Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 6 SB 90028/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 SB 4/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) und die Feststellung des Merkzeichens G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).
Auf Antrag der am ... 1950 geborenen Klägerin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 3. August 1993 bei ihr einen GdB von 60 fest (Psycho-neurotische Erkrankung GdB 50, Asthma-Allergie GdB 30, Reizknie beidseits GdB 10, chronische Nasennebenhöhlenentzündung GdB 10, Belastungsminderung der Wirbelsäule GdB 10). Dem lag insbesondere der Befund des Facharztes für Neurologie und Psychotherapie Dr. S. vom 3. Februar 1993 zu Grunde, wonach sich die Klägerin seit 1974 in ambulanter nervenärztlicher Behandlung befinde. Weitere ambulante nervenärztliche Behandlungen mit psychotherapeutisch-orientierten Gesprächen und medikamentöser Behandlung seien erforderlich. In der Vergangenheit sei es bei reaktiven Belastungsfaktoren immer wieder zu depressiv-gefärbten Verstimmungszuständen und Suizidversuchen gekommen. Weitere Neufeststellungsanträge der Klägerin lehnte der Beklagte ab (Bescheide vom 1. November 1995 und 25. Februar 2000).
Am 1. März 2004 beantragte die Klägerin erneut einen höheren GdB sowie das Merkzeichen G. Sie machte eine zunehmende Minderbelastbarkeit der Wirbelsäule und der Kniegelenke geltend. Seit der letzten Feststellung seien auch weitere Erkrankungen hinzugekommen (Herzleistungsminderung, Bluthochdruck, Antikörpermangelsyndrom mit Immunschwäche, Eisenmangelanämie, Erkrankung der Schilddrüse, chronisch-rezidivierende Blasenentzündung, Schallempfindungsstörung). Nach medizinischer Sachaufklärung wertete die ärztliche Gutachterin des Beklagten Dr. D. die eingeholten Befundscheine, Arztbriefe und Epikrisen aus und stellte einen Gesamt-GdB von 60 sowie folgende Einzelbehinderungen fest: seelische Behinderung (GdB 50), Lungenfunktionsstörung bei Asthma bronchiale (GdB 30), Hörminderung (GdB 20), Funktionsminderung der Kniegelenke bei degenerativen Veränderungen (GdB 10), Bluthochdruck mit Herzrhythmusstörung (GdB 10), chronische Nasennebenhöhlenentzündung (GdB 10), Belastungsminderung der Wirbelsäule (GdB 10). Die Harnwegsinfekte, das Antikörpermangelsyndrom mit Immunschwäche, die Eisenmangelanämie und das Schilddrüsenleiden rechtfertigten keinen GdB. Auch die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens G lägen nicht vor. Dem folgend lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 24. August 2004 den Antrag der Klägerin ab. Den dagegen gerichteten Widerspruch vom 27. August 2004 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2005 zurück.
Am 3. Mai 2005 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Stendal Klage erhoben und vorgetragen: Durch das chronisches Schmerzsyndrom habe sich ihre schmerzfreie Gehstrecke auf unter 200 Meter reduziert. Das Schmerzsyndrom sei als eigenständige Behinderung aufzufassen und wirke sich erhöhend auf den Gesamt-GdB aus.
Das SG hat zunächst Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin eingeholt. Der Facharzt für Innere Medizin Dipl.-Med. W. hat am 1. September 2005 über eine Hyperlipoproteinämie und eine gut eingestellte arterielle Hypertonie berichtet und darüber hinaus mitgeteilt, die weiteren von der Klägerin geschilderten Beschwerden seien am ehesten im Rahmen einer Depression zu erklären. Der Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde/Allergologie Dr. S. hat am 1. September 2005 ausgeführt, das Hörvermögen sei durch eine sehr geringgradige Schallempfindungsstörung beidseits eingeschränkt und hat in Anlage das Ton- und Sprachaudiogramm vom 23. Juli 2004 übersandt. Die Fachärzte für Orthopädie G. haben am 5. September 2005 eine chronische Schmerzerkrankung, eine beginnende Gon- und Coxarthrose beidseits, eine Cervicolumbalgie bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen und eine diskrete Skoliose mit deutlicher muskulärer Insuffizienz diagnostiziert. Die Befunde seien seit Mai 2000 gleichbleibend. Die Fachärzte für Urologie Dr. J. haben am 24. April 2005 über einen Zustand nach Nephropexie (Verfahren zur Befestigung einer Senk- oder Wanderniere) bei regelrechtem Befund der Nieren und einer restharnfreien Blasenleerung berichtet. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. hat am 12. Dezember 2005 eine schleichende Zunahme der gesundheitlichen Veränderungen während der letzten zwei Jahre und eine extreme Verstärkung im Jahre 2005 festgestellt. Es sei von Multimorbidität auszugehen. Während der letzten Jahre habe eine chronifizierte depressive Verfassung mit Somatisierungsstörungen (vielfältige körperliche Symptome), verminderter Belastbarkeit, Resigniertheit und Antriebsstörungen, Angstsyndromen und einer kognitiven Störung (erhebliche Konzentrationsschwäche) im Vordergrund gestanden. Dadurch werde die Teilhabe der Klägerin am gesellschaftlichen Leben erheblich beeinträchtigt. Seit 2004 sei keine stationäre psychiatrische Behandlung erfolgt. Nach dem Befundbericht des Arztes für Innere Medizin Prof. Dr. S. vom 5. Januar 2007 lägen aus immunologischer Sicht unter Therapie stabile Befunde vor.
In Auswertung der Befundberichte hat der Beklagte die prüfärztlichen Stellungnahmen von Dr. W. vom 19. Januar 2006 und 1. Februar 2007 vorgelegt. Danach sei die seelische Behinderung mit einem GdB von maximal 40 zu bewerten, denn schwere Störungen (wie z. B. eine Zwangsstörung) lägen nach dem aktuellen Bericht des Dr. S. nicht vor. Für die Lungenfunktionsstörung bei Asthma Bronchiale könne maximal ein GdB von 10 festgestellt werden, da keine dauerhafte und angepasste medikamentöse Therapie durchgeführt werde. Die geringgradige Hörminderung rechtfertige einen GdB von 15 (20). Die beginnende Gonarthrose habe zu keinen relevanten Bewegungseinschränkungen oder anhaltenden Reizerscheinungen geführt und bedinge keinen GdB. Da der Bluthochdruck gut eingestellt sei und keine Folgeerkrankungen vorlägen, sei auch dafür kein GdB festzustellen. Auch die bisherige Bewertung der chronischen Nasennebenhöhlenentzündung mit einem GdB von 10 sei großzügig. Ebenso großzügig sei der GdB von 10 auf Grund der Belastungsminderung der Wirbelsäule, da keine objektivierbaren Einschränkungen vorlägen. Auch der Befundbericht von Prof. Dr. S. könne die subjektiven Beeinträchtigungen nicht objektivieren. Sie seien in der hohen Bewertung der Somatisierungsstörung bereits berücksichtigt. Bei voller Ausschöpfung des Ermessensspielraums sei maximal ein Gesamt-GdB von 50 vertretbar.
Das SG hat außerdem die Rentenversicherungsakte der Klägerin mit dem Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Privatdozent (PD) Dr. G. vom 7. August 1998 beigezogen. Danach liege bei der Klägerin eine schwere primärneurotische Fehlentwicklung von Krankheitswert mit multiplen psychosomatischen Beschwerden vor. Es bestehe eine hochgradige Somatisierungstendenz ohne hinlängliche Krankheitseinsicht. Angesichts des Fixiertheitsgrades der Beschwerden und der psychosomatisch nachweisbaren erheblichen Selbstvorwürfe und Schuldgefühle hinsichtlich des Todes ihres Ehemanns (Tötung durch Sohn in Notwehr) sei in absehbarer Zukunft keine Besserung zu erwarten. Die Klägerin sei nicht in der Lage, einer mehr als zweistündigen regelmäßigen Tätigkeit in ihrem erlernten Beruf (Frisör) bzw. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Eine Nachbegutachtung sei erst in fünf Jahren sinnvoll. Die weiteren medizinischen Ermittlungen im Rentenverfahren enden im Jahre 2001.
Außerdem hat die Klägerin einen Arztbrief der Medizinischen Hochschule H. vom 17. April 2008 vorgelegt, wonach bei ihr das Zollinger-Ellison Syndrom vorliege, das durch eine palliative Chemotherapie mit Sandostatin behandelt werde.
