Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 178/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 3507/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteils des Sozialgerichts Reutlingen vom 18.04.2012 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist noch die Höhe einer Verletztenrente im Streit.
Die 1964 geborene Klägerin arbeitete als Empfangsdame im Universitätsklinikum T., als sie am 10.04.2007 - vermutlich in Folge eines Schwindelanfalles - während der Arbeitszeit kollabierte und zu Boden stürzte. Bei ihrem Sturz schlug sie mit dem Kopf auf einer Kante des Empfangstischs des Universitätsklinikums auf. Als Erstdiagnose wurde ein Bruch des ersten Halswirbelkörpers (HWK I) in Form einer vorderen und hinteren Bogenfraktur diagnostiziert, welcher in der BG-Klinik T. stationär behandelt wurde. Hierbei erfolgte am 13.04.2007 eine operative Stabilisierung mit Halofixateur. Am 08.01.2008 wurde im Universitätsklinikum T. eine transartikuläre Verschraubung der HWK I und II bei Jefferson-Fraktur nach Magerl vorgenommen.
Ab dem 01.12.2008 war die Klägerin wieder arbeitsfähig, und ab dem 03.12.2008 nahm sie wieder ihre vorherige Tätigkeit auf. Die Klägerin wies bereits bei der Wiederaufnahme ihrer Beschäftigung darauf hin, dass sie fast ständig Schmerzen empfinde, welche lediglich in ihrer Intensität schwankten.
Im ersten Rentengutachten des Prof. Dr. W. vom 05.02.2009 sind als wesentliche Unfallfolgen eine nahezu komplette Aufhebung der Rotation rechts/links der HWS nach dorsaler Stabilisierung C I und C II und nach vorrangegangener Atlasfraktur, eine deutliche Bewegungseinschränkung hinsichtlich Re- und Inklination sowie Seitneigung rechts/links der HWS, Myogelosen im Bereich der Nackenmuskulatur durch die Versteifung der oberen HWS sowie eine erklärbare Schmerzsymptomatik angegeben. Für die Zeit ab dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit sei eine dauerhaft unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vom Hundert (v.H.) anzunehmen.
Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 13.05.2009 Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 20 v.H. ab dem 01.12.2008. Als wesentliche Unfallfolgen wurden anerkannt: Nahezu komplette Aufhebung der Rotation rechts/links der HWS, deutlich Bewegungseinschränkungen hinsichtlich der Vor- und Rück-
wärtsneigung sowie Seitneigung der HWS, knotige/wulstförmige Verhärtungen im Bereich der Nackenmuskulatur durch die Versteifung der oberen HWS, ca. 10 cm lange reizlose Narbe entlang des Nackens, zwei ca. 1,5 cm lange reizlose Narben in Höhe des ersten Brustwirbelkörpers (BWK) längsverlaufend, ca. 15 cm lange reizlose Narbe im Bereich des linken Beckenkamms nach Becken-Spongiosa-Entnahme, steilgestellte HWS und Schmerzsymptomatik nach in leichter kyphotischer Knickbildung in Höhe HWK IV-V verheilter, mittels dorsal transartikulärer Verschreibung von C I und C II versorgter verschobener Trümmerfraktur des vorderen und hinteren Atlasbogens (Jefferson-Fraktur) mit regelrecht einliegenden Implantaten, folgenlos ausgeheilte Commotio cerebi. Außerdem wurde festgestellt, dass unabhängig von dem Unfall eine Lumboischialgie bestehe.
Die Klägerin begründete ihren Widerspruch gegen die Höhe der MdE damit, dass die Schädigung und ihre Auswirkungen individuell zu bemessen seien. Allein der vorliegende Wirbelsäulenschaden mit schweren funktionellen Auswirkungen sei mit einer MdE um 30 v. H. zu bemessen. Hinzu käme die durch die Versteifung eintretende Muskelschwäche, sowie die hieraus folgenden Schmerzen, Stimm- und Schluckstörungen und die Behinderung der Mundöffnung. Außerdem seien heftige Gesichtsneuralgien und über das übliche Begleitmaß der Verletzung hinausgehende Schmerzen zu berücksichtigen.
Die Klägerin legte mit ihrem Widerspruch eine mehrseitige Liste von Tätigkeiten sowie alltäglichen Verrichtungen und Freizeittätigkeiten vor, die sie aufgrund der Unfallfolgen nicht mehr verrichten könne und daher eingestellt habe (vom Gurgeln und Haareausschütteln über das Tangotanzen bis zum Bungeejumping und Fahren mit hart abgefederten Fahrzeugen - Renntourenwagen -). Außerdem legte sie eine 44-seitige Liste mit 2.515 in Deutschland ausgeübten Berufen vor, auf welcher sie 1.389 Berufe als von ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausübbar kennzeichnete.
In einem Schmerzgutachten vom 28.09.2009 führte Dr. M. aus, dass die Muskulatur der Klägerin normal kräftig ausgeprägt sei. Anhaltspunkte für eine isolierte oder generalisierte Atrophie großer oder kleiner Muskelgruppen hätten sich nicht feststellen lassen. Bei der Messung nach der Neutral-O-Methode hätten sich für die peripheren Gelenke keine wesentliche Abweichung vom normalen Bewegungsausmaß sowie auch keine weiteren klinischen Auffälligkeiten, welche über das fibromyalgietypische Beschwerdebild hinausgingen, gezeigt. Eine Druckschmerzsymptomatik sei im Bereich C 0 - C 4, links ausgeprägter als rechts, sowie im Bereich des Schulterblatts und des Muskulus trapezius sowie sternocostal beidseits, ebenso im Bereich der Kiefergelenke und der Bizepssehne (links ausgeprägter als rechts) festgestellt worden. Die formalen Kriterien einer Fibromyalgie seien wegen der lokal begrenzten Beschwerden nicht erfüllt. Es sei von einem regionalen Schmerzsyndrom im Bereich der HWS, Schulterblätter, Schultergelenke sowie im Bereich der Bizepssehne, der Kiefergelenke sowie der sternocostalen Übergänge beidseits und einem LWS-Schmerz auszugehen. Die festgestellte Schmerzsymptomatik sowie die Bewegungseinschränkungen der HWS seien hochwahrscheinlich als Unfallfolge anzusehen, was auch für die Chronifizierung des Schmerzes nach dem Unfallereignis gelte. Die Schmerzsymptomatik im Bereich der LWS demgegenüber sei weitgehend unfallunabhängig. Es bestehe eine ausgeprägte Bewegungseinschränkung sowie eine massive Schmerzsymptomatik. Unter Einbezug der direkten Folgen nach der Fraktur im Segment C 0 - C 1 unter entsprechender Versorgung gehe er von einer Gesamt-MdE um 30 v. H. aus.
