Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 2354/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 1910/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 22. März 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung seiner Atemwegserkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 4301 oder Nr. 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der 1955 geborene Kläger absolvierte vom 01.09.1970 bis zum 31.07.1973 eine Ausbildung zum Buchdrucker. Nach deren Abschluss begann er eine Lehre zum Reprofotograf, welche er abbrach. Seit dem 16.05.1978 arbeitete er als Offsetdrucker, zuletzt seit Februar 1987 bei der Firma H. S. GmbH (Erklärung vom 03.11.2005, Bl. 16 ff. Verwaltungsakte der Beklagten - VA).
Im Rahmen einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme auf Kosten der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg in der Klinik Ü. (Entlassungsbericht vom 24.04.2003, Bl. 31 ff. VA) klagte der Kläger über zunehmende Infektanfälligkeit, insbesondere Nasennebenhöhlenentzündungen, welche er auf berufliche Exposition gegenüber Farbdämpfen zurückführte. Aufgrund von Stress im Beruf bestünden Stimmungslabilitäten, zeitweise auch stärkere Niedergeschlagenheit. Am 21.07.2003 berichtete der ihn behandelnde Internist und Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. S. (Bl. 41 VA) von einer acht Wochen zuvor erstmals aufgetretenen protrahierten Hustensymptomatik und in der Folgezeit zunehmender Atemnot bei körperlicher Belastung mit thorakalem Engegefühl. Der Kläger sei seit einem Jahr Nichtraucher. Dr. S. stellte die Diagnose eines Asthma bronchiale, zudem sei ein positiver IgE-Nachweis gegenüber Milben gelungen. Der Kläger war vom 18.07.2003 bis 23.07.2003, vom 22.02.2005 bis 25.02.2005 unter der Diagnose Asthma bronchiale arbeitsunfähig erkrankt (vgl. Mitteilung der AOK S. vom 04.11.2005, Bl. 14 VA).
Wegen Atemwegsbeschwerden war der Kläger seit dem 27.09.2005 wiederum arbeitsunfähig krank. Dr. N., Lungenfachklinik W., teilte in seinem Bericht vom 04.10.2005 (Bl. 2 VA) die Diagnose einer mittelgradigen bronchialen Hyperreagibilität (ohne bestehende Obstruktion) bei primär allergischer Diathese mit. Der Kläger habe Beschwerden (Nasenlaufen, Atemnot), wenn er mit dem Druckbestäubungspuder L 3 arbeite. Ein am 10.10.2005 durchgeführter Provokationstest mit dem Druckbestäubungspuder L 3 nach Schütteln des Puders für die Dauer von 30 Minuten (vgl. Bericht vom 17.10.2005, Bl. 10 VA, sowie ergänzendes Schreiben vom 16.02.2006, Bl. 108 VA) ergab eine deutliche klinische rhinokonjunktivale Symptomatik (starkes Nasenlaufen, mäßig behinderte Nasenatmung, vgl. Bl. 7, 10f. VA).
Die Beklagte zog Unterlagen der behandelnden Ärzte bei. Der HNO-Arzt Dr. S. teilte unter dem 19.12.2005 (Bl 52 VA) mit, im Februar 2004 habe der Kläger berichtet, seit ca. einem halben Jahr an Atembeschwerden zu leiden. Er habe seit einem viertel Jahr eine Geruchsstörung, wässriges Nasenlaufen und ein brennendes Gefühl im Bereich der Nase. Der Hausarzt Dr. S. berichtete unter dem 02.03.2006, die pulmonalen Beschwerden seien nach Fernbleiben vom Arbeitsplatz gut kompensiert (keine Beschwerden).
Der Präventionsdienst (PD) der Beklagten führte am 24.01.2006 in Anwesenheit des Klägers eine Begehung des Arbeitsplatzes bei der Firma H. S. GmbH durch. Bei dem Druckbestäubungspuder L 3 handele es sich hiernach um ein Zuckerderivat. Ausweislich des vom PD dem Bericht beigefügten Sicherheitsdatenblatts 91/155/EWG (Druckdatum 07.10.1997) könne der Druckbestäubungspuder L 3 bei der Herstellung von Verpackungseinheiten für Lebensmittel unbedenklich eingesetzt werden; bei hoher Staubkonzentration werde eine Staubmaske empfohlen. Der betriebliche Gesamtverbrauch des Pulvers durch die Firma H. S. GmbH habe ca. einen Beutel (1 kg) für 6 bis 8 Wochen betragen. Eine auffällige Verstaubung des Arbeitsbereiches des Klägers (insbesondere mit Druckbestäubungspuder) habe nicht festgestellt werden können. Eine Überschreitung von Staubgrenzwerten erscheine unwahrscH.ich. Absaugungen an den Druckmaschinen existierten nicht. Atemschutzmasken seien nicht notwendig. Belastungen durch Lösemittel, Isopropylalkohol sowie pflanzlichen oder tierischen Allergenen sei nicht festzustellen. Der Kläger sei nach eigenen Angaben seit 1998 Nichtraucher; davor habe er gelegentlich (am Abend, am Wochenende) geraucht.
Dr. W., niedergelasser Lungenarzt in Biberach, erstattete am 15.05.2006 für die Beklagte ein Gutachten. In der Provokationstestung mit dem Druckbestäubungspuder L 3 ergab sich dort eine positive Reaktion (signifikanter Abfall von FEV1 von 3,95 auf 3,4 und Verdoppelung des spezifischen Atemwegswiderstands mit Anstieg des Residualvolumens um knapp 30 %), allerdings wurden keine Funktionseinschränkungen festgestellt. Der Kläger habe nochmals angegeben, dass nur gegen L 3 eine relevante Exposition am Arbeitsplatz bestehe. Dr. W. diagnostizierte eine primär allergisch gebahnte obstruktive Atemwegserkrankung in der Form eines gemischtförmigen Asthma bronchiale. Da die Atemwegsbeschwerden nach Angaben des Klägers während der Arbeit aufgetreten seien, liege eine wesentliche Mitverursachung der obstruktiven Atemwegserkrankung durch eine berufsbedingte Atemwegsbelastung vor. Er könne nicht abschätzen, ob ein individueller Atemwegschutz (durch Atemschutzmaske oder -helm) möglich sei. Sofern dies nicht der Fall sei, bestehe ein Zwang zur Unterlassung von Tätigkeiten, welche für die Entstehung, die Verschlimmerung und das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich gewesen seien oder hätten ursächlich sein können. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte er auf 20 v.H. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 16.06.2006 (Bl. 158 VA) beschrieb Dr. W. die Bedingungen des Provokationstests. Der Kläger habe 30 Minuten lang über einer geöffneten Plastiktüte mit Druckbestäubungspuder vertieft geatmet bzw. geschnüffelt.
Im Mai und Juni 2006 hielt sich der Kläger bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit auf Kosten der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg in der Luisenklinik B. D., Zentrum für Verhaltensmedizin, auf. Ausweislich des Reha-Entlassungsberichts vom 13.06.2006 habe sich seit einem Wechsel des Chefs die Arbeitsatmosphäre dramatisch verschlechtert. Sein Chef habe ihm mitgeteilt, er könne ihn nicht mehr brauchen.
Auf eine ergänzende Anfrage teilte der PD unter dem 12.07.2006 mit, der Druckbestäubungspuder L3 enthalte neben Laktose als Hauptbestandteil geringe Mengen eines anorganischen Fließmittelzusatzes sowie geringe Spuren (Verunreinigungen) von Mais- und Weizenstärke. Nach Auskunft der Firma Heinz Schönebeck GmbH sei der Austausch des Druckbestäubungspuders L 3 gegen einen Druckbestäubungspuder aus Calciumcarbonat jederzeit möglich. Dies sei dem Kläger in der Vergangenheit auch angeboten worden. Auch sei der Einsatz von Feinstaubmasken während der kurzen Zeit, in welcher der Druckbestäubungspuder eingefüllt werde, möglich.
Der Beratungsarzt Dr. R. äußerte sich mit Stellungnahme vom 24.08.2006 kritisch zum Gutachten von Dr. W ... Der Allergietest auf den Druckbestäubungspuder L 3 sei nicht eindeutig positiv gewesen ("fraglich"). Nachgewiesen seien hingegen Reaktionen auf berufsfremde Kausalfaktoren. So bestünden beim Kläger als Folge jahrelanger rezidivierender Atemwegsinfekte ein hyperreagibles Bronchialsystem und eine Staubmilbenallergie. Eine Obstruktion habe in der Fachklinik Wangen ausgeschlossen werden können. Die asthmatische Beschwerdesymptomatik sei berufsfremd und resultiere aus der mit stark positiven Allergietests gesicherten Milbenallergie. Eine Berufskrankheit nach Nr. 4301 oder Nr. 4302 sei nicht wahrscH.ich. Die am Arbeitsplatz aufgetretenen Beschwerden seien Folge einer berufsfremd aufgetretenen Bronchialempfindlichkeit (Gelegenheitsursache).
Am 04.10.2006 nahm der Kläger nach Beendigung seiner Arbeitsunfähigkeit die berufliche Tätigkeit wieder auf. Obwohl der Druckbestäubungspuder L 3 an seiner Druckmaschine gegen den Druckbestäubungspuder K 4 (Calciumcarbonat) ausgetauscht wurde und er am Arbeitsplatz Feinstaubmasken trug (vgl. Schreiben des Klägers vom 22.11.2006, Bl. 202 VA), kam es nach seinen Angaben wieder zu Atembeschwerden. Der Kläger stellte sich am 19.10.2006 bei seinem Hausarzt Dr. G. vor, der Arbeitsunfähigkeit feststellte. Nach dem Bericht des Lungenarztes Dr. W., bei dem sich der Kläger am 06.11.2006 vorstellte (Bl. 200 VA), war der Untersuchungsbefund unauffällig. Nachdem der erneute Arbeitsversuch wieder zu starken Atemwegsbeschwerden geführt habe, sehe sich der Kläger nicht in der Lage, weiter zu arbeiten.
