Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 BL 2/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 BL 6/10
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Bei Zweifeln kann ein Sachverständiger die subjektiven Angaben zu Sehschärfe und Gesichtsfeld nicht nur unter Heranziehung des morphologischen Befundes, sondern auch dur die Durchführung von Plausibilitätskontrollen bzw. objektive Funktionsprüfungen hinterfragen (Forführung der Rechtsprechung des Senats vom 31.01.2013 Az.: L 15 BL 6/07).
2. Zu den Voraussetzungen der Ablehnung eines Antrags gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz.
2. Zu den Voraussetzungen der Ablehnung eines Antrags gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 6. Juli 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Blindengeld nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz (BayBlindG) hat.
Die 1950 in Moldawien geborene Klägerin, für die ein GdB von 100 und die Merkzeichen "G", "B", "H" und "RF" festgestellt worden sind, stellte beim Beklagten erstmals 2003 Antrag auf Blindengeld. Nach Ermittlungen lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 30.09.2003 den Antrag ab, da die Klägerin nicht blind sei. Hiergegen erhob diese am 05.11.2003 Widerspruch. Zur Begründung legte sie u.a. eine Bescheinigung des Gesundheitsministeriums der Republik Moldawien vor. Danach sei die Klägerin auf Grund eines medizinischen Gutachtens über die Arbeitsfähigkeit vom 20.09.1991 in die "Invaliditätsgruppe 2" eingestuft worden, Invaliditätsursache sei sehbedingte Invalidität seit der Kindheit. In einem vom Beklagten eingeholten Befundbericht des Augenarztes Dr. R. vom 15.01.2004 wurde u.a. ein Visus am linken Auge von 1/25 festgestellt. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.2004 wurde der Widerspruch daraufhin als unbegründet zurückgewiesen.
Am 13.03.2006 "wiederholte" die Klägerin ihren Blindengeldantrag und verwies dabei auf eine Verschlechterung ihres Sehvermögens. Der Beklagte holte erneut einen Befundbericht und ein Gutachten ein. In Letzterem stellte der Augenarzt Dr. H. u.a. fest, dass die Gesichtsfeldangaben unbrauchbar seien. Der anatomische Augenbefund habe sich gegenüber der Voruntersuchung nicht merklich verändert; er erlaube nicht die Annahme, dass das Gesichtsfeld auf unter 30 Grad eingeengt sei. Der Beklagte lehnte daraufhin den erneuten Antrag wiederum ab. Im Bescheid vom 29.06.2006 stellte er fest, dass die Sehschärfe auf dem besseren linken Auge 1/30 betrage. Eine Gesichtsfeldbestimmung habe keine verwertbaren Ergebnisse erbracht. Es bestünden begründete Zweifel am Vorliegen von Blindheit, nachdem sich die Klägerin sicher und völlig frei im Raum bewegen hätte können.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, der u.a. damit begründet wurde, dass letztere Feststellung unzutreffend sei. Im Widerspruchsverfahren wertete der Beklagte einen ärztlichen Bericht des behandelnden Augenarztes Dr. K. aus und beauftragte Prof. Dr. K. mit der Erstellung eines Gutachtens. Am 27.11.2006 kam dieser zum Ergebnis, dass Blindheit nicht bestehe. Auch wenn die subjektiven Angaben der Klägerin hinsichtlich Sehvermögen und Gesichtsfeld dieses nahelegen würden, bestünden doch aus morphologischer und allgemeiner Einschätzung erhebliche Zweifel an einer Blindheit im Sinne des BayBlindG. Für ihn, Prof. Dr. K., ergebe sich der Eindruck, dass die Klägerin stark aggraviere. Daraufhin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.01.2007 den Widerspruch als unbegründet zurück. Trotz Einsatzes aller diagnostischen Möglichkeiten, so die Begründung des Beklagten, sei es auf Grund der nicht durchführbaren Gesichtsfelduntersuchung nicht gelungen, das genaue Ausmaß der offensichtlich vorliegenden Sehstörung festzustellen. Es lasse sich deshalb nicht der objektive Nachweis erbringen, dass Blindheit im Sinne des Gesetzes vorliege, zumal die anlässlich der Begutachtung gewonnenen Eindrücke das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen zusätzlich in Frage stellten. Der Beklagte verwies auf den Grundsatz der objektiven Beweislast.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG - das Klageverfahren trug das Aktenzeichen S 15 BL 3/07). Dieses holte zunächst ein Gutachten des Augenarztes Dr. L. vom 02.08.2007 ein. Der Sachverständige stellte fest, dass der Versuch, zu den Kardinalfunktionen des Auges subjektive Angaben zu erhalten, durch die ablehnende Haltung der Klägerin extrem erschwert bzw. unmöglich gemacht worden sei. Jeder Versuch, zu einer korrekten Mitarbeit zu gelangen, sei abgeblockt worden mit dem Hinweis, dass die Klägerin ja nicht sehen könne, weil sie blind und dies ihr schon in Russland bestätigt worden sei. Er könne somit nicht mit Ergebnissen hinsichtlich der vom Gesetz geforderten Angaben zur zentralen Sehschärfe und zum Gesichtsfeld dienen, weil sie ihm von der Klägerin nicht geliefert worden seien. Die Bewertung des vorhandenen Sehvermögens könne somit ausschließlich aufgrund der objektiven Eindrücke und des vorhandenen morphologischen Befunds erfolgen. Erstere ließen den sicheren Schluss zu, dass die Klägerin ihr Sehvermögen nicht vollständig verloren habe. Eine morphologische Veränderung, die seit dem Gutachten von Prof. Dr. K. eine Verschlechterung erkennen lasse, liege nicht vor. Auf Grund der bei der Untersuchung gewonnen Befunde und deren Vergleich mit anatomischen Verhältnissen auf dem Gebiet der Augen lasse sich der Beweis für eine Erblindung im Sinne des BayBlindG ohne vernünftigen Zweifel nicht führen.
Im Folgenden legte die Klägerin ein von ihr in Auftrag gegebenes Privatgutachten von Dr. S. vom 10.10.2007 vor. Als Sehvermögen für die Ferne mit Korrektur hat der Augenarzt auf dem rechten Auge "keinen Lichtschein", auf dem linken Auge "Fingerzählen vor dem Auge, pendelförmige Fixation, Lichtscheinprojektion nicht positiv" festgehalten. Das Gesichtsfeld sei mit dem programmgesteuerten Kugelperimeter Octopus 500 EZ geprüft worden. Beim rechten und linken Auge sei selbst die größte und stärkste Lichtmarke an keiner Stelle erkannt worden. Auf Grund des vollständigen Sehnervenschwundes sei es zu einer Erblindung gekommen.
Mit Schreiben vom 12.11.2007 beantragte die Klägerin, Dr. S. mit der Erstellung eines Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu beauftragen. Der Augenarzt teilte dem Gericht jedoch mit, dass er mangels Projektionsperimeters nach Goldmann (Marke III/4) nicht als ärztlicher Sachverständiger fungieren könne. Daraufhin beauftragte das Gericht auf weiteren Antrag der Klägerin Prof. Dr. M. gemäß § 109 SGG. Im Gutachten vom 14.08.2008 hielt dieser fest, dass sich bei der Prüfung des Gesichtsfelds und des Visus eine geringe Kooperationsbereitschaft der Klägerin gezeigt habe. Die Sehprüfungen, die eine Kooperationsbereitschaft voraussetzen würden (Visus, Goldmanngesichtsfeld), würden eine beidäugige Sehfunktion geringer als 1/50 bzw. ein erloschenes Gesichtsfeld ergeben. Eine andere Sehbeeinträchtigung von einem solchen Schweregrad, dass sie einer Beeinträchtigung der Sehschärfe gleichzuachten sei, sei bei der mangelhaften Kooperation der Klägerin nicht erhebbar. Zusammenfassend wies Prof. Dr. M. darauf hin, dass es seit 2002 zu keiner dokumentierten Änderung des Augenbefundes gekommen sei, die auf eine Abnahme der Sehfähigkeit hindeuten würde. In Anbetracht der von verschiedenen Gutachtern beschriebenen Fähigkeit der Klägerin, sich im Raum relativ gut zurechtzufinden, des bei entsprechenden Visuswerten optokinetisch auslösbaren Nystagmus sowie eines unveränderten morphologischen Augenbefundes bestünden deutliche Zweifel an der Annahme, dass auf dem besseren Auge und auch bei beidäugiger Prüfung eine Sehschärfe von nicht mehr als 0,02 erreicht werde. Die entsprechende Frage der Beweisanordnung könne nicht mit "ja" beantwortet werden.
Zu den Gutachten nahm die Klägerin ausführlich vor allem dahingehend Stellung, dass die gewünschte Zusammenarbeit mit Dr. L. nicht am Widerwillen der Klägerin gescheitert, sondern stets mit dem Hinweis auf die vorhandene Blindheit begründet worden sei. Der Einwand der Klägerin, dass sie die vorgehaltene Visustafel nicht sehe, sei gerade als Indiz für ihre Blindheit zu sehen und nicht als mangelnde Kooperationsbereitschaft zu werten. Insgesamt sei dem Gutachten von Dr. L. zu entnehmen, dass eine Vertrauensbasis zwischen der Klägerin und dem Sachverständigen nicht habe geschaffen werden können. Weiter wies die Klägerin darauf hin, dass das Gutachten von Dr. L. in medizinischer Hinsicht nicht sachgemäß erstellt worden sei. Prof. Dr. M. habe geschrieben, dass die Klägerin ein Sehvermögen von 0,02 habe und das Gesichtsfeld 1,50 Grad betrage. Dies entspreche den gesetzlichen Anforderungen, um Anspruch auf das Blindengeld zu haben. Allerdings sei seine Unschlüssigkeit am Ende des Gutachtens nicht zu verstehen. Das bedeute wohl, dass er sich bezüglich seines Wissens nicht sicher sei; dies passe aber nicht zu einem Professor.
Im Auftrag des Gerichts nahm Dr. L. am 06.11.2008 ergänzend Stellung. Hinsichtlich des Privatgutachtens (Dr. S.) wies Dr. L. u.a. darauf hin, dass in dem Gutachten eine kritische Würdigung der subjektiven Angaben der Klägerin unterbleibe, die bei der Komplexität des Sachverhalts auf ihre Stichhaltigkeit hätten betrachtet werden müssen. Zudem sei der Visus am linken Auge mit einem Glas erhoben worden, welches zu stark sei. Bei Vorhalten der Visustafel wäre es im Übrigen sinnvoll gewesen, wenn sich die Klägerin zumindest bemüht hätte, deren Zahlen zu lesen, und nicht jedes Bemühen mit dem Hinweis "ich bin blind" zu unterlassen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 19.03.2009 nahm die Klägerin die Klage zurück.
Am 06.04.2009 stellte die Klägerin erneut Antrag auf Blindengeld und legte Atteste des Augenarztes D. vor. Nach Einleitung von Ermittlungen durch den Beklagten teilte die Klägerin mit, dass der Beklagte wohl erneut versuche, Druck auf sie auszuüben und "erfahrenen und kompetenten Ärzten kein Vertrauen" zu schenken. Auf Grund dieses ganzen Stresses habe die Klägerin zusätzliche gesundheitliche Beschwerden bekommen. Sie bitte daher, auf der Grundlage der von ihr bereits eingereichten Unterlagen zu entscheiden und keine weitere Untersuchung mehr anzusetzen.
Daraufhin lehnte der Beklagte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 27.05.2009 den Antrag auf Blindengeld ab. Bei Prüfung des Antrags seien die vorgelegten Befunde des o.g. Augenarztes berücksichtigt worden. Auf Grund von mehreren Gutachten verschiedener Augenärzte, insbesondere der im sozialgerichtlichen Verfahren durchgeführten Untersuchungsbegutachtungen, bestünden bei der Klägerin deutliche Zweifel am Vorliegen von Blindheit. Zwar würde der nun vorgelegte Befund von 0,01 auf beiden Augen Blindheit bestätigen. Er sei ohne versorgungsärztliche Überprüfung unter gutachterlichen Gesichtspunkten nach Maßgabe der Richtlinien der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) keinesfalls geeignet, die bisher bestehenden Zweifel am Vorliegen von Blindheit zu entkräften bzw. eine inzwischen möglicherweise eingetretene wesentliche Verschlimmerung des Sehvermögens zu beweisen. Nachdem die Klägerin es abgelehnt habe, sich versorgungsärztlich untersuchen zu lassen, sei ein Nachweis von Blindheit nicht gegeben.