Daraufhin gewährte die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 07.12.2009 der Klägerin ab dem 01.12.2008 die Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 30 v. H. und erkannte als weitere Unfallfolge ein regionales Schmerzsyndrom cervikothorakal an.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.2009 wurde anschließend der darüberhinausgehende Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klägerin hat am 15.01.2010 beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben und die Anerkennung weiterer Unfallfolgen und einer höheren Rente beantragt.
Aus dem Reha-Entlassungsbericht der Klinik A. in I.-N. vom 29.10.2010 über einen Aufenthalt der Klägerin vom 16.09. bis 28.10.2010 auf Veranlassung der Deutschen Rentenversicherung (DRV) geht hervor, dass dort bei der Klägerin eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, Anpassungsstörungen, ein cervikozephales Syndrom sowie eine Fraktur des 1. Halswirbels und eine Obstipation diagnostiziert worden sind.
Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. führte in seinem Gutachten vom 07.04.2011 unter anderem aus, dass die diagnostischen Kriterien einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung gemäß der ICD-10 nicht erfüllt seien. Stattdessen liege ein Schmerzsyndrom vor, dass durch den Unfall begründet sei und bei dem man nicht bereits deswegen von psychogenen Faktoren der Schmerzverursachung ausgehen dürfe, weil die psychosomatische Behandlung als hilfreich empfunden werde. Bei der Klägerin liege neurologisch ein unauffälliger Befund vor. Auch psychiatrisch sei bei der Begutachtung keine Störung von Krankheitswert zu diagnostizieren gewesen. Insbesondere bestehe keine Depression, auch nicht vom Ausmaß einer leichten depressiven Störung, sowie auch keine Anpassungsstörung oder anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Der emotionale Umgang der Klägerin mit ihren Unfallfolgen sei auch von ihrer Grundpersönlichkeit mitgeprägt, ein psychiatrische Krankheit sei dies nicht. Dass eine Verletzung auch eine gewisse Belastung darstelle, sei bereits bei der Bewertung der Verletzungen an sich mitberücksichtigt. Auch hätten sich die Schmerzen gegenüber dem Gutachten des Dr. M. zwischenzeitlich gebessert, die Notwendigkeit der Schmerzmitteleinnahme sei erfreulicherweise zurückgegangen. Bei der Begutachtung seien für alle in Frage kommenden Berufe eine voll ausreichende Aufmerksamkeit und ein voll ausreichendes Konzentrationsvermögen, des gesamten Denkablaufs, der Erinnerungsfähigkeit und der Merkfähigkeit festgestellt worden. Demnach sei die MdE-Bemessung allein auf chirurgischem Fachgebiet vorzunehmen.
Mit Schriftsatz vom 04.09.2011 machte die Klägerin Einwendungen gegen das Gutachten des Dr. S. geltend; dieser habe sie unsachgemäß behandelt und die Untersuchung im Beisein ihres Lebensgefährten verweigert. Insoweit sei das Gutachten des Dr. S. nicht verwertbar. Außerdem sehe ihre behandelnde Psychotherapeutin durchaus einen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Das SG beauftragte daraufhin den Unfallchirurgen und Orthopäden Dr. Sch. mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens. In dem Gutachten vom 15.09.2011 ist angegeben, dass als Unfallfolgen eine Versteifung des 1. und 2. Halswirbels, eine Inkongruenz und Funktionsstörung beider Kopfgelenke, deutliche Bewegungseinschränkungen der HWS, insbesondere für die Drehbewegung, einliegende Metallimplantate im Bereich des 1. und 2. Halswirbels ohne Lockerungszeichen, eine unvollständige knöcherne Heilung des hinteren Atlasbogens, ein Abkippen des vorderen Bogens des 1. Halswirbels nach unten mit Erweiterung des Abstandes zwischen dem Bogen des 1. Halswirbels und dem Knochenzahn des 2. Halswirbels, ein Knochenfragment zwischen der Masse des 1. Halswirbels rechts und dem Knochenzahn des 2. Halswirbels sowie Verhärtungen in der Nackenmuskulatur festzustellen seien. Aufgrund der Ausführungen des Dr. M. und der Berichte über die stationären Heilverfahren der Klägerin sei zudem von einer vorübergehenden außergewöhnlichen Schmerzsymptomatik auszugehen, welche mit Bezug auf die Ausführungen der Klägerin vom 30.06.2011 und das nervenärztliche Gutachten des Dr. S. vom 07.04.2011 aufgrund der Angaben zur Behandlung und Medikation inzwischen nicht mehr vorliege.
Die Versteifung des Bewegungssegments C 1/C 2 sei unstreitig und verhindere ca. 70 % der Kopfdrehung und der damit verbundenen Orientierung im Raum. Die von Dr. Sch. gemessene Beweglichkeit der HWS zeigte sich wie folgt (Normalwerte in Klammern): Vorneigen/Rückneigen 25/0/40 (35-70/0/35-45), Rotation rechts/links 30/0/20 (60-80/0/60-80), Seitneigung rechts/links 25/0/20 (45/0/45).
Die Auswertung des CT habe gezeigt, dass auch eine anatomische Wiederherstellung im Bewegungssegment C 0/C 1 nicht erreicht werde, wobei indes von einer Hypermobilität auszugehen sei. Weiter sei festzuhalten, dass Unfallfolgen auf dem Fachgebiet der Augenheilkunde, der HNO-Kunde und dem Fachgebiet der Mund-Kiefer- und Gesichtschirurgie nicht festgestellt worden seien. Für die Einschätzung der MdE sei wesentlich, dass die Funktion der HWS deutlich gestört, aber nicht aufgehoben sei. Die in Schönberger/Mertens/Valentin vertretene Beurteilung nach der Beteiligung von Bandscheiben und der Stabilität führe nicht zu einer angemessenen Bewertung der MdE, da Bandscheiben im Bereich der oberen HWS nicht vorhanden seien. Deswegen sei der Beurteilung nach dem Segment-Prinzip nach Weber und Wimmer in diesem Bereich der Vorzug zu geben. Die Versteifung im Segment C 1/C 2 führe zu einer MdE um 20 v. H ... Die Funktionsstörung im Bereich C 0/C 1 müsse mit dem einfachen Höchstwert von 7,8 % berücksichtigt werden, was insgesamt zu einer MdE um 30 v. H. auf Dauer führe. Unter Berücksichtigung der vorübergehend bestehenden besonderen Schmerzproblematik werde damit eine MdE um 40 v. H. vom 01.12.2008 bis zum 27.03.2011 und danach eine MdE um 30 v. H. vorgeschlagen.
In einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 23.01.2012 bekräftigte der Gutachter Dr. Sch. diese MdE-Einschätzung unter Verweis auf Fundstellen in der Literatur.
Mit Bescheid vom 14.02.2012 setzte die Beklagte die Rente mit Wirkung vom 01.03.2012 auf eine MdE von 20 v. H. herab und stützte sich insoweit auf die Gutachten des Dr. S. und des Dr. Sch ...
Mit Schreiben vom 07.03.2012 unterbreitete die Beklagte ein Vergleichsangebot (Verletztenrente vom 01.12.2008 bis 29.02.2012 nach einer MdE um 40 v. H., danach nach einer MdE um 30 v. H. bis auf weiteres), welches die Klägerin nicht annahm.
Mit Urteil vom 18.04.2012 hat das SG den Bescheid vom 13.05.2009, den Bescheid vom 07.12.2009 und den Widerspruchsbescheid vom 15.12.2009 in der Fassung des Bescheids vom 14.02.2012 abgeändert. Das SG hat die Beklagte unter zusätzlicher Anerkennung weiterer Unfallfolgen in Form der Inkongruenz und Funktionsstörung beider Kopfgelenke, der Abkippung des vorderen Bogens des 1. Halswirbels nach unten mit Erweiterung des Abstandes zwischen dem Bogen des 1. Halswirbels und dem Knochenzahn des 2. Halswirbels sowie des Knochenfragments zwischen der Masse des 1. Halswirbels rechts und dem Knochenzahn des 2. Halswirbels mit Einschränkung in Funktion und Beweglichkeit mit leichter kyphotischer Knickbildung in Höhe des HWK IV - V verheilter, mittels dorsaler transartikulärer Verschraubung von C 1 und C 2 versorgter verschobener Trümmerfraktur des vorderen und hinteren Atlasbogens (Jefferson-Fraktur) mit unvollständiger knöchernen Heilung des hinteren Atlasbogens bei regelrecht einliegenden Implantaten verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 01.12.2008 bis 27.03.2011 eine Rente nach einer MdE um 40 v. H. und für die Zeit ab dem 28.03.2011 bis auf weiteres eine Rente nach einer MdE um 30 v. H. zu gewähren. Im übrigen hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seines Urteils stützte sich das SG auf die im Klageverfahren eingeholten Gutachten des Dr. S. und des Dr. Sch ... Das Gutachten des Dr. S. sei entgegen der Auffassung der Klägerin verwertbar, da zum einen die Klägerin die Anwesenheit ihres Lebensgefährten als Beistand bei der Begutachtung nicht beantragt habe und zum anderen insbesondere im Rahmen der psychiatrischen Begutachtung nicht auszuschließen gewesen sei, dass das Ergebnis durch die anwesende Begleitperson beeinträchtigt werde (mit Hinweis auf LSG Berlin-Brandenburg vom 17.02.2010 - L 31 R 1291/09 B -). Nach den übereinstimmenden und überzeugenden Ausführungen der Gutachter habe bei der Klägerin lediglich vorübergehend ein Schmerzsyndrom vorgelegen, welches zum Zeitpunkt der Begutachtung am 28.03.2011 nicht mehr bestanden habe. Auch seien nach dem Gutachten des Dr. S. keine Anhaltspunkte für eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) anzunehmen. Das von der Klägerin angeführte Schädel-Hirntrauma mit Verletzung der Blut-Hirnschranke könne nicht als Unfallfolge anerkannt werden, da es nicht im Vollbeweis gesichert sei. Auch Gesundheitsbeeinträchtigungen im Bereich von Kiefer, Auge und Brustkorb seien nach dem Gutachten von Dr. Sch. nicht mehr feststellbar gewesen. Die von den Gutachtern zutreffend festgestellten Unfallfolgen rechtfertigten nach deren Ausführung eine höhere Rente nach einer MdE um 40 v. H. lediglich bis zum 27.03.2011, da ab diesem Zeitpunkt das besondere Schmerzsymptom nicht mehr vorgelegen habe. Darüber hinaus sei von dem Grundsatz auszugehen, dass auch bei Berücksichtigung der individuellen Umstände des Einzelfalls die üblicherweise mit bestimmten Funktionsbeeinträchtigungen verbundenen Schmerzen in den MdE-Werten enthalten seien. Die nach dem 28.03.2011 bestehende MdE von lediglich 30 v. H. ergebe sich aus der zutreffend beurteilten, für die Verletzung der Klägerin im Vordergrund stehenden eingeschränkten Wirbelsäulenfunktionen, wobei Dr. Sch. in überzeugender Weise auf das Segment-Prinzip nach Weber und Wimmer verwiesen habe (mit Hinweis auf Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 441 ff., 444).
Die Beklagte hat im Anschluss an die Verkündung des Urteils und Zustellung der Sitzungsniederschrift an die Beteiligten mit Schriftsatz vom 07.05.2012 auf die Einlegung von Rechtsmitteln verzichtet. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 08.05.2012, eingegangen beim SG am 11.05.2012, Berufung eingelegt. Das Urteil ist der Klägerin anschließend am 11.07.2012 per Postzustellungsurkunde (PZU) zugestellt worden.
Die Klägerin bezieht sich auf ihren bisherigen Vortrag und vertritt insbesondere die Auffassung, dass aufgrund ihrer Schmerzproblematik eine höhere MdE-Bewertung zu erfolgen habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18.04.2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.05.2009, den Bescheid vom 07.12.2009 und den Widerspruchsbescheid vom 15.12.2009 abzuändern, und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 14.02.2012 zu verurteilen, aufgrund des Unfalls vom 18.04.2007 eine höhere Verletztenrente ab dem 01.12.2008 im gesetzlichen Umfang zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten sowie die Akten des SG und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist nicht begründet. Insbesondere ist auch die einmonatige Berufungsfrist des § 151 Abs. 1 SGG gewahrt, denn die Einlegung der Berufung ist bereits - wie vorliegend geschehen - vor der Zustellung und dem Lauf dieser Frist zulässig, wenn das Urteil den Beteiligten jedenfalls verkündet worden ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 151 Rn. 7).