Schließlich hat das SG durch die Fachärztin für Innere Medizin, Sozialmedizin und Betriebsmedizin Dr. H. das Gutachten vom 6. Oktober 2008 erstatten lassen. Diese hat ausgeführt, im Vordergrund stünde weiterhin eine somatoforme Störung mit einem multiplen Beschwerdebild (u.a. Müdigkeit, vorzeitiger Erschöpfung, Schmerzen, Bauchkrämpfen, tägliche Übelkeit, Zungenbrennen, Appetitlosigkeit, Atemnot, Angina Pectoris, Herzrhythmusstörungen, Rückenschmerzen, Kniegelenksbeschwerden). Art und Ausmaß dieser Symptome seien in keiner Weise mit den körperlichen Befunden zu erklären. Der Stütz- und Bewegungsapparat habe weder die bei einem chronischen Schmerz vorhandenen muskulären Reizerscheinungen noch neurologische Ausfälle oder Funktionsdefizite aufgewiesen. Für sämtliche Gelenke und die gesamte Wirbelsäule hätten nach der Neutral-Null-Methode ausschließlich normale Bewegungsmaße ermittelt werden können. Hinweise für eine manifeste kardiopulmonale Insuffizienz ergäben sich nicht. Farbdoppler-echokardiografisch habe eine normal funktionierende linke Herzkammer ohne Linksherzhypertrophie mit einer Auswurffraktion von 73 % ermittelt werden können. Auch die Blutgasanalyse vor und nach der ergometrischen Belastung habe auf einen sehr guten Trainingszustand hingewiesen. Die unter Ruhebedingungen bestehende respiratorische Alkalose sei auf die Hyperventilation im Rahmen des wiederholten, demonstrativen Stöhnens während der gesamten Begutachtungssituation zurückzuführen. Unter Berücksichtigung von Anamnese, Untersuchung, Bodyplethysmographie und Blutgasanalyse sei für die chronische Atemwegserkrankung von einem leichten Schweregrad auszugehen. Es habe nur eine leichtgradige restriktive Störung und Überblähung ermittelt werden können. Für die beklagten Beschwerden sei durchaus eine bewusstseinsnahe Steuerung zur Erlangung von Aufmerksamkeit und sekundärem Krankheitsgewinn zu unterstellen. Der Zeitpunkt für eine erfolgreiche Psychotherapie sei durch die seit Jahren eingetretene Chronifizierung der Somatisierungsstörung verpasst. Für die Zukunft sollten die organischen Befunde in ihrer ursächlichen Bedeutung relativiert und apparative und invasive Prozeduren eingeschränkt werden. Insgesamt stelle die bei der Klägerin bestehende chronifizierte Somatisierungsstörung mit multiplem Beschwerdesyndrom eine stärker behindernde Störung dar, die die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit durchaus einenge und nach den Anhaltspunkten mit einem GdB von 30 angemessen berücksichtigt sei. Die chronische Atemwegserkrankung, bei der es sich am ehesten um eine chronische Bronchitis leichterer Form handele, sei maximal mit einem GdB von 10 zu bemessen. Nach den Anhaltspunkten sei für die zu unterstellende chronische Nasennebenhöhlenentzündung ein Einzel-GdB von 10 anzunehmen. Für die kompensierte Hypertonie ohne Nierenschädigung oder Linksherzhypertrophie sei maximal ein GdB von 10 zu berücksichtigen: Der Bluthochdruck sei optimal therapeutisch eingestellt. Die beklagte Angina pectoris-Symptomatik sei als Herzneurose aufzufassen. Eine belastungsbedingte Atemnot sei zumindest im Rahmen der ergometrischen Untersuchung nicht aufgefallen. Die Funktionsuntersuchung des Stütz- und Bewegungsapparats sei völlig unauffällig ausgefallen. Auch nach den bildmorphologischen Befunden hätten keine degenerativen Veränderungen ermittelt werden können, die vom Ausmaß her für das Beschwerdebild verantwortlich gemacht werden können. Eine Berücksichtigung nach den Anhaltspunkten sei nicht gerechtfertigt, denn es liege weder eine Bewegungseinschränkung noch eine Instabilität vor. Die psychogene Genese des Rückenschmerzes sei in der Somatisierungsstörung bereits berücksichtigt worden. Gleiches treffe für die Kniegelenksbeschwerden zu. Die vor Jahren festgestellte geringe Retropatellararthrose bedinge weder eine Instabilität noch Funktionsdefizite für das Strecken und Beugen. Insofern sei ebenfalls von einer psychogenen Ursache auszugehen. Keine zusätzliche Berücksichtigung könne die funktionelle Magen-Darm-Störung mit Übelkeit und Bauchkrämpfen finden. Das Zollinger-Ellison-Syndrom werde medikamentös gut kompensiert. Ebenso fehlten anamnestische Hinweise für eine Diarrhö mit Fettstühlen. Keine Berücksichtigung könnten die geringe Hörminderung und die Kurzsichtigkeit finden. Die Kommunikation sei nicht eingeschränkt gewesen. HNO-ärztlich sei eine sehr geringgradige Schallempfindungsstörung durch Dr. S. mitgeteilt worden. Das Sehvermögen sei durch Brillenkorrektur mit 90 % rechts bzw. links ebenfalls nicht gemindert. Der festgestellte Immunglobulin-A-Mangel begünstige das Auftreten von Exazerbationen der chronischen Bronchitis und Sinusitis. Die Folgen dieser Infektanfälligkeit seien jedoch bereits bei diesen Krankheitsbildern mit erfasst worden. Eine zusätzliche Berücksichtigung komme deshalb nicht in Betracht. Mit einem Gesamtgrad von 30 seien sämtliche Behinderungen angemessen berücksichtigt. Aus den Folgen der Somatisierungsstörung und den übrigen Störungen resultiere keine wechselseitige Beeinflussung, welche das Ausmaß der Behinderung erhöhe bzw. eine verstärkte Beeinträchtigung der Teilhabe hervorrufe. Der Bluthochdruck ohne Linksherzbeteiligung, die leichte chronische Bronchitis und Sinusitis führten nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des täglichen Lebens, die einen höheren Gesamt-GdB als 30 begründen könnten. Bei der Klägerin liege auch keine erhebliche Gehbehinderung vor. Die Gehfähigkeit sei bei der gutachtlichen Untersuchung nicht eingeschränkt gewesen. Die Gelenkuntersuchung der Beine und der Wirbelsäule habe einen unauffälligen Funktionszustand ergeben. Nach der körperlichen Untersuchung und dem Ergebnis der Fahrradergometrie bestehe auch kein Hinweis auf eine relevante Durchblutungsstörung der Beine. Ebenso habe mit der kardiopulmonalen Funktionsdiagnostik eine Beeinträchtigung von Herzleistung und Lungenfunktion mit Auswirkungen auf die Gehfähigkeit ausgeschlossen werden können. Anamnestisch habe die Klägerin auch spontan keine Wegstreckenbegrenzung vorgetragen. Die Anreise zur Untersuchungsstelle habe sie mit öffentlichen Verkehrmitteln und ohne Begleitung vorgenommen, so dass auch keine Orientierungsstörung unterstellt werden könne. Insgesamt sei das Ausmaß der Somatisierungsstörung in den letzten Jahren immer wieder überschätzt worden. 1993 sei nachvollziehbar die psychoneurotische Erkrankung mit einem GdB von 50 bewertet worden, da sich die Klägerin zu damaligen Zeitpunkt in einer äußerst schwierigen Lebenssituation mit reaktiv depressiver Verstimmung und einem Zustand nach mehreren Suizidversuchen befunden habe. Unter rückwirkender Betrachtung des Krankheitsverlaufes habe sich dann jedoch die Somatisierungsstörung in den Vordergrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen geschoben. Schon in der prüfärztlichen Stellungnahme des Beklagten vom Januar 2006 sei für die seelische Behinderung nur noch ein GdB von 30 bis 40 vorgeschlagen worden. Dem sei dahingehend zu folgen, dass der Gesamt-GdB zu hoch bemessen gewesen und für die seelische Behinderung nur noch ein GdB von 30 angemessen sei.
Die Klägerin hat am 15. Dezember 2008 gegen das Gutachten der Dr. H. eingewendet: Die Lungenfunktionsprüfung habe deutlich reduzierte Werte ergeben, die einen GdB von mindestens 50 und das Merkzeichen G rechtfertigten. In der Gesamtbeurteilung gehe Dr. H. aber nur von einer leichten Bronchitis aus. Die Erkrankung an Zollinger-Ellison werde weiterhin 14-tägig, nunmehr seit neun Monaten, mit einer palliativen Chemotherapie behandelt. Sie leide deutlich unter den Folgen dieser Erkrankung und dem damit verbundenen Auftreten von Fettstühlen.
Mit Gerichtsbescheid vom 16. Dezember 2008 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die von der Klägerin vorgetragenen multiplen Beschwerden seien auf die Somatisierungsstörung zurückzuführen und hätten keine organische Grundlage. Der GdB dafür betrage 30, weil die chronifizierte Somatisierungsstörung eine stärker behindernde Störung darstelle, die die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit einenge. Die chronische Atemwegserkrankung bedinge einen GdB von 10, weil eine chronische Bronchitis leichterer Form mit gelegentlichem Auswurf festzustellen sei. Für die arterielle Hypertonie ohne Linksherzhypertrophie und die chronische Nasennebenhöhlenentzündung ohne wesentliche Nebenerscheinungen sei jeweils von einem GdB von 10 auszugehen. Diese Behinderungen mit einem GdB von 10 erhöhten den Gesamt-GdB nicht. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf das Merkzeichen G, weil kein GdB von 50 für die unteren Gliedmaßen und die Lendenwirbelsäule festzustellen sei. Ferner lägen keine Behinderungen der unteren Gliedmaßen vor, die sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirkten. Dr. H. habe ein unauffälliges Gangbild dokumentiert.