Am 15.06.2009 wandte sich die Klägerin mit einem Schreiben an das Bayer. Landessozialgericht (LSG) und schilderte ihre gesundheitliche und auch ihre soziale Situation; dieses wurde vom Beklagten als Widerspruch gewertet. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.08.2009 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Er führte zur Begründung aus, die Voraussetzungen für die Gewährung von Blindengeld seien bei der Klägerin nicht erfüllt, da alle bisher im Verwaltungsverfahren und sozialgerichtlichen Verfahren gehörten Gutachter zu dem Ergebnis gelangt seien, dass Blindheit bzw. eine der Blindheit gleichzuachtende Sehstörung nicht nachgewiesen sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 21.09.2009 erneut Klage zum SG erhoben (Az.: S 15 BL 2/09). Diese ist u.a. damit begründet worden, dass aus dem Gutachten von Prof. Dr. M. nicht eindeutig hervorgehe, dass die Klägerin die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 2 BayBlindG nicht erfülle. Die Klägerin leide an einer Atrophie des Sehnervs, zyklischem Glaukom, Diabetes, Hypertonie und es fehle ihr eine Niere. Das in Auftrag zu gebende Gutachten solle daher insbesondere auch dazu Stellung nehmen, ob das Vorliegen dieser Krankheiten zu einer Bejahung der Blindheit im Sinne des BayBlindG führen könne.
Mit Beschluss vom 02.11.2009 hat das SG für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt und Rechtsanwalt E. D., A-Stadt, beigeordnet.
Sodann hat es Beweise erhoben durch ein augenfachärztliches Sachverständigengutachten von Prof. Dr. K ... In seinem Gutachten vom 03.03.2010 hat der Sachverständige folgende Sehschärfebefunde für die Ferne (ohne Korrektur) erhoben:
- Rechtes Auge: nulla lux, Gläser bessern nicht
- Linkes Auge: schwach lux bei Lichtquelle in 5 cm Entfernung im temporalen Gesichtsfeld, Gläser bessern nicht
Der optokinetische Nystagmus (OKN), geprüft mit der Catford-Trommel, sei horizontal und vertikal nicht sicher auslösbar gewesen. Bei der Gesichtsfeldprüfung (Goldmann mit der Testmarke III/4) seien keine Angaben seitens der Klägerin erfolgt, ebenso wenig bei der Gesichtsfelduntersuchung am Bjerrumschirm. Es hätten mit Mustern keine visuell evozierten kortikalen Potenziale (VECP) reproduziert werden können. Bei den Blitz-VECP hätten sich am rechten Auge reproduzierbare Potenziale mit geringer Amplitude, am linken Auge gut reproduzierbare Potenziale ergeben. Prof. Dr. K. hat folgende Diagnosen gestellt:
- Rechts und links: Pendel-Rucknystagmus
- Rechtes Auge: Zustand nach perforierender Verletzung, Aphakie, schräger Sehnerveneintritt
- Linkes Auge: Aphakie, schräger Sehnerveneintritt.
Bei der Untersuchung habe die in den Vorgutachten beschriebene mangelhafte Kooperationsbereitschaft bestätigt werden können. Es habe sich eine auffällige Diskrepanz zwischen den subjektiven Angaben (Sehschärfeprüfung) der Klägerin und den objektiv erhobenen Befunden (VECP) ergeben. Die von der Klägerin angegebene Sehschärfe lasse sich nicht mit den Ergebnissen der visuell evozierten Potenziale vereinbaren. Infolgedessen bestünden starke Zweifel an den subjektiven Angaben der Klägerin und es könne nicht mit Sicherheit festgestellt werden, dass auf dem besseren Auge und auch bei beid-äugiger Prüfung eine Sehschärfe von nicht mehr als 0,02 oder gleichwertig bestehe. Die Klägerin sei mittlerweile sehr gutachtenserfahren und mache von Gutachten zu Gutachten weniger Angaben. Blindheit im Sinne des BayBlindG lasse sich nicht sicher nachweisen.
Auch hierzu hat die Klägerin über ihre Bevollmächtigten Stellung genommen. Das Verhalten der Klägerin habe nicht auf ihrem mangelnden Mitwirkungswillen beruht, sondern sei auf die Erkrankung der Klägerin zurückzuführen. Dabei hat die Klägerin auf den Nystagmus verwiesen.
Mit angefochtenem Urteil vom 06.07.2010, das mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat auf das Gutachten von Prof. Dr. K. verwiesen.
Am 05.08.2010 hat die Klägerin hiergegen Berufung zum LSG eingelegt. Diese hat sie im Wesentlichen damit begründet, dass das SG den Amtsermittlungsgrundsatz verletzt habe. Es habe sich soweit ersichtlich kein eigenes Bild von dem Ausmaß der sehr starken Sehbehinderung bzw. Blindheit der Klägerin gemacht und sich nicht abschließend mit sämtlichen vorliegenden Arztberichten auseinandergesetzt. Die Urteilsgründe, wonach auf Grund einer angeblichen fehlenden Mitwirkung der Klägerin Blindheit nicht gegeben sein solle, könnten nicht überzeugen. Es könne wegen Verständigungsschwierigkeiten der Klägerin nicht ausgeschlossen werden, dass diese die Aufforderungen des Gutachters missverstanden und deshalb falsch reagiert habe. Eine Auseinandersetzung des SG mit dem Gutachten des Dr. S. sei offensichtlich nicht erfolgt.
Mit Beschluss vom 06.07.2011 hat der Senat PKH bewilligt und Rechtsanwalt B., A-Stadt, beigeordnet.
Der Senat hat Dr. C. mit der Erstellung eines augenfachärztlichen Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 05.05.2012 hat Dr. C. zunächst die Anwesenheit einer (beeidigten) Dolmetscherin (russisch-deutsch) festgestellt.
Aus den anamnestischen Angaben der Klägerin, vor allem hinsichtlich eines grauen Stars nach einem Treppensturz 1952, der dann operativ habe entfernt werden müssen, und eines grauen Stars 1956 am linken Auge, der ebenfalls operiert worden sei, weiter hinsichtlich des Berichts, dass die Klägerin mit einer entsprechenden Lupenbrille noch große Schriften bis 2003 lesen und bis 2005 noch an einer Spülmaschine arbeiten habe können, hat Dr. C. geschlossen, dass bereits im Kindesalter zunächst eine massive Reizberaubung durch die Linsentrübung und dann eine Linsenlosigkeit an beiden Augen bestanden habe, die selbst erfahrungsgemäß zu einer Schwachsichtigkeit (Amblyopie) prädisponierten. Durch die beidseitige Sehminderung könne sich schon damals der heute immer noch sichtbare Nystagmus entwickelt haben; unwahrscheinlich sei die Genese einer Kataraktbildung nach Treppensturz. Aus der vorliegenden Konstellation halte er es für wahrscheinlicher, dass primär ein kongenitaler grauer Star (ohne Trauma) beidseits vorgelegen habe, der seinerseits die Entwicklung eines kongenitalen okulären Nystagmus verursacht habe und nun erst im zweiten Lebensjahr am rechten Auge und später am linken Auge operativ entfernt worden sei.
Dr. C. hat u.a. den folgenden Untersuchungsbefund erhoben:
- Sehschärfe ohne Korrektion: Rechtes/linkes Auge und beidäugig: keine Lichtscheinwahrnehmung. Die Sehschärfe habe durch Vorhalten von weiteren Gläsern nicht verbessert werden können.
- Optokinetischer Nystagmus (OKN): Dieser sei sowohl am rechten als auch am linken Auge sehr schwer beurteilbar, weil ein Spontannystagmus bestehe und weil die Augen ständig im Abblick gehalten würden. Dennoch sei der OKN mit der eigenen Brille vertikal am rechten Auge eindeutig und reproduzierbar, am linken Auge zumindest einmal eindeutig vertikal auslösbar gewesen.
- Gesichtsfeld (Kugelperimeter nach Goldmann mit Reizmarken III/Ve und V/4e): Rechtes und linkes Auge: Beide Reizmarken seien an keinem Gesichtsfeldort als wahrgenommen angegeben worden. Dies könne alleine schon auf den Abblick mit konsekutivem Lidschluss zurückgeführt werden. Die Erhebung des Gesichtsfeldes sei somit auch nicht adäquat durchführbar gewesen.
- Augenbeweglichkeit: Die Klägerin habe so gut wie immer nach unten geblickt. Bei aufgefordertem Aufblick sei kurzzeitig der (mäßig ausgeprägte) Rechtsblick eingenommen worden. Der Linksblick sei auf Kommando auch nur bis zu 10 Grad eingenommen worden, der Aufblick auch auf Kommando nicht. Im weiteren Verlauf der Untersuchung habe aber der spontane Aufblick, wenn auch kurzzeitig, sehr wohl beobachtet werden können. Insbesondere während der Ableitung der Blitz-VECPs, bei der die Klägerin in Dunkelheit in eine Halbkugel sehend sich wohl unbeobachtet gefühlt habe und sie ausdrücklich aufgefordert worden sei, nach unten zu schauen und/oder die Augen geschlossen zu halten, habe sie nun - über die Infrarotkamera ersichtlich - vorwiegend geradeaus geblickt.
- Blitz-VECP: Wegen der Abneigung der Klägerin, eine VECP-Untersuchung durchführen zu lassen, sei eine Verkürzung der Untersuchungszeit in Aussicht gestellt worden, indem beide Augen gleichzeitig (binokular) stimuliert worden seien, worin die Klägerin dann eingewilligt habe. Dadurch sei eine Aussage zur Funktion des Einzelauges allerdings nicht mehr möglich gewesen. Bei der Stimulation beider Augen simultan hätten sich auch reproduzierbare und eindeutig identifizierbare Reizantworten trotz Kontamination durch den Spontannystagmus ableiten lassen. Auffällig sei, dass die Klägerin verzögert rhythmisch zu den Blitzen angedeutet geblinzelt habe.
- Verhalten der Patientin: Die Klägerin habe sich zwar konsequent, jedoch nicht professionell führen lassen, weil sie trotz Führung selbständig an den Türstock und die Stühle gestoßen habe, wozu sie ausgeschert sei. Bei geübter Führung komme es im Vertrauen auf den Führenden eben gerade nicht zu solchen Kollisionen. Die Klägerin habe zielsicher und reflexartig mit der Hand z.B. die Tischplatte des VECP-Untersuchungsgerätes ergriffen. Die Untersuchbarkeit der Klägerin sei in Ermangelung der möglichen Mitarbeit durch das ständige Tragen einer die Augenpartie kaschierenden Sonnenbrille und durch das ständige Nachuntenblicken erschwert worden. Die Brille eigne sich zudem, die von der Klägerin eingenommene und auf Dauer anstrengende Abblickstellung, zu der Konzentration erforderlich sei, unbemerkt aufzugeben. Tatsächlich sei sie dann auch unterlassen worden. Die Augenhintergrundspiegelung mit und ohne OKN-Prüfung und die objektive Refraktion seien wegen der Weigerung einer Augentropfengabe und wegen der engen Pupillen deutlich erschwert gewesen.
Dr. C. hat folgende Diagnosen gestellt:
Rechtes Auge:
- Verdacht auf ehemals Kurzsichtigkeit (V.a. Myopie), jetzt Weitsichtigkeit (Hyperopie) bei Linsenlosigkeit (Aphakie)
- Stabsichtigkeit (Astigmatismus) bei Linsenlosigkeit (Aphakie)
- Akkommodationslosigkeit bei Linsenlosigkeit (Aphakie)
- Periphere Hornhautnarbe mit Regenbogenhautvorfall unter die Bindehaut und mit Pupillenverziehung (Hornhauttrübung mit subkonjunktivalem Irisprolaps und Korektopie)
- bei Linsenlosigkeit (Aphakie)
- Verdacht auf Schwachsichtigkeit (V.a. Deprivationsamblyopie)
- Verdacht auf angeborenes Augenzittern (V.a. sensorischen kongenitalen Nystagmus)
- Verdacht auf sekundäres Außenschielen (V.a. sekundäre Exotropie)
- Minimale Degeneration der Stelle des schärfsten Sehens (dezente Makuladegeneration)
Linkes Auge:
- Verdacht auf ehemals Kurzsichtigkeit (V.a.Myopie) jetzt Weitsichtigkeit (Hyperopie) bei Linsenlosigkeit (Aphakie)
- Stabsichtigkeit (Astigmatismus) bei Linsenlosigkeit (Aphakie)
- Linsenlosigkeit (Aphakie)
- Verdacht auf angeborenes Augenzittern (V.a. Deprivationsamblyopie)
- Verdacht auf angeborenes Augenzittern (V.a. sensorischen kongenitalen Nystagmus (Kurzsichtigkeit) (Myopia magna)
Die Fehlsichtigkeiten seien deutlich ausgeprägt, würden sich jedoch wie auch die fehlende Fähigkeit zur Akkommodation mit optischen Hilfsmitteln ausgleichen lassen; sie trügen korrigiert deshalb nicht wesentlich zur subjektiv angegebenen massiven Sehminderung bei. Die Hornhautverkrümmung sei sehr stark ausgeprägt; es sei zu vermuten, dass die Verkrümmung heute wegen der Notwendigkeit der passiven Lidöffnung fälschlich zu hoch gemessen worden sei. Amblyopie und Nystagmus, gleich welcher Genese, reduzierten die Sehschärfe an beiden Augen und seien seines, Dr. K., Erachtens trotz des nur bestehenden Verdachts die Hauptursache für das verminderte Sehvermögen. Immerhin habe die Klägerin bis 2003 nach eigenen Angaben mit der Lupe noch große Schriften lesen können. Für die weitere Sehverschlechterung bis zur (angeblichen) völligen Erblindung könne nicht mehr die Amblyopie verantwortlich gemacht werden könne, weil diese zusammen mit der Sehentwicklung sich später nicht mehr verändere.