Nach § 26 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte Anspruch auf Entschädigungsleistungen u. a. in Form von Heilbehandlung (§ 27 SGB VII) oder Geldleistungen (Verletztengeld § 45 SGB VII und Rente § 56 SGB VII ). Insbesondere nach § 56 Abs. 1 SGB VII erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, eine Rente. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente; die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern, § 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VII.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 SGB VII). Erforderlich ist, dass sowohl ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden besteht. Diese so genannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Für beide Bereiche der Kausalität gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der - überwiegenden - Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R - , SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die BK-Folgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urteil vom 26.06.1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urteil vom 19.12.2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Folgen des Unfalls beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22.08.1989 - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.
Entsprechend den überzeugenden Ausführungen des SG in dem angegriffenen Urteil vom 18.04.2012 rechtfertigen die verbliebenen Folgen des Unfalls vom 10.04.2007 nicht die Gewährung einer Verletztenrente in einem höheren Umfang, als das SG dies in der angegriffenen Entscheidung festgestellt hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und ausführlichen Entscheidungsgründe in dem angegriffenen Urteil des SG Bezug genommen, denen der Senat sich nach eigener Prüfung ausdrücklich anschließt.
Das SG hat zunächst zutreffend festgestellt, dass von der Klägerin keine ausreichenden Gründe dafür vorgebracht worden sind, das Gutachten des Dr. S. nicht zu berücksichtigen. Solche Gründe sind auch unabhängig vom Vortrag der Klägerin nicht aus den Akten ersichtlich. Zutreffend hat das SG darüber hinaus festgestellt, dass nach den im Wesentlichen übereinstimmenden Ausführungen der Gutachter Dr. Sch. und Dr. S. lediglich im vom SG tenorierten Umfang weitere Unfallfolgen anzuerkennen und eine Verletztenrente zu gewähren war.
Die Beklagte hat mit den angegriffenen Bescheiden in der Fassung des Tenors des SG die von den Gutachtern Prof. Dr. W., Dr. M., Dr. S. und Dr. Sch. festgestellten Unfallfolgen im vollen Umfang anerkannt. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass weitere bisher unberücksichtigte Unfallfolgen vorliegen, sind nicht ersichtlich. Da die formalen Kriterien einer Fibromyalgie, einer somatoformen Schmerzstörung und einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht erfüllt sind, waren diese Erkrankungen entsprechend den Ausführungen des Dr. S. und des Dr. Sch. nicht als Unfallfolgen anzuerkennen.
Die Bewertung der durch die Unfallfolgen verursachten MdE ist von den Gutachtern in sehr sorgfältiger und differenzierter Weise vorgenommen worden, wobei die MdE-Bewertung aufgrund allgemein anerkannter Grundsätze und unter Angabe einschlägiger Fundstellen aus der unfallmedizinischen Literatur erfolgt ist. Zutreffend hat insoweit der Gutachter Dr. Sch. in dem Gutachten vom 15.09.2011 unter Berücksichtigung der konkret vorliegenden Schmerzsymptomatik dargelegt, dass die MdE-Bewertung nach den Bewertungskriterien Bandscheibenbeteiligung und Instabilität (etwa in Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 442) im Falle der Klägerin keine angemessene Grundlage darstellt, weil beim Menschen zwischen dem Schädel und dem ersten Halswirbel (Atlas) sowie zwischen dem ersten und zweiten Halswirbel (Axis) - also gerade in dem Bereich, in dem die Verletzungen der Klägerin erfolgt sind - keine Bandscheiben vorliegen. Dennoch kann festgehalten werden, dass nach diesem Modell eine maximale Schädigung eines Wirbelkörpers mit Bandscheibenbruch allenfalls zu einer MdE um 30 v.H. führen kann (Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O.).
Daher ist dem von Dr. Sch. herangezogenen Segment-Prinzip nach Weber/Wimmer der Vorrang zu geben, wonach das Segment C 0 / C 1 mit 7,8 % und das Segment C 1 / C 2 mit 7,2 % zu bewerten und bei einer Versteifung eine Verdreifachung des Prozentwertes anzunehmen ist. Aufgrund der Versteifung des Segments C 1 / C 2 und der Funktionsstörung im Segment C 0 / C 1 liegt im Fall der Klägerin alleine aufgrund der Verletzungen an der HWS nach diesem Prinzip eine MdE von 29,2 % und somit im Ergebnis von 30 v. H. vor (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. S. 443 f.).
Auch angesichts der bei Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O.) angegebenen Vergleichsfälle und unter Berücksichtigung der verbliebenen Beweglichkeit nach der Neutral-Null-Methode von 25/0/40 Grad für das Vorneigen/Rückneigen (normal: 35-70/0/35-45), 30/0/20 Grad für die Rotation rechts/links (normal: 60-80/0/60-80) sowie 25/0/20 Grad für die Seitneigung rechts/links (normal 45/0/45) erscheint dem Senat bei einer Gesamtwürdigung der verbliebenen Funktionseinschränkungen die Bewertung der MdE mit 30 v.H. entsprechend den vorliegenden Gutachten als angemessen und zutreffend.
Eine Erhöhung dieses Wertes aufgrund einer besondere Schmerzproblematik ist entsprechend den Ausführungen von Dr. S. und Dr. Sch. nur vorübergehend bis zum 27.03.2011 möglich. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die üblicherweise mit den bestimmten Verletzungsfolgen einhergehenden Schmerzen in den genannten MdE-Erfahrungswerten bereits mitberücksichtigt sind (Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. S. 216 ff., 221 ff.). Eine über dieses "übliche Maß" hinausgehende Schmerzhaftigkeit, welche eine höhere MdE-Bewertung stützen könnte, ist im Falle der Klägerin ab dem genannten Datum ausgeschlossen. Denn danach ist eine deutlich verminderte Schmerzsymptomatik festgestellt worden, die objektiv durch den festgestellten, deutlich geringeren Schmerzmittelverbrauch dokumentiert ist. Insoweit wird auf die umfangreichen Feststellungen von Dr. S. zu dieser Thematik Bezug genommen, der bei seiner Untersuchung einen neurologischen und psychiatrischen Normalbefund diagnostiziert hat. Auch der Gutachter Dr. Sch. schildert in seinem Gutachten eine deutliche Verbesserung der Schmerzsymptomatik, die er überzeugend auch aus seinen Beobachtungen während der selbst vorgenommenen Untersuchung der Klägerin ableitet. Nicht zuletzt auch aufgrund der Tatsache, dass die Klägerin seit Dezember 2008 wieder ohne besondere Probleme vollschichtig ihre frühere Arbeit verrichten kann und sich gemäß der von Dr. S. erhobenen Anamnese auch wieder sportlich betätigt, geht der Senat nicht vom Vorliegen einer außergewöhnlichen Schmerzsymptomatik aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist noch die Höhe einer Verletztenrente im Streit.