Der Kläger gab selbst mit Schreiben vom 22.11.2006 (Bl. 202 VA) gegenüber der Beklagten an, ab dem 04.10.2006 die Arbeit wieder aufgenommen zu haben. Sein Arbeitgeber habe ihm am ersten Abend mitgeteilt, ihn künftig an der Einfarben-Druckmaschine und Papierschneidemaschine einzusetzen und dafür 2,00 EUR weniger pro Stunde zu bezahlen. Außerdem könne er ihn bei diesen Tätigkeiten keinesfalls in Vollzeit beschäftigen. Dieses Angebot sei für ihn derart provozierend gewesen, dass er dagegen das Arbeitsgericht angerufen habe. Im Laufe der 42. Woche 2006 seien Atemnot und Hustenreiz wieder aufgetreten. Am 17.10. und 18.10. habe der Kläger nur an der Papierschneidemaschine gearbeitet. Die Beschwerden seien so massiv geworden, dass er seit dem 19.10.2006 wieder den Arzt aufgesucht habe und sich seither im Krankenstand befinde.
Von Seiten des Arbeitgebers kam es nachfolgend zu einer krankheitsbedingten Kündigung (vgl. Kündigungsschreiben v. 13.12.2006, Bl. 227 VA), später wurde der Kläger berentet (Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 01.03.2007). In einem Schreiben vom 29.05.2007 (Bl. 284 VA) teilte der Arbeitgeber mit, möglicherweise sei der Druckbestäubungspuder L 3 an anderen Druckmaschinen als derjenigen des Klägers zur Anwendung gelangt, so dass eine Exposition hiergegen nicht vollständig auszuschließen sei. Ihm seien während der Anwesenheit des Klägers keine Beschwerden aufgefallen.
Die Beklagte veranlasste eine weitere Begutachtung durch Dr. H. Internist und Lungenarzt in Kempten. Nach dem Gutachten vom 07.05.2007 war die Provokationstestung gegen den Druckbestäubungspuder L 3 positiv, jedoch ohne Nachweis einer gleichzeitigen Reaktion in den oberen Atemwegen. Da der Kläger auf Milchzucker nicht reagiert habe, könne die Reaktion nur durch den anorganischen Fließmittelzusatz oder die geringen Spuren an Mais- und Weizenstärke erklärt werden. Offensichtlich reagiere der Kläger auf diese Zusätze bzw. Verunreinigungen. Ein allergischer Mechanismus erscheine dabei wenig wahrscH.ich. Es scheine sich um einen chemisch-irritativen Vorgang zu handeln. Eine weitergehende Klärung der zu Grunde liegenden Mechanismen bedürfe einer wissenschaftlichen Analyse und das sei im Rahmen einer internistisch-pneumologischen Begutachtung nicht möglich. Er nahm eine Berufskrankheit nach Nr. 4302 an, den Grad der MdE schätzte er mit 10 v.H. ein. Nach einer daraufhin von der Beklagten eingeholten Stellungnahme des PD vom 29.06.2007 (Bl. 285 VA) seien die organischen Fließmittelzusätze (üblicherweise Siliciumdioxid) sowie Mais- oder Weizenstärke nicht chemisch-irritativ oder toxisch. Gleiches gelte für den Hauptbestandteil des Druckbestäubungspuders L 3, die Laktose. Dr. H. blieb jedoch in seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 25.07.2007 (Bl. 289 VA) bei seiner Ansicht.
Die Beklagte sah Anlass für ein weiteres Gutachten, das der Lungenarzt R., Zusamklinik Z., am 01.04.2008 (Bl. 332 ff.) erstattete. Ein Provokationstest gegen den Druckbestäubungspuder K 4 verlief dort negativ. Reaktionen fanden sich bei der Provokation mit dem Druckbestäubungspuder L 3, jedoch auch bei der Provokation mit Kälte. Der Lungenarzt R. führte hierzu aus, beim Kläger bestehe ein Asthma bronchiale vom Mischtyp, das die bei der Arbeit auftretenden Beschwerden erkläre. Eine durch allergisierende Stoffe verursachte (spezifische) obstruktive Atemwegserkrankung als Voraussetzung einer Berufskrankheit nach Nr. 4301 sei nicht festzustellen. Zudem sei keine Substanz in den am Arbeitsplatz des Klägers verwendeten Konzentrationen geeignet gewesen, eine chemisch-irritativ oder toxisch verursachte obstruktive Atemwegserkrankung im Sinne einer BK 4302 auszulösen.
Mit Bescheid vom 27.05.2008 (Bl. 369 VA) lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4301 oder Nr. 4302 ab. Ansprüche auf Leistungen bestünden nicht. Am Arbeitsplatz des Klägers sei dieser keiner Einwirkung von allergisierenden bzw. chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Stoffen ausgesetzt gewesen.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Er verwies auf ein Attest von Dr. G., wonach die asthmatischen Beschwerden nach längerer Exposition am Arbeitsplatz zunehmen würden, während er bei einem Fernbleiben vom Arbeitsplatz beschwerdefrei sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Der Kläger hat am 6. August 2008 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben und die Auffassung vertreten, es liege ein Zusammenhang zwischen seiner Atemwegserkrankung und der Einwirkung von Berufsstoffen vor.
Die Beklagte hat auf die angefochtenen Bescheide verwiesen.
Dr. S., Chefarzt der Lungenklinik St. B., hat für das SG am 3. März 2009 ein Gutachten erstattet. Bei drei Untersuchungen nach bronchialen Provokationen mit dem Druckbestäubungspuder L 3 (16.01.2009, 19.01.2009 und 20.01.2009) ist es zu zunehmenden Reaktionen gekommen. Am Abend des 20.01.2009 nach der letzten Provokation ist ein klinischer Asthmaanfall mit schwergradiger respiratorischer Insuffizienz bei alveolärer Hyperventilation aufgetreten. Dr. S. hat ein Asthma bronchiale vom Mischtypus auf dem Boden einer allergischen Diathese diagnostiziert, das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 4302 bejaht und die MdE dafür auf 20 v.H. geschätzt.
Nachdem die Beklagte Einwendungen gegen das Gutachten erhoben hatte, hat Dr. S. ergänzend Stellung genommen. Er gehe von einer chemisch-irritativen Komponente des Druckbestäubungspuders L 3 aus. Wie Dr. H. empfehle er eine chemische Analyse. Der Asthmaanfall sei eine Spätreaktion des kumulativen Effektes aller durchgeführten spezifischen Provokationen. Ob die Gefahr der Entstehung bzw. Verschlimmerung einer Berufskrankheit auch bei einer ausschließlichen Verwendung des Druckbestäubungspuders K 4 im gesamten Betrieb bestanden habe, könne er ohne eine Testung des Druckbestäubungspuders K 4 nicht beantworten.
Die Beklagte hat daraufhin eine Stellungnahme von Prof. Dr. S., Institut für arbeits- und sozialmedizinische Allergiediagnostik B. S., vorgelegt. Dieser hat unter dem 20.10.2009 (Bl. 124 SG-Akte) die Auffassung vertreten, die von Dr. S. durchgeführten Untersuchungen seien nicht geeignet gewesen, einen Ursachenzusammenhang aufzuzeigen. Hierzu hat sich Dr. S. wiederum geäußert (ergänzende Stellungnahme vom 04.02.2010, Bl. 138 ff. SG-Akte).
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22.03.2010 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es fehle bereits an einer nachvollziehbaren Begründung, warum Dr. S. den Asthmaanfall als Spätreaktion auf die Provokation mit dem Druckbestäubungspuder L 3 gewertet habe. Die Atemwegsbeschwerden des Klägers seien wesentlich auf außerberufliche Ursachen zurückzuführen. Beim Kläger nachgewiesen seien außerberufliche Allergene (Hausstauballergie). Auch Dr. S. habe in seiner zweiten Stellungnahme klargestellt, dass das Asthma bronchiale nicht durch die berufliche Belastung mit dem Druckbestäubungspuder L 3 entstanden, sondern bereits zuvor vorhanden gewesen sei. Darüber hinaus hat das SG eine physikalische Reizung durch den Druckbestäubungspuder L 3 nicht als ausreichend für die Anerkennung einer Berufskrankheit erachtet; zu fordern sei eine allergische oder toxische Reaktion. Schließlich sei der Kläger nicht zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen gewesen, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder hätten sein können. Nach Auskunft des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers sei ein Austausch des Druckbestäubungspuders L 3 gegen Produkte, auf welche der Kläger bislang nicht reagiert habe, möglich.
Gegen das ihm am 26.03.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.04.2010 Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, das SG hätte eine chemische Analyse des Druckbestäubungspuders L 3 durchführen müssen, nachdem der verwendete Fließmittelzusatz unbekannt sei und daher auch seitens des SG nicht habe beurteilt werden können, ob eine chemisch-irritative Wirkung in Betracht komme oder nicht. Mit Dr. H. sei somit davon auszugehen, dass das beim Kläger vorliegende Asthma bronchiale durch chemisch-irritativ wirkende Stoffe verursacht worden sei. Die Arbeitsaufgabe sei entgegen der Auffassung des SG nicht infolge in Konflikten zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber erfolgt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 22. März 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2008 aufzuheben und festzustellen, dass seine Atemwegserkrankung eine Berufskrankheit nach Nr. 4301 oder 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend. Der Druckbestäubungspuder L 3 sei gesundheitlich unbedenklich und weise weder Gefahrensymbole noch Gefahrenbezeichnungen aus. Der PD habe ausdrücklich bestätigt, dass der Hauptbestandteil sowie die in nicht deklarationspflichtigen Mengen enthaltenen Zusätze bzw. Verunreinigungen keine chemisch-irritative oder toxische Wirkung hätten. Ermittlungen ins Blaue hinein seien nicht veranlasst. Darüber hinaus habe kein Unterlassungszwang bestanden, nachdem ein Austausch gegen den Druckbestäubungspuder K 4 möglich gewesen sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Zwar ist die erhobene kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind hiernach nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellungen von Berufskrankheiten nach Nr. 4301 oder 4302 der Anlage 1 zur BKV.