Gegen den ihr am 7. Januar 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 15. Januar 2009 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Die Zollinger-Ellison-Erkrankung sei als Tumorerkrankung einzuordnen. Daher sei von einer Heilungsbewährung und einem höheren GdB auszugehen. Sie hat einen Arztbrief zur Vorlage an die Krankenkasse der Medizinischen Hochschule H. (undatiert) vorgelegt. Danach sei sie mehrfach zu Hause gestürzt und habe keine Kraft. Der Allgemeinzustand sei reduziert und die Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Ursächlich seien die Begleiterkrankungen, insbesondere die Lungenkrankheit. Außerdem hat die Klägerin einen Arztbrief der Praxis für Allgemeinmedizin und Venenerkrankung Dr. B. vom 27. Oktober 2010 vorgelegt, wonach eine chronisch-venöse periphere Insuffizienz Stadium II, eine Thrombophilie sowie ein heterozygoter Homocysteingenmutationsdefekt vorliege, der ein Thromboserezidivrisiko bei Hinzutreten von Risikofaktoren begründe.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 16. Dezember 2008, den Bescheid des Beklagten vom 24. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2005, den Bescheid vom 18. Februar 2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 15. März 2011 aufzuheben, den Bescheid vom 3. August 1993 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, bei ihr ab 1. März 2004 einen GdB von 70 sowie das Merkzeichen G festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hat mit Bescheid vom 18. Februar 2010 den Neufeststellungsantrag der Klägerin vom 15. Oktober 2009 abgelehnt. Das ab Oktober 2009 mit einem GdB von 20 zu bewertende Zollinger-Ellison-Syndrom bei Gastrinom (gutartiger Tumor) erhöhe nicht den Gesamt-GdB. Aus den Berichten der Medizinischen Hochschule H. vom 12. Juni 2009 und 20. Juli 2009 seien erstmals Einschränkungen des Allgemeinzustandes ersichtlich, die offenbar seit einer Darmvirusinfektion im März 2009 bestanden hätten. Die Hörbehinderung bedinge nach dem eingeholten Bericht von Dr. K. vom 26. Oktober 2009 bei Zugrundelegen des gewichteten Gesamtwortverstehens weiterhin einen GdB von 15. Die Harninkontinenz sei nach dem Befund von Dr. J. vom 14. Dezember 2009 mit einem GdB von 10 zu bewerten. Insgesamt sei ein GdB von 50 gerechtfertigt. Es verbleibe unter Berücksichtigung des Bescheides vom 3. August 1993 bei dem festgestellten Gesamt-GdB von 60, da kein Rücknahmeverfahren eingeleitet worden sei. Auch die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Feststellung der Merkzeichen G und B (Notwendigkeit ständiger Begleitung) lägen nicht vor.
Mit Bescheid vom 15. März 2011 hat der Beklagte einen weiteren Neufeststellungsantrag der Klägerin vom 2. Dezember 2010 abgelehnt. In Anlage hat er einen Befundbericht von Dipl.-Med. S. auf Grund der letztmaligen Behandlung im Dezember 2010 übersandt. Danach lägen gehäufte Infekte auf Grund des IgA-Mangels vor, so dass der Allgemeinzustand reduziert sei. Der gesamte Beschwerdekomplex sei allerdings stark psychisch überlagert. In Anlage hat sich ein Arztbrief des Dr. S. vom 29. April 2010 befunden, der über eine somatoforme Störung und sonstige depressive Episoden berichtet hatte.
Der Senat hat einen Befundbericht des Dr. S. vom 21. Juni 2011 eingeholt. Dieser hat über eine weitere schleichende Zunahme der multimorbiden Syndrome in den letzten Jahren berichtet und eine chronifizierte depressive Verstimmung mit anhaltenden Somatisierungsstörungen diagnostiziert. Damit seien erhebliche psychovegetative und psychische Störungen, anhaltende somatoforme Beschwerden, depressive hypochondrische asthenische phobische Beschwerden und auch schwere soziale Anpassungsstörungen verbunden. Nervenärztlich erfolge nur die Einnahme von Ginkgo- und Johanniskrautpräparaten. Außerdem erfolgten regelmäßige Gespräche.
Schließlich hat der Senat das Gutachten des Facharztes für Innere Medizin, Allgemeinmedizin, Psychotherapie, Sexualmedizin, Suchtmedizin, Notfallmedizin, Verkehrsmedizin Dr. G. vom Institut für Medizinische Begutachtung und Sachverständigentätigkeit S. vom 14. August 2012 nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 28. Juli 2012 eingeholt. Der Sachverständige hat folgende Diagnosen festgestellt:
Arthropathie bei selektivem IgA-Mangel
depressive Verstimmung (chronisch) und anhaltende Somatisierungsstörung
pseudoradikuläre segmentale cervicale und lumbale Osteochondrose der Wirbelsäule
latente Hyperfibrinolyse
arterielle Hypertonie und hypertensive Herzkrankheit
Asthma bronchiale
multiple Analgetika-Unverträglichkeit
Raynaud´sche Erkrankung
Zollinger-Ellison-Syndrom
gemischte Hyperlipidämie
komplexe Schlafstörung
Migräne, nicht näher bezeichnet
Neurodermitis
Homocystein-Gendefekt ohne Hyperhomocysteinämie
Hörminderung
Harninkontinenz bei Harnsteinleiden
analer Symptomenkomplex.
Dadurch lägen folgende Funktionsbeeinträchtigungen vor: Die Arthropathie verursache Gelenkschmerzen und schmerzhafte Bewegungseinschränkungen, die wiederum als Folge eine Muskelathrophie wegen mangelnder Muskelbewegung nach sich zögen. Die depressive Verstimmung und die anhaltende Somatisierungsstörung führten zu Misslaunigkeit und zur Schmerzempfindlichkeit. Das Zollinger-Ellison-Syndrom führe zu gehäuften wässrigen pastösen Durchfällen, welche die Lebensqualität und die Teilhabefähigkeit beeinflussten. Die Schlafstörung ziehe als Konsequenz die arterielle Hypertonie nach sich und verursache einen nicht erholsamen Schlaf. Für das Funktionssystem Gehirn und Psyche hat Dr. G. einen GdB von 40 vorgeschlagen und dabei die komplexe Schlafstörung, die depressive Verstimmung, die Somatisierungsstörung sowie die Migräneattacken erfasst. Für die gestörte Verdauung hat der Sachverständige einen GdB von 25 und für den IgA-Mangel einen GdB von 30 vorgeschlagen und dazu ausgeführt: Das Funktionssystem Verdauung sei als analer Symptomenkomplex erfasst und könne einen GdB von 0 bis 10 nach sich ziehen. Das Zollinger-Ellison-Syndrom rechtfertige nach einer Heilungsbewährung von zwei Jahren einen GdB von 30 bis 40. Für den IgA-Mangel schlage er einen GdB von 30 vor. Die Haut sei durch diesen Mangel betroffen, dies sei allerdings als Bronchitis bereits verschlüsselt und bedinge einen GdB von 20 bis 40. Ebenso seien hier die latente Hyperfibrinolyse, die multiple Analgetika-Unverträglichkeit und die Neurodermitis zu berücksichtigen, die zurzeit inaktiv bzw. ohne funktionelle Bedeutung seien. Arme, Beine und Rumpf seien als Bewegungsapparat zusammenzufassen und als Arthropathie bei IgA-Mangel und Osteochondrose jeweils mit einem GdB von 10 zu bewerten. Keinen GdB rechtfertigen folgende Erkrankungen: Die Harninkontinenz sei nur sehr schwach ausgeprägt. Eine Homozysteinämie sei nicht vorhanden und der Gen-Defekt sei eine Labordiagnose. Die latente Hyperfibrinolyse, die Hyperlipidämie und die Analgetika-Unverträglichkeit seien ohne klinische Relevanz. Die arterielle Hypertonie sei eingestellt und zeige keine Funktionsbehinderung. Der Morbus Raynaud sei, wenn überhaupt, im Winter vorhanden und könne zurzeit ebenfalls nicht bestätigt werden. Auch die Neurodermitis könne zurzeit nicht festgestellt werden, sei allenfalls anamnestisch als wiederkehrendes Leiden durch ein Jucken am After und eitrige Hautveränderungen bemerkbar. Die Migräne sei seit der Gabe von Acetylsalicylsäure nicht mehr von klinischer Relevanz. Für die Funktionssysteme Augen und Ohren sei kein GdB gegeben. Die Hörminderung sei durch Hörhilfen ausgeglichen. Das Asthma bronchiale sei zurzeit inaktiv und könne, wenn aktiv, einen GdB von 0 bis 20 nach sich ziehen. Insgesamt hat Dr. G. einen GdB von 50 vorgeschlagen und ausgeführt: Der A-Globulinmangel schlage sich sowohl als Erkrankung der Bronchien, der Haut und in Form von Gelenkschmerzen nieder. Die Gelenkschmerzen würden bei Depressionen als besonders schmerzhaft wahrgenommen und führten deshalb zu Inaktivität, die wiederum durch Muskelschwäche die Fallneigung begünstige. Das Gastrinom führe zum Zollinger-Ellison-Syndrom mit Durchfallerkrankungen, die wiederum die Teilhabe erschwerten und möglicherweise eine Vitaminmangelkrankheit mit nervalen Ausfallerscheinungen nach sich zöge. Hier werde allerdings medikamentös entgegengesteuert. Schließlich hat Dr. G. die Voraussetzungen für das Merkzeichen G verneint. Das Gangbild der ohne Hilfsmittel vorstellig gewordenen Klägerin hat er wie folgt beschrieben: kleinschrittig, vorn übergebeugt in der Hüfte, kein Mitschwingen der Arme, kein Schlurfen, kein Stolpern, kein Hinken. Mit Pausen oder mit Stützen könne die Klägerin bis zu zwei Kilometer im Ortsverkehr zurücklegen könne. Als Einzel-GdB mit Bezug auf die Gehfähigkeit lägen eine Osteochondrose und eine Arthropathie bei IgA-Mangel vor, die mit einem GdB von 10 zu bewerten seien. Die depressive Grundstimmung mit der erhöhten Schmerzempfindlichkeit mit dem durch Realitäten nicht beeinflussbaren Glauben an die körperliche Krankheit (Somatisierungsstörung) verstärkten das Schwächegefühl und die Schmerzen im Bewegungsapparat, insbesondere im Bereich der unteren Extremitäten und führten zu einem Bewegungsmangel und damit zu einer Rückbildung der Muskulatur. Diese wiederum bewirke, dass Bewegung als mühselig und schmerzhaft empfunden werde und eine erhebliche Gang- und Standunsicherheit vorliege. Dies wirke sich wiederum negativ auf die Gehfähigkeit aus. Dieser Zustand bestehe aber schon seit 20 Jahren.