Die Linsenlosigkeit stelle die geringste Einschränkung dar, weil sie durch optische Hilfsmittel wie Brille oder Kontaktlinsen zu einem Gutteil kompensierbar sei. Die Hornhauttrübung am rechten Auge sei geeignet, die Blendempfindlichkeit wegen der Streuwirkung deutlich zu erhöhen, über welche die Klägerin aber nicht klage. Auch könne eine Hornhautverkrümmung durch Narbenbildung induziert werden, die allerdings optisch zumindest teilweise ausgleichbar wäre. Der bei seiner Untersuchung massiv ausgeprägte Astigmatismus sei nur am linken Auge gemessen worden und könne allein schon auf die passive Lidöffnung zurückgeführt werden. Bezüglich der Papillen und des zentralen Augenhintergrunds sei bisher eine diskrepante Befunderhebung erfolgt. Heute seien - trotz verschärfter und erschwerter Untersuchungsbedingungen - randscharfe, nicht exkavierte und vitale Papillen beobachtbar gewesen, die keinen strukturellen Hinweis auf eine Sehnervendegeneration (gleich welcher Genese) erlauben würden. Ebenso uneinheitlich sei bisher der Makulabefund beschrieben worden. Heute seien neben der allgemeinflächigen Pigmentepithelverdünnung am hinteren Pol (als Zeichen einer ehemaligen Myopie) keine wesentlichen degenerativen Veränderungen der Makula erkennbar (nur diskrete Pigmentverschiebungen), so dass die Vorbefunde eines weitgehenden normalen Makulabefundes - also keine wesentliche Makuladegeneration - bestätigt würden. Die beklagten Augenschmerzen fänden keinen Niederschlag in wesentlichen Strukturveränderungen. Damit stehe der Strukturbefund massiv im Widerspruch zur funktionellen Einschränkung des Sehvermögens, wie sie die Klägerin angebe. Zumindest könnten die Strukturveränderungen die totale Erblindung der Klägerin auch nicht annähernd erklären.
Während also eine deutliche Einschränkung des Sehvermögens in der Kindheit, d.h. fortdauernd bis zum Lebensende, mit der Amblyopie erklärbar sei, könne die wesentliche Verschlechterung des Sehvermögens bis hin zur subjektiv beklagten völligen Erblindung nach der Kindheit und vor allem ab 2003 bei weitem nicht ausreichend mit den strukturellen Veränderungen erklärt werden. Auch die funktionellen objektiven Befunde widersprächen trotz der angeführten Erschwernisse bei der Untersuchung einer Totalerblindung, wie sie die Klägerin für beide Augen angebe.
Der Sachverständige hat zusammenfassend festgestellt, dass insbesondere die Ergebnisse der objektiven Funktionsprüfungen - trotz der erschwerten Durchführbarkeit - beweisen würden, dass die subjektiven Angaben zum Sehvermögen (Totalerblindung) nicht stimmen könnten. Daher trügen die subjektiven Angaben zu Sehschärfe und Gesichtsfeld nicht zur Wahrheitsfindung bei. Die objektiven Befunde (Strukturbefund und objektiver Funktionsbefund) seien aber für sich nicht ausreichend in der Lage, Blindheit nach dem Gesetz nachzuweisen. Auf Grund des Verhaltens der Klägerin sei eine ordentliche Befunderhebung teils massiv erschwert, teils überhaupt nicht möglich. Die in der Massierung auftretenden Behinderungen der Untersuchung würden es seines, Dr. K., Erachtens unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass dem Verhalten der Klägerin eine psychogene Sehstörung (unbewusst) oder eine Konversionsreaktion (Neurose) zu Grunde liege, sondern vielmehr ein vorsätzliches Verhalten.
Dennoch liege aufgrund der oben dargelegten Entwicklung einer Amblyopie in der frühesten Kindheit eine glaubhafte deutliche Beeinträchtigung des Sehvermögens vor. Die vorliegende Konstellation, dass wohl der graue Star sowohl die Ursache für die Amblyopie als auch für den Nystagmus darstelle (eventuell sogar für die Myopie), sei aber durchaus mit einer Sehschärfe von über 0,02, z.B. auch mit 0,1, vereinbar. Dafür dass die Amblyopie nicht außerordentlich tief gewesen sei (also 0,02 oder weniger), spreche die Darstellung der Klägerin, sie habe mit optischen Hilfsmitteln ihrem Beruf als "Arztpsychologin" in Moldawien nachgehen und sogar noch 2003 zumindest größere Schriften mit der Lupe lesen können. Ohne Berücksichtigung der Amblyopie und des Nystagmus seien die Strukturbefunde aller klinischer Erfahrungen nach sogar mit einer korrigierten Sehschärfe von bis 0,8 am besseren linken Auge vereinbar; bewiesen sei eine solche hierdurch aber nicht. Die objektiven Funktionsbefunde seien somit auch heute noch mit einer Sehzeichenschärfe von 0,1 vereinbar. Somit könne keine Sehschärfeminderung auf 1/50 oder weniger am besseren linken Auge nachgewiesen werden. Die objektiven Befunde würden sogar für eine bessere Sehschärfe sprechen, sie würden diese jedoch nicht beweisen. Hinsichtlich der faktischen Blindheit im Übrigen hat Dr. C. festgestellt, dass die augenstrukturellen Befunde für einen Totalausfall des Gesichtsfeldes, wie von der Klägerin bei ihm angegeben, noch weniger eine Erklärung geben würden als bei der Sehschärfeminderung. Auch das weitgehend normale Blitz-VECP weise auf keinen wesentlichen zentralen Gesichtsfeldausfall, der durch Störung auf der Ebene der Netzhaut, der Sehnerven und/oder der Sehbahn bedingt wäre, hin. Die funktionellen objektiven Befunde würden dieses Ausmaß der Gesichtsfeldeinschränkung bei weitem nicht belegen. Eine wesentliche Sehnervenerkrankung sei sehr unwahrscheinlich, zumindest eine, die dieses Ausmaß der subjektiven Beeinträchtigung noch schlüssig erklären könne. Eine Schädigung der höheren Sehbahn bis zur Sehrinde als Erklärung für diese subjektiv massivste Sehbeeinträchtigung sei angesichts des Schadensmusters und der Anamnese äußerst unwahrscheinlich. Damit ergäben sich berechtigte Zweifel an dem Ausmaß der Gesichtsfeldeinschränkung, wie es die Klägerin angebe.
Auf die Frage des Gerichts, ob die Klägerin angesichts des Gutachtens von Dr. C. die Berufung zurücknehme, hat diese geantwortet, fest entschlossen zu sein, um ihre Rechte bei allen deutschen und europäischen gerichtlichen Instanzen zu kämpfen. Die Untersuchungen der anerkannten Augenärzte Dr. S., Dr. D., Dr. K. und Prof. Dr. M. seien nicht berücksichtigt worden. Bei einer unabhängigen Begutachtung sowie bei Hinzuziehung von Zeugen und allen Unterlagen aus dem Archiv in Moldawien werde sie die Wahrheit beweisen können.
Hierauf hat der Beklagte am 09.07.2012 versorgungsärztlich Stellung genommen. Darin ist u.a. festgestellt worden, dass für die Frage einer Erblindung der Diabetes der Klägerin nicht von Bedeutung sei, da bei keiner der bisher durchgeführten augenärztlichen Begutachtungen ein diabetischer Netzhautschaden (diabetische Retinopathie oder Makulapathie) festgestellt worden sei. Weiter ist darauf hingewiesen worden, dass blinde Menschen nicht in der Lage seien, sich in unbekannten Räumen alleine und ohne fremde Hilfe zu orientieren. Eine relativ sichere Orientierung im Raum sei jedoch bei mehreren Begutachtungen festgestellt worden.
Sodann hat die Klägerin die Übersetzung eines Auszugs aus der Patientenkarteikarte der Poliklinik in R., Transnistrische Moldauische Republik, zum Beweis vorgelegt, dass sie bereits bei ihrer Einreise nach Deutschland sehbehindert gewesen sei. Daraufhin hat der Beklagte erklärt, dass der vorgelegte Befund aus dem Jahre 1988 nicht geeignet sei, die in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren eingeholten Gutachten zu entkräften und zu einem für die Klägerin positiven Ergebnis zu führen.
In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin den Antrag gestellt, zur Frage ihrer Sehfähigkeit von Prof. Dr. H. (Universitätsklinikum R.) ein Gutachten nach § 109 SGG einzuholen.
Sie beantragt,
das Urteil des SG Nürnberg vom 6. Juli 2010 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 27. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. August 2009 aufzuheben und ihr Blindengeld nach dem BayBlindG ab April 2009 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten des Beklagten (Blindengeld- und Behindertenakte) und des SG (beider o.g. Klageverfahren) beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig (Art. 7 Abs. 3 BayBlindG i.V.m. §§ 143, 151 SGG), jedoch nicht begründet.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin blind im Sinne des BayBlindG ist und ihr deshalb ab dem Monat der Antragstellung Blindengeld zusteht. Dies hat das SG zu Recht verneint. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 27.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Gemäß Art. 1 Abs. 1 BayBlindG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Änderung des BayBlindG v. 20.07.2011 (GVBl. Nr. 14/2011, S. 311) erhalten blinde Menschen, soweit sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Bayern haben oder soweit die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl L 166 S. 1, ber. ABl L 200 S. 1, 2007 ABl L 204 S. 30) in der jeweils geltenden Fassung dies vorsieht, zum Ausgleich der blindheitsbedingten Mehraufwendungen auf Antrag ein monatliches Blindengeld. Dabei beinhaltet nach der Rechtsprechung des BSG die Formulierung "zum Ausgleich der blindheitsbedingten Mehraufwendungen" keine eigenständige Anspruchsvoraussetzung, sondern umschreibt lediglich die allgemeine Zielsetzung der gesetzlichen Regelung (BSG v. 26.10.2004 - B 7 SF 2/03 R).
Blind ist, wem das Augenlicht vollständig fehlt (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayBlindG). Als blind gelten gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 2 BayBlindG auch Personen,
1. deren Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als 1/50 beträgt,
2. bei denen durch Nr. 1 nicht erfasste Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad bestehen, dass sie der Beeinträchtigung der Sehschärfe nach Nr. 1 gleichzuachten sind.
Vorübergehende Sehstörungen sind nicht zu berücksichtigen. Als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten.
Eine der Herabsetzung der Sehschärfe auf 1/50 (0,02) oder weniger gleichzusetzende Sehstörung im Sinn des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BayBlindG liegt, den Richtlinien der DOG folgend, bei folgenden Fallgruppen vor (siehe Teil A Nr. 6 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze - VG, Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung):
aa) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,033 (1/30) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfelds in keiner Richtung mehr als 30° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
bb) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,05 (1/20) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 15° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
cc) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,1 (1/10) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfelds in keiner Richtung mehr als 7,5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
dd) bei einer Einengung des Gesichtsfelds, auch bei normaler Sehschärfe, wenn die Grenze der Gesichtsfeldinsel in keiner Richtung mehr als 5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
ee) bei großen Skotomen im zentralen Gesichtsfeldbereich, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und im 50°-Gesichtsfeld unterhalb des horizontalen Meridians mehr als die Hälfte ausgefallen ist,
ff) bei homonymen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und das erhaltene Gesichtsfeld in der Horizontalen nicht mehr als 30° Durchmesser besitzt,
gg) bei bitemporalen oder binasalen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und kein Binokularsehen besteht.
Dass der Klägerin das Augenlicht vollständig fehlen oder dass bei ihr faktische Blindheit im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Satz 2 BayBlindG vorliegen würde, steht nicht zur Gewissheit des Senats fest. Vielmehr hat der Senat hieran ganz erhebliche Zweifel.
Wie er u.a. in der Entscheidung vom 05.02.2013 (Az.: L 15 SB 23/10) unterstrichen hat, sind nach den Grundsätzen im sozialgerichtlichen Verfahren die einen Anspruch begründenden Tatsachen grundsätzlich im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachzuweisen (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, Az.: B 9 VG 3/99 R), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993, Az.: 9/9a RV 1/92). Lässt sich der Vollbeweis nicht führen, geht die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu Lasten dessen, der sich zur Begründung seines Anspruchs oder rechtlichen Handelns auf ihr Vorliegen stützen möchte.