Die 1964 geborene Klägerin arbeitete als Empfangsdame im Universitätsklinikum T., als sie am 10.04.2007 - vermutlich in Folge eines Schwindelanfalles - während der Arbeitszeit kollabierte und zu Boden stürzte. Bei ihrem Sturz schlug sie mit dem Kopf auf einer Kante des Empfangstischs des Universitätsklinikums auf. Als Erstdiagnose wurde ein Bruch des ersten Halswirbelkörpers (HWK I) in Form einer vorderen und hinteren Bogenfraktur diagnostiziert, welcher in der BG-Klinik T. stationär behandelt wurde. Hierbei erfolgte am 13.04.2007 eine operative Stabilisierung mit Halofixateur. Am 08.01.2008 wurde im Universitätsklinikum T. eine transartikuläre Verschraubung der HWK I und II bei Jefferson-Fraktur nach Magerl vorgenommen.
Ab dem 01.12.2008 war die Klägerin wieder arbeitsfähig, und ab dem 03.12.2008 nahm sie wieder ihre vorherige Tätigkeit auf. Die Klägerin wies bereits bei der Wiederaufnahme ihrer Beschäftigung darauf hin, dass sie fast ständig Schmerzen empfinde, welche lediglich in ihrer Intensität schwankten.
Im ersten Rentengutachten des Prof. Dr. W. vom 05.02.2009 sind als wesentliche Unfallfolgen eine nahezu komplette Aufhebung der Rotation rechts/links der HWS nach dorsaler Stabilisierung C I und C II und nach vorrangegangener Atlasfraktur, eine deutliche Bewegungseinschränkung hinsichtlich Re- und Inklination sowie Seitneigung rechts/links der HWS, Myogelosen im Bereich der Nackenmuskulatur durch die Versteifung der oberen HWS sowie eine erklärbare Schmerzsymptomatik angegeben. Für die Zeit ab dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit sei eine dauerhaft unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vom Hundert (v.H.) anzunehmen.
Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 13.05.2009 Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 20 v.H. ab dem 01.12.2008. Als wesentliche Unfallfolgen wurden anerkannt: Nahezu komplette Aufhebung der Rotation rechts/links der HWS, deutlich Bewegungseinschränkungen hinsichtlich der Vor- und Rück-
wärtsneigung sowie Seitneigung der HWS, knotige/wulstförmige Verhärtungen im Bereich der Nackenmuskulatur durch die Versteifung der oberen HWS, ca. 10 cm lange reizlose Narbe entlang des Nackens, zwei ca. 1,5 cm lange reizlose Narben in Höhe des ersten Brustwirbelkörpers (BWK) längsverlaufend, ca. 15 cm lange reizlose Narbe im Bereich des linken Beckenkamms nach Becken-Spongiosa-Entnahme, steilgestellte HWS und Schmerzsymptomatik nach in leichter kyphotischer Knickbildung in Höhe HWK IV-V verheilter, mittels dorsal transartikulärer Verschreibung von C I und C II versorgter verschobener Trümmerfraktur des vorderen und hinteren Atlasbogens (Jefferson-Fraktur) mit regelrecht einliegenden Implantaten, folgenlos ausgeheilte Commotio cerebi. Außerdem wurde festgestellt, dass unabhängig von dem Unfall eine Lumboischialgie bestehe.
Die Klägerin begründete ihren Widerspruch gegen die Höhe der MdE damit, dass die Schädigung und ihre Auswirkungen individuell zu bemessen seien. Allein der vorliegende Wirbelsäulenschaden mit schweren funktionellen Auswirkungen sei mit einer MdE um 30 v. H. zu bemessen. Hinzu käme die durch die Versteifung eintretende Muskelschwäche, sowie die hieraus folgenden Schmerzen, Stimm- und Schluckstörungen und die Behinderung der Mundöffnung. Außerdem seien heftige Gesichtsneuralgien und über das übliche Begleitmaß der Verletzung hinausgehende Schmerzen zu berücksichtigen.
Die Klägerin legte mit ihrem Widerspruch eine mehrseitige Liste von Tätigkeiten sowie alltäglichen Verrichtungen und Freizeittätigkeiten vor, die sie aufgrund der Unfallfolgen nicht mehr verrichten könne und daher eingestellt habe (vom Gurgeln und Haareausschütteln über das Tangotanzen bis zum Bungeejumping und Fahren mit hart abgefederten Fahrzeugen - Renntourenwagen -). Außerdem legte sie eine 44-seitige Liste mit 2.515 in Deutschland ausgeübten Berufen vor, auf welcher sie 1.389 Berufe als von ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausübbar kennzeichnete.
In einem Schmerzgutachten vom 28.09.2009 führte Dr. M. aus, dass die Muskulatur der Klägerin normal kräftig ausgeprägt sei. Anhaltspunkte für eine isolierte oder generalisierte Atrophie großer oder kleiner Muskelgruppen hätten sich nicht feststellen lassen. Bei der Messung nach der Neutral-O-Methode hätten sich für die peripheren Gelenke keine wesentliche Abweichung vom normalen Bewegungsausmaß sowie auch keine weiteren klinischen Auffälligkeiten, welche über das fibromyalgietypische Beschwerdebild hinausgingen, gezeigt. Eine Druckschmerzsymptomatik sei im Bereich C 0 - C 4, links ausgeprägter als rechts, sowie im Bereich des Schulterblatts und des Muskulus trapezius sowie sternocostal beidseits, ebenso im Bereich der Kiefergelenke und der Bizepssehne (links ausgeprägter als rechts) festgestellt worden. Die formalen Kriterien einer Fibromyalgie seien wegen der lokal begrenzten Beschwerden nicht erfüllt. Es sei von einem regionalen Schmerzsyndrom im Bereich der HWS, Schulterblätter, Schultergelenke sowie im Bereich der Bizepssehne, der Kiefergelenke sowie der sternocostalen Übergänge beidseits und einem LWS-Schmerz auszugehen. Die festgestellte Schmerzsymptomatik sowie die Bewegungseinschränkungen der HWS seien hochwahrscheinlich als Unfallfolge anzusehen, was auch für die Chronifizierung des Schmerzes nach dem Unfallereignis gelte. Die Schmerzsymptomatik im Bereich der LWS demgegenüber sei weitgehend unfallunabhängig. Es bestehe eine ausgeprägte Bewegungseinschränkung sowie eine massive Schmerzsymptomatik. Unter Einbezug der direkten Folgen nach der Fraktur im Segment C 0 - C 1 unter entsprechender Versorgung gehe er von einer Gesamt-MdE um 30 v. H. aus.