Die Klägerin hat gegen das Gutachten eingewendet, bereits die depressive Grundstimmung sowie die stetige Verringerung der allgemeinen körperlichen Leistungsfähigkeit rechtfertigten das Merkzeichen G. Außerdem hat sie weitere Befunde übersandt. Nach dem undatierten Bericht der MVZ Außenstelle S. habe die Untersuchung der Augen einen Visus von 0,8 rechts und 0,7 links bei einer Angiopathie hypertonica im Stadium II ergeben. Nach dem Arztbrief des Internisten Dr. U. vom 11. September 2012 liege ein Zollinger-Ellison-Syndrom mit persistierender Diarrhoe vor. Die Klägerin habe über abdominelle Sensationen und einen analen Symptomenkomplex geklagt. Sie habe erneut drei Kilogramm abgenommen. Als Therapie seien eine medikamentöse Empfehlung, Ernährungsberatung und Sitzbäder ausgesprochen worden.
Mit ergänzender Stellungnahme hat der Sachverständige Dr. G. am 22. Oktober 2012 ausgeführt, er habe die vorgelegten Atteste bereits bei der Gutachtenerstellung berücksichtigt.
Die Klägerin hat am 13. Februar 2013 weitere Unterlagen vorgelegt und vorgetragen: Das Bluthochdruckleiden sei nicht medikamentös eingestellt. Nach wie vor seien Blutdruckspitzen von 275/110 mmHg aufgetreten. Nach dem Attest des Facharztes für Innere Medizin Dr. B. vom 30. Januar 2013 sei die Klägerin bei ihm wegen erhöhter Blutdruckwerte in Behandlung. Im Rahmen der medikamentösen Einstellung könne es zu Kreislaufproblemen kommen, welche die Belastbarkeit und das Befinden beeinträchtigen könnten. Die Klägerin hat weitere medizinische Unterlagen (beginnend ab September 2012) insbesondere zur Hypertonie vorgelegt. Außerdem hat Klägerin einen Bericht der Medizinischen Hochschule H. vom 20. September 2012 vorgelegt, wonach sie sich in einem guten Ernährungszustand (stabiles Gewicht bei 58 kg) befunden habe. Zudem war über wässrigen Stuhlgang berichtet worden.
Der Beklagte hält unter Verweis auf die prüfärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 15. März 2013 an seiner bisherigen Auffassung fest. Danach sei aufgrund des Zollinger-Ellison-Syndroms ein GdB von 20 festzustellen. Nach dem Bericht vom Dr. S. vom 18. Januar 2013 seien keine maßgeblichen Lungenfunktionseinschränkungen nachweisbar, sodass für das Asthma Bronchiale ein GdB von 10 festzustellen sei. Es bestünden keine krankheitswertigen Herzveränderungen und auch die neu mitgeteilte Nierenfunktionsstörung bedinge bei normalen Retentionswerten keinen GdB.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auch statthafte Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Die Klage gegen den Bescheid vom 24. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. April 2005 und die Bescheide vom 18. Februar 2010 und 15. März 2011, die nach § 96 SGG Streitgegenstand des Berufungsverfahrens geworden sind, soweit mit ihnen ein höherer GdB und die Feststellung des Merkzeichens G abgelehnt worden ist, ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG statthaft. Bei dieser ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2000 - B 9 SB 3/99 R - SozR 3-3870 § 3 Nr. 9 S. 22). Die Klage ist aber unbegründet, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines GdB von mehr als 60. Auch die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens G liegen nicht vor.
Da der Beklagte bereits mit Bescheid vom 3. August 1993 einen GdB von 60 festgestellt und damit über den GdB der Klägerin entschieden hat, richten sich die Voraussetzungen für die Neufeststellung nach § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X). Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine wesentliche Änderung ist dann anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechterung eine Herabsetzung oder Erhöhung des Gesamtbehinderungsgrades um wenigstens 10 ergibt. Die Änderung der Behinderungsbezeichnung oder das Hinzutreten weiterer Teil-Behinderungen ohne Auswirkung auf den Gesamtbehinderungsgrad allein stellen aber noch keine wesentliche Änderung dar (BSG, Urteil vom 24. Juni 1998, B 9 SB 18/97 R, zitiert nach juris). Für die wesentliche Änderung kommt es weder auf den Inhalt des Vergleichsbescheides noch auf die von der Behörde bei der Bewilligung oder später angenommenen Verhältnisse, sondern auf die tatsächlichen Verhältnisse und deren objektive Änderung an (KassKomm-Steinwedel, SGB X, § 48 Rdnr. 14 m.w.N.).
Für den streitgegenständlichen Zeitraum gilt das am 1. Juli 2001 in Kraft getretene Neunte Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046). Der hier anzuwendende § 69 SGB IX ist durch die Gesetze vom 23. April 2004 (BGBl. I S. 606) und vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2904) geändert worden. Rechtsgrundlage für den von der Klägerin erhobenen Anspruch auf Feststellung eines GdB sind § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX und für das Merkzeichen G § 69 Abs. 4 SGB IX. Infolge der verfahrensrechtlichen Änderungen des § 69 SGB IX durch das Gesetz vom 23. April 2004 (a.a.O.) hat sich im Übrigen nur die Satzzählung geändert. Im Folgenden werden die Vorschriften des § 69 SGB IX nach der neuen Satzzählung zitiert.
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Diese Vorschrift knüpft materiellrechtlich an den in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX sind die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festzustellen. Wenn mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft vorliegen, wird nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.
§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX ist durch das am 21. Dezember 2007 in Kraft getretene Gesetz vom 13. Dezember 2007 (a.a.O.) geändert worden. Nach der früheren Fassung der Vorschrift galten für den GdB die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend. Nach dem Wortlaut der früheren Fassung des ebenfalls durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 geänderten § 30 Abs. 1 BVG war für die Beurteilung die körperliche und geistige Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben maßgeblich, wobei seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen waren. Nach der Neufassung des § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten für den GdB die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Nach der damit in Bezug genommenen neuen Fassung des § 30 Abs. 1 BVG richtet sich die Beurteilung des Schweregrades – dort des "Grades der Schädigungsfolgen" (GdS) – nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen. Die hierfür maßgebenden Grundsätze sind in der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) aufgestellt worden, zu deren Erlass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch den dem § 30 BVG durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 angefügten Abs. 17 ermächtigt worden ist.
Nach § 2 VersMedV sind die auch für die Beurteilung des Schweregrades nach § 30 Abs. 1 BVG maßgebenden Grundsätze in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anlageband zu BGBl. I Nr. 57 vom 15. Dezember 2008, G 5702) als deren Bestandteil festgelegt und sind damit nunmehr der Beurteilung der erheblichen medizinischen Sachverhalte mit der rechtlichen Verbindlichkeit einer Rechtsverordnung zugrunde zu legen. Zuvor dienten der Praxis als Beurteilungsgrundlage die jeweils vom zuständigen Bundesministerium herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als vorweggenommene Sachverständigengutachten eine normähnliche Wirkung hatten (vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2003 – B 9 SB 3/02 R – SozR 4-3800 § 1 Nr. 3 Rdnr. 12, m.w.N.). Die in den Anhaltspunkten (letzte Ausgabe von 2008) enthaltenen Texte und Tabellen, nach denen sich die Bewertung des GdB bzw. der Schädigungsfolge bisher richtete, sind – inhaltlich nahezu unverändert – in diese Anlage übernommen worden (vgl. die Begründung BR-Drucks. 767/08, S. 3 f.). Die im vorliegenden Fall heranzuziehenden Abschnitte aus den Anhaltspunkten in den Fassungen von 2004, 2005 und 2008 bzw. aus den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen sind nicht geändert worden. Im Folgenden werden die Vorschriften der Versorgungsmedizinische Grundsätze zitiert. GdS und GdB werden dabei nach gleichen Grundsätzen bemessen. Die Begriffe unterscheiden sich lediglich dadurch, dass sich der GdS kausal auf Schädigungsfolgen und der GdB final auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von deren Ursachen auswirkt (vgl. Versorgungsmedizinische Grundsätze, Teil A: Allgemeine Grundsätze 2 a, S. 19).
Der hier streitigen Bemessung des GdB ist die GdS-Tabelle der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (Teil A, S. 17 ff.) zugrunde zu legen. Nach den allgemeinen Hinweisen zu der Tabelle (Teil A, S. 33) sind die dort genannten GdS-Sätze Anhaltswerte. In jedem Einzelfall sind alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in Nr. 2 e (Teil A, S. 20) genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sektion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (Teil B, Nr. 1 a, S. 33).
Nach diesem Maßstab kann für die Funktionseinschränkungen der Klägerin keinesfalls noch ein höherer GdB als 60 festgestellt werden. Dabei stützt sich der Senat auf die Gutachten von Dr. G. und Dr. H. sowie auf die Berichte der behandelnden Ärzte der Klägerin und die Bewertung dieser medizinischen Unterlagen durch die Versorgungsärzte des Beklagten. Danach ist selbst der bislang festgestellte GdB von 60 zu hoch.
1.
Das zentrale Leiden der Klägerin betrifft das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche". Für dieses kann maximal ein GdB von 40 festgestellt.
Nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (B 3.9., S. 43) werden leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20 bewertet. Für stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) ist ein Bewertungsrahmen von 30 bis 40 vorgesehen. Schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten werden mit einem GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit 80 bis 100 bewertet. Psychische Anpassungsschwierigkeiten, die einen Behinderungsgrad von 30 bis 40 rechtfertigen, sind nach dem Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirates (BMA am 18./19.03.1998 – zitiert nach Rohr/Sträßer, Teil B: GdS-Tabelle-19, 96. Lfg. – Stand Dezember 2011) durch Kontaktschwäche und/oder Vitalitätseinbuße gekennzeichnet. Dieses Kriterium ist zur differenzierenden Einschätzung von Anpassungsschwierigkeiten analog auch dann heranzuziehen, wenn die Symptomatik der psychischen Störungen ganz unterschiedlich ist (Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirats, BMA am 8./9.11.2000, Rohr/Sträßer, a.a.O., GdS-Tabelle-18). Mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten setzen neben den Auswirkungen im Berufsleben erhebliche familiäre Probleme durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung voraus (Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirats, BMA am 18./19.03.1998 – zitiert nach Rohr/Sträßer, a.a.O., GdS-Tabelle-19).