Wie sich aus der obigen Darstellung des Sachverhalts bereits ergibt, kann nicht die Rede davon sein, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des vorliegenden Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der blindheitsbegründenden Tatsachen zweifeln würde. Vielmehr hat keiner der in den Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahren beauftragten Sachverständigen die Blindheit der Klägerin bestätigt; lediglich der von der Klägerin selbst beauftragte Dr. S. hat eine Erblindung angenommen (siehe hierzu unten). Alle Gutachter, insbesondere die in den gerichtlichen Verfahren beauftragten Sachverständigen Dr. L., Prof. Dr. M. (§ 109 SGG), Prof. Dr. K. und Dr. C., haben jeweils zahlreiche Aspekte aufgezeigt, die sie zu erheblichen Zweifeln an einem vollständigen Verlust des Augenlicht oder am Vorliegen faktischer Blindheit der Klägerin veranlasst haben. Der Senat macht sich diese sachverständigen Feststellungen zu eigen.
Bei der Blindenbegutachtung nehmen nach den gesetzlichen Vorgaben (Art. 1 Abs. 2 BayBlindG, VG) die aufgrund subjektiver Angaben zu erhebenden Befunde bezüglich Sehschärfe und Gesichtsfeld die zentrale Rolle ein. Vor allem Dr. C. hat in seinem Gutachten anschaulich und schlüssig herausgearbeitet, dass die diesbezüglichen subjektiven Angaben der Klägerin, denen zufolge von Blindheit auszugehen wäre, "nicht zur Wahrheitsfindung" beitragen. Entsprechend der - vor allem auch den naturwissenschaftlichen Gegebenheiten Rechnung tragenden - Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 31.01.2013 - Az.: L 15 BL 6/07) hat der Sachverständige die subjektiven klägerischen Angaben nicht nur unter Heranziehung des morphologischen Befundes, wie gemäß Teil B Nr. 4 VG vorgesehen, sondern gerade auch durch die Durchführung von Plausibilitätskontrollen bzw. durch objektive Funktionsprüfungen hinterfragt.
Dabei hat er plausibel dargelegt, dass der Strukturbefund massiv im Widerspruch zur funktionellen Einschränkung des Sehvermögens, wie von der Klägerin angegeben, steht; zumindest können die Strukturveränderungen eine totale Erblindung der Klägerin auch nicht annähernd erklären (s.o.). Vor allem auch die Ergebnisse der objektiven Funktionsprüfungen zeigen, wie Dr. C. zur Überzeugung des Senats nachgewiesen hat, dass die subjektiven Angaben zum Sehvermögen (Totalerblindung) nicht stimmen können. So war die Pupillenreaktion auf direkte und indirekte Lichtreaktion zwar etwas träge, aber deutlich und reproduzierbar auslösbar. Trotz der massiven Efferenzstörung am rechten Auge auf Grund der Pupillenverziehung mit Vernarbung konnte über den modifizierten Pupillenwechselbelichtungstest kein Afferenzdefizit des rechten Auges gegenüber dem linken Auge festgestellt werden. Die fehlende Lichtwahrnehmung, wie sie die Klägerin angegeben hat, ist sowohl für das rechte als auch für das linke Auge unglaubwürdig. Auch hat sich bei der Ableitung der VECP eine Mindestintaktheit mindestens einer der beiden zentralen Netzhäute, mindestens einer der beiden Sehnerven und der beidseitigen Sehbahn bis hin zur Sehrinde bezüglich der Lichtverarbeitung gezeigt. Im Blitz-VECP hat sich kein Hinweis auf eine massive Sehnerven- oder Sehbahnschädigung ergeben, so dass auch eine Weitergabe struktureller Reize möglich sein kann. Auch hat der OKN im Kotowski-Test zumindest am linken Auge mit einem Gittersehschärfeäquivalent von immerhin 0,3 ausgelöst werden können. Damit ist die Klägerin entgegen ihrer Angaben links in der Lage, strukturierte Reize zumindest auf Ebene der Netzhaut und der Sehnerven aufzunehmen und weiterzuleiten.
Der Senat macht sich diese sachverständigen Feststellungen zu eigen.
Hinzu kommen ferner die Ergebnisse der Verhaltensbeobachtung, die Dr. C. nachvollziehbar dargelegt hat (s.o.).
Der Nachweis von Blindheit ergibt sich auch nicht aus dem Gutachten von Dr. S ... Zwar ist dieser in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Klägerin aufgrund eines vollständigen Sehnervenschwundes eine Erblindung eingetreten sei. Dieses Gutachten vermag den Senat jedoch nicht zu überzeugen, so dass es gar nicht mehr darauf ankommt, dass es sich insoweit nicht um ein gerichtlich eingeholtes Sachverständigengutachten handelt, sondern um urkundlich belegten, qualifizierten Beteiligtenvortrag (vgl. z.B. Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 128, Rdnr. 7g), der somit grundsätzlich eine andere Aussagekraft und einen anderen Beweiswert hat (a.a.O., Rdnr. 4a); so steht nicht einmal fest, ob der Gutachter der Klägerin gegenüber überhaupt die erforderliche "Distanz einer Gerichtsperson" (vgl. Kater, Das ärztliche Gutachten im sozialgerichtlichen Verfahren, 2. Aufl., S. 23) eingenommen hat.
Denn zum einen sind die auf den subjektiven Angaben der Klägerin beruhenden Untersuchungsbefunde hinsichtlich des Gesichtsfelds nicht mit einem richtlinienkonformen Perimeter nach Goldmann (Reizmarke III/4e) erhoben worden (VG Teil B Nr. 4). Zum andern setzt sich das Gutachten nur sehr unzureichend mit den gewichtigen Zweifeln an den subjektiven Angaben der Klägerin auseinander. Vor allem aber wird der angegebene morphologische Befund des vollständigen Sehnervenschwundes von dem Arzt selbst nur ungenügend begründet. Er hat sich aufgrund der o.g. plausiblen Darlegungen des Gutachters Dr. C. denn auch als unzutreffend erwiesen (s. die VECP-Ableitung). Damit fehlt dem Gutachten jede Grundlage.
Somit mangelt es vorliegend am notwendigen Beweis. Kann das Gericht bestimmte Tatsachen trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht feststellen (non
liquet), so gilt der Grundsatz, dass jeder die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (vgl. z.B. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., a.a.O., § 103, Rdnr. 19a, m. Nachw. d. höchtsrichterl. Rspr.). Die Klägerin muss daher nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast die Folgen tragen, dass eine (große) Ungewissheit bezüglich der für sie günstigen Tatsachen verblieben ist. Denn für das Vorliegen der Voraussetzungen der Blindheit gemäß Art. 1 Abs. 2 BayBlindG trägt - anders als die Klägerin rechtsirrig offensichtlich annimmt, wenn sie in der Klagebegründung im gegenständlichen erstinstanzlichen Verfahren darauf hinweist, aus dem Gutachten von Prof. Dr. M. gehe nicht eindeutig hervor, dass sie die genannten Voraussetzungen für Blindheit nicht erfülle - der sehbehinderte Mensch die objektive Beweislast.
Der Senat hat alle Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Er hat zahlreiche Befundunterlagen und in Verwaltungs- und erstinstanzlichen Verfahren erstellte Sachverständigengutachten ausgewertet. Vor allem hat er im Berufungsverfahren ein weiteres, sehr ausführliches Gutachten eingeholt. Weitere Gesichtspunkte, die zur erneuten Einholung eines Gutachtens hätten veranlassen müssen, sind nicht im Ansatz erkennbar. So besteht insbesondere keinerlei Anlass für die Erwartung, bei einer erneuten Untersuchung könnten nun Bedenken hinsichtlich der Objektivität der klägerischen Angaben ausgeräumt bzw. es könnte bei einer Begutachtung nun (endlich) eine adäquate Mitwirkung der Klägerin erreicht werden. Dabei kann die naheliegende Frage offen bleiben, inwieweit das Gericht überhaupt verpflichtet wäre, weitere Ermittlungen durchzuführen, (nur) weil sich die Klägerin entschlossen hätte, es nun zu keinen Mitwirkungsdefiziten mehr kommen zu lassen.
Auch zur Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens bestand für den Senat im Hinblick auf die plausiblen Darlegungen des Sachverständigen Dr. C. keine Veranlassung und erst recht keine verfahrensrechtliche Pflicht.
Entsprechendes gilt für die von der Klägerin ins Spiel gebrachte Hinzuziehung von (weiteren) Unterlagen aus Archiven in Moldawien, ferner von Zeugen; entsprechende Beweisanträge sind denn auch in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt worden. Insoweit fehlt es schon an der Geeignetheit der angeregten Ermittlungen. Denn Unterlagen aus der Zeit vor der Übersiedlung der Klägerin nach Deutschland können schon aufgrund des großen Zeitabstands zur Frage der heutigen Erfüllung der exakten Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 1 Abs. 2 BayBlindG nichts beitragen.
Im Übrigen war der Senat nicht mit Blick auf den vom Kläger gestellten Antrag, gemäß § 109 SGG ein Gutachten von Prof. Dr. H. einzuholen, an der Entscheidung über das Berufungsbegehren gehindert. Denn der genannte Antrag ist in Anwendung des dem Gericht nach Absatz 2 der Vorschrift eingeräumten Ermessens abzulehnen.
Solche Anträge müssen nicht vor der Entscheidung durch Urteil per gesonderten Beschluss verbeschieden werden. Vielmehr kann, wenn ihnen nicht stattgegeben wird, unmittelbar die Entscheidung in der Sache ergehen, wobei die Anträge in der Urteilsbegründung abzuhandeln sind.
Die Ablehnung eines Beweisantrags gemäß § 109 SGG ist (nur) dann möglich, wenn der Antrag entweder in Verschleppungsabsicht oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist, § 109 Abs. 2 SGG. In beiden Fallkonstellationen muss es bei einer Zulassung des Beweisantrags zudem zu einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits kommen.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Zum einen würde durch die Zulassung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags die Erledigung des Rechtsstreits erheblich verzögert. Zum anderen ist der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts u. a. aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden. Es kann damit letztlich offen bleiben, ob die Klägerin den Antrag zumindest auch in der Absicht gestellt hat, gerade diese Verzögerung herbeizuführen, was aus Sicht des Senats keinesfalls ausgeschlossen werden kann.
Eine Verzögerung des Rechtsstreits tritt durch die Einholung eines Gutachtens regelmäßig und jedenfalls dann ein, wenn sich durch die Beweisaufnahme der bereits ins Auge gefasste Zeitpunkt der Beendigung der Streitsache durch bereits erfolgte oder bevorstehende Terminierung verschiebt (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, a.a.O., § 109, Rdnr. 11). Eine Verzögerung wird besonders dann deutlich, wenn wie hier der Antrag erstmals in der mündlichen Verhandlung gestellt wird und der Rechtsstreit auch in jeder Hinsicht Entscheidungsreife erlangt hat.
Verspätung aus grober Nachlässigkeit liegt vor, wenn jede zur sorgfältigen Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen ist, wenn nicht getan wurde, was jedem einleuchten muss (vgl. Keller, a.a.O., m.w.N. der Rspr.). Der Beteiligte muss den Antrag spätestens dann innerhalb angemessener Frist stellen, wenn er erkennen muss, dass das Gericht keine (weiteren) Erhebungen von Amts wegen durchführt. Dies ist nicht nur dann anzunehmen, wenn ihn das Gericht auf die Möglichkeit eines Antrags nach § 109 SGG hinweist. Bei sachkundigen oder wie hier sachkundig vertretenen Klägern genügt auch eine Mitteilung, es seien keine weiteren Ermittlungen vorgesehen, oder die Terminierung des Rechtsstreits ohne weitere Mitteilung (a.a.O.).
Vorliegend konnte die Klägerin bereits weit vor der Terminierung der mündlichen Verhandlung erkennen, nämlich bereits Anfang August 2012, dass das Gericht keine weiteren Ermittlungen mehr durchzuführen beabsichtigt hat. Dass sie hiervon auch ausgegangen ist, zeigen ihre Bemühungen, eine mündliche Verhandlung bzw. eine Entscheidung des Senats zu erwirken, wie die telefonische Nachfrage beim Gericht am 25.10.2012, die Einschaltung der "Bayerischen Regierung", von der die Klägerin berichtet hat, oder die erneute Nachfrage/Erinnerung mit an den Berichterstatter des Senats gerichtetem Schreiben vom 04.04.2013. Es lag der Klägerin ganz offensichtlich nicht daran, ein weiteres Gutachten zu veranlassen; sie hätte hierzu im Zeitraum zwischen der letzten Ermittlungshandlung und der Terminierung der mündlichen Verhandlung ausreichend Gelegenheit gehabt. Dass der Antrag in diesem Zeitraum und somit rechtzeitig nicht gestellt worden ist, ist für den Senat nur mit grober Nachlässigkeit erklärbar. Diese Einschätzung wird auch durch die Tatsache bestätigt, dass es der Klägerseite selbst dann in der mündlichen Verhandlung (noch) nicht möglich gewesen ist, einen Arzt hinsichtlich des Antrags zu benennen; auf Prof. Dr. H. hat der Senat hingewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Blindengeld nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz (BayBlindG) hat.