Rechtsgrundlage im vorliegenden Fall sind die Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII), denn die vorliegend streitbefangene Atemwegserkrankung hat sich laut den eigenen Angaben des Klägers (Erklärung vom 03.11.2005, Bl. 16 ff. VA) erstmals im Jahr 2003 bemerkbar gemacht; seine Tätigkeit als Offsetdrucker hat er endgültig am 18.10.2006 aufgegeben. Ein potentieller Versicherungs- wie auch Leistungsfall liegt damit zeitlich nach dem Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 (Art 36 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes, § 212 SGB VII), weshalb dessen Vorschriften Anwendung finden.
Eine Berufskrankheit gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII i.V.m. den Vorschriften der Berufskrankheitenverordnung besteht nicht. Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit der Nummern 4301 und 4302 der Anlage 1 zur BKV sind nicht erfüllt.
Berufskrankheiten (BKen) sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz, SGB VII); sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen.
Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen Listen-BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender WahrscH.ichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende WahrscH.ichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteile vom 27.06.2006 - B 2 U 20/04 R - SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscH.ich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a.a.O.).
Die BK Nr. 4301 der Anlage 1 der BKV setzt voraus: "Durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können."
Die BK Nr. 4302 verlangt: "Durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können."
Gemessen hieran hat der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Atemwegserkrankung als BK. Der Senat schließt sich zunächst nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren den zutreffenden Ausführungen im Urteil des SG an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer Darstellung der Entscheidungsgründe zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Ergänzend wird – auch im Hinblick auf das Vorbringen im Berufungsverfahren – Folgendes ausgeführt:
1.) BK 4301: Es fehlt bereits an einem für die Anerkennung als BK 4301 erforderlichen Nachweis einer allergisierenden Wirkung des Druckbestäubungspuders L 3 im Falle des Klägers. Beim Kläger besteht, wovon der Senat gestützt auf das Gutachten des Dr. S. vom 03.03.2009 und die als qualifizierter Beteiligtenvortrag verwertete Stellungnahme des die Beklagte beratenden Arztes Prof. Dr. S. vom 20.10.2009 überzeugt ist, ein Asthma bronchiale, welches sich mit hoher WahrscH.ichkeit aus einer Hausstaub- und Vorratsmilbenallergie als wesentliche Ursache entwickelt hat. Auch Dr. W., dessen Gutachten der Senat im Urkundsbeweis verwertet hat, ist von einer primär allergisch gebahnten Erkrankung bei relevanter Sensibilisierung des Klägers gegen Hausstaubmilben ausgegangen. Demgegenüber fehlt es an jeglichem Hinweis dafür, dass das Druckbestäubungspuder L 3 einen den Kläger allergisierenden Stoff im Sinne der BK 4301 enthält. Hierzu gehören in erster Linie pflanzliche und tierische Allergene, darüber hinaus Arzneistoffe wie Antibiotika, Sufonamide, Salvarsan, Proteasen und p-Phenylendiamin (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 4301 I., S. 1 f., ferner die tabellarische Aufstellung auf S. 32). Zuckerderivate (Laktose) als Hauptbestandteil des Druckbestäubungspuders L 3 sind in dieser Aufzählung nicht enthalten. Ebenfalls enthalten die aktenkundigen Sicherheitsdatenblätter (Bl. 75 VA und Bl. 32 ff. Senatsakte) keine Hinweise auf eine potentiell allergisierende Wirkung. Der Hauptbestandteil des Druckbestäubungspuders L 3, ein Zuckerderivat (Laktose), ist ausweislich des vom Senat im Urkundsbeweis verwerteten Gutachtens des Ärztlichen Leiters der Z., des Internisten, Allergologen, Umweltmediziners und Facharztes für Lungen- und Bronchialheilkunde Th. R., nicht geeignet, eine allergische obstruktive Ventilationsstörung auszulösen. Dies ist für den Senat auch deshalb nachvollziehbar, weil Laktose von lungenfachärztlichen Gutachtern regelmäßig für eine sog. "Leerprovokation" mit Stäuben Verwendung findet, wie Dr. H. in seinem Gutachten vom 07.05.2007 ausgeführt hat. Dies wird auch durch den Verlauf des von Dr. N. am 10.10.2005 durchgeführten Provokationstests, welcher initial mit Laktose und dann erst mit dem Druckbestäubungspuder L 3 durchgeführt worden ist (Bl. 7 VA), bestätigt. Auch Hinweise für eine im Falle des Klägers konkret allergisierende Wirkung des Puders hat der Senat nicht, denn bereits ein im Oktober 2005 auf Veranlassung von Dr. Nowak durchgeführter spezifischer Allergietest (RAST) hat keinen Nachweis spezifischer IgE-Antikörper gegen den Druckbestäubungspuder L 3 ergeben (vgl. Testergebnis Bl. 9 VA und Ausführungen von Dr. H., Bl. 261 VA). Eine vom Gutachter Renck erneut durchgeführte Bestimmung spezifischer Antikörper hat dieses Ergebnis bestätigt (Bl. 355 VA). Zugleich hat eine allergische Reaktion auf Weizen und Mais, welche in Spuren in dem Puder enthalten sein können und potentiell allergene Stoffe darstellen, im Falle des Klägers ausgeschlossen werden können. Nachdem eine zweimalige Bestimmung von IgE-Antikörpern gegenüber dem Druckbestäubungspuder L 3 insgesamt negativ ausgefallen ist, hat der Senat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger auf den darin noch enthaltenen Fließmittelzusatz, wobei – und hierbei stützt der Senat seine Überzeugung auf die Aussage des PD vom 29.06.2007 – üblicherweise Siliciumdioxid Verwendung findet, allergisch reagiert. Aufgrund dessen und weil ein Schädigungsmechanismus zumeist nicht aus einer chemischen Analyse von Gemischen abgeleitet werden kann (Mehrtens/Brandenburg a.a.O., S. 22), hat sich der Senat nicht veranlasst gesehen, noch eine chemisch-analytische Untersuchung des Druckbestäubungspuders L 3 durchzuführen, zumal auch der Scratchtest, den Dr. H. am 22.02.2007 durchgeführt hat (Bl. 256 VA), nach Exposition mit L 3 negativ ausgefallen ist, wobei sich Sensibilisierungen durch Berufsstoffe primär durch Testungen an der Haut nachweisen lassen (vgl. Mehrtens/Brandenburg, a.a.O. Rn. 15). Schließlich lässt sich aus der schwach positiven Reaktion auf sämtliche Bestäuberpuder im Rahmen der Begutachtung durch Dr. W. (Bl. 130 [134] VA) kein Nachweis für eine allergisierende Wirkung von L 3 ableiten, denn Dr. W. selbst hat dieses Messergebnis als nur "fraglich" relevant bezeichnet, außerdem hat sich selbst das schwach positive Resultat im Rahmen des von Dr. H. durchgeführten Scratchtests nicht reproduzieren lassen. Schließlich ist auch keiner der mit dem vorliegenden Fall befassten Gutachter zu dem Ergebnis einer allergisierenden Wirkung des Druckbestäubungspuders L 3 gelangt.
2.) BK 4302: Nicht nachgewiesen ist eine für die Anerkennung als BK 4302 erforderliche chemisch-irritative oder toxische Wirkung des Druckbestäubungspuders L 3.
a) Der Druckbestäubungspuder L 3 ist nicht toxisch. Zur Beurteilung des Gefahrstoffpotentials ist zurückzugreifen auf die Begründungen für den Wert der maximalen Arbeitsplatzkonzentration (MAK-Wert) und die Einstufung des Stoffes nach dem Chemikaliengesetz (z.B. R37, atemwegsreizend), ferner auf toxikologische Daten und ihre Einstufung durch die Europäische Union als atemwegsreizend (Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., M 4302, Rn. 3, S. 7). Ausweislich der aktenkundigen Sicherheitsdatenblätter vom 01.10.1997 und vom 07.08.2009 handelt es sich nicht um gefährliche oder atemwegsreizende Stoffe im Sinne des Chemikaliengesetzes. Das Puder L 3 enthält zudem keine gefährlichen Inhaltsstoffe, etwa anorganische Verbindungen wie Quecksilber, Cadmium, Kobalt, Chrom, Nickel, Arsen oder Blei, außerdem werden bei der Produktion keine Antibiotika, Bakterizide oder Fungizide verwendet. Bei Verpackungseinheiten für Lebensmittel kann das Produkt verwendet werden; es stellt selbst ein Lebensmittel dar.
Daneben stützt der Senat seine Überzeugung auch auf die Auskünfte des PD, der unter dem 29.06.2007 erklärt hat, dass – auch im Hinblick auf den Hauptbestandteil Laktose sowie die im Puder enthaltenen Spuren von Mais- und Weizenstärke und Siliciumdioxid als üblicherweise verwendetes Fließmittel – eine Toxizität des Druckbestäubungspuders L 3 nicht besteht.
b) Eine chemisch-irritative Wirkung des Druckbestäubungspuders L 3 ist ebenfalls nicht nachgewiesen. Für eine chemisch-irritative Wirkung ergeben sich aus den aktenkundigen Sicherheitsdatenblättern ebenfalls keinerlei Indizien; auch hat der PD der Beklagten mit Schreiben vom 29.06.2007 erklärt, dass die Inhaltsstoffe des Druckbestäubungspuders L 3 nach seiner Kenntnis nicht chemisch-irritativ wirken.