Nach diesem Maßstab kann für die seelische Erkrankung seit der Antragstellung am 1. März 2004 ein GdB von maximal 40 festgestellt werden. Nach den übereinstimmenden Diagnosen des die Klägerin behandelnden Nervenarztes Dr. S. und der Sachverständigen Dr. H. und Dr. G. leidet die Klägerin an einer somatoformen Störung und depressiven Verstimmungen. Für die somatoforme Störung ist der Bewertungsrahmen von 30 bis 40 eröffnet. Dieser ist nach der überzeugenden Bewertung von Dr. G. auszuschöpfen, da die Klägerin aufgrund der anhaltenden Somatisierungsstörung unter einer Vielzahl von Symptomen leidet, die ihre Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit erheblich beeinträchtigen. Danach führen die depressive Verstimmung und die anhaltende Somatisierungsstörung zu Misslaunigkeit, zu einer Schmerzempfindlichkeit und einer komplexe Schlafstörung. Auch Dr. S. hat in seinem Befundbericht vom 21. Juni 2011 über eine weitere schleichende Zunahme der multimorbiden Syndrome in den letzten Jahren berichtet und eine chronifizierte depressive Verstimmung mit anhaltenden Somatisierungsstörungen mit erheblichen psychovegetativen und psychischen Störungen, anhaltende somatoforme, depressive, hypochondrische, asthenische und phobische Beschwerden und schwere soziale Anpassungsstörungen diagnostiziert. Diese Auswirkungen der Erkrankung hat er auch schon in seinem Bericht vom 12. Dezember 2005 mitgeteilt, in dem er über eine chronifizierte depressive Verfassung mit Somatisierungsstörungen (vielfältige körperliche Symptome), verminderter Belastbarkeit, Resigniertheit und Antriebsstörungen, Angstsyndromen und einer kognitiven Störung (erhebliche Konzentrationsschwäche) berichtet und dadurch die Teilhabe der Klägerin am gesellschaftlichen Leben als erheblich beeinträchtigt eingeschätzt hat. Ebenso hat Dr. H. in ihrem Gutachten vom 5. Oktober 2008 eine somatoforme Störung mit multiplem Beschwerdebild (Müdigkeit, vorzeitige Erschöpfung, Schmerzen, Bauchkrämpfe, tägliche Übelkeit, Zungenbrennen, Appetitlosigkeit, Atemnot, Angina Pectoris, Herzrhythmusstörung, Rückenschmerzen, Kniegelenksbeschwerden) diagnostiziert und festgestellt, die Art und das Ausmaß dieser Symptome seien in keiner Weise mit den körperlichen Befunden zu erklären. Auch nach ihrer Ansicht ist von einer stärker behindernden Störung auszugehen, die die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit der Klägerin durchaus einengt. Wird auch das im Rentenverfahren durch PD Dr. G. am 7. August 1998 erstellte Gutachten bei der Feststellung des GdB berücksichtigt, zeigen sich auch die Auswirkungen der Erkrankung auf die berufliche Tätigkeit, die eine Feststellung eines GdB von 40 für die somatoforme Erkrankung rechtfertigen. Denn Dr. G. hatte bei der Klägerin aufgrund einer schweren primärneurotischen Fehlentwicklung von Krankheitswert mit multiplen psychosomatischen Beschwerden und einer hochgradigen Somatisierungstendenz ohne hinlängliche Krankeneinsicht eingeschätzt, dass diese nicht in der Lage sei, einer mehr als zweistündigen regelmäßigen Tätigkeit in ihrem erlernten Beruf (Frisör) bzw. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen.
Eine darüber hinausgehende noch höhere Bewertung der seelischen Erkrankung kann auch unter Berücksichtigung der depressiven Symptome nicht erfolgen, weil keine schwere Zwangskrankheit bei der Klägerin vorliegt, die bei einem GdB von 50 vorausgesetzt wird. Die nur von Dr. S. diagnostizierte schwere soziale Anpassungsstörung rechtfertigt keine solche Bewertung, weil er dafür keine zugrunde liegende Diagnose mitgeteilt hat und auch keine Behandlung erfolgt, die bei einer solchen Erkrankung zu erwarten wäre. Allein die Einnahme von Ginkgo- und Johanniskrautpräparaten sowie die Durchführung von regelmäßigen Gesprächen ohne psychopharmakologische Begleitung und ohne die Notwendigkeit stationärer Behandlungen seit nunmehr fast zehn Jahren entspricht nicht dem Krankheitsbild, das eine Bewertung mit einem GdB von 50 rechtfertigt.
2.
Außerdem liegt bei der Klägerin aufgrund des Zollinger-Ellison-Syndroms eine Behinderung im Funktionssystem Verdauung vor, die mit einem GdB von 20 zu bewerten ist. Auch insoweit folgt der Senat den prüfärztlichen Stellungnahmen des Beklagten.
Die Bewertung kann allerdings nicht, wie von der Klägerin gefordert und auch von Dr. G. vorgeschlagen, als Tumorerkrankung mit Heilungsbewährung erfolgen. Denn ein maligner Tumor, der nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen eine Heilungsbewährung rechtfertigt (vgl. B 10.2.1, S. 70 zum Magentumor und B 10.2.1., S. 72 zum Darmtumor) liegt bei der Klägerin nicht vor. Diese leidet an einem Gastrinom, also einem gutartigen Tumor. Daher ist, wie auch vom Beklagten in den Versorgungsärztlichen Stellungnahme vorgeschlagen, eine analoge Bewertung nach Teil B, 10.2.2 (chronische Darmstörung) vorzunehmen und darüber hinaus zu beachten, das bei Magen-Darmerkrankungen der GdS nach dem Grad der Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes, der Schwere der Organstörung und der Notwendigkeit besonderer Diätkost zu beurteilen ist (B 10.2.1, S. 69).
Nach diesem aufgezeigten Maßstab kann für die Auswirkungen der Erkrankung mit Durchfall und Fettstühlen ein GdB von 20 festgestellt werden, weil sich die Klägerin einer Sandostatintherapie unterziehen und eine spezielle Ernährung (Kreon) durchführen muss. Dr. G. hat mitgeteilt, die Ausscheidungsfunktion sei in Abhängigkeit von Sandostatin gestört im Sinne von schleimigen, übel riechenden Durchfällen (ein- bis zweimal täglich). Außerdem leide die Klägerin unter krampfartigen Bauchschmerzen im Oberbauch. Auch nach dem Arztbrief des Internisten Dr. U. vom 11. September 2012 liegt ein Zollinger-Ellison-Syndrom mit Funktionsbeeinträchtigungen vor: So leide die Klägerin an persistierender Diarrhoe und habe über abdominelle Sensationen und einen analen Symptomenkomplex geklagt. Sie habe erneut drei Kilogramm abgenommen. Als Therapie seien eine medikamentöse Empfehlung, Ernährungsberatung und Sitzbäder ausgesprochen worden. Allerdings werden im Bericht der Medizinischen Hochschule H. vom 20. September 2012 die gegenüber Dr. G. geschilderten und von Dr. U. mitgeteilten täglichen Durchfälle nicht berichtet, sondern nur wässriger Stuhlgang geschildert. Da auch bei Dr. H. die gegenüber Dr. G. geschilderten Symptome nicht berichtet worden sind, kann allenfalls der untere Bewertungsrahmen nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (Teil B 10.2.2, S. 71) für eine Darmerkrankung mit stärkeren und häufig rezidivierenden oder anhaltenden Symptomen (z.B. Durchfälle oder Spasmen) mit einem GdB von 20 angenommen werden. Denn es liegt auch keine Minderung des Kräfte- und Ernährungszustand der Klägerin vor, die eine höhere Bewertung rechtfertigt (dazu B 10.2.2, S. 71). Nach dem Bericht der Medizinischen Hochschule H. vom 17. April 2008 hat sich die Klägerin in gutem Allgemein- und Ernährungszustand (163 cm, 65 kg) befunden. Auch Dr. H. hat in ihrem Gutachten vom 6. Oktober 2008 einen guten Allgemein- und normgewichtigen Ernährungszustand (162 cm, 57 kg) festgestellt. Schließlich hat sich die Klägerin auch nach dem aktuellen Bericht der Medizinischen Hochschule H. vom 20. September 2012 in einem guten Ernährungszustand (stabiles Gewicht bei 58 kg) befunden.
3.
Die Hörminderung der Klägerin betrifft das Funktionssystem Ohren und ist unter Berücksichtigung der Ton- und Sprachaudiogramme vom März 2004 und Mai 2009 mit einem GdB von 15 zu bewerten, da beidseits ein geringgradiger Hörverlust (30 %) vorliegt.
4.