Die 1950 in Moldawien geborene Klägerin, für die ein GdB von 100 und die Merkzeichen "G", "B", "H" und "RF" festgestellt worden sind, stellte beim Beklagten erstmals 2003 Antrag auf Blindengeld. Nach Ermittlungen lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 30.09.2003 den Antrag ab, da die Klägerin nicht blind sei. Hiergegen erhob diese am 05.11.2003 Widerspruch. Zur Begründung legte sie u.a. eine Bescheinigung des Gesundheitsministeriums der Republik Moldawien vor. Danach sei die Klägerin auf Grund eines medizinischen Gutachtens über die Arbeitsfähigkeit vom 20.09.1991 in die "Invaliditätsgruppe 2" eingestuft worden, Invaliditätsursache sei sehbedingte Invalidität seit der Kindheit. In einem vom Beklagten eingeholten Befundbericht des Augenarztes Dr. R. vom 15.01.2004 wurde u.a. ein Visus am linken Auge von 1/25 festgestellt. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.2004 wurde der Widerspruch daraufhin als unbegründet zurückgewiesen.
Am 13.03.2006 "wiederholte" die Klägerin ihren Blindengeldantrag und verwies dabei auf eine Verschlechterung ihres Sehvermögens. Der Beklagte holte erneut einen Befundbericht und ein Gutachten ein. In Letzterem stellte der Augenarzt Dr. H. u.a. fest, dass die Gesichtsfeldangaben unbrauchbar seien. Der anatomische Augenbefund habe sich gegenüber der Voruntersuchung nicht merklich verändert; er erlaube nicht die Annahme, dass das Gesichtsfeld auf unter 30 Grad eingeengt sei. Der Beklagte lehnte daraufhin den erneuten Antrag wiederum ab. Im Bescheid vom 29.06.2006 stellte er fest, dass die Sehschärfe auf dem besseren linken Auge 1/30 betrage. Eine Gesichtsfeldbestimmung habe keine verwertbaren Ergebnisse erbracht. Es bestünden begründete Zweifel am Vorliegen von Blindheit, nachdem sich die Klägerin sicher und völlig frei im Raum bewegen hätte können.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, der u.a. damit begründet wurde, dass letztere Feststellung unzutreffend sei. Im Widerspruchsverfahren wertete der Beklagte einen ärztlichen Bericht des behandelnden Augenarztes Dr. K. aus und beauftragte Prof. Dr. K. mit der Erstellung eines Gutachtens. Am 27.11.2006 kam dieser zum Ergebnis, dass Blindheit nicht bestehe. Auch wenn die subjektiven Angaben der Klägerin hinsichtlich Sehvermögen und Gesichtsfeld dieses nahelegen würden, bestünden doch aus morphologischer und allgemeiner Einschätzung erhebliche Zweifel an einer Blindheit im Sinne des BayBlindG. Für ihn, Prof. Dr. K., ergebe sich der Eindruck, dass die Klägerin stark aggraviere. Daraufhin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.01.2007 den Widerspruch als unbegründet zurück. Trotz Einsatzes aller diagnostischen Möglichkeiten, so die Begründung des Beklagten, sei es auf Grund der nicht durchführbaren Gesichtsfelduntersuchung nicht gelungen, das genaue Ausmaß der offensichtlich vorliegenden Sehstörung festzustellen. Es lasse sich deshalb nicht der objektive Nachweis erbringen, dass Blindheit im Sinne des Gesetzes vorliege, zumal die anlässlich der Begutachtung gewonnenen Eindrücke das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen zusätzlich in Frage stellten. Der Beklagte verwies auf den Grundsatz der objektiven Beweislast.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG - das Klageverfahren trug das Aktenzeichen S 15 BL 3/07). Dieses holte zunächst ein Gutachten des Augenarztes Dr. L. vom 02.08.2007 ein. Der Sachverständige stellte fest, dass der Versuch, zu den Kardinalfunktionen des Auges subjektive Angaben zu erhalten, durch die ablehnende Haltung der Klägerin extrem erschwert bzw. unmöglich gemacht worden sei. Jeder Versuch, zu einer korrekten Mitarbeit zu gelangen, sei abgeblockt worden mit dem Hinweis, dass die Klägerin ja nicht sehen könne, weil sie blind und dies ihr schon in Russland bestätigt worden sei. Er könne somit nicht mit Ergebnissen hinsichtlich der vom Gesetz geforderten Angaben zur zentralen Sehschärfe und zum Gesichtsfeld dienen, weil sie ihm von der Klägerin nicht geliefert worden seien. Die Bewertung des vorhandenen Sehvermögens könne somit ausschließlich aufgrund der objektiven Eindrücke und des vorhandenen morphologischen Befunds erfolgen. Erstere ließen den sicheren Schluss zu, dass die Klägerin ihr Sehvermögen nicht vollständig verloren habe. Eine morphologische Veränderung, die seit dem Gutachten von Prof. Dr. K. eine Verschlechterung erkennen lasse, liege nicht vor. Auf Grund der bei der Untersuchung gewonnen Befunde und deren Vergleich mit anatomischen Verhältnissen auf dem Gebiet der Augen lasse sich der Beweis für eine Erblindung im Sinne des BayBlindG ohne vernünftigen Zweifel nicht führen.
Im Folgenden legte die Klägerin ein von ihr in Auftrag gegebenes Privatgutachten von Dr. S. vom 10.10.2007 vor. Als Sehvermögen für die Ferne mit Korrektur hat der Augenarzt auf dem rechten Auge "keinen Lichtschein", auf dem linken Auge "Fingerzählen vor dem Auge, pendelförmige Fixation, Lichtscheinprojektion nicht positiv" festgehalten. Das Gesichtsfeld sei mit dem programmgesteuerten Kugelperimeter Octopus 500 EZ geprüft worden. Beim rechten und linken Auge sei selbst die größte und stärkste Lichtmarke an keiner Stelle erkannt worden. Auf Grund des vollständigen Sehnervenschwundes sei es zu einer Erblindung gekommen.
Mit Schreiben vom 12.11.2007 beantragte die Klägerin, Dr. S. mit der Erstellung eines Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu beauftragen. Der Augenarzt teilte dem Gericht jedoch mit, dass er mangels Projektionsperimeters nach Goldmann (Marke III/4) nicht als ärztlicher Sachverständiger fungieren könne. Daraufhin beauftragte das Gericht auf weiteren Antrag der Klägerin Prof. Dr. M. gemäß § 109 SGG. Im Gutachten vom 14.08.2008 hielt dieser fest, dass sich bei der Prüfung des Gesichtsfelds und des Visus eine geringe Kooperationsbereitschaft der Klägerin gezeigt habe. Die Sehprüfungen, die eine Kooperationsbereitschaft voraussetzen würden (Visus, Goldmanngesichtsfeld), würden eine beidäugige Sehfunktion geringer als 1/50 bzw. ein erloschenes Gesichtsfeld ergeben. Eine andere Sehbeeinträchtigung von einem solchen Schweregrad, dass sie einer Beeinträchtigung der Sehschärfe gleichzuachten sei, sei bei der mangelhaften Kooperation der Klägerin nicht erhebbar. Zusammenfassend wies Prof. Dr. M. darauf hin, dass es seit 2002 zu keiner dokumentierten Änderung des Augenbefundes gekommen sei, die auf eine Abnahme der Sehfähigkeit hindeuten würde. In Anbetracht der von verschiedenen Gutachtern beschriebenen Fähigkeit der Klägerin, sich im Raum relativ gut zurechtzufinden, des bei entsprechenden Visuswerten optokinetisch auslösbaren Nystagmus sowie eines unveränderten morphologischen Augenbefundes bestünden deutliche Zweifel an der Annahme, dass auf dem besseren Auge und auch bei beidäugiger Prüfung eine Sehschärfe von nicht mehr als 0,02 erreicht werde. Die entsprechende Frage der Beweisanordnung könne nicht mit "ja" beantwortet werden.
Zu den Gutachten nahm die Klägerin ausführlich vor allem dahingehend Stellung, dass die gewünschte Zusammenarbeit mit Dr. L. nicht am Widerwillen der Klägerin gescheitert, sondern stets mit dem Hinweis auf die vorhandene Blindheit begründet worden sei. Der Einwand der Klägerin, dass sie die vorgehaltene Visustafel nicht sehe, sei gerade als Indiz für ihre Blindheit zu sehen und nicht als mangelnde Kooperationsbereitschaft zu werten. Insgesamt sei dem Gutachten von Dr. L. zu entnehmen, dass eine Vertrauensbasis zwischen der Klägerin und dem Sachverständigen nicht habe geschaffen werden können. Weiter wies die Klägerin darauf hin, dass das Gutachten von Dr. L. in medizinischer Hinsicht nicht sachgemäß erstellt worden sei. Prof. Dr. M. habe geschrieben, dass die Klägerin ein Sehvermögen von 0,02 habe und das Gesichtsfeld 1,50 Grad betrage. Dies entspreche den gesetzlichen Anforderungen, um Anspruch auf das Blindengeld zu haben. Allerdings sei seine Unschlüssigkeit am Ende des Gutachtens nicht zu verstehen. Das bedeute wohl, dass er sich bezüglich seines Wissens nicht sicher sei; dies passe aber nicht zu einem Professor.
Im Auftrag des Gerichts nahm Dr. L. am 06.11.2008 ergänzend Stellung. Hinsichtlich des Privatgutachtens (Dr. S.) wies Dr. L. u.a. darauf hin, dass in dem Gutachten eine kritische Würdigung der subjektiven Angaben der Klägerin unterbleibe, die bei der Komplexität des Sachverhalts auf ihre Stichhaltigkeit hätten betrachtet werden müssen. Zudem sei der Visus am linken Auge mit einem Glas erhoben worden, welches zu stark sei. Bei Vorhalten der Visustafel wäre es im Übrigen sinnvoll gewesen, wenn sich die Klägerin zumindest bemüht hätte, deren Zahlen zu lesen, und nicht jedes Bemühen mit dem Hinweis "ich bin blind" zu unterlassen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 19.03.2009 nahm die Klägerin die Klage zurück.
Am 06.04.2009 stellte die Klägerin erneut Antrag auf Blindengeld und legte Atteste des Augenarztes D. vor. Nach Einleitung von Ermittlungen durch den Beklagten teilte die Klägerin mit, dass der Beklagte wohl erneut versuche, Druck auf sie auszuüben und "erfahrenen und kompetenten Ärzten kein Vertrauen" zu schenken. Auf Grund dieses ganzen Stresses habe die Klägerin zusätzliche gesundheitliche Beschwerden bekommen. Sie bitte daher, auf der Grundlage der von ihr bereits eingereichten Unterlagen zu entscheiden und keine weitere Untersuchung mehr anzusetzen.
Daraufhin lehnte der Beklagte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 27.05.2009 den Antrag auf Blindengeld ab. Bei Prüfung des Antrags seien die vorgelegten Befunde des o.g. Augenarztes berücksichtigt worden. Auf Grund von mehreren Gutachten verschiedener Augenärzte, insbesondere der im sozialgerichtlichen Verfahren durchgeführten Untersuchungsbegutachtungen, bestünden bei der Klägerin deutliche Zweifel am Vorliegen von Blindheit. Zwar würde der nun vorgelegte Befund von 0,01 auf beiden Augen Blindheit bestätigen. Er sei ohne versorgungsärztliche Überprüfung unter gutachterlichen Gesichtspunkten nach Maßgabe der Richtlinien der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) keinesfalls geeignet, die bisher bestehenden Zweifel am Vorliegen von Blindheit zu entkräften bzw. eine inzwischen möglicherweise eingetretene wesentliche Verschlimmerung des Sehvermögens zu beweisen. Nachdem die Klägerin es abgelehnt habe, sich versorgungsärztlich untersuchen zu lassen, sei ein Nachweis von Blindheit nicht gegeben.
Am 15.06.2009 wandte sich die Klägerin mit einem Schreiben an das Bayer. Landessozialgericht (LSG) und schilderte ihre gesundheitliche und auch ihre soziale Situation; dieses wurde vom Beklagten als Widerspruch gewertet. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.08.2009 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Er führte zur Begründung aus, die Voraussetzungen für die Gewährung von Blindengeld seien bei der Klägerin nicht erfüllt, da alle bisher im Verwaltungsverfahren und sozialgerichtlichen Verfahren gehörten Gutachter zu dem Ergebnis gelangt seien, dass Blindheit bzw. eine der Blindheit gleichzuachtende Sehstörung nicht nachgewiesen sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 21.09.2009 erneut Klage zum SG erhoben (Az.: S 15 BL 2/09). Diese ist u.a. damit begründet worden, dass aus dem Gutachten von Prof. Dr. M. nicht eindeutig hervorgehe, dass die Klägerin die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 2 BayBlindG nicht erfülle. Die Klägerin leide an einer Atrophie des Sehnervs, zyklischem Glaukom, Diabetes, Hypertonie und es fehle ihr eine Niere. Das in Auftrag zu gebende Gutachten solle daher insbesondere auch dazu Stellung nehmen, ob das Vorliegen dieser Krankheiten zu einer Bejahung der Blindheit im Sinne des BayBlindG führen könne.
