Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 U 290/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 204/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 23.03.1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Verletztenrente wegen einer als Berufskrankheit anerkannten Lärmschwerhörigkeit hat.
Der am ...1938 geborene Kläger war von 1955 bis 1993 als Bauhilfsarbeiter, Baumaschinist, Traktorfahrer, Zimmermann, Sandstrahler und Bohrer für Sprengladungen tätig, unterbrochen durch den Wehrdienst (1958 bis 1960), Krankheitszeiten (Oktober 1982 bis März 1984), Zeiten der Arbeitslosigkeit (1969, Februar 1975 bis Juli 1975) und einer lärmfreien Beschäftigung als Wächter (1976 bis 1978). Nach den Feststellungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten (TAD) vom 21.05.1996 war er dabei einem persönlichen Beurteilungspegel von 87/89 dB(A) und als Bohrer bis 90 dB(A) ausgesetzt. Seit den 80er Jahren trug er Kapselgehörschutz. Erste Hörbeschwerden bemerkte er 1982 oder 1983. Seit 1993 trägt er beidseits Hörgeräte.
Nach Vorlage einer ärztlichen Anzeige über eine Berufskrankheit und eines Audiogramms vom 13.05.1986 des Betriebsarztes Dr.T ..., Medizinischer Dienst Bayer. Bau-BG sowie einer Anzeige des Unternehmers vom 07.08.1986 holte die Beklagte Auskünfte der Firma R ... vom 07.08.1986 und der AOK Nürnberg vom 10.09.1986 ein, stellte jedoch 1987 das Verwaltungsverfahren wegen fehlender Mitwirkung des Klägers ein. Im November 1993 forderte die AOK Mittelfranken die Beklagte zur Übernahme der Kosten für durch den HNO-Arzt Dr.B ... (Nürnberg) am 27.05.1993 verordnete Hörgeräte auf. Die Beklagte zog die Verordnung der Hörhilfe, eine Auskunft der AOK über Mitglieds- und Krankheitszeiten vom 15.02.1994/März 1995, Unterlagen der LVA Oberfranken/Mittelfranken, einen Bericht des Dr.T ..., Chefarzt der Klinik Herzoghöhe, Bayreuth, vom 06.04.1992 über ein stationäres Heilverfahren des Klägers vom 09.03.1992 bis 06.04.1992, Auskünfte der Firma G ... (München) vom 11.10.1994, der Firma R ... vom 27.10.1994 und der Firma D ... (Nürnberg) vom 06.04.1995 - dort war der Kläger von 1979 bis 1982 und zuletzt vom 26.06.1989 bis 03.03.1993 als Zimmerer beschäftigt - bei und holte nach Eingang einer Anzeige des o.a. Unternehmers vom 25.04.1996 eine Stellungnahme des TAD vom 21.05.1996 und Gutachten der HNO-Ärzte Dr.S ... (Nürnberg) vom 02.07.1996 und des Dr.N ... (Höchberg) vom 26.07.1996 ein.
Dr.S ... dokumentierte eine pantonale Schwerhörigkeit, beginnend mit einem Hörverlust bis 1000 Hz von 30 dB und einer Mittelohrschwerhörigkeit mit Betonung der hohen Frequenzen. Er verwies auf einen lärmuntypischen Hörverlust im Mittel- und Tieftonbereich und auf einen negativen SISI-Test, der einen Hinweis auf eine lärmunabhängige Schädigung gebe. Bei beiderseits mittelgradiger Schwerhörigkeit schätzte er den lärmbedingten Anteil auf eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vH. Dr.N ... wies in seinem Gutachten nach Aktenlage eine Zunahme der Schwerhörigkeit nach Beendigung der Lärmtätigkeit nach und bezeichnete diese als nicht lärmbedingt. Auch könne der Hörverlust im Tief- und Mitteltonbereich sowie eine Schallleitungskomponente im Audiogramm von 1993 nicht dem Lärm angelastet werden. Die Schädigung der hohen Frequenzen sei mit Wahrscheinlichkeit auf die chronische Lärmbelastung zurückzuführen und mit einer MdE von 10 vH zu bewerten. Ohne Rücksicht auf die Ursache betrage die MdE 20 vH. Der staatliche Gewerbearzt Dr.F ..., Gewerbeaufsichtsamt Nürnberg, stimmte dieser Beurteilung am 12.09.1996 zu.
Mit Bescheid vom 04.10.1996 - bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 24.07.1997 - erkannte die Beklagte eine geringgradige Innenohr-Hochtonschwerhörigkeit als Berufskrankheit nach Nr 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) ohne rentenberechtigende MdE an.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Nürnberg erhoben und beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 04.10.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.07.1997 zu verurteilen, Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH zu gewähren.