Der selektive IgA-Mangel ist nach den Auswirkungen der Erkrankung (nach dem Bericht der Medizinischen Hochschule H. vom 20. September 2012: rezidivierende Bronchitiden und Sinusitiden) zu bewerten. Danach liegt aufgrund der wiederholt auftretenden Bronchitis, die aber nicht mit einer Lungenfunktionseinschränkung verbunden ist und nach der Art und Häufigkeit der Erkrankung noch als leichte Form anzusehen ist, ein GdB von 10 vor (Versorgungsmedizinische Grundsätze, B 8.2., S. 60). Werden die von Dr. G. mit dieser Erkrankung in Verbindung gebrachten Gelenkschmerzen berücksichtigt, kann maximal ein GdB von 20 festgestellt werden. Diese Bewertung entspricht der Bewertung eines Immundefektes, bei dem trotz Therapie eine erhöhte Infektanfälligkeit besteht (Versorgungsmedizinische Grundsätze, B 8.2., S. 97). Dabei ist allerdings zu beachten, dass der durch IgA-Mangel und die gehäuften Infekte reduzierte Allgemeinzustand der Klägerin nach den Ausführungen von Dipl.-Med. S. (Dezember 2010) sehr stark als psychisch überlagert eingeschätzt wurde, sodass keine doppelte Bewertung der Auswirkungen erfolgen kann. Denn diese sind bereits im hohen GdB für die Somatisierungsstörung (40) mit berücksichtigt worden.
5.
Das Bluthochdruckleiden der Klägerin mit Augenbeteiligung rechtfertigt derzeit als mittelschwere Form einen GdB von 20. Nach Teil B, Nr. 9.3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (S. 51) ist die leichte Form der Hypertonie, bei der keine oder eine geringe Leistungsbeeinträchtigung und höchstens leichte Augenhintergrundsveränderungen vorliegen, mit einem Grad der Behinderung von 0 bis zu 10 zu bewerten. Die mittelschwere Form eröffnet je nach Leistungsbeeinträchtigung einen Bewertungsrahmen von 20 bis 40. Kriterien dafür sind Organbeteiligungen leichten bis mittleren Grades (Augenhintergrundsveränderungen – Fundus hypertonicus I bis II- und/oder Linkshypertrophie des Herzens und/oder Proteinurie) sowie diastolischer Blutdruck mehrfach über 100 mmHg trotz Behandlung. Zwar sind bei der Klägerin in den letzten Monaten stark erhöhte Blutdruckwerte aufgetreten, doch befindet sie sich nach dem Attest des Dr. B. vom 30. Januar 2013 derzeit in der Einstellungsphase, sodass noch von einem Behandlungsleiden ausgegangen werden muss. Dauerhaft mit einem GdB zu bewertende erhöhte Blutdruckwerte können somit nicht festgestellt werden. Doch führt die Beteiligung der Augen nach dem undatierten Bericht der MVZ Außenstelle S. bei einer Angiopathie hypertonica im Stadium II zur Annahme einer schon mittelschweren Bluthochdruckerkrankung, die die Bewertung mit einem GdB von 20 rechtfertigt. Eine höhere Bewertung kommt allerdings aufgrund der von Dr. G. und Dr. H. festgestellten unbeeinträchtigten kardialen Funktion nicht in Betracht.
6.
Für die degenerative Wirbelsäulenerkrankung ohne Bewegungseinschränkungen und ohne neurologische Defizite kann bei der Klägerin nach Teil B 18.9 (S. 107) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze maximal ein GdB von 10 festgestellt werden. Denn ein höherer GdB setzt mittelgradige funktionelle Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden in einem Wirbelsäulenabschnitt, z.B. eine anhaltende Bewegungseinschränkung oder eine Instabilität mittleren Grades, voraus. Derartige Einschränkungen haben die Sachverständigen Dr. H. und Dr. G. ausgeschlossen und wurden auch nicht durch die behandelnden Ärzte der Klägerin mitgeteilt.
7.
Für die Harninkontinenz der Klägerin ist ein GdB von 10 festzustellen, da allenfalls von einer relativen Harninkontinenz ausgegangen werden muss (Versorgungsmedizinische Grundsätze, B 12.2.4, S. 83). Für eine höhere Bewertung erforderliche medizinische Befunde liegen nicht vor.
8.
Weitere Funktionseinschränkungen, die mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten sind, sind nicht erkennbar. So haben Dr. H. und Dr. G. insbesondere weitere relevante Erkrankungen der Bewegungsapparates ausgeschlossen und darauf hingewiesen, dass die zahlreichen Labordiagnosen (Hyperfibrinolyse, Analgetika-Unverträglichkeit, Hyperlipidanämie, Homozysteinämie) nicht mit behinderungsgradrelevanten Funktionseinschränkungen verbunden sind. Die Augenerkrankung rechtfertigt bei einem Visus von 0,8 rechts und 0,7 links nach dem Bericht der MVZ Außenstelle S. nach den Versorgungsmedizischen Grundsätzen (Teil B 4.3, S. 46) keinen GdB. Auch eine GdB-relevante Nierenfunktionsstörung ist nach den vorliegenden Laboruntersuchungen ausgeschlossen.
9.
Da bei der Klägerin Einzelbehinderungen aus verschiedenen Funktionssystemen mit einem messbaren GdB vorliegen, ist nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der Gesamtbehinderungsgrad zu ermitteln. Dafür sind die Grundsätze nach Teil A, Nr. 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (S. 22) anzuwenden. Nach Nr. 3c ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad bedingt und dann zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Zehnergrad ein oder mehr Zehnergrade hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden.
Danach ist von dem Behinderungsgrad von 40 für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche auszugehen. Nach der prüfärztlichen Stellungnahme des Beklagten kann in Übereinstimmung mit den Ausführungen von Dr. G. aufgrund der Behinderung im Funktionssystem Verdauung (GdB 20 aufgrund des Zollinger-Ellison-Syndroms) dieser erhöht und ein GdB von 50 gebildet werden. Eine weitere Erhöhung aufgrund der Beeinträchtigungen im Funktionssystem Ohr, die ebenfalls mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten sind bzw. der Bluthochdruckerkrankung (ebenfalls GdB von 20), kommt nicht in Betracht. Denn das Gesamtausmaß der Behinderung wird durch diese - nach den Versorgungsmedizischen Grundsätzen (A 4, S. 23) noch als leichte Funktionseinschränkung zu bewertenden Behinderungen - nicht größer. Diese bestehen unabhängig von den anderen Funktionsstörungen. Außerdem hat Dr. G. ausdrücklich festgestellt, dass das Bluthochdruckleiden zu keiner funktionalen Einschränkung führt. Gleiches gilt für den mit einem GdB von 20 bewerteten IgA-Mangel. Dr. G. hat auch eine über die Schwerbehinderteneigenschaft hinausgehende Bewertung abgelehnt. Dies ist nachvollziehbar, da sich aufgrund der starken psychischen Überlagerung die Symptome des IgA-Mangels zu einem wesentlichen Teil mit denen der Somatisierungsstörung decken. Die weiteren mit einem GdB von 10 bewerteten Funktionsbehinderungen führen nicht zur Erhöhung des Gesamt-GdB, denn von einem hier nicht vorliegenden Ausnahmefall abgesehen, führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes des Gesamtbeeinträchtigung, auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen (A 4, S. 23).
10.
Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch auf die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G. Übereinstimmend mit den versorgungsärztlichen Stellungnahmen haben dies beide Sachverständige angenommen. Dieser Ansicht schließt sich der Senat an. Es liegen keine sich auf die Gehfähigkeit auswirkenden Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der LWS vor, die für sich einen GdB von 50 bedingen (dazu Versorgungsmedizinische Grundsätze, D 1, S. 139). Zwar können bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 die Voraussetzungen gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken. Solche besonderen Auswirkungen liegen bei der Klägerin nicht vor. Der Stütz- und Bewegungsapparat ist bei Untersuchung durch Dr. H. völlig unauffällig gewesen. Die Gehfähigkeit ist nach ihrer Einschätzung uneingeschränkt. Gegen eine Einschränkung der Gehfähigkeit spricht zudem, dass die Klägerin selbst gegenüber der Sachverständigen spontan keine Wegstreckenbeschränkung angegeben konnte. Auch bei der Untersuchung durch Dr. G. ist die Klägerin ohne Hilfsmittel vorstellig gewesen und auch dieser hat eingeschätzt, dass sie in der Lage sei, bis zu zwei Kilometer im Ortsverkehr zurücklegen zu können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegen nicht vor.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) und die Feststellung des Merkzeichens G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).
Auf Antrag der am ... 1950 geborenen Klägerin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 3. August 1993 bei ihr einen GdB von 60 fest (Psycho-neurotische Erkrankung GdB 50, Asthma-Allergie GdB 30, Reizknie beidseits GdB 10, chronische Nasennebenhöhlenentzündung GdB 10, Belastungsminderung der Wirbelsäule GdB 10). Dem lag insbesondere der Befund des Facharztes für Neurologie und Psychotherapie Dr. S. vom 3. Februar 1993 zu Grunde, wonach sich die Klägerin seit 1974 in ambulanter nervenärztlicher Behandlung befinde. Weitere ambulante nervenärztliche Behandlungen mit psychotherapeutisch-orientierten Gesprächen und medikamentöser Behandlung seien erforderlich. In der Vergangenheit sei es bei reaktiven Belastungsfaktoren immer wieder zu depressiv-gefärbten Verstimmungszuständen und Suizidversuchen gekommen. Weitere Neufeststellungsanträge der Klägerin lehnte der Beklagte ab (Bescheide vom 1. November 1995 und 25. Februar 2000).