Der lungenfachärztliche Gutachter Dr. H. hat eine chemisch-irritative Wirkung von L 3 nur vermutet, indem er ausgeführt hat, es scheine sich um einen chemisch-irritativen Vorgang zu handeln (Bl. 261 VA). Auch bei der Beantwortung der Beweisfragen hat er wiederum lediglich die Vermutung einer durch chemisch-irritativ wirkende Stoffe verursachten obstruktiven Atemwegserkrankung aufgestellt (Bl.264 VA). Auch Dr. S. hat seinen gutachterlichen Ausführungen zwar einerseits die Behauptung aufgestellt, dass das Druckbestäubungspuder L 3 chemisch-irritative Wirkung hat (Bl. 53 SG-Akte), dies jedoch später relativiert, indem er dies als "Annahme" einer chemisch-irritativen Genese bezeichnet und weitere Ermittlungen anheimgestellt hat (Stellungnahme vom 17.08.2009, Bl. 115 SG-Akte). Diese von ihm formulierte Annahme wird allerdings dadurch konterkariert, dass er auch eine physikalisch-irritative Wirkung des Puders als ausreichend ansieht, um das Vorliegen einer BK 4302 zu bejahen, was nicht den klar formulierten Vorgaben des Verordnungsgebers der BKV entspricht, der eine chemisch-irritative Wirkungsweise fordert. So hat Dr. S. ausgeführt, eine Toxizität halte er nicht für erforderlich, damit von einem Stoff eine bronchiale Irritation im Sinne einer Obstruktion ausgehe; "Kaltluft ist letztendlich auch nicht toxisch" (Bl. 55 VA). Deutlicher wird dies nochmals an späterer Stelle des Gutachtens vom 03.03.2009, wo Dr. S. eine die physikalisch-irritative Wirkung (er nennt beispielhaft Kälte, Rauch und Stäube) als Auslöser einer Atemwegsobstruktion auf dem Boden eines nach seinen Schlussfolgerungen aus berufsfremder Ursache (Milbenallergie) entstandenen Asthma bronchiale für ausreichend gehalten hat, die Voraussetzungen der BK 4302 zu erfüllen. Die Ausführungen von Dr. S. sind mithin an einer entscheidenden Stelle widersprüchlich und gehen an den Vorgaben des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers vorbei. Seinen Schlussfolgerungen, dass eine BK 4302 vorliegt, vermag sich der Senat schon deshalb nicht anzuschließen.
c) Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass das Druckbestäubungspuder L 3 potentiell auch chemisch-irritativ wirken kann, ist es nicht überwiegend wahrscH.ich, dass es sich dabei im vorliegenden Fall um die wesentliche Ursache für die Entstehung, eine richtungsweisende Verschlimmerung oder zumindest das Aufrechterhalten einer obstruktiven Atemwegserkrankung ist.
Wie bereits ausgeführt, besteht beim Kläger ein Asthma bronchiale, welches mit überwiegender WahrscH.ichkeit wesentlich aus außerberuflicher Ursache (Milbenallergie) entstanden ist. Dabei kann offen bleiben, ob das beim Kläger diagnostizierte Asthma bronchiale seinem objektivierbaren Schweregrad nach überhaupt eine obstruktive Atemwegserkrankung darstellt.
Eine Manifestation von Asthmasymptomen am Arbeitsplatz ist nicht nachgewiesen. Entsprechende Schilderungen des Klägers hat dessen Arbeitgeber nicht bestätigen können (vgl. Schreiben vom 29.05.2007, Bl. 284 VA). Zweifel des Senats an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Klägers werden dadurch begründet, dass dieser hinsichtlich des Zeitpunktes der Aufgabe seines Nikotinabusus gegenüber dem PD der Beklagten falsche Angaben gemacht hat. Der PD hat im Bericht vom 02.02.2006 (Bl. 55 ff.) ausgeführt, der Kläger sei nach eigenen Angaben seit 1998 Nichtraucher. Demgegenüber hat dieser vor Einleitung des BK-Verfahrens sowohl gegenüber dem Lungenarzt Dr. S. (Bericht vom 21.07.2003, Bl. 41 VA) als auch in der Reha-Klinik Ü. (Entlassungsbericht vom 24.04.2003, Bl. 32 ff. [33]) VA) angegeben, erst im Jahr 2002 das Rauchen aufgegeben zu haben. Diesen unbefangenen (Erst-)Angaben kommt für den Senat ein deutlich höherer Beweiswert zu, weshalb er sie als zutreffend zugrunde legt. Somit hat der Kläger in der Vergangenheit gegenüber der Beklagten unwahre Angaben gemacht. Hinzu kommt, dass der Kläger, wie die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 10.11.2009 im SG-Verfahren zu Recht bemängelt hat, nach Auftreten asthmatischer Beschwerden nie sofort einen Lungenfacharzt aufgesucht hat, sondern stets erst den Hausarzt und erst Tage später, nach dem Abklingen der Akutsymptomatik, fachärztliche Hilfe in Anspruch genommen hat. Auch nachdem er mit Schreiben der Beklagten vom 19.09.2006 (Bl. 193 VA) ausdrücklich aufgefordert worden war, sich bei einem Rezidiv unverzüglich in fachärztliche Behandlung zu begeben, hat er sich nach Arbeitsaufgabe am 19.10.2006 zunächst in hausärztliche Behandlung begeben und erst am 06.11.2006 einen Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde (Dr. W., Bl. 200 VA) aufgesucht.
Unterstellt man zugunsten des Klägers, dass Atemwegsbeschwerden während der Ausübung der Berufstätigkeit aufgetreten sind, ist es ebenso wahrscH.ich wie ein chemisch-irritativer Wirkmechanismus, dass diese durch bloße Staubeinwirkung als rein physikalischer Reiz verursacht worden sind. Für eine potentiell vorhandene physische Reizwirkung spricht die Angabe auf dem vom 07.08.2009 datierenden Sicherheitsdatenblatt (Bl. 32 Senatsakte), wonach starkes Reiben nach Hautkontakt Hautreizungen verursachen kann. Ausweislich des Gutachtens des Dr. S. sind, nachdem sich beim Kläger auf dem Boden einer allergischen Diathese ein Asthma bronchiale mit unspezifischer bronchialer Hyperreagibilität entwickelt hat, als Trigger eine Vielzahl ubiquitär vorkommender unspezifischer Reize wie Kälte, Rauch oder eine Einwirkung von Stäuben geeignet, eine Atemwegsobstruktion auszulösen. Dabei handelt es sich um physikalisch-irritative Reize, welche – wie bereits ausgeführt – nicht die Voraussetzungen einer BK 4302 erfüllen. Für einen derartigen Wirkmechanismus spricht, dass im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung in der Zusamklinik durch den Lungenfacharzt Renck beim Kläger bereits eine unspezifische Provokation mit Kaltluft einen signifikanten Anstieg des zentralen Atemwegswiderstandes zur Folge gehabt hat und Kaltluft einen ausschließlich physikalischen (nicht chemischen) Reiz darstellt.
Darüber hinaus stellen nicht nur die Milbenallergie und der zurückliegende, bis 2002 betriebene, Nikotinabusus erhebliche Konkurrenzursachen dar, sondern auch der vorbestehende Arbeitsplatzkonflikt. Auch psychologische Faktoren und Emotionen vermögen als unspezifischer Trigger eine Exacerbation des Asthma bronchiale auszulösen, wie Dr. S. in seinem Gutachten vom 03.03.2009 (Bl. 52 SG-Akte) ausgeführt hat. Im Falle des Klägers hat, was der Senat gestützt auf die Reha-Entlassungsberichte der Reha-Klinik Ü. vom 24.04.2003 und der Luisenklinik B. D. vom 13.06.2006 sowie den für den Rentenversicherungsträger am 16.01.2003 erstatteten Bericht des Hausarztes Dr. G. feststellt, ein langjähriger Arbeitsplatzkonflikt bestanden. Als Anzeichen für eine emotionale Belastung am Arbeitsplatz hat der Kläger während der im März und April 2003 durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme von zu Stimmungslabilität und stärkerer Niedergeschlagenheit führendem Stress mit Überforderung am Arbeitsplatz, Erschöpfung, Anspannung und Schlafstörungen berichtet; Dr. G. hat einen psychovegetativen Erschöpfungszustand beschrieben. Aus dem Entlassungsbericht vom 13.06.2006 ist zu entnehmen, dass sich seit einem Wechsel des Chefs die Arbeitsatmosphäre dramatisch verschlechtert hat (Kränkungen, Konflikte), was letztlich in eine durch Konflikte am Arbeitsplatz ausgelöste leichte depressive Episode gemündet ist. Dabei handelt es sich, wovon der Senat auch gestützt auf die Ausführungen von Prof. Dr. S. der eine psychosomatische Atemwegsreaktion sogar als wahrscH.ichste Ursache bezeichnet hat, ausgeht, jedenfalls um eine beachtliche Konkurrenzursache gegenüber einer chemisch-irritativ ausgelösten Atemwegsobstruktion. Auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes sieht der Senat eine chemisch-irritative Verursachung der Atemwegsbeschwerden des Klägers nicht als überwiegend wahrscH.ich an.
Hiernach kommt es auf die Frage des Unterlassungszwangs nicht mehr entscheidend an.