Das SG hat einen Befundbericht des Dr.B ... vom 15.12.1997 beigezogen und Gutachten des HNO-Arztes Dr.H ... (Nürnberg) vom 17.06.1998 und gemäß § 109 SGG des Dr.S ... vom 02.10.1998/04.12.1998 eingeholt. Die Beklagte hat ein Gutachten nach Aktenlage der HNO-Ärztin Dr.K ... (Fürstenfeldbruck) vom 05.11.1998 vorgelegt. Dr.H ... hat unter Auswertung des Tonaudiogramms des Dr.B ... vom 06.04.1993 rechts eine geringgradige Schwerhörigkeit (Hörverlust 30 vH) und links eine gering- bis mittelgradige Schwerhörigkeit (Hörverlust 40 vH) festgestellt und die MdE insgesamt mit 20 vH bewertet. Unter Ausschluss eines nicht lärmbedingten Tief- und Mitteltonanteils hat er für den lärmbedingten Hochtonanteil eine knapp geringgradige Innenohrschwerhörigkeit mit einer MdE von 10 vH angenommen. Die zum Zeitpunkt seiner Untersuchung bestehende Hörminderung hat er ohne Rücksicht auf die Ursache mit 30 vH bewertet. Das Ergebnis seiner sprachaudiometrischen Prüfung hielt er nur für bedingt verwertbar, weil der Kläger in der Zahlenverständlichkeit bei 60 dB einen schlechteren Wert als in der Verständlichkeit von Einsilbern angab, was er aus audiometrischen Gründen für unmöglich hielt. Ein Ohrgeräusch hat er nicht als durch den Lärm verursacht angesehen. Dr.S ... hat eine symmetrische Hochtonschwerhörigkeit beidseits mit Befall der mittleren und tiefen Frequenzen festgestellt, aus dem Sprachaudiogramm einen prozentualen Hörverlust von beidseits 60 vH ermittelt und die MdE für eine beidseits mittelgradige Schwerhörigkeit mit 30 vH bewertet. Er hat für den lärmbedingten Hörverlust im Mittel- und Hochtonbereich ab 1993 eine MdE von 20 vH angenommen. Dr.K ... hat unter Heranziehung des Audiogramms, das der Hörgeräteverordnung vom 27.05.1993 zugrunde lag, die Auffassung vertreten, es ergebe sich eine Schwerhörigkeit mit geringgradiger Herabsetzung des Sprachverständnisses rechts sowie eine gering- bis mittelgradige Schwerhörigkeit links, die mit einer MdE von 15 vH zu bewerten seien. Unter Abzug nicht beruflich bedingter Schwerhörigkeitsanteile betrage die MdE 10 vH.
Mit Urteil vom 23.03.1999 hat das SG die Klage abgewiesen und sich dabei im Wesentlichen auf die Ausführungen der Gutachter Dr.H ..., Dr.N ... und Dr.K ... gestützt.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt mit der Begründung, es sei der Beurteilung des Dr.S ... zu folgen, der die lärmbedingte MdE mit 20 vH angenommen habe. Entgegen der Ansicht des Dr.H ... seien in seinem Fall die Sprachaudiogramme zur Beurteilung der MdE heranzuziehen, da er die deutsche Sprache ausreichend beherrsche.
Der Senat hat zur Aufklärung des Sachverhalts ein Gutachten des HNO-Arztes Prof.Dr.T ..., Leitender Arzt der Hals-Nasen-Ohren-Klinik des Klinikums Nürnberg, vom 07.04.2000 eingeholt. Die Beklagte hat ein Gutachten nach Aktenlage des Dr.N ... vom 08.05.2000 vorgelegt. Prof.T ... hat im Tonaudiogramm eine reine Innenohrschwerhörigkeit beginnend im Sprachbereich mit Betonung des Hochtonbereichs diagnostiziert und diese als geringgradig bezeichnet. Er hat jedoch darauf hingewiesen, dass nach dem Sprachaudiogramm - das im Falle des Klägers verwertet werden könne - von einer gering- bis mittelgradigen Schwerhörigkeit auszugehen sei und es nicht gelinge, Anteile an der 1993 dokumentierten Innenohrschwerhörigkeit abzugrenzen, die geeignet wären, eine im Wesentlichen lärmunabhängige Genese zu belegen. Er hat sich außer Stande gesehen, die MdE zwischen 15 vH und 20 vH eindeutig festzulegen. Dr.N ... hat betont, auch nach den Ergebnissen der Begutachtung durch Prof.T ... sei eine mit Wahrscheinlichkeit auf die chronische berufliche Lärmbelastung zurückzuführende Schwerhörigkeit nur mit einer MdE von 15 vH und nicht höher zu bewerten; auch sei die in den Vorgutachten abgebildete starke Hörstörung sicher nicht lärmbedingt und weise auf funktionelle Einflüsse, zB auf Aggravation des Klägers, hin.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 23.03.1999 und unter Abänderung des Bescheides vom 04.10.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.07.1997 zu verurteilen, ihm wegen der als Berufskrankheit anerkannten Schwerhörigkeit Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 23.03.1999 zurückzuweisen.
Sie hält wegen lärmbedingter Schwerhörigkeit allenfalls eine MdE von 15 vH für vertretbar. Nach den in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Beweisgrundsätzen gehe die Unmöglichkeit einer konkreten MdE-Bewertung zu Lasten des Klägers.
Wegen weiterer Einzelheiten wird ergänzend auf den Inhalt der beigezogenen Akten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), jedoch unbegründet.
Der Anspruch des Klägers ist noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu beurteilen, da die Berufskrankheit vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01.01.1997 eingetreten ist (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII).
Die beim Kläger als Berufskrankheit gemäß § 551 Abs 1 Nr 1 RVO iVm Nr 2301 der Anlage 1 zur BKV anerkannte Lärmschwerhörigkeit bedingt keine MdE in Höhe von mindestens 20 vH gemäß §§ 551 Abs 1, 3, 581 Abs 1 Nr 2 RVO und damit keinen Anspruch auf Verletztenrente.