Am 1. März 2004 beantragte die Klägerin erneut einen höheren GdB sowie das Merkzeichen G. Sie machte eine zunehmende Minderbelastbarkeit der Wirbelsäule und der Kniegelenke geltend. Seit der letzten Feststellung seien auch weitere Erkrankungen hinzugekommen (Herzleistungsminderung, Bluthochdruck, Antikörpermangelsyndrom mit Immunschwäche, Eisenmangelanämie, Erkrankung der Schilddrüse, chronisch-rezidivierende Blasenentzündung, Schallempfindungsstörung). Nach medizinischer Sachaufklärung wertete die ärztliche Gutachterin des Beklagten Dr. D. die eingeholten Befundscheine, Arztbriefe und Epikrisen aus und stellte einen Gesamt-GdB von 60 sowie folgende Einzelbehinderungen fest: seelische Behinderung (GdB 50), Lungenfunktionsstörung bei Asthma bronchiale (GdB 30), Hörminderung (GdB 20), Funktionsminderung der Kniegelenke bei degenerativen Veränderungen (GdB 10), Bluthochdruck mit Herzrhythmusstörung (GdB 10), chronische Nasennebenhöhlenentzündung (GdB 10), Belastungsminderung der Wirbelsäule (GdB 10). Die Harnwegsinfekte, das Antikörpermangelsyndrom mit Immunschwäche, die Eisenmangelanämie und das Schilddrüsenleiden rechtfertigten keinen GdB. Auch die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens G lägen nicht vor. Dem folgend lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 24. August 2004 den Antrag der Klägerin ab. Den dagegen gerichteten Widerspruch vom 27. August 2004 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2005 zurück.
Am 3. Mai 2005 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Stendal Klage erhoben und vorgetragen: Durch das chronisches Schmerzsyndrom habe sich ihre schmerzfreie Gehstrecke auf unter 200 Meter reduziert. Das Schmerzsyndrom sei als eigenständige Behinderung aufzufassen und wirke sich erhöhend auf den Gesamt-GdB aus.
Das SG hat zunächst Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin eingeholt. Der Facharzt für Innere Medizin Dipl.-Med. W. hat am 1. September 2005 über eine Hyperlipoproteinämie und eine gut eingestellte arterielle Hypertonie berichtet und darüber hinaus mitgeteilt, die weiteren von der Klägerin geschilderten Beschwerden seien am ehesten im Rahmen einer Depression zu erklären. Der Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde/Allergologie Dr. S. hat am 1. September 2005 ausgeführt, das Hörvermögen sei durch eine sehr geringgradige Schallempfindungsstörung beidseits eingeschränkt und hat in Anlage das Ton- und Sprachaudiogramm vom 23. Juli 2004 übersandt. Die Fachärzte für Orthopädie G. haben am 5. September 2005 eine chronische Schmerzerkrankung, eine beginnende Gon- und Coxarthrose beidseits, eine Cervicolumbalgie bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen und eine diskrete Skoliose mit deutlicher muskulärer Insuffizienz diagnostiziert. Die Befunde seien seit Mai 2000 gleichbleibend. Die Fachärzte für Urologie Dr. J. haben am 24. April 2005 über einen Zustand nach Nephropexie (Verfahren zur Befestigung einer Senk- oder Wanderniere) bei regelrechtem Befund der Nieren und einer restharnfreien Blasenleerung berichtet. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. hat am 12. Dezember 2005 eine schleichende Zunahme der gesundheitlichen Veränderungen während der letzten zwei Jahre und eine extreme Verstärkung im Jahre 2005 festgestellt. Es sei von Multimorbidität auszugehen. Während der letzten Jahre habe eine chronifizierte depressive Verfassung mit Somatisierungsstörungen (vielfältige körperliche Symptome), verminderter Belastbarkeit, Resigniertheit und Antriebsstörungen, Angstsyndromen und einer kognitiven Störung (erhebliche Konzentrationsschwäche) im Vordergrund gestanden. Dadurch werde die Teilhabe der Klägerin am gesellschaftlichen Leben erheblich beeinträchtigt. Seit 2004 sei keine stationäre psychiatrische Behandlung erfolgt. Nach dem Befundbericht des Arztes für Innere Medizin Prof. Dr. S. vom 5. Januar 2007 lägen aus immunologischer Sicht unter Therapie stabile Befunde vor.
In Auswertung der Befundberichte hat der Beklagte die prüfärztlichen Stellungnahmen von Dr. W. vom 19. Januar 2006 und 1. Februar 2007 vorgelegt. Danach sei die seelische Behinderung mit einem GdB von maximal 40 zu bewerten, denn schwere Störungen (wie z. B. eine Zwangsstörung) lägen nach dem aktuellen Bericht des Dr. S. nicht vor. Für die Lungenfunktionsstörung bei Asthma Bronchiale könne maximal ein GdB von 10 festgestellt werden, da keine dauerhafte und angepasste medikamentöse Therapie durchgeführt werde. Die geringgradige Hörminderung rechtfertige einen GdB von 15 (20). Die beginnende Gonarthrose habe zu keinen relevanten Bewegungseinschränkungen oder anhaltenden Reizerscheinungen geführt und bedinge keinen GdB. Da der Bluthochdruck gut eingestellt sei und keine Folgeerkrankungen vorlägen, sei auch dafür kein GdB festzustellen. Auch die bisherige Bewertung der chronischen Nasennebenhöhlenentzündung mit einem GdB von 10 sei großzügig. Ebenso großzügig sei der GdB von 10 auf Grund der Belastungsminderung der Wirbelsäule, da keine objektivierbaren Einschränkungen vorlägen. Auch der Befundbericht von Prof. Dr. S. könne die subjektiven Beeinträchtigungen nicht objektivieren. Sie seien in der hohen Bewertung der Somatisierungsstörung bereits berücksichtigt. Bei voller Ausschöpfung des Ermessensspielraums sei maximal ein Gesamt-GdB von 50 vertretbar.
Das SG hat außerdem die Rentenversicherungsakte der Klägerin mit dem Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Privatdozent (PD) Dr. G. vom 7. August 1998 beigezogen. Danach liege bei der Klägerin eine schwere primärneurotische Fehlentwicklung von Krankheitswert mit multiplen psychosomatischen Beschwerden vor. Es bestehe eine hochgradige Somatisierungstendenz ohne hinlängliche Krankheitseinsicht. Angesichts des Fixiertheitsgrades der Beschwerden und der psychosomatisch nachweisbaren erheblichen Selbstvorwürfe und Schuldgefühle hinsichtlich des Todes ihres Ehemanns (Tötung durch Sohn in Notwehr) sei in absehbarer Zukunft keine Besserung zu erwarten. Die Klägerin sei nicht in der Lage, einer mehr als zweistündigen regelmäßigen Tätigkeit in ihrem erlernten Beruf (Frisör) bzw. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Eine Nachbegutachtung sei erst in fünf Jahren sinnvoll. Die weiteren medizinischen Ermittlungen im Rentenverfahren enden im Jahre 2001.
Außerdem hat die Klägerin einen Arztbrief der Medizinischen Hochschule H. vom 17. April 2008 vorgelegt, wonach bei ihr das Zollinger-Ellison Syndrom vorliege, das durch eine palliative Chemotherapie mit Sandostatin behandelt werde.
Schließlich hat das SG durch die Fachärztin für Innere Medizin, Sozialmedizin und Betriebsmedizin Dr. H. das Gutachten vom 6. Oktober 2008 erstatten lassen. Diese hat ausgeführt, im Vordergrund stünde weiterhin eine somatoforme Störung mit einem multiplen Beschwerdebild (u.a. Müdigkeit, vorzeitiger Erschöpfung, Schmerzen, Bauchkrämpfen, tägliche Übelkeit, Zungenbrennen, Appetitlosigkeit, Atemnot, Angina Pectoris, Herzrhythmusstörungen, Rückenschmerzen, Kniegelenksbeschwerden). Art und Ausmaß dieser Symptome seien in keiner Weise mit den körperlichen Befunden zu erklären. Der Stütz- und Bewegungsapparat habe weder die bei einem chronischen Schmerz vorhandenen muskulären Reizerscheinungen noch neurologische Ausfälle oder Funktionsdefizite aufgewiesen. Für sämtliche Gelenke und die gesamte Wirbelsäule hätten nach der Neutral-Null-Methode ausschließlich normale Bewegungsmaße ermittelt werden können. Hinweise für eine manifeste kardiopulmonale Insuffizienz ergäben sich nicht. Farbdoppler-echokardiografisch habe eine normal funktionierende linke Herzkammer ohne Linksherzhypertrophie mit einer Auswurffraktion von 73 % ermittelt werden können. Auch die Blutgasanalyse vor und nach der ergometrischen Belastung habe auf einen sehr guten Trainingszustand hingewiesen. Die unter Ruhebedingungen bestehende respiratorische Alkalose sei auf die Hyperventilation im Rahmen des wiederholten, demonstrativen Stöhnens während der gesamten Begutachtungssituation zurückzuführen. Unter Berücksichtigung von Anamnese, Untersuchung, Bodyplethysmographie und Blutgasanalyse sei für die chronische Atemwegserkrankung von einem leichten Schweregrad auszugehen. Es habe nur eine leichtgradige restriktive Störung und Überblähung ermittelt werden können. Für die beklagten Beschwerden sei durchaus eine bewusstseinsnahe Steuerung zur Erlangung von Aufmerksamkeit und sekundärem Krankheitsgewinn zu unterstellen. Der Zeitpunkt für eine erfolgreiche Psychotherapie sei durch die seit Jahren eingetretene Chronifizierung der Somatisierungsstörung verpasst. Für die Zukunft sollten die organischen Befunde in ihrer ursächlichen Bedeutung relativiert und apparative und invasive Prozeduren eingeschränkt werden. Insgesamt stelle die bei der Klägerin bestehende chronifizierte Somatisierungsstörung mit multiplem Beschwerdesyndrom eine stärker behindernde Störung dar, die die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit durchaus einenge und nach den Anhaltspunkten mit einem GdB von 30 angemessen berücksichtigt sei. Die chronische Atemwegserkrankung, bei der es sich am ehesten um eine chronische Bronchitis