Die Berufung des Klägers war nach alledem als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung seiner Atemwegserkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 4301 oder Nr. 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der 1955 geborene Kläger absolvierte vom 01.09.1970 bis zum 31.07.1973 eine Ausbildung zum Buchdrucker. Nach deren Abschluss begann er eine Lehre zum Reprofotograf, welche er abbrach. Seit dem 16.05.1978 arbeitete er als Offsetdrucker, zuletzt seit Februar 1987 bei der Firma H. S. GmbH (Erklärung vom 03.11.2005, Bl. 16 ff. Verwaltungsakte der Beklagten - VA).
Im Rahmen einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme auf Kosten der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg in der Klinik Ü. (Entlassungsbericht vom 24.04.2003, Bl. 31 ff. VA) klagte der Kläger über zunehmende Infektanfälligkeit, insbesondere Nasennebenhöhlenentzündungen, welche er auf berufliche Exposition gegenüber Farbdämpfen zurückführte. Aufgrund von Stress im Beruf bestünden Stimmungslabilitäten, zeitweise auch stärkere Niedergeschlagenheit. Am 21.07.2003 berichtete der ihn behandelnde Internist und Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. S. (Bl. 41 VA) von einer acht Wochen zuvor erstmals aufgetretenen protrahierten Hustensymptomatik und in der Folgezeit zunehmender Atemnot bei körperlicher Belastung mit thorakalem Engegefühl. Der Kläger sei seit einem Jahr Nichtraucher. Dr. S. stellte die Diagnose eines Asthma bronchiale, zudem sei ein positiver IgE-Nachweis gegenüber Milben gelungen. Der Kläger war vom 18.07.2003 bis 23.07.2003, vom 22.02.2005 bis 25.02.2005 unter der Diagnose Asthma bronchiale arbeitsunfähig erkrankt (vgl. Mitteilung der AOK S. vom 04.11.2005, Bl. 14 VA).
Wegen Atemwegsbeschwerden war der Kläger seit dem 27.09.2005 wiederum arbeitsunfähig krank. Dr. N., Lungenfachklinik W., teilte in seinem Bericht vom 04.10.2005 (Bl. 2 VA) die Diagnose einer mittelgradigen bronchialen Hyperreagibilität (ohne bestehende Obstruktion) bei primär allergischer Diathese mit. Der Kläger habe Beschwerden (Nasenlaufen, Atemnot), wenn er mit dem Druckbestäubungspuder L 3 arbeite. Ein am 10.10.2005 durchgeführter Provokationstest mit dem Druckbestäubungspuder L 3 nach Schütteln des Puders für die Dauer von 30 Minuten (vgl. Bericht vom 17.10.2005, Bl. 10 VA, sowie ergänzendes Schreiben vom 16.02.2006, Bl. 108 VA) ergab eine deutliche klinische rhinokonjunktivale Symptomatik (starkes Nasenlaufen, mäßig behinderte Nasenatmung, vgl. Bl. 7, 10f. VA).
Die Beklagte zog Unterlagen der behandelnden Ärzte bei. Der HNO-Arzt Dr. S. teilte unter dem 19.12.2005 (Bl 52 VA) mit, im Februar 2004 habe der Kläger berichtet, seit ca. einem halben Jahr an Atembeschwerden zu leiden. Er habe seit einem viertel Jahr eine Geruchsstörung, wässriges Nasenlaufen und ein brennendes Gefühl im Bereich der Nase. Der Hausarzt Dr. S. berichtete unter dem 02.03.2006, die pulmonalen Beschwerden seien nach Fernbleiben vom Arbeitsplatz gut kompensiert (keine Beschwerden).
Der Präventionsdienst (PD) der Beklagten führte am 24.01.2006 in Anwesenheit des Klägers eine Begehung des Arbeitsplatzes bei der Firma H. S. GmbH durch. Bei dem Druckbestäubungspuder L 3 handele es sich hiernach um ein Zuckerderivat. Ausweislich des vom PD dem Bericht beigefügten Sicherheitsdatenblatts 91/155/EWG (Druckdatum 07.10.1997) könne der Druckbestäubungspuder L 3 bei der Herstellung von Verpackungseinheiten für Lebensmittel unbedenklich eingesetzt werden; bei hoher Staubkonzentration werde eine Staubmaske empfohlen. Der betriebliche Gesamtverbrauch des Pulvers durch die Firma H. S. GmbH habe ca. einen Beutel (1 kg) für 6 bis 8 Wochen betragen. Eine auffällige Verstaubung des Arbeitsbereiches des Klägers (insbesondere mit Druckbestäubungspuder) habe nicht festgestellt werden können. Eine Überschreitung von Staubgrenzwerten erscheine unwahrscH.ich. Absaugungen an den Druckmaschinen existierten nicht. Atemschutzmasken seien nicht notwendig. Belastungen durch Lösemittel, Isopropylalkohol sowie pflanzlichen oder tierischen Allergenen sei nicht festzustellen. Der Kläger sei nach eigenen Angaben seit 1998 Nichtraucher; davor habe er gelegentlich (am Abend, am Wochenende) geraucht.
Dr. W., niedergelasser Lungenarzt in Biberach, erstattete am 15.05.2006 für die Beklagte ein Gutachten. In der Provokationstestung mit dem Druckbestäubungspuder L 3 ergab sich dort eine positive Reaktion (signifikanter Abfall von FEV1 von 3,95 auf 3,4 und Verdoppelung des spezifischen Atemwegswiderstands mit Anstieg des Residualvolumens um knapp 30 %), allerdings wurden keine Funktionseinschränkungen festgestellt. Der Kläger habe nochmals angegeben, dass nur gegen L 3 eine relevante Exposition am Arbeitsplatz bestehe. Dr. W. diagnostizierte eine primär allergisch gebahnte obstruktive Atemwegserkrankung in der Form eines gemischtförmigen Asthma bronchiale. Da die Atemwegsbeschwerden nach Angaben des Klägers während der Arbeit aufgetreten seien, liege eine wesentliche Mitverursachung der obstruktiven Atemwegserkrankung durch eine berufsbedingte Atemwegsbelastung vor. Er könne nicht abschätzen, ob ein individueller Atemwegschutz (durch Atemschutzmaske oder -helm) möglich sei. Sofern dies nicht der Fall sei, bestehe ein Zwang zur Unterlassung von Tätigkeiten, welche für die Entstehung, die Verschlimmerung und das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich gewesen seien oder hätten ursächlich sein können. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte er auf 20 v.H. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 16.06.2006 (Bl. 158 VA) beschrieb Dr. W. die Bedingungen des Provokationstests. Der Kläger habe 30 Minuten lang über einer geöffneten Plastiktüte mit Druckbestäubungspuder vertieft geatmet bzw. geschnüffelt.
Im Mai und Juni 2006 hielt sich der Kläger bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit auf Kosten der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg in der Luisenklinik B. D., Zentrum für Verhaltensmedizin, auf. Ausweislich des Reha-Entlassungsberichts vom 13.06.2006 habe sich seit einem Wechsel des Chefs die Arbeitsatmosphäre dramatisch verschlechtert. Sein Chef habe ihm mitgeteilt, er könne ihn nicht mehr brauchen.
Auf eine ergänzende Anfrage teilte der PD unter dem 12.07.2006 mit, der Druckbestäubungspuder L3 enthalte neben Laktose als Hauptbestandteil geringe Mengen eines anorganischen Fließmittelzusatzes sowie geringe Spuren (Verunreinigungen) von Mais- und Weizenstärke. Nach Auskunft der Firma Heinz Schönebeck GmbH sei der Austausch des Druckbestäubungspuders L 3 gegen einen Druckbestäubungspuder aus Calciumcarbonat jederzeit möglich. Dies sei dem Kläger in der Vergangenheit auch angeboten worden. Auch sei der Einsatz von Feinstaubmasken während der kurzen Zeit, in welcher der Druckbestäubungspuder eingefüllt werde, möglich.
Der Beratungsarzt Dr. R. äußerte sich mit Stellungnahme vom 24.08.2006 kritisch zum Gutachten von Dr. W ... Der Allergietest auf den Druckbestäubungspuder L 3 sei nicht eindeutig positiv gewesen ("fraglich"). Nachgewiesen seien hingegen Reaktionen auf berufsfremde Kausalfaktoren. So bestünden beim Kläger als Folge jahrelanger rezidivierender Atemwegsinfekte ein hyperreagibles Bronchialsystem und eine Staubmilbenallergie. Eine Obstruktion habe in der Fachklinik Wangen ausgeschlossen werden können. Die asthmatische Beschwerdesymptomatik sei berufsfremd und resultiere aus der mit stark positiven Allergietests gesicherten Milbenallergie. Eine Berufskrankheit nach Nr. 4301 oder Nr. 4302 sei nicht wahrscH.ich. Die am Arbeitsplatz aufgetretenen Beschwerden seien Folge einer berufsfremd aufgetretenen Bronchialempfindlichkeit (Gelegenheitsursache).
Am 04.10.2006 nahm der Kläger nach Beendigung seiner Arbeitsunfähigkeit die berufliche Tätigkeit wieder auf. Obwohl der Druckbestäubungspuder L 3 an seiner Druckmaschine gegen den Druckbestäubungspuder K 4 (Calciumcarbonat) ausgetauscht wurde und er am Arbeitsplatz Feinstaubmasken trug (vgl. Schreiben des Klägers vom 22.11.2006, Bl. 202 VA), kam es nach seinen Angaben wieder zu Atembeschwerden. Der Kläger stellte sich am 19.10.2006 bei seinem Hausarzt Dr. G. vor, der Arbeitsunfähigkeit feststellte. Nach dem Bericht des Lungenarztes Dr. W., bei dem sich der Kläger am 06.11.2006 vorstellte (Bl. 200 VA), war der Untersuchungsbefund unauffällig. Nachdem der erneute Arbeitsversuch wieder zu starken Atemwegsbeschwerden geführt habe, sehe sich der Kläger nicht in der Lage, weiter zu arbeiten.