Die Entscheidung der Frage, in welchem Grade die Erwerbsfähigkeit eines Verletzten gemindert ist, ist eine tatsächliche Feststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen Überzeugung trifft (BSGE 4, 147, 149; 6, 267, 268; BSG vom 23.04.1987 - 2 RU 42/86). Die Bemessung des Grades der MdE richtet sich nach dem Umfang der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens des Verletzten durch die Folgen der Berufskrankheit und nach dem Umfang der dem Verletzten dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, betrifft in erster Linie das ärztlich-wissenschaftliche Gebiet. Doch ist die Frage, welche MdE vorliegt, eine Rechtsfrage. Sie ist ohne Bindung an ärztliche Gutachten unter Berücksichtigung der Einzelumstände nach der Lebenserfahrung zu entscheiden (vgl Lauterbach-Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Auflage, Anm 5d zu § 581 RVO). Ärztliche Meinungsäußerungen hinsichtlich der Bewertung der MdE sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richtige Einschätzung des Grades der MdE, vor allem soweit sich diese darauf bezieht, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, BSG in SozR § 581 Nrn 23, 27).
Darüber hinaus sind bei der Beurteilung der MdE auch die von der Rechtsprechung sowie von dem versicherungsrechtlichen und medizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze - entsprechend dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft - zu beachten. Zwar sind diese nicht im Einzelfall bindend, sie sind aber geeignet, die Grundlage für eine gleiche und gerechte Beurteilung der MdE in zahlreichen Paralellfällen der täglichen Praxis zu bilden (BSG vom 23.04.1987, 2 RU 42/86; BSG in SozR 2200 § 581 Nr 27). Mit ihnen wird also eine weitgehende Gleichheit in der Bemessung des lärmverursachten Hörverlustes und eine möglichst objektive Beurteilung angestrebt. Ihre Anwendung dient damit zugleich der Rechtssicherheit (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage, Seite 403). Hierzu gehören auch die Empfehlungen des HVBG für die Begutachtung der beruflichen Lärmschwerhörigkeit ("Königsteiner Merkblatt") 4. Auflage 1996.
Aufgrund der Ausführungen der Sachverständigen Dr.H ..., Dr.K ... und Dr.N ..., dessen im Auftrag der Beklagten erstattetes Gutachten vom 26.07.1996 im anhängigen Rechtsstreit berücksichtigt werden kann (BSG in SozR Nr 66 zu § 128 SGG), steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die Folgen der berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens um weniger als 20 vH gemindert ist.
Bei dem Kläger besteht nach übereinstimmender Beurteilung aller gehörten Sachverständigen eine auf berufsbedingte Lärmeinwirkung zurückzuführende Innenohrhochtonschwerhörigkeit beidseits. Hiervon abzugrenzen sind Schwerhörigkeitsanteile im Tief- und Mitteltonbereich sowie eine nach Beendigung der Lärmarbeit (1993) eingetretene Zunahme der Schwerhörigkeit. Letztere kann nach der überzeugenden Auffassung des Dr.H ... nicht mehr auf die beruflichen Lärmeinflüsse zurückgeführt werden, da eine Lärmschwerhörigkeit nicht fortschreitet, wenn der Versicherte nicht mehr im Lärmbereich tätig ist (Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheiten-Verordnung, M 2301 Seite 32). Bei der Beurteilung der Lärmschwerhörigkeit ist daher auf den Befund abzustellen, der dem Ende der Lärmarbeit zeitlich am nächsten liegt. Hierbei handelt es sich um ein Tonaudiogramm des Dr.B ... vom 06.04.1993, das auch zur Hörgeräteverordnung vom 27.05.1993 herangezogen wurde.
Auszugehen ist von der Knochenleitungshörkurve, da die Luftleitungskurve 10 dB unter der Knochenleitungskurve liegt und die damit nachgewiesene Schallleitungsstörung nach zutreffender Ansicht des Sachverständigen Dr.H ... nicht Ausdruck einer Lärmschädigung sein kann. Nach der Drei-Frequenz-Tabelle von Roeser (1980) ergibt sich rechts ein Hörverlust von 30 % und links ein solcher von 40 %. Dies entspricht rechts einer geringgradigen und links einer gering- bis mittelgradigen Schwerhörigkeit und bedingt nach der Tabelle von Feldmann eine MdE von 15 bis 20 vH für den Hörlust insgesamt. Hiervon in Abzug zu bringen sind die Hörverluste im tiefen und mittleren Frequenzbereich. Zwar können diese ebenfalls lärmbedingt sein, wenn eine lange Lärmexposition mit Lärmeinwirkungen meist über 95 dB gegeben war (Bayer. LSG vom 24.08.1994, HV-Info 1/1995 Seite 51; Mehrtens/ Perlebach aaO Seite 32a). Der Kläger war jedoch nach den Feststellungen des TAD nur Pegeln von 87 bis 90 dB ausgesetzt, wobei der Spitzenpegel von 90 dB nur vorübergehend bei der Tätigkeit als Bohrer für Sprengladungen erreicht wurde. Unter Berücksichtigung des nicht lärmbedingten Tief- und Mitteltonanteils nimmt Dr.H ... für den Hochtonanteil eine knapp geringgradige Innenohrschwerhörigkeit an, die nach der Tabelle von Feldmann einer MdE von 10 vH entspricht.
Der Senat teilt die Einschätzung der MdE durch die o.a. Sachverständigen, da die lärmunabhängigen Faktoren (Schallleitungskomponente, progrediente Hörverschlechterung nach Beendigung der Lärmbelastung, Hörschaden in den tiefen und mittleren Frequenzen, eine geringe, aber mit den anderen Faktoren zu würdigende Asymmetrie) bei der Bildung der MdE zu berücksichtigen waren. Selbst wenn man wie Dr.H ... von einer MdE von 20 vH für den Hörlust insgesamt ausgeht - Dr.N ... nimmt insoweit nur 15 vH an und Dr.K ... bezeichnet die Einschätzung mit 20 vH als großzügig - beträgt der lärmbedingte Anteil jedenfalls deutlich weniger als 20 vH.