Daraufhin gewährte die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 07.12.2009 der Klägerin ab dem 01.12.2008 die Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 30 v. H. und erkannte als weitere Unfallfolge ein regionales Schmerzsyndrom cervikothorakal an.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.2009 wurde anschließend der darüberhinausgehende Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klägerin hat am 15.01.2010 beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben und die Anerkennung weiterer Unfallfolgen und einer höheren Rente beantragt.
Aus dem Reha-Entlassungsbericht der Klinik A. in I.-N. vom 29.10.2010 über einen Aufenthalt der Klägerin vom 16.09. bis 28.10.2010 auf Veranlassung der Deutschen Rentenversicherung (DRV) geht hervor, dass dort bei der Klägerin eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, Anpassungsstörungen, ein cervikozephales Syndrom sowie eine Fraktur des 1. Halswirbels und eine Obstipation diagnostiziert worden sind.
Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. führte in seinem Gutachten vom 07.04.2011 unter anderem aus, dass die diagnostischen Kriterien einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung gemäß der ICD-10 nicht erfüllt seien. Stattdessen liege ein Schmerzsyndrom vor, dass durch den Unfall begründet sei und bei dem man nicht bereits deswegen von psychogenen Faktoren der Schmerzverursachung ausgehen dürfe, weil die psychosomatische Behandlung als hilfreich empfunden werde. Bei der Klägerin liege neurologisch ein unauffälliger Befund vor. Auch psychiatrisch sei bei der Begutachtung keine Störung von Krankheitswert zu diagnostizieren gewesen. Insbesondere bestehe keine Depression, auch nicht vom Ausmaß einer leichten depressiven Störung, sowie auch keine Anpassungsstörung oder anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Der emotionale Umgang der Klägerin mit ihren Unfallfolgen sei auch von ihrer Grundpersönlichkeit mitgeprägt, ein psychiatrische Krankheit sei dies nicht. Dass eine Verletzung auch eine gewisse Belastung darstelle, sei bereits bei der Bewertung der Verletzungen an sich mitberücksichtigt. Auch hätten sich die Schmerzen gegenüber dem Gutachten des Dr. M. zwischenzeitlich gebessert, die Notwendigkeit der Schmerzmitteleinnahme sei erfreulicherweise zurückgegangen. Bei der Begutachtung seien für alle in Frage kommenden Berufe eine voll ausreichende Aufmerksamkeit und ein voll ausreichendes Konzentrationsvermögen, des gesamten Denkablaufs, der Erinnerungsfähigkeit und der Merkfähigkeit festgestellt worden. Demnach sei die MdE-Bemessung allein auf chirurgischem Fachgebiet vorzunehmen.
Mit Schriftsatz vom 04.09.2011 machte die Klägerin Einwendungen gegen das Gutachten des Dr. S. geltend; dieser habe sie unsachgemäß behandelt und die Untersuchung im Beisein ihres Lebensgefährten verweigert. Insoweit sei das Gutachten des Dr. S. nicht verwertbar. Außerdem sehe ihre behandelnde Psychotherapeutin durchaus einen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Das SG beauftragte daraufhin den Unfallchirurgen und Orthopäden Dr. Sch. mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens. In dem Gutachten vom 15.09.2011 ist angegeben, dass als Unfallfolgen eine Versteifung des 1. und 2. Halswirbels, eine Inkongruenz und Funktionsstörung beider Kopfgelenke, deutliche Bewegungseinschränkungen der HWS, insbesondere für die Drehbewegung, einliegende Metallimplantate im Bereich des 1. und 2. Halswirbels ohne Lockerungszeichen, eine unvollständige knöcherne Heilung des hinteren Atlasbogens, ein Abkippen des vorderen Bogens des 1. Halswirbels nach unten mit Erweiterung des Abstandes zwischen dem Bogen des 1. Halswirbels und dem Knochenzahn des 2. Halswirbels, ein Knochenfragment zwischen der Masse des 1. Halswirbels rechts und dem Knochenzahn des 2. Halswirbels sowie Verhärtungen in der Nackenmuskulatur festzustellen seien. Aufgrund der Ausführungen des Dr. M. und der Berichte über die stationären Heilverfahren der Klägerin sei zudem von einer vorübergehenden außergewöhnlichen Schmerzsymptomatik auszugehen, welche mit Bezug auf die Ausführungen der Klägerin vom 30.06.2011 und das nervenärztliche Gutachten des Dr. S. vom 07.04.2011 aufgrund der Angaben zur Behandlung und Medikation inzwischen nicht mehr vorliege.
Die Versteifung des Bewegungssegments C 1/C 2 sei unstreitig und verhindere ca. 70 % der Kopfdrehung und der damit verbundenen Orientierung im Raum. Die von Dr. Sch. gemessene Beweglichkeit der HWS zeigte sich wie folgt (Normalwerte in Klammern): Vorneigen/Rückneigen 25/0/40 (35-70/0/35-45), Rotation rechts/links 30/0/20 (60-80/0/60-80), Seitneigung rechts/links 25/0/20 (45/0/45).
Die Auswertung des CT habe gezeigt, dass auch eine anatomische Wiederherstellung im Bewegungssegment C 0/C 1 nicht erreicht werde, wobei indes von einer Hypermobilität auszugehen sei. Weiter sei festzuhalten, dass Unfallfolgen auf dem Fachgebiet der Augenheilkunde, der HNO-Kunde und dem Fachgebiet der Mund-Kiefer- und Gesichtschirurgie nicht festgestellt worden seien. Für die Einschätzung der MdE sei wesentlich, dass die Funktion der HWS deutlich gestört, aber nicht aufgehoben sei. Die in Schönberger/Mertens/Valentin vertretene Beurteilung nach der Beteiligung von Bandscheiben und der Stabilität führe nicht zu einer angemessenen Bewertung der MdE, da Bandscheiben im Bereich der oberen HWS nicht vorhanden seien. Deswegen sei der Beurteilung nach dem Segment-Prinzip nach Weber und Wimmer in diesem Bereich der Vorzug zu geben. Die Versteifung im Segment C 1/C 2 führe zu einer MdE um 20 v. H ... Die Funktionsstörung im Bereich C 0/C 1 müsse mit dem einfachen Höchstwert von 7,8 % berücksichtigt werden, was insgesamt zu einer MdE um 30 v. H. auf Dauer führe. Unter Berücksichtigung der vorübergehend bestehenden besonderen Schmerzproblematik werde damit eine MdE um 40 v. H. vom 01.12.2008 bis zum 27.03.2011 und danach eine MdE um 30 v. H. vorgeschlagen.
In einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 23.01.2012 bekräftigte der Gutachter Dr. Sch. diese MdE-Einschätzung unter Verweis auf Fundstellen in der Literatur.
Mit Bescheid vom 14.02.2012 setzte die Beklagte die Rente mit Wirkung vom 01.03.2012 auf eine MdE von 20 v. H. herab und stützte sich insoweit auf die Gutachten des Dr. S. und des Dr. Sch ...
Mit Schreiben vom 07.03.2012 unterbreitete die Beklagte ein Vergleichsangebot (Verletztenrente vom 01.12.2008 bis 29.02.2012 nach einer MdE um 40 v. H., danach nach einer MdE um 30 v. H. bis auf weiteres), welches die Klägerin nicht annahm.
Mit Urteil vom 18.04.2012 hat das SG den Bescheid vom 13.05.2009, den Bescheid vom 07.12.2009 und den Widerspruchsbescheid vom 15.12.2009 in der Fassung des Bescheids vom 14.02.2012 abgeändert. Das SG hat die Beklagte unter zusätzlicher Anerkennung weiterer Unfallfolgen in Form der Inkongruenz und Funktionsstörung beider Kopfgelenke, der Abkippung des vorderen Bogens des 1. Halswirbels nach unten mit Erweiterung des Abstandes zwischen dem Bogen des 1. Halswirbels und dem Knochenzahn des 2. Halswirbels sowie des Knochenfragments zwischen der Masse des 1. Halswirbels rechts und dem Knochenzahn des 2. Halswirbels mit Einschränkung in Funktion und Beweglichkeit mit leichter kyphotischer Knickbildung in Höhe des HWK IV - V verheilter, mittels dorsaler transartikulärer Verschraubung von C 1 und C 2 versorgter verschobener Trümmerfraktur des vorderen und hinteren Atlasbogens (Jefferson-Fraktur) mit unvollständiger knöchernen Heilung des hinteren Atlasbogens bei regelrecht einliegenden Implantaten verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 01.12.2008 bis 27.03.2011 eine Rente nach einer MdE um 40 v. H. und für die Zeit ab dem 28.03.2011 bis auf weiteres eine Rente nach einer MdE um 30 v. H. zu gewähren. Im übrigen hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seines Urteils stützte sich das SG auf die im Klageverfahren eingeholten Gutachten des Dr. S. und des Dr. Sch ... Das Gutachten des Dr. S. sei entgegen der Auffassung der Klägerin verwertbar, da zum einen die Klägerin die Anwesenheit ihres Lebensgefährten als Beistand bei der Begutachtung nicht beantragt habe und zum anderen insbesondere im Rahmen der psychiatrischen Begutachtung nicht auszuschließen gewesen sei, dass das Ergebnis durch die anwesende Begleitperson beeinträchtigt werde (mit Hinweis auf LSG Berlin-Brandenburg vom 17.02.2010 - L 31 R 1291/09 B -). Nach den übereinstimmenden und überzeugenden Ausführungen der Gutachter habe bei der Klägerin lediglich vorübergehend ein Schmerzsyndrom vorgelegen, welches zum Zeitpunkt der Begutachtung am 28.03.2011 nicht mehr bestanden habe. Auch seien nach dem Gutachten des Dr. S. keine Anhaltspunkte für eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) anzunehmen. Das von der Klägerin angeführte Schädel-Hirntrauma mit Verletzung der Blut-Hirnschranke könne nicht als Unfallfolge anerkannt werden, da es nicht im Vollbeweis gesichert sei. Auch Gesundheitsbeeinträchtigungen im Bereich von Kiefer, Auge und Brustkorb seien nach dem Gutachten von Dr. Sch. nicht mehr feststellbar gewesen. Die von den Gutachtern zutreffend festgestellten Unfallfolgen rechtfertigten nach deren Ausführung eine höhere Rente nach einer MdE um 40 v. H. lediglich bis zum 27.03.2011, da ab diesem Zeitpunkt das besondere Schmerzsymptom nicht mehr vorgelegen habe. Darüber hinaus sei von dem Grundsatz auszugehen, dass auch bei Berücksichtigung der individuellen Umstände des Einzelfalls die üblicherweise mit bestimmten Funktionsbeeinträchtigungen verbundenen Schmerzen in den MdE-Werten enthalten seien. Die nach dem 28.03.2011 bestehende MdE von lediglich 30 v. H. ergebe sich aus der zutreffend beurteilten, für die Verletzung der Klägerin im Vordergrund stehenden eingeschränkten Wirbelsäulenfunktionen, wobei Dr. Sch. in überzeugender Weise auf das Segment-Prinzip nach Weber und Wimmer verwiesen habe (mit Hinweis auf Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 441 ff., 444).
Die Beklagte hat im Anschluss an die Verkündung des Urteils und Zustellung der Sitzungsniederschrift an die Beteiligten mit Schriftsatz vom 07.05.2012 auf die Einlegung von Rechtsmitteln verzichtet. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 08.05.2012, eingegangen beim SG am 11.05.2012, Berufung eingelegt. Das Urteil ist der Klägerin anschließend am 11.07.2012 per Postzustellungsurkunde (PZU) zugestellt worden.
Die Klägerin bezieht sich auf ihren bisherigen Vortrag und vertritt insbesondere die Auffassung, dass aufgrund ihrer Schmerzproblematik eine höhere MdE-Bewertung zu erfolgen habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18.04.2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.05.2009, den Bescheid vom 07.12.2009 und den Widerspruchsbescheid vom 15.12.2009 abzuändern, und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 14.02.2012 zu verurteilen, aufgrund des Unfalls vom 18.04.2007 eine höhere Verletztenrente ab dem 01.12.2008 im gesetzlichen Umfang zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten sowie die Akten des SG und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist nicht begründet. Insbesondere ist auch die einmonatige Berufungsfrist des § 151 Abs. 1 SGG gewahrt, denn die Einlegung der Berufung ist bereits - wie vorliegend geschehen - vor der Zustellung und dem Lauf dieser Frist zulässig, wenn das Urteil den Beteiligten jedenfalls verkündet worden ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 151 Rn. 7).