Der Kläger gab selbst mit Schreiben vom 22.11.2006 (Bl. 202 VA) gegenüber der Beklagten an, ab dem 04.10.2006 die Arbeit wieder aufgenommen zu haben. Sein Arbeitgeber habe ihm am ersten Abend mitgeteilt, ihn künftig an der Einfarben-Druckmaschine und Papierschneidemaschine einzusetzen und dafür 2,00 EUR weniger pro Stunde zu bezahlen. Außerdem könne er ihn bei diesen Tätigkeiten keinesfalls in Vollzeit beschäftigen. Dieses Angebot sei für ihn derart provozierend gewesen, dass er dagegen das Arbeitsgericht angerufen habe. Im Laufe der 42. Woche 2006 seien Atemnot und Hustenreiz wieder aufgetreten. Am 17.10. und 18.10. habe der Kläger nur an der Papierschneidemaschine gearbeitet. Die Beschwerden seien so massiv geworden, dass er seit dem 19.10.2006 wieder den Arzt aufgesucht habe und sich seither im Krankenstand befinde.
Von Seiten des Arbeitgebers kam es nachfolgend zu einer krankheitsbedingten Kündigung (vgl. Kündigungsschreiben v. 13.12.2006, Bl. 227 VA), später wurde der Kläger berentet (Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 01.03.2007). In einem Schreiben vom 29.05.2007 (Bl. 284 VA) teilte der Arbeitgeber mit, möglicherweise sei der Druckbestäubungspuder L 3 an anderen Druckmaschinen als derjenigen des Klägers zur Anwendung gelangt, so dass eine Exposition hiergegen nicht vollständig auszuschließen sei. Ihm seien während der Anwesenheit des Klägers keine Beschwerden aufgefallen.
Die Beklagte veranlasste eine weitere Begutachtung durch Dr. H. Internist und Lungenarzt in Kempten. Nach dem Gutachten vom 07.05.2007 war die Provokationstestung gegen den Druckbestäubungspuder L 3 positiv, jedoch ohne Nachweis einer gleichzeitigen Reaktion in den oberen Atemwegen. Da der Kläger auf Milchzucker nicht reagiert habe, könne die Reaktion nur durch den anorganischen Fließmittelzusatz oder die geringen Spuren an Mais- und Weizenstärke erklärt werden. Offensichtlich reagiere der Kläger auf diese Zusätze bzw. Verunreinigungen. Ein allergischer Mechanismus erscheine dabei wenig wahrscH.ich. Es scheine sich um einen chemisch-irritativen Vorgang zu handeln. Eine weitergehende Klärung der zu Grunde liegenden Mechanismen bedürfe einer wissenschaftlichen Analyse und das sei im Rahmen einer internistisch-pneumologischen Begutachtung nicht möglich. Er nahm eine Berufskrankheit nach Nr. 4302 an, den Grad der MdE schätzte er mit 10 v.H. ein. Nach einer daraufhin von der Beklagten eingeholten Stellungnahme des PD vom 29.06.2007 (Bl. 285 VA) seien die organischen Fließmittelzusätze (üblicherweise Siliciumdioxid) sowie Mais- oder Weizenstärke nicht chemisch-irritativ oder toxisch. Gleiches gelte für den Hauptbestandteil des Druckbestäubungspuders L 3, die Laktose. Dr. H. blieb jedoch in seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 25.07.2007 (Bl. 289 VA) bei seiner Ansicht.
Die Beklagte sah Anlass für ein weiteres Gutachten, das der Lungenarzt R., Zusamklinik Z., am 01.04.2008 (Bl. 332 ff.) erstattete. Ein Provokationstest gegen den Druckbestäubungspuder K 4 verlief dort negativ. Reaktionen fanden sich bei der Provokation mit dem Druckbestäubungspuder L 3, jedoch auch bei der Provokation mit Kälte. Der Lungenarzt R. führte hierzu aus, beim Kläger bestehe ein Asthma bronchiale vom Mischtyp, das die bei der Arbeit auftretenden Beschwerden erkläre. Eine durch allergisierende Stoffe verursachte (spezifische) obstruktive Atemwegserkrankung als Voraussetzung einer Berufskrankheit nach Nr. 4301 sei nicht festzustellen. Zudem sei keine Substanz in den am Arbeitsplatz des Klägers verwendeten Konzentrationen geeignet gewesen, eine chemisch-irritativ oder toxisch verursachte obstruktive Atemwegserkrankung im Sinne einer BK 4302 auszulösen.
Mit Bescheid vom 27.05.2008 (Bl. 369 VA) lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4301 oder Nr. 4302 ab. Ansprüche auf Leistungen bestünden nicht. Am Arbeitsplatz des Klägers sei dieser keiner Einwirkung von allergisierenden bzw. chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Stoffen ausgesetzt gewesen.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Er verwies auf ein Attest von Dr. G., wonach die asthmatischen Beschwerden nach längerer Exposition am Arbeitsplatz zunehmen würden, während er bei einem Fernbleiben vom Arbeitsplatz beschwerdefrei sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Der Kläger hat am 6. August 2008 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben und die Auffassung vertreten, es liege ein Zusammenhang zwischen seiner Atemwegserkrankung und der Einwirkung von Berufsstoffen vor.
Die Beklagte hat auf die angefochtenen Bescheide verwiesen.
Dr. S., Chefarzt der Lungenklinik St. B., hat für das SG am 3. März 2009 ein Gutachten erstattet. Bei drei Untersuchungen nach bronchialen Provokationen mit dem Druckbestäubungspuder L 3 (16.01.2009, 19.01.2009 und 20.01.2009) ist es zu zunehmenden Reaktionen gekommen. Am Abend des 20.01.2009 nach der letzten Provokation ist ein klinischer Asthmaanfall mit schwergradiger respiratorischer Insuffizienz bei alveolärer Hyperventilation aufgetreten. Dr. S. hat ein Asthma bronchiale vom Mischtypus auf dem Boden einer allergischen Diathese diagnostiziert, das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 4302 bejaht und die MdE dafür auf 20 v.H. geschätzt.
Nachdem die Beklagte Einwendungen gegen das Gutachten erhoben hatte, hat Dr. S. ergänzend Stellung genommen. Er gehe von einer chemisch-irritativen Komponente des Druckbestäubungspuders L 3 aus. Wie Dr. H. empfehle er eine chemische Analyse. Der Asthmaanfall sei eine Spätreaktion des kumulativen Effektes aller durchgeführten spezifischen Provokationen. Ob die Gefahr der Entstehung bzw. Verschlimmerung einer Berufskrankheit auch bei einer ausschließlichen Verwendung des Druckbestäubungspuders K 4 im gesamten Betrieb bestanden habe, könne er ohne eine Testung des Druckbestäubungspuders K 4 nicht beantworten.
Die Beklagte hat daraufhin eine Stellungnahme von Prof. Dr. S., Institut für arbeits- und sozialmedizinische Allergiediagnostik B. S., vorgelegt. Dieser hat unter dem 20.10.2009 (Bl. 124 SG-Akte) die Auffassung vertreten, die von Dr. S. durchgeführten Untersuchungen seien nicht geeignet gewesen, einen Ursachenzusammenhang aufzuzeigen. Hierzu hat sich Dr. S. wiederum geäußert (ergänzende Stellungnahme vom 04.02.2010, Bl. 138 ff. SG-Akte).
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22.03.2010 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es fehle bereits an einer nachvollziehbaren Begründung, warum Dr. S. den Asthmaanfall als Spätreaktion auf die Provokation mit dem Druckbestäubungspuder L 3 gewertet habe. Die Atemwegsbeschwerden des Klägers seien wesentlich auf außerberufliche Ursachen zurückzuführen. Beim Kläger nachgewiesen seien außerberufliche Allergene (Hausstauballergie). Auch Dr. S. habe in seiner zweiten Stellungnahme klargestellt, dass das Asthma bronchiale nicht durch die berufliche Belastung mit dem Druckbestäubungspuder L 3 entstanden, sondern bereits zuvor vorhanden gewesen sei. Darüber hinaus hat das SG eine physikalische Reizung durch den Druckbestäubungspuder L 3 nicht als ausreichend für die Anerkennung einer Berufskrankheit erachtet; zu fordern sei eine allergische oder toxische Reaktion. Schließlich sei der Kläger nicht zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen gewesen, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder hätten sein können. Nach Auskunft des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers sei ein Austausch des Druckbestäubungspuders L 3 gegen Produkte, auf welche der Kläger bislang nicht reagiert habe, möglich.
Gegen das ihm am 26.03.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.04.2010 Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, das SG hätte eine chemische Analyse des Druckbestäubungspuders L 3 durchführen müssen, nachdem der verwendete Fließmittelzusatz unbekannt sei und daher auch seitens des SG nicht habe beurteilt werden können, ob eine chemisch-irritative Wirkung in Betracht komme oder nicht. Mit Dr. H. sei somit davon auszugehen, dass das beim Kläger vorliegende Asthma bronchiale durch chemisch-irritativ wirkende Stoffe verursacht worden sei. Die Arbeitsaufgabe sei entgegen der Auffassung des SG nicht infolge in Konflikten zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber erfolgt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 22. März 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2008 aufzuheben und festzustellen, dass seine Atemwegserkrankung eine Berufskrankheit nach Nr. 4301 oder 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend. Der Druckbestäubungspuder L 3 sei gesundheitlich unbedenklich und weise weder Gefahrensymbole noch Gefahrenbezeichnungen aus. Der PD habe ausdrücklich bestätigt, dass der Hauptbestandteil sowie die in nicht deklarationspflichtigen Mengen enthaltenen Zusätze bzw. Verunreinigungen keine chemisch-irritative oder toxische Wirkung hätten. Ermittlungen ins Blaue hinein seien nicht veranlasst. Darüber hinaus habe kein Unterlassungszwang bestanden, nachdem ein Austausch gegen den Druckbestäubungspuder K 4 möglich gewesen sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Zwar ist die erhobene kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind hiernach nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellungen von Berufskrankheiten nach Nr. 4301 oder 4302 der Anlage 1 zur BKV.