Der Auffassung des Dr.S ..., der ebenfalls einen lärmuntypischen Hörverlust im Mittel- und Tieftonbereich angenommen, die lärmbedingte MdE trotzdem mit 20 vH bewertet hat, schloss sich der Senat schon deshalb nicht an, weil dieser Arzt seiner Bewertung die von ihm am 02.07.1996 erhobenen Befunde zugrunde legte, während richtigerweise auf den Befund abzustellen ist, der dem Ende der Lärmarbeit zeitlich am nächsten liegt, (Mehrtens/Perlebach aaO M 2301 Seite 32, LSG Nordrhein-Westfalen, Kompass 1980, 255). Das ist das Tonaudiogramm vom 06.04.1993. Damit kommt Dr.S ... zum falschen Ergebnis.
Dies gilt auch für Prof.T ..., der sich außer Stande gesehen hat, die seiner Auffassung nach in Betracht kommende MdE zwischen 15 vH und 20 vH eindeutig festzulegen. Er kommt zu besseren tonaudiometrischen und sprachaudiometrischen Ergebnissen als Dr.S ..., bestätigt aber letztlich eine geringgradige Schwerhörigkeit beidseits, wenngleich es ihm nicht gelingt, lärmunabhängige Anteile von der 1993 dokumentierten Innenohreinbuße abzugrenzen. Aber auch er sieht eine Schallleitungskomponente, die bei unauffälligen Trommelfellen und normalem Tympanogramm nach Meinung des Dr.N ... wahrscheinlich funktionell bedingt ist. Im Übrigen ergibt sich aus der Knochenleitungskurve des Tonaudiogramms vom 28.02.2000 rechts und links ein prozentualer Hörverlust von jeweils 30 vH, was unabhängig von der Ursache nach der Tabelle von Feldmann 1995 lediglich einer MdE von 15 vH entspricht. Stellt man jedoch auf das Sprachaudiogramm vom 28.02.2000 ab, errechnet sich nach dem gewichteten Gesamtwortverstehen von rechts 240 und links 200 bei einem Hörverlust für Zahlen von 35 dB beidseits nach der Tabelle von Boenninghaus und Roeser 1973 ein prozentualer Hörverlust von 40 vH beidseits, was einer MdE von 20 vH entsprechen würde (Tabelle von Feldmann; Mehrtens aaO Seite 22). Obwohl der sprach- audiometrische Befund die wichtigste Grundlage für die Bewertung der MdE bildet - da der Kläger die deutsche Sprache offenbar ausreichend beherrscht, bestehen gegen die Heranziehung des Sprachaudiogramms grundsätzlich keine Bedenken - wird trotzdem ein rentenberechtigender Grad nicht erreicht. Prof.T ... hat nämlich zu Unrecht den auch von ihm nachgewiesenen lärmunabhängigen Anteil an der Hörschädigung (Schallleitungskomponente) völlig außer Acht gelassen und darüber hinaus nicht auf den Befund abgestellt, der dem Ende der Lärmarbeit zeitlich am nächsten lag. Deshalb kann die sich aus seinem Sprachaudiogramm ergebende MdE nicht voll als lärmbedingt in Ansatz gebracht werden. Ferner ist zu beachten, dass für die Ermittlung der MdE die Tabellenwerte als allgemeine Richtwerte nicht schematisch angewendet werden dürfen. Entscheidend ist letztlich, in welchem Umfang dem Versicherten der allgemeine Arbeitsmarkt mit seinen vielfältigen Erwerbsmöglichkeiten, in dem es häufig auf das ungestörte Hörvermögen wenig ankommt, durch die lärmbedingte Hörstörung verschlossen ist (Mehrtens aaO Seite 36). Der Kläger ist im April 1993 aus dem Erwerbsleben ausgeschieden, ohne dass hierfür der beruflich bedingte Anteil an der Schwerhörigkeit ursächlich gewesen wäre. Dieser Anteil, der sich nach der Beurteilung des Dr.H ... seit Mai 1986 nicht wesentlich verschlechterte, hatte dem Kläger auch vor 1993 keine Veranlassung zur Berufsaufgabe gegeben.
Eine Höherbewertung der MdE durch das Ohrensausen kommt ebenfalls nicht in Betracht. Dr.H ... und Prof.T ... sehen das Ohrgeräusch nicht als lärmverursacht an, weil Dr.B ... im Befundbericht vom 15.12.1997 sein Vorliegen ab 01.01.1995 nicht bestätigt und der Kläger selbst ein dauerhaftes Auftreten des Ohrgeräusches erst für die Zeit nach Beendigung der Lärmexposition angegeben hat. Nur ein dauerndes lärmbedingtes Ohrgeräusch im Frequenzbereich der Schädigung (Hochtongeräusch) kann bei der Bewertung des Gesamtschadenbildes berücksichtigt werden (Mehrtens/Perlebach aaO Seite 39). Im Übrigen hat auch der Sachverständige Dr.S ... das Ohrgeräusch im Gutachten vom 02.07.1996 nur als mäßig belästigend bezeichnet.
Nach allem hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente. Das Urteil des SG Nürnberg ist daher nicht zu beanstanden. Das Rechtsmittel des Klägers muss somit erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Verletztenrente wegen einer als Berufskrankheit anerkannten Lärmschwerhörigkeit hat.
