. 3 SGB V, weil dieser Ausschluß darauf gerichtet sei, die Verschreibung derartiger Arzneimittel weitgehend zurückzudrängen und für die Hersteller damit erhebliche Umsatzeinbußen verbunden seien. Eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG hat das Gericht aber letztlich verneint, weil § 34 Abs. 3 SGB V der Sicherung der Stabilität in der gesetzlichen Krankenversicherung diene und damit ein vernünftiger Zweck des Gemeinwohls verfolgt worden sei.

Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat in seinem Vorlagebeschluß an das Bundesverfassungsgericht vom 14.06.1995 (3 RK 20/94 - NZS 1995, 502 ff.) zu Recht bemängelt, daß die unterschiedliche Bewertung durch das Bundesverfassungsgericht in diesen beiden Entscheidungen nicht näher begründet worden ist. Der 1. Senat des BSG hat sich in einer Entscheidung vom 16.07.1996 ( - 1 RS 1/94 - SozR 3-2500 § 34 Nr. 5), die ebenfalls die Klage eines Arzneimittelherstellers gegen den Ausschluß bestimmter Arzneien wegen Unwirtschaftlichkeit betraf, ohne nähere Begründung der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts im Verfahren 1 BVR 879/90 angeschlossen. Konsequenz dieser Auffassung, die erhebliche Umsatzeinbußen als grundrechtsrelevant ansieht, ist, daß eine Grundrechtsbetroffenheit auch bei Arbeitnehmern zu bejahen wäre, die infolge einer Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse ihren Arbeitsplatz verlieren. Darauf hat das BSG bereits in seinen früheren Entscheidungen hingewiesen. Eine wirtschaftliche Betroffenheit kann für sich gesehen jedoch kein Indikator für einen Eingriff in die Berufsfreiheit sein. Das unternehmerische Risiko wird durch dieses Grundrecht nicht abgesichert. Würde allein auf die wirtschaftliche Komponente abgestellt, würde jede Berufsgruppe, die sich ein Tätigkeitsfeld im medizinischen Bereich erschließt, unter Berufung auf Art. 12 Abs. 1 GG den Zugang zum System der gesetzlichen Krankenversicherung fordern können. Das BSG führt in seinen Entscheidungen aus 1990 nach Auffassung des Senates zutreffend aus, daß wirtschaftlichen Nachteilen einzelner Gruppen nur durch eine umfassende Wirtschaftslenkung begegnet werden könnte, die unsere Rechtsordnung aber nicht vorsieht.

Selbst wenn man aber die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts in der zuletzt genannten Entscheidung zugrundelegt, kann ein Anspruch der Klägerin hieraus nicht hergeleitet werden. Im Unterschied zu den Arzneimittelherstellern, deren Produkte vor dem Inkrafttreten der angegriffenen gesetzlichen Regelung in der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig waren, sind die Leistungen der Klägerin bislang nicht in das System eingebunden. Für die Klägerin geht es nicht um eine Beschneidung bereits realisierter wirtschaftlicher Betätigungsfelder, sondern um die Öffnung eines zusätzlichen Markt. Sie hat keinen Umsatzrückgang zu befürchten, sondern will durch die Aufnahme in das System eine Umsatzsteigerung erreichen. Die fehlende Zugehörigkeit zu einer Berufsgruppe, die grundsätzlich in das System der GKV integriert ist und deren Leistungen von Versicherten in diesem System nachgefragt werden können, unterscheidet die Berufsgruppe der Klägerin auch von den Ärzten, die aufgrund der Bedarfsplanungsrichtlinien von der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen sind und bei denen das BSG eine Außenseitererstreckung der Richtlinien-Bestimmungen annimmt (vgl. Urteile vom 18.03.1998 - B 6 KA 35/97 R und B 6 KA 37/96 R). Aus diesem Grund kann auch nicht, wie die Klägerin meint, eine Parallele zur Kassenarztentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (E 11, 30 ff.) gezogen werden. Wenn dort ausgeführt wird, der nicht zur Kassenpraxis zugelassene Arzt sei praktisch an der Behandlung zahlreicher Patienten gehindert, die ihn sonst in Anspruch nehmen würden, so ist dies im Zusammenhang damit zu sehen, daß es sich bei der ärztlichen Tätigkeit um die Kernleistung der Krankenversicherung handelt, die im System auch angeboten wurde. Es ging lediglich um die Frage der Begrenzung der Zahl der ärztlichen Leistungserbringer.

Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht unter Zugrundelegung der Ausführungen des 3. Senat des BSG in seinem oben genannten Beschluss vom 14.06.1995. Danach soll die Festbetragsregelung in § 35 SGB V die Arzneimittelhersteller in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz treffen (kritisch zu dieser Entscheidung: Schelp, NZS 1997, 155 ff.). Sie habe objektiv eine die Berufsausübung regelnde Tendenz, weil sie eine preisregulierende Wirkung i.S. eines dirigistischen Eingriffs in den Marktablauf habe. Wenn nicht Krankheiten vom Versicherungsschutz ausgenommen würden, sondern einzelne Leistungen als unwirtschaftlich, liege eine Situation wie bei einer ungleichen Subventionierung vor. Wesentlicher Ansatzpunkt für Annahme eines Eingriffs in die Berufsfreiheit ist damit die unterschiedliche Betroffenheit der Arzneimittelhersteller von der Festbetragsregelung und der daraus resultierende Eingriff in den Marktablauf. Diese Überlegung greift hier aber nicht. Wettbewerbsbedingungen innerhalb der Gruppe der Diätassistenten werden nicht verändert. Wie bei den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Konstellationen der Arzneimittelhersteller besteht auch hier der Unterschied zum Fall der Klägerin darin, daß es nicht um den Ausschluß der Verordnungsfähigkeit einer bestimmten, der Art nach von der gesetzlichen Krankenversicherung umfaßten Leistung, sondern um die Frage der Notwendigkeit der Aufnahme einer neuen, bisher noch nicht gewährten Leistung in den Katalog der gesetzlichen Krankenversicherung geht. Eine Aufnahme der Diättherapie in die Heilmittel-Richtlinien würde nicht zu einer Verschiebung innerhalb des Marktes in der gesetzlichen Krankenversicherung zu Lasten einer Gruppe von Leistungserbringern führen, sondern einen zusätzlichen Markt für bestimmte Leistungserbringer öffnen, die bisher nicht in das System integriert sind. Die parallele Situation im Subventionsrecht, das der 3. Senat zum Vergleich heranzieht, wäre hier, daß kein Leistungsanbieter eine Subvention erhält. Ein Anspruch auf eine Subvention, das stellt auch das BSG heraus, besteht aber nicht.

Schließlich sieht der Senat sich in seiner Rechtsauffassung bestätigt durch den Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senates des Bundesverfassungsgerichts vom 01.11.1996 (- 1 BvR 580/93- NJW 1997, 791), mit dem eine Grundrechtsbetroffenheit bei Apothekern verneint wurde, die sich gegen gesetzliche Vorschriften zur Regelung eines Preismoratoriums für apothekenpflichtige Fertigarzneimittel, die Budgetierung von Arznei- und Heilmitteln und die Zuzahlung von Versicherten zu verordneten Arznei- und Verbandsmitteln gewandt hatten. Soweit infolge der entsprechenden Vorschriften der eigene Umsatz und Gewinn geschmälert werde, so das BVerfG in dieser Entscheidung, sei dies lediglich eine Reflexwirkung, die nicht ausreiche, um die Apotheker als selbst und unmittelbar betroffen zu qualifizieren.

Eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG ist weder gerügt noch ersichtlich. Es sind lediglich Erwerbschancen und Marktstellung der Klägerin betroffen. Sie werden vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG aber nicht umfaßt.

Der Hinweis der Klägerin auf Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz führt nicht weiter. Allein der Umstand, daß sie in einem Teilbereich Leistungen anbietet, die auch Ärzte erbringen, rechtfertigt ihre Gleichstellung mit den ärztlichen Leistungserbringern in der GKV nicht. Andere nichtärztliche Leistungserbringer, die identische Leistungen wie die Klägerin anbieten, gibt es im System derzeit aber nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 und 193 SGG.

Im Hinblick auf die wieder grundsätzlich gewordene Bedeutung des Rechtsstreits hat der Senat gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG die Revision zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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