Mit Beschluss vom 02.11.2009 hat das SG für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt und Rechtsanwalt E. D., A-Stadt, beigeordnet.
Sodann hat es Beweise erhoben durch ein augenfachärztliches Sachverständigengutachten von Prof. Dr. K ... In seinem Gutachten vom 03.03.2010 hat der Sachverständige folgende Sehschärfebefunde für die Ferne (ohne Korrektur) erhoben:
- Rechtes Auge: nulla lux, Gläser bessern nicht
- Linkes Auge: schwach lux bei Lichtquelle in 5 cm Entfernung im temporalen Gesichtsfeld, Gläser bessern nicht
Der optokinetische Nystagmus (OKN), geprüft mit der Catford-Trommel, sei horizontal und vertikal nicht sicher auslösbar gewesen. Bei der Gesichtsfeldprüfung (Goldmann mit der Testmarke III/4) seien keine Angaben seitens der Klägerin erfolgt, ebenso wenig bei der Gesichtsfelduntersuchung am Bjerrumschirm. Es hätten mit Mustern keine visuell evozierten kortikalen Potenziale (VECP) reproduziert werden können. Bei den Blitz-VECP hätten sich am rechten Auge reproduzierbare Potenziale mit geringer Amplitude, am linken Auge gut reproduzierbare Potenziale ergeben. Prof. Dr. K. hat folgende Diagnosen gestellt:
- Rechts und links: Pendel-Rucknystagmus
- Rechtes Auge: Zustand nach perforierender Verletzung, Aphakie, schräger Sehnerveneintritt
- Linkes Auge: Aphakie, schräger Sehnerveneintritt.
Bei der Untersuchung habe die in den Vorgutachten beschriebene mangelhafte Kooperationsbereitschaft bestätigt werden können. Es habe sich eine auffällige Diskrepanz zwischen den subjektiven Angaben (Sehschärfeprüfung) der Klägerin und den objektiv erhobenen Befunden (VECP) ergeben. Die von der Klägerin angegebene Sehschärfe lasse sich nicht mit den Ergebnissen der visuell evozierten Potenziale vereinbaren. Infolgedessen bestünden starke Zweifel an den subjektiven Angaben der Klägerin und es könne nicht mit Sicherheit festgestellt werden, dass auf dem besseren Auge und auch bei beid-äugiger Prüfung eine Sehschärfe von nicht mehr als 0,02 oder gleichwertig bestehe. Die Klägerin sei mittlerweile sehr gutachtenserfahren und mache von Gutachten zu Gutachten weniger Angaben. Blindheit im Sinne des BayBlindG lasse sich nicht sicher nachweisen.
Auch hierzu hat die Klägerin über ihre Bevollmächtigten Stellung genommen. Das Verhalten der Klägerin habe nicht auf ihrem mangelnden Mitwirkungswillen beruht, sondern sei auf die Erkrankung der Klägerin zurückzuführen. Dabei hat die Klägerin auf den Nystagmus verwiesen.
Mit angefochtenem Urteil vom 06.07.2010, das mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat auf das Gutachten von Prof. Dr. K. verwiesen.
Am 05.08.2010 hat die Klägerin hiergegen Berufung zum LSG eingelegt. Diese hat sie im Wesentlichen damit begründet, dass das SG den Amtsermittlungsgrundsatz verletzt habe. Es habe sich soweit ersichtlich kein eigenes Bild von dem Ausmaß der sehr starken Sehbehinderung bzw. Blindheit der Klägerin gemacht und sich nicht abschließend mit sämtlichen vorliegenden Arztberichten auseinandergesetzt. Die Urteilsgründe, wonach auf Grund einer angeblichen fehlenden Mitwirkung der Klägerin Blindheit nicht gegeben sein solle, könnten nicht überzeugen. Es könne wegen Verständigungsschwierigkeiten der Klägerin nicht ausgeschlossen werden, dass diese die Aufforderungen des Gutachters missverstanden und deshalb falsch reagiert habe. Eine Auseinandersetzung des SG mit dem Gutachten des Dr. S. sei offensichtlich nicht erfolgt.
Mit Beschluss vom 06.07.2011 hat der Senat PKH bewilligt und Rechtsanwalt B., A-Stadt, beigeordnet.
Der Senat hat Dr. C. mit der Erstellung eines augenfachärztlichen Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 05.05.2012 hat Dr. C. zunächst die Anwesenheit einer (beeidigten) Dolmetscherin (russisch-deutsch) festgestellt.
Aus den anamnestischen Angaben der Klägerin, vor allem hinsichtlich eines grauen Stars nach einem Treppensturz 1952, der dann operativ habe entfernt werden müssen, und eines grauen Stars 1956 am linken Auge, der ebenfalls operiert worden sei, weiter hinsichtlich des Berichts, dass die Klägerin mit einer entsprechenden Lupenbrille noch große Schriften bis 2003 lesen und bis 2005 noch an einer Spülmaschine arbeiten habe können, hat Dr. C. geschlossen, dass bereits im Kindesalter zunächst eine massive Reizberaubung durch die Linsentrübung und dann eine Linsenlosigkeit an beiden Augen bestanden habe, die selbst erfahrungsgemäß zu einer Schwachsichtigkeit (Amblyopie) prädisponierten. Durch die beidseitige Sehminderung könne sich schon damals der heute immer noch sichtbare Nystagmus entwickelt haben; unwahrscheinlich sei die Genese einer Kataraktbildung nach Treppensturz. Aus der vorliegenden Konstellation halte er es für wahrscheinlicher, dass primär ein kongenitaler grauer Star (ohne Trauma) beidseits vorgelegen habe, der seinerseits die Entwicklung eines kongenitalen okulären Nystagmus verursacht habe und nun erst im zweiten Lebensjahr am rechten Auge und später am linken Auge operativ entfernt worden sei.
Dr. C. hat u.a. den folgenden Untersuchungsbefund erhoben:
- Sehschärfe ohne Korrektion: Rechtes/linkes Auge und beidäugig: keine Lichtscheinwahrnehmung. Die Sehschärfe habe durch Vorhalten von weiteren Gläsern nicht verbessert werden können.
- Optokinetischer Nystagmus (OKN): Dieser sei sowohl am rechten als auch am linken Auge sehr schwer beurteilbar, weil ein Spontannystagmus bestehe und weil die Augen ständig im Abblick gehalten würden. Dennoch sei der OKN mit der eigenen Brille vertikal am rechten Auge eindeutig und reproduzierbar, am linken Auge zumindest einmal eindeutig vertikal auslösbar gewesen.
- Gesichtsfeld (Kugelperimeter nach Goldmann mit Reizmarken III/Ve und V/4e): Rechtes und linkes Auge: Beide Reizmarken seien an keinem Gesichtsfeldort als wahrgenommen angegeben worden. Dies könne alleine schon auf den Abblick mit konsekutivem Lidschluss zurückgeführt werden. Die Erhebung des Gesichtsfeldes sei somit auch nicht adäquat durchführbar gewesen.
- Augenbeweglichkeit: Die Klägerin habe so gut wie immer nach unten geblickt. Bei aufgefordertem Aufblick sei kurzzeitig der (mäßig ausgeprägte) Rechtsblick eingenommen worden. Der Linksblick sei auf Kommando auch nur bis zu 10 Grad eingenommen worden, der Aufblick auch auf Kommando nicht. Im weiteren Verlauf der Untersuchung habe aber der spontane Aufblick, wenn auch kurzzeitig, sehr wohl beobachtet werden können. Insbesondere während der Ableitung der Blitz-VECPs, bei der die Klägerin in Dunkelheit in eine Halbkugel sehend sich wohl unbeobachtet gefühlt habe und sie ausdrücklich aufgefordert worden sei, nach unten zu schauen und/oder die Augen geschlossen zu halten, habe sie nun - über die Infrarotkamera ersichtlich - vorwiegend geradeaus geblickt.
- Blitz-VECP: Wegen der Abneigung der Klägerin, eine VECP-Untersuchung durchführen zu lassen, sei eine Verkürzung der Untersuchungszeit in Aussicht gestellt worden, indem beide Augen gleichzeitig (binokular) stimuliert worden seien, worin die Klägerin dann eingewilligt habe. Dadurch sei eine Aussage zur Funktion des Einzelauges allerdings nicht mehr möglich gewesen. Bei der Stimulation beider Augen simultan hätten sich auch reproduzierbare und eindeutig identifizierbare Reizantworten trotz Kontamination durch den Spontannystagmus ableiten lassen. Auffällig sei, dass die Klägerin verzögert rhythmisch zu den Blitzen angedeutet geblinzelt habe.
- Verhalten der Patientin: Die Klägerin habe sich zwar konsequent, jedoch nicht professionell führen lassen, weil sie trotz Führung selbständig an den Türstock und die Stühle gestoßen habe, wozu sie ausgeschert sei. Bei geübter Führung komme es im Vertrauen auf den Führenden eben gerade nicht zu solchen Kollisionen. Die Klägerin habe zielsicher und reflexartig mit der Hand z.B. die Tischplatte des VECP-Untersuchungsgerätes ergriffen. Die Untersuchbarkeit der Klägerin sei in Ermangelung der möglichen Mitarbeit durch das ständige Tragen einer die Augenpartie kaschierenden Sonnenbrille und durch das ständige Nachuntenblicken erschwert worden. Die Brille eigne sich zudem, die von der Klägerin eingenommene und auf Dauer anstrengende Abblickstellung, zu der Konzentration erforderlich sei, unbemerkt aufzugeben. Tatsächlich sei sie dann auch unterlassen worden. Die Augenhintergrundspiegelung mit und ohne OKN-Prüfung und die objektive Refraktion seien wegen der Weigerung einer Augentropfengabe und wegen der engen Pupillen deutlich erschwert gewesen.
Dr. C. hat folgende Diagnosen gestellt:
Rechtes Auge:
- Verdacht auf ehemals Kurzsichtigkeit (V.a. Myopie), jetzt Weitsichtigkeit (Hyperopie) bei Linsenlosigkeit (Aphakie)
- Stabsichtigkeit (Astigmatismus) bei Linsenlosigkeit (Aphakie)
- Akkommodationslosigkeit bei Linsenlosigkeit (Aphakie)
- Periphere Hornhautnarbe mit Regenbogenhautvorfall unter die Bindehaut und mit Pupillenverziehung (Hornhauttrübung mit subkonjunktivalem Irisprolaps und Korektopie)
- bei Linsenlosigkeit (Aphakie)
- Verdacht auf Schwachsichtigkeit (V.a. Deprivationsamblyopie)
- Verdacht auf angeborenes Augenzittern (V.a. sensorischen kongenitalen Nystagmus)
- Verdacht auf sekundäres Außenschielen (V.a. sekundäre Exotropie)
- Minimale Degeneration der Stelle des schärfsten Sehens (dezente Makuladegeneration)
Linkes Auge:
- Verdacht auf ehemals Kurzsichtigkeit (V.a.Myopie) jetzt Weitsichtigkeit (Hyperopie) bei Linsenlosigkeit (Aphakie)
- Stabsichtigkeit (Astigmatismus) bei Linsenlosigkeit (Aphakie)
- Linsenlosigkeit (Aphakie)
- Verdacht auf angeborenes Augenzittern (V.a. Deprivationsamblyopie)
- Verdacht auf angeborenes Augenzittern (V.a. sensorischen kongenitalen Nystagmus (Kurzsichtigkeit) (Myopia magna)
Die Fehlsichtigkeiten seien deutlich ausgeprägt, würden sich jedoch wie auch die fehlende Fähigkeit zur Akkommodation mit optischen Hilfsmitteln ausgleichen lassen; sie trügen korrigiert deshalb nicht wesentlich zur subjektiv angegebenen massiven Sehminderung bei. Die Hornhautverkrümmung sei sehr stark ausgeprägt; es sei zu vermuten, dass die Verkrümmung heute wegen der Notwendigkeit der passiven Lidöffnung fälschlich zu hoch gemessen worden sei. Amblyopie und Nystagmus, gleich welcher Genese, reduzierten die Sehschärfe an beiden Augen und seien seines, Dr. K., Erachtens trotz des nur bestehenden Verdachts die Hauptursache für das verminderte Sehvermögen. Immerhin habe die Klägerin bis 2003 nach eigenen Angaben mit der Lupe noch große Schriften lesen können. Für die weitere Sehverschlechterung bis zur (angeblichen) völligen Erblindung könne nicht mehr die Amblyopie verantwortlich gemacht werden könne, weil diese zusammen mit der Sehentwicklung sich später nicht mehr verändere.