Der am ...1938 geborene Kläger war von 1955 bis 1993 als Bauhilfsarbeiter, Baumaschinist, Traktorfahrer, Zimmermann, Sandstrahler und Bohrer für Sprengladungen tätig, unterbrochen durch den Wehrdienst (1958 bis 1960), Krankheitszeiten (Oktober 1982 bis März 1984), Zeiten der Arbeitslosigkeit (1969, Februar 1975 bis Juli 1975) und einer lärmfreien Beschäftigung als Wächter (1976 bis 1978). Nach den Feststellungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten (TAD) vom 21.05.1996 war er dabei einem persönlichen Beurteilungspegel von 87/89 dB(A) und als Bohrer bis 90 dB(A) ausgesetzt. Seit den 80er Jahren trug er Kapselgehörschutz. Erste Hörbeschwerden bemerkte er 1982 oder 1983. Seit 1993 trägt er beidseits Hörgeräte.
Nach Vorlage einer ärztlichen Anzeige über eine Berufskrankheit und eines Audiogramms vom 13.05.1986 des Betriebsarztes Dr.T ..., Medizinischer Dienst Bayer. Bau-BG sowie einer Anzeige des Unternehmers vom 07.08.1986 holte die Beklagte Auskünfte der Firma R ... vom 07.08.1986 und der AOK Nürnberg vom 10.09.1986 ein, stellte jedoch 1987 das Verwaltungsverfahren wegen fehlender Mitwirkung des Klägers ein. Im November 1993 forderte die AOK Mittelfranken die Beklagte zur Übernahme der Kosten für durch den HNO-Arzt Dr.B ... (Nürnberg) am 27.05.1993 verordnete Hörgeräte auf. Die Beklagte zog die Verordnung der Hörhilfe, eine Auskunft der AOK über Mitglieds- und Krankheitszeiten vom 15.02.1994/März 1995, Unterlagen der LVA Oberfranken/Mittelfranken, einen Bericht des Dr.T ..., Chefarzt der Klinik Herzoghöhe, Bayreuth, vom 06.04.1992 über ein stationäres Heilverfahren des Klägers vom 09.03.1992 bis 06.04.1992, Auskünfte der Firma G ... (München) vom 11.10.1994, der Firma R ... vom 27.10.1994 und der Firma D ... (Nürnberg) vom 06.04.1995 - dort war der Kläger von 1979 bis 1982 und zuletzt vom 26.06.1989 bis 03.03.1993 als Zimmerer beschäftigt - bei und holte nach Eingang einer Anzeige des o.a. Unternehmers vom 25.04.1996 eine Stellungnahme des TAD vom 21.05.1996 und Gutachten der HNO-Ärzte Dr.S ... (Nürnberg) vom 02.07.1996 und des Dr.N ... (Höchberg) vom 26.07.1996 ein.
Dr.S ... dokumentierte eine pantonale Schwerhörigkeit, beginnend mit einem Hörverlust bis 1000 Hz von 30 dB und einer Mittelohrschwerhörigkeit mit Betonung der hohen Frequenzen. Er verwies auf einen lärmuntypischen Hörverlust im Mittel- und Tieftonbereich und auf einen negativen SISI-Test, der einen Hinweis auf eine lärmunabhängige Schädigung gebe. Bei beiderseits mittelgradiger Schwerhörigkeit schätzte er den lärmbedingten Anteil auf eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vH. Dr.N ... wies in seinem Gutachten nach Aktenlage eine Zunahme der Schwerhörigkeit nach Beendigung der Lärmtätigkeit nach und bezeichnete diese als nicht lärmbedingt. Auch könne der Hörverlust im Tief- und Mitteltonbereich sowie eine Schallleitungskomponente im Audiogramm von 1993 nicht dem Lärm angelastet werden. Die Schädigung der hohen Frequenzen sei mit Wahrscheinlichkeit auf die chronische Lärmbelastung zurückzuführen und mit einer MdE von 10 vH zu bewerten. Ohne Rücksicht auf die Ursache betrage die MdE 20 vH. Der staatliche Gewerbearzt Dr.F ..., Gewerbeaufsichtsamt Nürnberg, stimmte dieser Beurteilung am 12.09.1996 zu.
Mit Bescheid vom 04.10.1996 - bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 24.07.1997 - erkannte die Beklagte eine geringgradige Innenohr-Hochtonschwerhörigkeit als Berufskrankheit nach Nr 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) ohne rentenberechtigende MdE an.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Nürnberg erhoben und beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 04.10.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.07.1997 zu verurteilen, Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH zu gewähren.