Rechtsgrundlage im vorliegenden Fall sind die Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII), denn die vorliegend streitbefangene Atemwegserkrankung hat sich laut den eigenen Angaben des Klägers (Erklärung vom 03.11.2005, Bl. 16 ff. VA) erstmals im Jahr 2003 bemerkbar gemacht; seine Tätigkeit als Offsetdrucker hat er endgültig am 18.10.2006 aufgegeben. Ein potentieller Versicherungs- wie auch Leistungsfall liegt damit zeitlich nach dem Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 (Art 36 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes, § 212 SGB VII), weshalb dessen Vorschriften Anwendung finden.
Eine Berufskrankheit gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII i.V.m. den Vorschriften der Berufskrankheitenverordnung besteht nicht. Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit der Nummern 4301 und 4302 der Anlage 1 zur BKV sind nicht erfüllt.
Berufskrankheiten (BKen) sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz, SGB VII); sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen.
Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen Listen-BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender WahrscH.ichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende WahrscH.ichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteile vom 27.06.2006 - B 2 U 20/04 R - SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscH.ich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a.a.O.).
Die BK Nr. 4301 der Anlage 1 der BKV setzt voraus: "Durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können."
Die BK Nr. 4302 verlangt: "Durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können."
Gemessen hieran hat der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Atemwegserkrankung als BK. Der Senat schließt sich zunächst nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren den zutreffenden Ausführungen im Urteil des SG an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer Darstellung der Entscheidungsgründe zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Ergänzend wird – auch im Hinblick auf das Vorbringen im Berufungsverfahren – Folgendes ausgeführt:
1.) BK 4301: Es fehlt bereits an einem für die Anerkennung als BK 4301 erforderlichen Nachweis einer allergisierenden Wirkung des Druckbestäubungspuders L 3 im Falle des Klägers. Beim Kläger besteht, wovon der Senat gestützt auf das Gutachten des Dr. S. vom 03.03.2009 und die als qualifizierter Beteiligtenvortrag verwertete Stellungnahme des die Beklagte beratenden Arztes Prof. Dr. S. vom 20.10.2009 überzeugt ist, ein Asthma bronchiale, welches sich mit hoher WahrscH.ichkeit aus einer Hausstaub- und Vorratsmilbenallergie als wesentliche Ursache entwickelt hat. Auch Dr. W., dessen Gutachten der Senat im Urkundsbeweis verwertet hat, ist von einer primär allergisch gebahnten Erkrankung bei relevanter Sensibilisierung des Klägers gegen Hausstaubmilben ausgegangen. Demgegenüber fehlt es an jeglichem Hinweis dafür, dass das Druckbestäubungspuder L 3 einen den Kläger allergisierenden Stoff im Sinne der BK 4301 enthält. Hierzu gehören in erster Linie pflanzliche und tierische Allergene, darüber hinaus Arzneistoffe wie Antibiotika, Sufonamide, Salvarsan, Proteasen und p-Phenylendiamin (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 4301 I., S. 1 f., ferner die tabellarische Aufstellung auf S. 32). Zuckerderivate (Laktose) als Hauptbestandteil des Druckbestäubungspuders L 3 sind in dieser Aufzählung nicht enthalten. Ebenfalls enthalten die aktenkundigen Sicherheitsdatenblätter (Bl. 75 VA und Bl. 32 ff. Senatsakte) keine Hinweise auf eine potentiell allergisierende Wirkung. Der Hauptbestandteil des Druckbestäubungspuders L 3, ein Zuckerderivat (Laktose), ist ausweislich des vom Senat im Urkundsbeweis verwerteten Gutachtens des Ärztlichen Leiters der Z., des Internisten, Allergologen, Umweltmediziners und Facharztes für Lungen- und Bronchialheilkunde Th. R., nicht geeignet, eine allergische obstruktive Ventilationsstörung auszulösen. Dies ist für den Senat auch deshalb nachvollziehbar, weil Laktose von lungenfachärztlichen Gutachtern regelmäßig für eine sog. "Leerprovokation" mit Stäuben Verwendung findet, wie Dr. H. in seinem Gutachten vom 07.05.2007 ausgeführt hat. Dies wird auch durch den Verlauf des von Dr. N. am 10.10.2005 durchgeführten Provokationstests, welcher initial mit Laktose und dann erst mit dem Druckbestäubungspuder L 3 durchgeführt worden ist (Bl. 7 VA), bestätigt. Auch Hinweise für eine im Falle des Klägers konkret allergisierende Wirkung des Puders hat der Senat nicht, denn bereits ein im Oktober 2005 auf Veranlassung von Dr. Nowak durchgeführter spezifischer Allergietest (RAST) hat keinen Nachweis spezifischer IgE-Antikörper gegen den Druckbestäubungspuder L 3 ergeben (vgl. Testergebnis Bl. 9 VA und Ausführungen von Dr. H., Bl. 261 VA). Eine vom Gutachter Renck erneut durchgeführte Bestimmung spezifischer Antikörper hat dieses Ergebnis bestätigt (Bl. 355 VA). Zugleich hat eine allergische Reaktion auf Weizen und Mais, welche in Spuren in dem Puder enthalten sein können und potentiell allergene Stoffe darstellen, im Falle des Klägers ausgeschlossen werden können. Nachdem eine zweimalige Bestimmung von IgE-Antikörpern gegenüber dem Druckbestäubungspuder L 3 insgesamt negativ ausgefallen ist, hat der Senat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger auf den darin noch enthaltenen Fließmittelzusatz, wobei – und hierbei stützt der Senat seine Überzeugung auf die Aussage des PD vom 29.06.2007 – üblicherweise Siliciumdioxid Verwendung findet, allergisch reagiert. Aufgrund dessen und weil ein Schädigungsmechanismus zumeist nicht aus einer chemischen Analyse von Gemischen abgeleitet werden kann (Mehrtens/Brandenburg a.a.O., S. 22), hat sich der Senat nicht veranlasst gesehen, noch eine chemisch-analytische Untersuchung des Druckbestäubungspuders L 3 durchzuführen, zumal auch der Scratchtest, den Dr. H. am 22.02.2007 durchgeführt hat (Bl. 256 VA), nach Exposition mit L 3 negativ ausgefallen ist, wobei sich Sensibilisierungen durch Berufsstoffe primär durch Testungen an der Haut nachweisen lassen (vgl. Mehrtens/Brandenburg, a.a.O. Rn. 15). Schließlich lässt sich aus der schwach positiven Reaktion auf sämtliche Bestäuberpuder im Rahmen der Begutachtung durch Dr. W. (Bl. 130 [134] VA) kein Nachweis für eine allergisierende Wirkung von L 3 ableiten, denn Dr. W. selbst hat dieses Messergebnis als nur "fraglich" relevant bezeichnet, außerdem hat sich selbst das schwach positive Resultat im Rahmen des von Dr. H. durchgeführten Scratchtests nicht reproduzieren lassen. Schließlich ist auch keiner der mit dem vorliegenden Fall befassten Gutachter zu dem Ergebnis einer allergisierenden Wirkung des Druckbestäubungspuders L 3 gelangt.
2.) BK 4302: Nicht nachgewiesen ist eine für die Anerkennung als BK 4302 erforderliche chemisch-irritative oder toxische Wirkung des Druckbestäubungspuders L 3.
a) Der Druckbestäubungspuder L 3 ist nicht toxisch. Zur Beurteilung des Gefahrstoffpotentials ist zurückzugreifen auf die Begründungen für den Wert der maximalen Arbeitsplatzkonzentration (MAK-Wert) und die Einstufung des Stoffes nach dem Chemikaliengesetz (z.B. R37, atemwegsreizend), ferner auf toxikologische Daten und ihre Einstufung durch die Europäische Union als atemwegsreizend (Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., M 4302, Rn. 3, S. 7). Ausweislich der aktenkundigen Sicherheitsdatenblätter vom 01.10.1997 und vom 07.08.2009 handelt es sich nicht um gefährliche oder atemwegsreizende Stoffe im Sinne des Chemikaliengesetzes. Das Puder L 3 enthält zudem keine gefährlichen Inhaltsstoffe, etwa anorganische Verbindungen wie Quecksilber, Cadmium, Kobalt, Chrom, Nickel, Arsen oder Blei, außerdem werden bei der Produktion keine Antibiotika, Bakterizide oder Fungizide verwendet. Bei Verpackungseinheiten für Lebensmittel kann das Produkt verwendet werden; es stellt selbst ein Lebensmittel dar.
Daneben stützt der Senat seine Überzeugung auch auf die Auskünfte des PD, der unter dem 29.06.2007 erklärt hat, dass – auch im Hinblick auf den Hauptbestandteil Laktose sowie die im Puder enthaltenen Spuren von Mais- und Weizenstärke und Siliciumdioxid als üblicherweise verwendetes Fließmittel – eine Toxizität des Druckbestäubungspuders L 3 nicht besteht.
b) Eine chemisch-irritative Wirkung des Druckbestäubungspuders L 3 ist ebenfalls nicht nachgewiesen. Für eine chemisch-irritative Wirkung ergeben sich aus den aktenkundigen Sicherheitsdatenblättern ebenfalls keinerlei Indizien; auch hat der PD der Beklagten mit Schreiben vom 29.06.2007 erklärt, dass die Inhaltsstoffe des Druckbestäubungspuders L 3 nach seiner Kenntnis nicht chemisch-irritativ wirken.