Die Linsenlosigkeit stelle die geringste Einschränkung dar, weil sie durch optische Hilfsmittel wie Brille oder Kontaktlinsen zu einem Gutteil kompensierbar sei. Die Hornhauttrübung am rechten Auge sei geeignet, die Blendempfindlichkeit wegen der Streuwirkung deutlich zu erhöhen, über welche die Klägerin aber nicht klage. Auch könne eine Hornhautverkrümmung durch Narbenbildung induziert werden, die allerdings optisch zumindest teilweise ausgleichbar wäre. Der bei seiner Untersuchung massiv ausgeprägte Astigmatismus sei nur am linken Auge gemessen worden und könne allein schon auf die passive Lidöffnung zurückgeführt werden. Bezüglich der Papillen und des zentralen Augenhintergrunds sei bisher eine diskrepante Befunderhebung erfolgt. Heute seien - trotz verschärfter und erschwerter Untersuchungsbedingungen - randscharfe, nicht exkavierte und vitale Papillen beobachtbar gewesen, die keinen strukturellen Hinweis auf eine Sehnervendegeneration (gleich welcher Genese) erlauben würden. Ebenso uneinheitlich sei bisher der Makulabefund beschrieben worden. Heute seien neben der allgemeinflächigen Pigmentepithelverdünnung am hinteren Pol (als Zeichen einer ehemaligen Myopie) keine wesentlichen degenerativen Veränderungen der Makula erkennbar (nur diskrete Pigmentverschiebungen), so dass die Vorbefunde eines weitgehenden normalen Makulabefundes - also keine wesentliche Makuladegeneration - bestätigt würden. Die beklagten Augenschmerzen fänden keinen Niederschlag in wesentlichen Strukturveränderungen. Damit stehe der Strukturbefund massiv im Widerspruch zur funktionellen Einschränkung des Sehvermögens, wie sie die Klägerin angebe. Zumindest könnten die Strukturveränderungen die totale Erblindung der Klägerin auch nicht annähernd erklären.
Während also eine deutliche Einschränkung des Sehvermögens in der Kindheit, d.h. fortdauernd bis zum Lebensende, mit der Amblyopie erklärbar sei, könne die wesentliche Verschlechterung des Sehvermögens bis hin zur subjektiv beklagten völligen Erblindung nach der Kindheit und vor allem ab 2003 bei weitem nicht ausreichend mit den strukturellen Veränderungen erklärt werden. Auch die funktionellen objektiven Befunde widersprächen trotz der angeführten Erschwernisse bei der Untersuchung einer Totalerblindung, wie sie die Klägerin für beide Augen angebe.
Der Sachverständige hat zusammenfassend festgestellt, dass insbesondere die Ergebnisse der objektiven Funktionsprüfungen - trotz der erschwerten Durchführbarkeit - beweisen würden, dass die subjektiven Angaben zum Sehvermögen (Totalerblindung) nicht stimmen könnten. Daher trügen die subjektiven Angaben zu Sehschärfe und Gesichtsfeld nicht zur Wahrheitsfindung bei. Die objektiven Befunde (Strukturbefund und objektiver Funktionsbefund) seien aber für sich nicht ausreichend in der Lage, Blindheit nach dem Gesetz nachzuweisen. Auf Grund des Verhaltens der Klägerin sei eine ordentliche Befunderhebung teils massiv erschwert, teils überhaupt nicht möglich. Die in der Massierung auftretenden Behinderungen der Untersuchung würden es seines, Dr. K., Erachtens unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass dem Verhalten der Klägerin eine psychogene Sehstörung (unbewusst) oder eine Konversionsreaktion (Neurose) zu Grunde liege, sondern vielmehr ein vorsätzliches Verhalten.
Dennoch liege aufgrund der oben dargelegten Entwicklung einer Amblyopie in der frühesten Kindheit eine glaubhafte deutliche Beeinträchtigung des Sehvermögens vor. Die vorliegende Konstellation, dass wohl der graue Star sowohl die Ursache für die Amblyopie als auch für den Nystagmus darstelle (eventuell sogar für die Myopie), sei aber durchaus mit einer Sehschärfe von über 0,02, z.B. auch mit 0,1, vereinbar. Dafür dass die Amblyopie nicht außerordentlich tief gewesen sei (also 0,02 oder weniger), spreche die Darstellung der Klägerin, sie habe mit optischen Hilfsmitteln ihrem Beruf als "Arztpsychologin" in Moldawien nachgehen und sogar noch 2003 zumindest größere Schriften mit der Lupe lesen können. Ohne Berücksichtigung der Amblyopie und des Nystagmus seien die Strukturbefunde aller klinischer Erfahrungen nach sogar mit einer korrigierten Sehschärfe von bis 0,8 am besseren linken Auge vereinbar; bewiesen sei eine solche hierdurch aber nicht. Die objektiven Funktionsbefunde seien somit auch heute noch mit einer Sehzeichenschärfe von 0,1 vereinbar. Somit könne keine Sehschärfeminderung auf 1/50 oder weniger am besseren linken Auge nachgewiesen werden. Die objektiven Befunde würden sogar für eine bessere Sehschärfe sprechen, sie würden diese jedoch nicht beweisen. Hinsichtlich der faktischen Blindheit im Übrigen hat Dr. C. festgestellt, dass die augenstrukturellen Befunde für einen Totalausfall des Gesichtsfeldes, wie von der Klägerin bei ihm angegeben, noch weniger eine Erklärung geben würden als bei der Sehschärfeminderung. Auch das weitgehend normale Blitz-VECP weise auf keinen wesentlichen zentralen Gesichtsfeldausfall, der durch Störung auf der Ebene der Netzhaut, der Sehnerven und/oder der Sehbahn bedingt wäre, hin. Die funktionellen objektiven Befunde würden dieses Ausmaß der Gesichtsfeldeinschränkung bei weitem nicht belegen. Eine wesentliche Sehnervenerkrankung sei sehr unwahrscheinlich, zumindest eine, die dieses Ausmaß der subjektiven Beeinträchtigung noch schlüssig erklären könne. Eine Schädigung der höheren Sehbahn bis zur Sehrinde als Erklärung für diese subjektiv massivste Sehbeeinträchtigung sei angesichts des Schadensmusters und der Anamnese äußerst unwahrscheinlich. Damit ergäben sich berechtigte Zweifel an dem Ausmaß der Gesichtsfeldeinschränkung, wie es die Klägerin angebe.
Auf die Frage des Gerichts, ob die Klägerin angesichts des Gutachtens von Dr. C. die Berufung zurücknehme, hat diese geantwortet, fest entschlossen zu sein, um ihre Rechte bei allen deutschen und europäischen gerichtlichen Instanzen zu kämpfen. Die Untersuchungen der anerkannten Augenärzte Dr. S., Dr. D., Dr. K. und Prof. Dr. M. seien nicht berücksichtigt worden. Bei einer unabhängigen Begutachtung sowie bei Hinzuziehung von Zeugen und allen Unterlagen aus dem Archiv in Moldawien werde sie die Wahrheit beweisen können.
Hierauf hat der Beklagte am 09.07.2012 versorgungsärztlich Stellung genommen. Darin ist u.a. festgestellt worden, dass für die Frage einer Erblindung der Diabetes der Klägerin nicht von Bedeutung sei, da bei keiner der bisher durchgeführten augenärztlichen Begutachtungen ein diabetischer Netzhautschaden (diabetische Retinopathie oder Makulapathie) festgestellt worden sei. Weiter ist darauf hingewiesen worden, dass blinde Menschen nicht in der Lage seien, sich in unbekannten Räumen alleine und ohne fremde Hilfe zu orientieren. Eine relativ sichere Orientierung im Raum sei jedoch bei mehreren Begutachtungen festgestellt worden.
Sodann hat die Klägerin die Übersetzung eines Auszugs aus der Patientenkarteikarte der Poliklinik in R., Transnistrische Moldauische Republik, zum Beweis vorgelegt, dass sie bereits bei ihrer Einreise nach Deutschland sehbehindert gewesen sei. Daraufhin hat der Beklagte erklärt, dass der vorgelegte Befund aus dem Jahre 1988 nicht geeignet sei, die in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren eingeholten Gutachten zu entkräften und zu einem für die Klägerin positiven Ergebnis zu führen.
In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin den Antrag gestellt, zur Frage ihrer Sehfähigkeit von Prof. Dr. H. (Universitätsklinikum R.) ein Gutachten nach § 109 SGG einzuholen.
Sie beantragt,
das Urteil des SG Nürnberg vom 6. Juli 2010 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 27. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. August 2009 aufzuheben und ihr Blindengeld nach dem BayBlindG ab April 2009 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten des Beklagten (Blindengeld- und Behindertenakte) und des SG (beider o.g. Klageverfahren) beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig (Art. 7 Abs. 3 BayBlindG i.V.m. §§ 143, 151 SGG), jedoch nicht begründet.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin blind im Sinne des BayBlindG ist und ihr deshalb ab dem Monat der Antragstellung Blindengeld zusteht. Dies hat das SG zu Recht verneint. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 27.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Gemäß Art. 1 Abs. 1 BayBlindG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Änderung des BayBlindG v. 20.07.2011 (GVBl. Nr. 14/2011, S. 311) erhalten blinde Menschen, soweit sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Bayern haben oder soweit die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl L 166 S. 1, ber. ABl L 200 S. 1, 2007 ABl L 204 S. 30) in der jeweils geltenden Fassung dies vorsieht, zum Ausgleich der blindheitsbedingten Mehraufwendungen auf Antrag ein monatliches Blindengeld. Dabei beinhaltet nach der Rechtsprechung des BSG die Formulierung "zum Ausgleich der blindheitsbedingten Mehraufwendungen" keine eigenständige Anspruchsvoraussetzung, sondern umschreibt lediglich die allgemeine Zielsetzung der gesetzlichen Regelung (BSG v. 26.10.2004 - B 7 SF 2/03 R).
Blind ist, wem das Augenlicht vollständig fehlt (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayBlindG). Als blind gelten gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 2 BayBlindG auch Personen,
1. deren Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als 1/50 beträgt,
2. bei denen durch Nr. 1 nicht erfasste Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad bestehen, dass sie der Beeinträchtigung der Sehschärfe nach Nr. 1 gleichzuachten sind.
Vorübergehende Sehstörungen sind nicht zu berücksichtigen. Als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten.
Eine der Herabsetzung der Sehschärfe auf 1/50 (0,02) oder weniger gleichzusetzende Sehstörung im Sinn des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BayBlindG liegt, den Richtlinien der DOG folgend, bei folgenden Fallgruppen vor (siehe Teil A Nr. 6 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze - VG, Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung):
aa) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,033 (1/30) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfelds in keiner Richtung mehr als 30° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
bb) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,05 (1/20) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 15° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
cc) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,1 (1/10) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfelds in keiner Richtung mehr als 7,5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
dd) bei einer Einengung des Gesichtsfelds, auch bei normaler Sehschärfe, wenn die Grenze der Gesichtsfeldinsel in keiner Richtung mehr als 5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
ee) bei großen Skotomen im zentralen Gesichtsfeldbereich, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und im 50°-Gesichtsfeld unterhalb des horizontalen Meridians mehr als die Hälfte ausgefallen ist,
ff) bei homonymen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und das erhaltene Gesichtsfeld in der Horizontalen nicht mehr als 30° Durchmesser besitzt,
gg) bei bitemporalen oder binasalen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und kein Binokularsehen besteht.
Dass der Klägerin das Augenlicht vollständig fehlen oder dass bei ihr faktische Blindheit im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Satz 2 BayBlindG vorliegen würde, steht nicht zur Gewissheit des Senats fest. Vielmehr hat der Senat hieran ganz erhebliche Zweifel.
Wie er u.a. in der Entscheidung vom 05.02.2013 (Az.: L 15 SB 23/10) unterstrichen hat, sind nach den Grundsätzen im sozialgerichtlichen Verfahren die einen Anspruch begründenden Tatsachen grundsätzlich im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachzuweisen (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, Az.: B 9 VG 3/99 R), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993, Az.: 9/9a RV 1/92). Lässt sich der Vollbeweis nicht führen, geht die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu Lasten dessen, der sich zur Begründung seines Anspruchs oder rechtlichen Handelns auf ihr Vorliegen stützen möchte.