Das SG hat einen Befundbericht des Dr.B ... vom 15.12.1997 beigezogen und Gutachten des HNO-Arztes Dr.H ... (Nürnberg) vom 17.06.1998 und gemäß § 109 SGG des Dr.S ... vom 02.10.1998/04.12.1998 eingeholt. Die Beklagte hat ein Gutachten nach Aktenlage der HNO-Ärztin Dr.K ... (Fürstenfeldbruck) vom 05.11.1998 vorgelegt. Dr.H ... hat unter Auswertung des Tonaudiogramms des Dr.B ... vom 06.04.1993 rechts eine geringgradige Schwerhörigkeit (Hörverlust 30 vH) und links eine gering- bis mittelgradige Schwerhörigkeit (Hörverlust 40 vH) festgestellt und die MdE insgesamt mit 20 vH bewertet. Unter Ausschluss eines nicht lärmbedingten Tief- und Mitteltonanteils hat er für den lärmbedingten Hochtonanteil eine knapp geringgradige Innenohrschwerhörigkeit mit einer MdE von 10 vH angenommen. Die zum Zeitpunkt seiner Untersuchung bestehende Hörminderung hat er ohne Rücksicht auf die Ursache mit 30 vH bewertet. Das Ergebnis seiner sprachaudiometrischen Prüfung hielt er nur für bedingt verwertbar, weil der Kläger in der Zahlenverständlichkeit bei 60 dB einen schlechteren Wert als in der Verständlichkeit von Einsilbern angab, was er aus audiometrischen Gründen für unmöglich hielt. Ein Ohrgeräusch hat er nicht als durch den Lärm verursacht angesehen. Dr.S ... hat eine symmetrische Hochtonschwerhörigkeit beidseits mit Befall der mittleren und tiefen Frequenzen festgestellt, aus dem Sprachaudiogramm einen prozentualen Hörverlust von beidseits 60 vH ermittelt und die MdE für eine beidseits mittelgradige Schwerhörigkeit mit 30 vH bewertet. Er hat für den lärmbedingten Hörverlust im Mittel- und Hochtonbereich ab 1993 eine MdE von 20 vH angenommen. Dr.K ... hat unter Heranziehung des Audiogramms, das der Hörgeräteverordnung vom 27.05.1993 zugrunde lag, die Auffassung vertreten, es ergebe sich eine Schwerhörigkeit mit geringgradiger Herabsetzung des Sprachverständnisses rechts sowie eine gering- bis mittelgradige Schwerhörigkeit links, die mit einer MdE von 15 vH zu bewerten seien. Unter Abzug nicht beruflich bedingter Schwerhörigkeitsanteile betrage die MdE 10 vH.
Mit Urteil vom 23.03.1999 hat das SG die Klage abgewiesen und sich dabei im Wesentlichen auf die Ausführungen der Gutachter Dr.H ..., Dr.N ... und Dr.K ... gestützt.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt mit der Begründung, es sei der Beurteilung des Dr.S ... zu folgen, der die lärmbedingte MdE mit 20 vH angenommen habe. Entgegen der Ansicht des Dr.H ... seien in seinem Fall die Sprachaudiogramme zur Beurteilung der MdE heranzuziehen, da er die deutsche Sprache ausreichend beherrsche.
Der Senat hat zur Aufklärung des Sachverhalts ein Gutachten des HNO-Arztes Prof.Dr.T ..., Leitender Arzt der Hals-Nasen-Ohren-Klinik des Klinikums Nürnberg, vom 07.04.2000 eingeholt. Die Beklagte hat ein Gutachten nach Aktenlage des Dr.N ... vom 08.05.2000 vorgelegt. Prof.T ... hat im Tonaudiogramm eine reine Innenohrschwerhörigkeit beginnend im Sprachbereich mit Betonung des Hochtonbereichs diagnostiziert und diese als geringgradig bezeichnet. Er hat jedoch darauf hingewiesen, dass nach dem Sprachaudiogramm - das im Falle des Klägers verwertet werden könne - von einer gering- bis mittelgradigen Schwerhörigkeit auszugehen sei und es nicht gelinge, Anteile an der 1993 dokumentierten Innenohrschwerhörigkeit abzugrenzen, die geeignet wären, eine im Wesentlichen lärmunabhängige Genese zu belegen. Er hat sich außer Stande gesehen, die MdE zwischen 15 vH und 20 vH eindeutig festzulegen. Dr.N ... hat betont, auch nach den Ergebnissen der Begutachtung durch Prof.T ... sei eine mit Wahrscheinlichkeit auf die chronische berufliche Lärmbelastung zurückzuführende Schwerhörigkeit nur mit einer MdE von 15 vH und nicht höher zu bewerten; auch sei die in den Vorgutachten abgebildete starke Hörstörung sicher nicht lärmbedingt und weise auf funktionelle Einflüsse, zB auf Aggravation des Klägers, hin.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 23.03.1999 und unter Abänderung des Bescheides vom 04.10.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.07.1997 zu verurteilen, ihm wegen der als Berufskrankheit anerkannten Schwerhörigkeit Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 23.03.1999 zurückzuweisen.
Sie hält wegen lärmbedingter Schwerhörigkeit allenfalls eine MdE von 15 vH für vertretbar. Nach den in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Beweisgrundsätzen gehe die Unmöglichkeit einer konkreten MdE-Bewertung zu Lasten des Klägers.
Wegen weiterer Einzelheiten wird ergänzend auf den Inhalt der beigezogenen Akten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), jedoch unbegründet.
Der Anspruch des Klägers ist noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu beurteilen, da die Berufskrankheit vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01.01.1997 eingetreten ist (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII).
Die beim Kläger als Berufskrankheit gemäß § 551 Abs 1 Nr 1 RVO iVm Nr 2301 der Anlage 1 zur BKV anerkannte Lärmschwerhörigkeit bedingt keine MdE in Höhe von mindestens 20 vH gemäß §§ 551 Abs 1, 3, 581 Abs 1 Nr 2 RVO und damit keinen Anspruch auf Verletztenrente.