Nach § 26 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte Anspruch auf Entschädigungsleistungen u. a. in Form von Heilbehandlung (§ 27 SGB VII) oder Geldleistungen (Verletztengeld § 45 SGB VII und Rente § 56 SGB VII ). Insbesondere nach § 56 Abs. 1 SGB VII erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, eine Rente. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente; die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern, § 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VII.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 SGB VII). Erforderlich ist, dass sowohl ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden besteht. Diese so genannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Für beide Bereiche der Kausalität gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der - überwiegenden - Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R - , SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die BK-Folgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urteil vom 26.06.1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urteil vom 19.12.2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Folgen des Unfalls beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22.08.1989 - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.
Entsprechend den überzeugenden Ausführungen des SG in dem angegriffenen Urteil vom 18.04.2012 rechtfertigen die verbliebenen Folgen des Unfalls vom 10.04.2007 nicht die Gewährung einer Verletztenrente in einem höheren Umfang, als das SG dies in der angegriffenen Entscheidung festgestellt hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und ausführlichen Entscheidungsgründe in dem angegriffenen Urteil des SG Bezug genommen, denen der Senat sich nach eigener Prüfung ausdrücklich anschließt.
Das SG hat zunächst zutreffend festgestellt, dass von der Klägerin keine ausreichenden Gründe dafür vorgebracht worden sind, das Gutachten des Dr. S. nicht zu berücksichtigen. Solche Gründe sind auch unabhängig vom Vortrag der Klägerin nicht aus den Akten ersichtlich. Zutreffend hat das SG darüber hinaus festgestellt, dass nach den im Wesentlichen übereinstimmenden Ausführungen der Gutachter Dr. Sch. und Dr. S. lediglich im vom SG tenorierten Umfang weitere Unfallfolgen anzuerkennen und eine Verletztenrente zu gewähren war.
Die Beklagte hat mit den angegriffenen Bescheiden in der Fassung des Tenors des SG die von den Gutachtern Prof. Dr. W., Dr. M., Dr. S. und Dr. Sch. festgestellten Unfallfolgen im vollen Umfang anerkannt. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass weitere bisher unberücksichtigte Unfallfolgen vorliegen, sind nicht ersichtlich. Da die formalen Kriterien einer Fibromyalgie, einer somatoformen Schmerzstörung und einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht erfüllt sind, waren diese Erkrankungen entsprechend den Ausführungen des Dr. S. und des Dr. Sch. nicht als Unfallfolgen anzuerkennen.
Die Bewertung der durch die Unfallfolgen verursachten MdE ist von den Gutachtern in sehr sorgfältiger und differenzierter Weise vorgenommen worden, wobei die MdE-Bewertung aufgrund allgemein anerkannter Grundsätze und unter Angabe einschlägiger Fundstellen aus der unfallmedizinischen Literatur erfolgt ist. Zutreffend hat insoweit der Gutachter Dr. Sch. in dem Gutachten vom 15.09.2011 unter Berücksichtigung der konkret vorliegenden Schmerzsymptomatik dargelegt, dass die MdE-Bewertung nach den Bewertungskriterien Bandscheibenbeteiligung und Instabilität (etwa in Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 442) im Falle der Klägerin keine angemessene Grundlage darstellt, weil beim Menschen zwischen dem Schädel und dem ersten Halswirbel (Atlas) sowie zwischen dem ersten und zweiten Halswirbel (Axis) - also gerade in dem Bereich, in dem die Verletzungen der Klägerin erfolgt sind - keine Bandscheiben vorliegen. Dennoch kann festgehalten werden, dass nach diesem Modell eine maximale Schädigung eines Wirbelkörpers mit Bandscheibenbruch allenfalls zu einer MdE um 30 v.H. führen kann (Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O.).
Daher ist dem von Dr. Sch. herangezogenen Segment-Prinzip nach Weber/Wimmer der Vorrang zu geben, wonach das Segment C 0 / C 1 mit 7,8 % und das Segment C 1 / C 2 mit 7,2 % zu bewerten und bei einer Versteifung eine Verdreifachung des Prozentwertes anzunehmen ist. Aufgrund der Versteifung des Segments C 1 / C 2 und der Funktionsstörung im Segment C 0 / C 1 liegt im Fall der Klägerin alleine aufgrund der Verletzungen an der HWS nach diesem Prinzip eine MdE von 29,2 % und somit im Ergebnis von 30 v. H. vor (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. S. 443 f.).
Auch angesichts der bei Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O.) angegebenen Vergleichsfälle und unter Berücksichtigung der verbliebenen Beweglichkeit nach der Neutral-Null-Methode von 25/0/40 Grad für das Vorneigen/Rückneigen (normal: 35-70/0/35-45), 30/0/20 Grad für die Rotation rechts/links (normal: 60-80/0/60-80) sowie 25/0/20 Grad für die Seitneigung rechts/links (normal 45/0/45) erscheint dem Senat bei einer Gesamtwürdigung der verbliebenen Funktionseinschränkungen die Bewertung der MdE mit 30 v.H. entsprechend den vorliegenden Gutachten als angemessen und zutreffend.
Eine Erhöhung dieses Wertes aufgrund einer besondere Schmerzproblematik ist entsprechend den Ausführungen von Dr. S. und Dr. Sch. nur vorübergehend bis zum 27.03.2011 möglich. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die üblicherweise mit den bestimmten Verletzungsfolgen einhergehenden Schmerzen in den genannten MdE-Erfahrungswerten bereits mitberücksichtigt sind (Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. S. 216 ff., 221 ff.). Eine über dieses "übliche Maß" hinausgehende Schmerzhaftigkeit, welche eine höhere MdE-Bewertung stützen könnte, ist im Falle der Klägerin ab dem genannten Datum ausgeschlossen. Denn danach ist eine deutlich verminderte Schmerzsymptomatik festgestellt worden, die objektiv durch den festgestellten, deutlich geringeren Schmerzmittelverbrauch dokumentiert ist. Insoweit wird auf die umfangreichen Feststellungen von Dr. S. zu dieser Thematik Bezug genommen, der bei seiner Untersuchung einen neurologischen und psychiatrischen Normalbefund diagnostiziert hat. Auch der Gutachter Dr. Sch. schildert in seinem Gutachten eine deutliche Verbesserung der Schmerzsymptomatik, die er überzeugend auch aus seinen Beobachtungen während der selbst vorgenommenen Untersuchung der Klägerin ableitet. Nicht zuletzt auch aufgrund der Tatsache, dass die Klägerin seit Dezember 2008 wieder ohne besondere Probleme vollschichtig ihre frühere Arbeit verrichten kann und sich gemäß der von Dr. S. erhobenen Anamnese auch wieder sportlich betätigt, geht der Senat nicht vom Vorliegen einer außergewöhnlichen Schmerzsymptomatik aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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