Wie sich aus der obigen Darstellung des Sachverhalts bereits ergibt, kann nicht die Rede davon sein, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des vorliegenden Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der blindheitsbegründenden Tatsachen zweifeln würde. Vielmehr hat keiner der in den Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahren beauftragten Sachverständigen die Blindheit der Klägerin bestätigt; lediglich der von der Klägerin selbst beauftragte Dr. S. hat eine Erblindung angenommen (siehe hierzu unten). Alle Gutachter, insbesondere die in den gerichtlichen Verfahren beauftragten Sachverständigen Dr. L., Prof. Dr. M. (§ 109 SGG), Prof. Dr. K. und Dr. C., haben jeweils zahlreiche Aspekte aufgezeigt, die sie zu erheblichen Zweifeln an einem vollständigen Verlust des Augenlicht oder am Vorliegen faktischer Blindheit der Klägerin veranlasst haben. Der Senat macht sich diese sachverständigen Feststellungen zu eigen.
Bei der Blindenbegutachtung nehmen nach den gesetzlichen Vorgaben (Art. 1 Abs. 2 BayBlindG, VG) die aufgrund subjektiver Angaben zu erhebenden Befunde bezüglich Sehschärfe und Gesichtsfeld die zentrale Rolle ein. Vor allem Dr. C. hat in seinem Gutachten anschaulich und schlüssig herausgearbeitet, dass die diesbezüglichen subjektiven Angaben der Klägerin, denen zufolge von Blindheit auszugehen wäre, "nicht zur Wahrheitsfindung" beitragen. Entsprechend der - vor allem auch den naturwissenschaftlichen Gegebenheiten Rechnung tragenden - Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 31.01.2013 - Az.: L 15 BL 6/07) hat der Sachverständige die subjektiven klägerischen Angaben nicht nur unter Heranziehung des morphologischen Befundes, wie gemäß Teil B Nr. 4 VG vorgesehen, sondern gerade auch durch die Durchführung von Plausibilitätskontrollen bzw. durch objektive Funktionsprüfungen hinterfragt.
Dabei hat er plausibel dargelegt, dass der Strukturbefund massiv im Widerspruch zur funktionellen Einschränkung des Sehvermögens, wie von der Klägerin angegeben, steht; zumindest können die Strukturveränderungen eine totale Erblindung der Klägerin auch nicht annähernd erklären (s.o.). Vor allem auch die Ergebnisse der objektiven Funktionsprüfungen zeigen, wie Dr. C. zur Überzeugung des Senats nachgewiesen hat, dass die subjektiven Angaben zum Sehvermögen (Totalerblindung) nicht stimmen können. So war die Pupillenreaktion auf direkte und indirekte Lichtreaktion zwar etwas träge, aber deutlich und reproduzierbar auslösbar. Trotz der massiven Efferenzstörung am rechten Auge auf Grund der Pupillenverziehung mit Vernarbung konnte über den modifizierten Pupillenwechselbelichtungstest kein Afferenzdefizit des rechten Auges gegenüber dem linken Auge festgestellt werden. Die fehlende Lichtwahrnehmung, wie sie die Klägerin angegeben hat, ist sowohl für das rechte als auch für das linke Auge unglaubwürdig. Auch hat sich bei der Ableitung der VECP eine Mindestintaktheit mindestens einer der beiden zentralen Netzhäute, mindestens einer der beiden Sehnerven und der beidseitigen Sehbahn bis hin zur Sehrinde bezüglich der Lichtverarbeitung gezeigt. Im Blitz-VECP hat sich kein Hinweis auf eine massive Sehnerven- oder Sehbahnschädigung ergeben, so dass auch eine Weitergabe struktureller Reize möglich sein kann. Auch hat der OKN im Kotowski-Test zumindest am linken Auge mit einem Gittersehschärfeäquivalent von immerhin 0,3 ausgelöst werden können. Damit ist die Klägerin entgegen ihrer Angaben links in der Lage, strukturierte Reize zumindest auf Ebene der Netzhaut und der Sehnerven aufzunehmen und weiterzuleiten.
Der Senat macht sich diese sachverständigen Feststellungen zu eigen.
Hinzu kommen ferner die Ergebnisse der Verhaltensbeobachtung, die Dr. C. nachvollziehbar dargelegt hat (s.o.).
Der Nachweis von Blindheit ergibt sich auch nicht aus dem Gutachten von Dr. S ... Zwar ist dieser in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Klägerin aufgrund eines vollständigen Sehnervenschwundes eine Erblindung eingetreten sei. Dieses Gutachten vermag den Senat jedoch nicht zu überzeugen, so dass es gar nicht mehr darauf ankommt, dass es sich insoweit nicht um ein gerichtlich eingeholtes Sachverständigengutachten handelt, sondern um urkundlich belegten, qualifizierten Beteiligtenvortrag (vgl. z.B. Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 128, Rdnr. 7g), der somit grundsätzlich eine andere Aussagekraft und einen anderen Beweiswert hat (a.a.O., Rdnr. 4a); so steht nicht einmal fest, ob der Gutachter der Klägerin gegenüber überhaupt die erforderliche "Distanz einer Gerichtsperson" (vgl. Kater, Das ärztliche Gutachten im sozialgerichtlichen Verfahren, 2. Aufl., S. 23) eingenommen hat.
Denn zum einen sind die auf den subjektiven Angaben der Klägerin beruhenden Untersuchungsbefunde hinsichtlich des Gesichtsfelds nicht mit einem richtlinienkonformen Perimeter nach Goldmann (Reizmarke III/4e) erhoben worden (VG Teil B Nr. 4). Zum andern setzt sich das Gutachten nur sehr unzureichend mit den gewichtigen Zweifeln an den subjektiven Angaben der Klägerin auseinander. Vor allem aber wird der angegebene morphologische Befund des vollständigen Sehnervenschwundes von dem Arzt selbst nur ungenügend begründet. Er hat sich aufgrund der o.g. plausiblen Darlegungen des Gutachters Dr. C. denn auch als unzutreffend erwiesen (s. die VECP-Ableitung). Damit fehlt dem Gutachten jede Grundlage.
Somit mangelt es vorliegend am notwendigen Beweis. Kann das Gericht bestimmte Tatsachen trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht feststellen (non
liquet), so gilt der Grundsatz, dass jeder die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (vgl. z.B. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., a.a.O., § 103, Rdnr. 19a, m. Nachw. d. höchtsrichterl. Rspr.). Die Klägerin muss daher nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast die Folgen tragen, dass eine (große) Ungewissheit bezüglich der für sie günstigen Tatsachen verblieben ist. Denn für das Vorliegen der Voraussetzungen der Blindheit gemäß Art. 1 Abs. 2 BayBlindG trägt - anders als die Klägerin rechtsirrig offensichtlich annimmt, wenn sie in der Klagebegründung im gegenständlichen erstinstanzlichen Verfahren darauf hinweist, aus dem Gutachten von Prof. Dr. M. gehe nicht eindeutig hervor, dass sie die genannten Voraussetzungen für Blindheit nicht erfülle - der sehbehinderte Mensch die objektive Beweislast.
Der Senat hat alle Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Er hat zahlreiche Befundunterlagen und in Verwaltungs- und erstinstanzlichen Verfahren erstellte Sachverständigengutachten ausgewertet. Vor allem hat er im Berufungsverfahren ein weiteres, sehr ausführliches Gutachten eingeholt. Weitere Gesichtspunkte, die zur erneuten Einholung eines Gutachtens hätten veranlassen müssen, sind nicht im Ansatz erkennbar. So besteht insbesondere keinerlei Anlass für die Erwartung, bei einer erneuten Untersuchung könnten nun Bedenken hinsichtlich der Objektivität der klägerischen Angaben ausgeräumt bzw. es könnte bei einer Begutachtung nun (endlich) eine adäquate Mitwirkung der Klägerin erreicht werden. Dabei kann die naheliegende Frage offen bleiben, inwieweit das Gericht überhaupt verpflichtet wäre, weitere Ermittlungen durchzuführen, (nur) weil sich die Klägerin entschlossen hätte, es nun zu keinen Mitwirkungsdefiziten mehr kommen zu lassen.
Auch zur Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens bestand für den Senat im Hinblick auf die plausiblen Darlegungen des Sachverständigen Dr. C. keine Veranlassung und erst recht keine verfahrensrechtliche Pflicht.
Entsprechendes gilt für die von der Klägerin ins Spiel gebrachte Hinzuziehung von (weiteren) Unterlagen aus Archiven in Moldawien, ferner von Zeugen; entsprechende Beweisanträge sind denn auch in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt worden. Insoweit fehlt es schon an der Geeignetheit der angeregten Ermittlungen. Denn Unterlagen aus der Zeit vor der Übersiedlung der Klägerin nach Deutschland können schon aufgrund des großen Zeitabstands zur Frage der heutigen Erfüllung der exakten Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 1 Abs. 2 BayBlindG nichts beitragen.
Im Übrigen war der Senat nicht mit Blick auf den vom Kläger gestellten Antrag, gemäß § 109 SGG ein Gutachten von Prof. Dr. H. einzuholen, an der Entscheidung über das Berufungsbegehren gehindert. Denn der genannte Antrag ist in Anwendung des dem Gericht nach Absatz 2 der Vorschrift eingeräumten Ermessens abzulehnen.
Solche Anträge müssen nicht vor der Entscheidung durch Urteil per gesonderten Beschluss verbeschieden werden. Vielmehr kann, wenn ihnen nicht stattgegeben wird, unmittelbar die Entscheidung in der Sache ergehen, wobei die Anträge in der Urteilsbegründung abzuhandeln sind.
Die Ablehnung eines Beweisantrags gemäß § 109 SGG ist (nur) dann möglich, wenn der Antrag entweder in Verschleppungsabsicht oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist, § 109 Abs. 2 SGG. In beiden Fallkonstellationen muss es bei einer Zulassung des Beweisantrags zudem zu einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits kommen.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Zum einen würde durch die Zulassung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags die Erledigung des Rechtsstreits erheblich verzögert. Zum anderen ist der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts u. a. aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden. Es kann damit letztlich offen bleiben, ob die Klägerin den Antrag zumindest auch in der Absicht gestellt hat, gerade diese Verzögerung herbeizuführen, was aus Sicht des Senats keinesfalls ausgeschlossen werden kann.
Eine Verzögerung des Rechtsstreits tritt durch die Einholung eines Gutachtens regelmäßig und jedenfalls dann ein, wenn sich durch die Beweisaufnahme der bereits ins Auge gefasste Zeitpunkt der Beendigung der Streitsache durch bereits erfolgte oder bevorstehende Terminierung verschiebt (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, a.a.O., § 109, Rdnr. 11). Eine Verzögerung wird besonders dann deutlich, wenn wie hier der Antrag erstmals in der mündlichen Verhandlung gestellt wird und der Rechtsstreit auch in jeder Hinsicht Entscheidungsreife erlangt hat.
Verspätung aus grober Nachlässigkeit liegt vor, wenn jede zur sorgfältigen Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen ist, wenn nicht getan wurde, was jedem einleuchten muss (vgl. Keller, a.a.O., m.w.N. der Rspr.). Der Beteiligte muss den Antrag spätestens dann innerhalb angemessener Frist stellen, wenn er erkennen muss, dass das Gericht keine (weiteren) Erhebungen von Amts wegen durchführt. Dies ist nicht nur dann anzunehmen, wenn ihn das Gericht auf die Möglichkeit eines Antrags nach § 109 SGG hinweist. Bei sachkundigen oder wie hier sachkundig vertretenen Klägern genügt auch eine Mitteilung, es seien keine weiteren Ermittlungen vorgesehen, oder die Terminierung des Rechtsstreits ohne weitere Mitteilung (a.a.O.).
Vorliegend konnte die Klägerin bereits weit vor der Terminierung der mündlichen Verhandlung erkennen, nämlich bereits Anfang August 2012, dass das Gericht keine weiteren Ermittlungen mehr durchzuführen beabsichtigt hat. Dass sie hiervon auch ausgegangen ist, zeigen ihre Bemühungen, eine mündliche Verhandlung bzw. eine Entscheidung des Senats zu erwirken, wie die telefonische Nachfrage beim Gericht am 25.10.2012, die Einschaltung der "Bayerischen Regierung", von der die Klägerin berichtet hat, oder die erneute Nachfrage/Erinnerung mit an den Berichterstatter des Senats gerichtetem Schreiben vom 04.04.2013. Es lag der Klägerin ganz offensichtlich nicht daran, ein weiteres Gutachten zu veranlassen; sie hätte hierzu im Zeitraum zwischen der letzten Ermittlungshandlung und der Terminierung der mündlichen Verhandlung ausreichend Gelegenheit gehabt. Dass der Antrag in diesem Zeitraum und somit rechtzeitig nicht gestellt worden ist, ist für den Senat nur mit grober Nachlässigkeit erklärbar. Diese Einschätzung wird auch durch die Tatsache bestätigt, dass es der Klägerseite selbst dann in der mündlichen Verhandlung (noch) nicht möglich gewesen ist, einen Arzt hinsichtlich des Antrags zu benennen; auf Prof. Dr. H. hat der Senat hingewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
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