Die Entscheidung der Frage, in welchem Grade die Erwerbsfähigkeit eines Verletzten gemindert ist, ist eine tatsächliche Feststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen Überzeugung trifft (BSGE 4, 147, 149; 6, 267, 268; BSG vom 23.04.1987 - 2 RU 42/86). Die Bemessung des Grades der MdE richtet sich nach dem Umfang der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens des Verletzten durch die Folgen der Berufskrankheit und nach dem Umfang der dem Verletzten dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, betrifft in erster Linie das ärztlich-wissenschaftliche Gebiet. Doch ist die Frage, welche MdE vorliegt, eine Rechtsfrage. Sie ist ohne Bindung an ärztliche Gutachten unter Berücksichtigung der Einzelumstände nach der Lebenserfahrung zu entscheiden (vgl Lauterbach-Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Auflage, Anm 5d zu § 581 RVO). Ärztliche Meinungsäußerungen hinsichtlich der Bewertung der MdE sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richtige Einschätzung des Grades der MdE, vor allem soweit sich diese darauf bezieht, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, BSG in SozR § 581 Nrn 23, 27).
Darüber hinaus sind bei der Beurteilung der MdE auch die von der Rechtsprechung sowie von dem versicherungsrechtlichen und medizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze - entsprechend dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft - zu beachten. Zwar sind diese nicht im Einzelfall bindend, sie sind aber geeignet, die Grundlage für eine gleiche und gerechte Beurteilung der MdE in zahlreichen Paralellfällen der täglichen Praxis zu bilden (BSG vom 23.04.1987, 2 RU 42/86; BSG in SozR 2200 § 581 Nr 27). Mit ihnen wird also eine weitgehende Gleichheit in der Bemessung des lärmverursachten Hörverlustes und eine möglichst objektive Beurteilung angestrebt. Ihre Anwendung dient damit zugleich der Rechtssicherheit (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage, Seite 403). Hierzu gehören auch die Empfehlungen des HVBG für die Begutachtung der beruflichen Lärmschwerhörigkeit ("Königsteiner Merkblatt") 4. Auflage 1996.
Aufgrund der Ausführungen der Sachverständigen Dr.H ..., Dr.K ... und Dr.N ..., dessen im Auftrag der Beklagten erstattetes Gutachten vom 26.07.1996 im anhängigen Rechtsstreit berücksichtigt werden kann (BSG in SozR Nr 66 zu § 128 SGG), steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die Folgen der berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens um weniger als 20 vH gemindert ist.
Bei dem Kläger besteht nach übereinstimmender Beurteilung aller gehörten Sachverständigen eine auf berufsbedingte Lärmeinwirkung zurückzuführende Innenohrhochtonschwerhörigkeit beidseits. Hiervon abzugrenzen sind Schwerhörigkeitsanteile im Tief- und Mitteltonbereich sowie eine nach Beendigung der Lärmarbeit (1993) eingetretene Zunahme der Schwerhörigkeit. Letztere kann nach der überzeugenden Auffassung des Dr.H ... nicht mehr auf die beruflichen Lärmeinflüsse zurückgeführt werden, da eine Lärmschwerhörigkeit nicht fortschreitet, wenn der Versicherte nicht mehr im Lärmbereich tätig ist (Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheiten-Verordnung, M 2301 Seite 32). Bei der Beurteilung der Lärmschwerhörigkeit ist daher auf den Befund abzustellen, der dem Ende der Lärmarbeit zeitlich am nächsten liegt. Hierbei handelt es sich um ein Tonaudiogramm des Dr.B ... vom 06.04.1993, das auch zur Hörgeräteverordnung vom 27.05.1993 herangezogen wurde.
Auszugehen ist von der Knochenleitungshörkurve, da die Luftleitungskurve 10 dB unter der Knochenleitungskurve liegt und die damit nachgewiesene Schallleitungsstörung nach zutreffender Ansicht des Sachverständigen Dr.H ... nicht Ausdruck einer Lärmschädigung sein kann. Nach der Drei-Frequenz-Tabelle von Roeser (1980) ergibt sich rechts ein Hörverlust von 30 % und links ein solcher von 40 %. Dies entspricht rechts einer geringgradigen und links einer gering- bis mittelgradigen Schwerhörigkeit und bedingt nach der Tabelle von Feldmann eine MdE von 15 bis 20 vH für den Hörlust insgesamt. Hiervon in Abzug zu bringen sind die Hörverluste im tiefen und mittleren Frequenzbereich. Zwar können diese ebenfalls lärmbedingt sein, wenn eine lange Lärmexposition mit Lärmeinwirkungen meist über 95 dB gegeben war (Bayer. LSG vom 24.08.1994, HV-Info 1/1995 Seite 51; Mehrtens/ Perlebach aaO Seite 32a). Der Kläger war jedoch nach den Feststellungen des TAD nur Pegeln von 87 bis 90 dB ausgesetzt, wobei der Spitzenpegel von 90 dB nur vorübergehend bei der Tätigkeit als Bohrer für Sprengladungen erreicht wurde. Unter Berücksichtigung des nicht lärmbedingten Tief- und Mitteltonanteils nimmt Dr.H ... für den Hochtonanteil eine knapp geringgradige Innenohrschwerhörigkeit an, die nach der Tabelle von Feldmann einer MdE von 10 vH entspricht.
Der Senat teilt die Einschätzung der MdE durch die o.a. Sachverständigen, da die lärmunabhängigen Faktoren (Schallleitungskomponente, progrediente Hörverschlechterung nach Beendigung der Lärmbelastung, Hörschaden in den tiefen und mittleren Frequenzen, eine geringe, aber mit den anderen Faktoren zu würdigende Asymmetrie) bei der Bildung der MdE zu berücksichtigen waren. Selbst wenn man wie Dr.H ... von einer MdE von 20 vH für den Hörlust insgesamt ausgeht - Dr.N ... nimmt insoweit nur 15 vH an und Dr.K ... bezeichnet die Einschätzung mit 20 vH als großzügig - beträgt der lärmbedingte Anteil jedenfalls deutlich weniger als 20 vH.