Der lungenfachärztliche Gutachter Dr. H. hat eine chemisch-irritative Wirkung von L 3 nur vermutet, indem er ausgeführt hat, es scheine sich um einen chemisch-irritativen Vorgang zu handeln (Bl. 261 VA). Auch bei der Beantwortung der Beweisfragen hat er wiederum lediglich die Vermutung einer durch chemisch-irritativ wirkende Stoffe verursachten obstruktiven Atemwegserkrankung aufgestellt (Bl.264 VA). Auch Dr. S. hat seinen gutachterlichen Ausführungen zwar einerseits die Behauptung aufgestellt, dass das Druckbestäubungspuder L 3 chemisch-irritative Wirkung hat (Bl. 53 SG-Akte), dies jedoch später relativiert, indem er dies als "Annahme" einer chemisch-irritativen Genese bezeichnet und weitere Ermittlungen anheimgestellt hat (Stellungnahme vom 17.08.2009, Bl. 115 SG-Akte). Diese von ihm formulierte Annahme wird allerdings dadurch konterkariert, dass er auch eine physikalisch-irritative Wirkung des Puders als ausreichend ansieht, um das Vorliegen einer BK 4302 zu bejahen, was nicht den klar formulierten Vorgaben des Verordnungsgebers der BKV entspricht, der eine chemisch-irritative Wirkungsweise fordert. So hat Dr. S. ausgeführt, eine Toxizität halte er nicht für erforderlich, damit von einem Stoff eine bronchiale Irritation im Sinne einer Obstruktion ausgehe; "Kaltluft ist letztendlich auch nicht toxisch" (Bl. 55 VA). Deutlicher wird dies nochmals an späterer Stelle des Gutachtens vom 03.03.2009, wo Dr. S. eine die physikalisch-irritative Wirkung (er nennt beispielhaft Kälte, Rauch und Stäube) als Auslöser einer Atemwegsobstruktion auf dem Boden eines nach seinen Schlussfolgerungen aus berufsfremder Ursache (Milbenallergie) entstandenen Asthma bronchiale für ausreichend gehalten hat, die Voraussetzungen der BK 4302 zu erfüllen. Die Ausführungen von Dr. S. sind mithin an einer entscheidenden Stelle widersprüchlich und gehen an den Vorgaben des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers vorbei. Seinen Schlussfolgerungen, dass eine BK 4302 vorliegt, vermag sich der Senat schon deshalb nicht anzuschließen.
c) Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass das Druckbestäubungspuder L 3 potentiell auch chemisch-irritativ wirken kann, ist es nicht überwiegend wahrscH.ich, dass es sich dabei im vorliegenden Fall um die wesentliche Ursache für die Entstehung, eine richtungsweisende Verschlimmerung oder zumindest das Aufrechterhalten einer obstruktiven Atemwegserkrankung ist.
Wie bereits ausgeführt, besteht beim Kläger ein Asthma bronchiale, welches mit überwiegender WahrscH.ichkeit wesentlich aus außerberuflicher Ursache (Milbenallergie) entstanden ist. Dabei kann offen bleiben, ob das beim Kläger diagnostizierte Asthma bronchiale seinem objektivierbaren Schweregrad nach überhaupt eine obstruktive Atemwegserkrankung darstellt.
Eine Manifestation von Asthmasymptomen am Arbeitsplatz ist nicht nachgewiesen. Entsprechende Schilderungen des Klägers hat dessen Arbeitgeber nicht bestätigen können (vgl. Schreiben vom 29.05.2007, Bl. 284 VA). Zweifel des Senats an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Klägers werden dadurch begründet, dass dieser hinsichtlich des Zeitpunktes der Aufgabe seines Nikotinabusus gegenüber dem PD der Beklagten falsche Angaben gemacht hat. Der PD hat im Bericht vom 02.02.2006 (Bl. 55 ff.) ausgeführt, der Kläger sei nach eigenen Angaben seit 1998 Nichtraucher. Demgegenüber hat dieser vor Einleitung des BK-Verfahrens sowohl gegenüber dem Lungenarzt Dr. S. (Bericht vom 21.07.2003, Bl. 41 VA) als auch in der Reha-Klinik Ü. (Entlassungsbericht vom 24.04.2003, Bl. 32 ff. [33]) VA) angegeben, erst im Jahr 2002 das Rauchen aufgegeben zu haben. Diesen unbefangenen (Erst-)Angaben kommt für den Senat ein deutlich höherer Beweiswert zu, weshalb er sie als zutreffend zugrunde legt. Somit hat der Kläger in der Vergangenheit gegenüber der Beklagten unwahre Angaben gemacht. Hinzu kommt, dass der Kläger, wie die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 10.11.2009 im SG-Verfahren zu Recht bemängelt hat, nach Auftreten asthmatischer Beschwerden nie sofort einen Lungenfacharzt aufgesucht hat, sondern stets erst den Hausarzt und erst Tage später, nach dem Abklingen der Akutsymptomatik, fachärztliche Hilfe in Anspruch genommen hat. Auch nachdem er mit Schreiben der Beklagten vom 19.09.2006 (Bl. 193 VA) ausdrücklich aufgefordert worden war, sich bei einem Rezidiv unverzüglich in fachärztliche Behandlung zu begeben, hat er sich nach Arbeitsaufgabe am 19.10.2006 zunächst in hausärztliche Behandlung begeben und erst am 06.11.2006 einen Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde (Dr. W., Bl. 200 VA) aufgesucht.
Unterstellt man zugunsten des Klägers, dass Atemwegsbeschwerden während der Ausübung der Berufstätigkeit aufgetreten sind, ist es ebenso wahrscH.ich wie ein chemisch-irritativer Wirkmechanismus, dass diese durch bloße Staubeinwirkung als rein physikalischer Reiz verursacht worden sind. Für eine potentiell vorhandene physische Reizwirkung spricht die Angabe auf dem vom 07.08.2009 datierenden Sicherheitsdatenblatt (Bl. 32 Senatsakte), wonach starkes Reiben nach Hautkontakt Hautreizungen verursachen kann. Ausweislich des Gutachtens des Dr. S. sind, nachdem sich beim Kläger auf dem Boden einer allergischen Diathese ein Asthma bronchiale mit unspezifischer bronchialer Hyperreagibilität entwickelt hat, als Trigger eine Vielzahl ubiquitär vorkommender unspezifischer Reize wie Kälte, Rauch oder eine Einwirkung von Stäuben geeignet, eine Atemwegsobstruktion auszulösen. Dabei handelt es sich um physikalisch-irritative Reize, welche – wie bereits ausgeführt – nicht die Voraussetzungen einer BK 4302 erfüllen. Für einen derartigen Wirkmechanismus spricht, dass im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung in der Zusamklinik durch den Lungenfacharzt Renck beim Kläger bereits eine unspezifische Provokation mit Kaltluft einen signifikanten Anstieg des zentralen Atemwegswiderstandes zur Folge gehabt hat und Kaltluft einen ausschließlich physikalischen (nicht chemischen) Reiz darstellt.
Darüber hinaus stellen nicht nur die Milbenallergie und der zurückliegende, bis 2002 betriebene, Nikotinabusus erhebliche Konkurrenzursachen dar, sondern auch der vorbestehende Arbeitsplatzkonflikt. Auch psychologische Faktoren und Emotionen vermögen als unspezifischer Trigger eine Exacerbation des Asthma bronchiale auszulösen, wie Dr. S. in seinem Gutachten vom 03.03.2009 (Bl. 52 SG-Akte) ausgeführt hat. Im Falle des Klägers hat, was der Senat gestützt auf die Reha-Entlassungsberichte der Reha-Klinik Ü. vom 24.04.2003 und der Luisenklinik B. D. vom 13.06.2006 sowie den für den Rentenversicherungsträger am 16.01.2003 erstatteten Bericht des Hausarztes Dr. G. feststellt, ein langjähriger Arbeitsplatzkonflikt bestanden. Als Anzeichen für eine emotionale Belastung am Arbeitsplatz hat der Kläger während der im März und April 2003 durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme von zu Stimmungslabilität und stärkerer Niedergeschlagenheit führendem Stress mit Überforderung am Arbeitsplatz, Erschöpfung, Anspannung und Schlafstörungen berichtet; Dr. G. hat einen psychovegetativen Erschöpfungszustand beschrieben. Aus dem Entlassungsbericht vom 13.06.2006 ist zu entnehmen, dass sich seit einem Wechsel des Chefs die Arbeitsatmosphäre dramatisch verschlechtert hat (Kränkungen, Konflikte), was letztlich in eine durch Konflikte am Arbeitsplatz ausgelöste leichte depressive Episode gemündet ist. Dabei handelt es sich, wovon der Senat auch gestützt auf die Ausführungen von Prof. Dr. S. der eine psychosomatische Atemwegsreaktion sogar als wahrscH.ichste Ursache bezeichnet hat, ausgeht, jedenfalls um eine beachtliche Konkurrenzursache gegenüber einer chemisch-irritativ ausgelösten Atemwegsobstruktion. Auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes sieht der Senat eine chemisch-irritative Verursachung der Atemwegsbeschwerden des Klägers nicht als überwiegend wahrscH.ich an.
Hiernach kommt es auf die Frage des Unterlassungszwangs nicht mehr entscheidend an.
Die Berufung des Klägers war nach alledem als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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