Der Auffassung des Dr.S ..., der ebenfalls einen lärmuntypischen Hörverlust im Mittel- und Tieftonbereich angenommen, die lärmbedingte MdE trotzdem mit 20 vH bewertet hat, schloss sich der Senat schon deshalb nicht an, weil dieser Arzt seiner Bewertung die von ihm am 02.07.1996 erhobenen Befunde zugrunde legte, während richtigerweise auf den Befund abzustellen ist, der dem Ende der Lärmarbeit zeitlich am nächsten liegt, (Mehrtens/Perlebach aaO M 2301 Seite 32, LSG Nordrhein-Westfalen, Kompass 1980, 255). Das ist das Tonaudiogramm vom 06.04.1993. Damit kommt Dr.S ... zum falschen Ergebnis.
Dies gilt auch für Prof.T ..., der sich außer Stande gesehen hat, die seiner Auffassung nach in Betracht kommende MdE zwischen 15 vH und 20 vH eindeutig festzulegen. Er kommt zu besseren tonaudiometrischen und sprachaudiometrischen Ergebnissen als Dr.S ..., bestätigt aber letztlich eine geringgradige Schwerhörigkeit beidseits, wenngleich es ihm nicht gelingt, lärmunabhängige Anteile von der 1993 dokumentierten Innenohreinbuße abzugrenzen. Aber auch er sieht eine Schallleitungskomponente, die bei unauffälligen Trommelfellen und normalem Tympanogramm nach Meinung des Dr.N ... wahrscheinlich funktionell bedingt ist. Im Übrigen ergibt sich aus der Knochenleitungskurve des Tonaudiogramms vom 28.02.2000 rechts und links ein prozentualer Hörverlust von jeweils 30 vH, was unabhängig von der Ursache nach der Tabelle von Feldmann 1995 lediglich einer MdE von 15 vH entspricht. Stellt man jedoch auf das Sprachaudiogramm vom 28.02.2000 ab, errechnet sich nach dem gewichteten Gesamtwortverstehen von rechts 240 und links 200 bei einem Hörverlust für Zahlen von 35 dB beidseits nach der Tabelle von Boenninghaus und Roeser 1973 ein prozentualer Hörverlust von 40 vH beidseits, was einer MdE von 20 vH entsprechen würde (Tabelle von Feldmann; Mehrtens aaO Seite 22). Obwohl der sprach- audiometrische Befund die wichtigste Grundlage für die Bewertung der MdE bildet - da der Kläger die deutsche Sprache offenbar ausreichend beherrscht, bestehen gegen die Heranziehung des Sprachaudiogramms grundsätzlich keine Bedenken - wird trotzdem ein rentenberechtigender Grad nicht erreicht. Prof.T ... hat nämlich zu Unrecht den auch von ihm nachgewiesenen lärmunabhängigen Anteil an der Hörschädigung (Schallleitungskomponente) völlig außer Acht gelassen und darüber hinaus nicht auf den Befund abgestellt, der dem Ende der Lärmarbeit zeitlich am nächsten lag. Deshalb kann die sich aus seinem Sprachaudiogramm ergebende MdE nicht voll als lärmbedingt in Ansatz gebracht werden. Ferner ist zu beachten, dass für die Ermittlung der MdE die Tabellenwerte als allgemeine Richtwerte nicht schematisch angewendet werden dürfen. Entscheidend ist letztlich, in welchem Umfang dem Versicherten der allgemeine Arbeitsmarkt mit seinen vielfältigen Erwerbsmöglichkeiten, in dem es häufig auf das ungestörte Hörvermögen wenig ankommt, durch die lärmbedingte Hörstörung verschlossen ist (Mehrtens aaO Seite 36). Der Kläger ist im April 1993 aus dem Erwerbsleben ausgeschieden, ohne dass hierfür der beruflich bedingte Anteil an der Schwerhörigkeit ursächlich gewesen wäre. Dieser Anteil, der sich nach der Beurteilung des Dr.H ... seit Mai 1986 nicht wesentlich verschlechterte, hatte dem Kläger auch vor 1993 keine Veranlassung zur Berufsaufgabe gegeben.
Eine Höherbewertung der MdE durch das Ohrensausen kommt ebenfalls nicht in Betracht. Dr.H ... und Prof.T ... sehen das Ohrgeräusch nicht als lärmverursacht an, weil Dr.B ... im Befundbericht vom 15.12.1997 sein Vorliegen ab 01.01.1995 nicht bestätigt und der Kläger selbst ein dauerhaftes Auftreten des Ohrgeräusches erst für die Zeit nach Beendigung der Lärmexposition angegeben hat. Nur ein dauerndes lärmbedingtes Ohrgeräusch im Frequenzbereich der Schädigung (Hochtongeräusch) kann bei der Bewertung des Gesamtschadenbildes berücksichtigt werden (Mehrtens/Perlebach aaO Seite 39). Im Übrigen hat auch der Sachverständige Dr.S ... das Ohrgeräusch im Gutachten vom 02.07.1996 nur als mäßig belästigend bezeichnet.
Nach allem hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente. Das Urteil des SG Nürnberg ist daher nicht zu beanstanden. Das Rechtsmittel des Klägers muss somit erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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