leichterer Form handele, sei maximal mit einem GdB von 10 zu bemessen. Nach den Anhaltspunkten sei für die zu unterstellende chronische Nasennebenhöhlenentzündung ein Einzel-GdB von 10 anzunehmen. Für die kompensierte Hypertonie ohne Nierenschädigung oder Linksherzhypertrophie sei maximal ein GdB von 10 zu berücksichtigen: Der Bluthochdruck sei optimal therapeutisch eingestellt. Die beklagte Angina pectoris-Symptomatik sei als Herzneurose aufzufassen. Eine belastungsbedingte Atemnot sei zumindest im Rahmen der ergometrischen Untersuchung nicht aufgefallen. Die Funktionsuntersuchung des Stütz- und Bewegungsapparats sei völlig unauffällig ausgefallen. Auch nach den bildmorphologischen Befunden hätten keine degenerativen Veränderungen ermittelt werden können, die vom Ausmaß her für das Beschwerdebild verantwortlich gemacht werden können. Eine Berücksichtigung nach den Anhaltspunkten sei nicht gerechtfertigt, denn es liege weder eine Bewegungseinschränkung noch eine Instabilität vor. Die psychogene Genese des Rückenschmerzes sei in der Somatisierungsstörung bereits berücksichtigt worden. Gleiches treffe für die Kniegelenksbeschwerden zu. Die vor Jahren festgestellte geringe Retropatellararthrose bedinge weder eine Instabilität noch Funktionsdefizite für das Strecken und Beugen. Insofern sei ebenfalls von einer psychogenen Ursache auszugehen. Keine zusätzliche Berücksichtigung könne die funktionelle Magen-Darm-Störung mit Übelkeit und Bauchkrämpfen finden. Das Zollinger-Ellison-Syndrom werde medikamentös gut kompensiert. Ebenso fehlten anamnestische Hinweise für eine Diarrhö mit Fettstühlen. Keine Berücksichtigung könnten die geringe Hörminderung und die Kurzsichtigkeit finden. Die Kommunikation sei nicht eingeschränkt gewesen. HNO-ärztlich sei eine sehr geringgradige Schallempfindungsstörung durch Dr. S. mitgeteilt worden. Das Sehvermögen sei durch Brillenkorrektur mit 90 % rechts bzw. links ebenfalls nicht gemindert. Der festgestellte Immunglobulin-A-Mangel begünstige das Auftreten von Exazerbationen der chronischen Bronchitis und Sinusitis. Die Folgen dieser Infektanfälligkeit seien jedoch bereits bei diesen Krankheitsbildern mit erfasst worden. Eine zusätzliche Berücksichtigung komme deshalb nicht in Betracht. Mit einem Gesamtgrad von 30 seien sämtliche Behinderungen angemessen berücksichtigt. Aus den Folgen der Somatisierungsstörung und den übrigen Störungen resultiere keine wechselseitige Beeinflussung, welche das Ausmaß der Behinderung erhöhe bzw. eine verstärkte Beeinträchtigung der Teilhabe hervorrufe. Der Bluthochdruck ohne Linksherzbeteiligung, die leichte chronische Bronchitis und Sinusitis führten nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des täglichen Lebens, die einen höheren Gesamt-GdB als 30 begründen könnten. Bei der Klägerin liege auch keine erhebliche Gehbehinderung vor. Die Gehfähigkeit sei bei der gutachtlichen Untersuchung nicht eingeschränkt gewesen. Die Gelenkuntersuchung der Beine und der Wirbelsäule habe einen unauffälligen Funktionszustand ergeben. Nach der körperlichen Untersuchung und dem Ergebnis der Fahrradergometrie bestehe auch kein Hinweis auf eine relevante Durchblutungsstörung der Beine. Ebenso habe mit der kardiopulmonalen Funktionsdiagnostik eine Beeinträchtigung von Herzleistung und Lungenfunktion mit Auswirkungen auf die Gehfähigkeit ausgeschlossen werden können. Anamnestisch habe die Klägerin auch spontan keine Wegstreckenbegrenzung vorgetragen. Die Anreise zur Untersuchungsstelle habe sie mit öffentlichen Verkehrmitteln und ohne Begleitung vorgenommen, so dass auch keine Orientierungsstörung unterstellt werden könne. Insgesamt sei das Ausmaß der Somatisierungsstörung in den letzten Jahren immer wieder überschätzt worden. 1993 sei nachvollziehbar die psychoneurotische Erkrankung mit einem GdB von 50 bewertet worden, da sich die Klägerin zu damaligen Zeitpunkt in einer äußerst schwierigen Lebenssituation mit reaktiv depressiver Verstimmung und einem Zustand nach mehreren Suizidversuchen befunden habe. Unter rückwirkender Betrachtung des Krankheitsverlaufes habe sich dann jedoch die Somatisierungsstörung in den Vordergrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen geschoben. Schon in der prüfärztlichen Stellungnahme des Beklagten vom Januar 2006 sei für die seelische Behinderung nur noch ein GdB von 30 bis 40 vorgeschlagen worden. Dem sei dahingehend zu folgen, dass der Gesamt-GdB zu hoch bemessen gewesen und für die seelische Behinderung nur noch ein GdB von 30 angemessen sei.
Die Klägerin hat am 15. Dezember 2008 gegen das Gutachten der Dr. H. eingewendet: Die Lungenfunktionsprüfung habe deutlich reduzierte Werte ergeben, die einen GdB von mindestens 50 und das Merkzeichen G rechtfertigten. In der Gesamtbeurteilung gehe Dr. H. aber nur von einer leichten Bronchitis aus. Die Erkrankung an Zollinger-Ellison werde weiterhin 14-tägig, nunmehr seit neun Monaten, mit einer palliativen Chemotherapie behandelt. Sie leide deutlich unter den Folgen dieser Erkrankung und dem damit verbundenen Auftreten von Fettstühlen.
Mit Gerichtsbescheid vom 16. Dezember 2008 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die von der Klägerin vorgetragenen multiplen Beschwerden seien auf die Somatisierungsstörung zurückzuführen und hätten keine organische Grundlage. Der GdB dafür betrage 30, weil die chronifizierte Somatisierungsstörung eine stärker behindernde Störung darstelle, die die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit einenge. Die chronische Atemwegserkrankung bedinge einen GdB von 10, weil eine chronische Bronchitis leichterer Form mit gelegentlichem Auswurf festzustellen sei. Für die arterielle Hypertonie ohne Linksherzhypertrophie und die chronische Nasennebenhöhlenentzündung ohne wesentliche Nebenerscheinungen sei jeweils von einem GdB von 10 auszugehen. Diese Behinderungen mit einem GdB von 10 erhöhten den Gesamt-GdB nicht. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf das Merkzeichen G, weil kein GdB von 50 für die unteren Gliedmaßen und die Lendenwirbelsäule festzustellen sei. Ferner lägen keine Behinderungen der unteren Gliedmaßen vor, die sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirkten. Dr. H. habe ein unauffälliges Gangbild dokumentiert.
Gegen den ihr am 7. Januar 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 15. Januar 2009 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Die Zollinger-Ellison-Erkrankung sei als Tumorerkrankung einzuordnen. Daher sei von einer Heilungsbewährung und einem höheren GdB auszugehen. Sie hat einen Arztbrief zur Vorlage an die Krankenkasse der Medizinischen Hochschule H. (undatiert) vorgelegt. Danach sei sie mehrfach zu Hause gestürzt und habe keine Kraft. Der Allgemeinzustand sei reduziert und die Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Ursächlich seien die Begleiterkrankungen, insbesondere die Lungenkrankheit. Außerdem hat die Klägerin einen Arztbrief der Praxis für Allgemeinmedizin und Venenerkrankung Dr. B. vom 27. Oktober 2010 vorgelegt, wonach eine chronisch-venöse periphere Insuffizienz Stadium II, eine Thrombophilie sowie ein heterozygoter Homocysteingenmutationsdefekt vorliege, der ein Thromboserezidivrisiko bei Hinzutreten von Risikofaktoren begründe.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 16. Dezember 2008, den Bescheid des Beklagten vom 24. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2005, den Bescheid vom 18. Februar 2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 15. März 2011 aufzuheben, den Bescheid vom 3. August 1993 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, bei ihr ab 1. März 2004 einen GdB von 70 sowie das Merkzeichen G festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hat mit Bescheid vom 18. Februar 2010 den Neufeststellungsantrag der Klägerin vom 15. Oktober 2009 abgelehnt. Das ab Oktober 2009 mit einem GdB von 20 zu bewertende Zollinger-Ellison-Syndrom bei Gastrinom (gutartiger Tumor) erhöhe nicht den Gesamt-GdB. Aus den Berichten der Medizinischen Hochschule H. vom 12. Juni 2009 und 20. Juli 2009 seien erstmals Einschränkungen des Allgemeinzustandes ersichtlich, die offenbar seit einer Darmvirusinfektion im März 2009 bestanden hätten. Die Hörbehinderung bedinge nach dem eingeholten Bericht von Dr. K. vom 26. Oktober 2009 bei Zugrundelegen des gewichteten Gesamtwortverstehens weiterhin einen GdB von 15. Die Harninkontinenz sei nach dem Befund von Dr. J. vom 14. Dezember 2009 mit einem GdB von 10 zu bewerten. Insgesamt sei ein GdB von 50 gerechtfertigt. Es verbleibe unter Berücksichtigung des Bescheides vom 3. August 1993 bei dem festgestellten Gesamt-GdB von 60, da kein Rücknahmeverfahren eingeleitet worden sei. Auch die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Feststellung der Merkzeichen G und B (Notwendigkeit ständiger Begleitung) lägen nicht vor.
Mit Bescheid vom 15. März 2011 hat der Beklagte einen weiteren Neufeststellungsantrag der Klägerin vom 2. Dezember 2010 abgelehnt. In Anlage hat er einen Befundbericht von Dipl.-Med. S. auf Grund der letztmaligen Behandlung im Dezember 2010 übersandt. Danach lägen gehäufte Infekte auf Grund des IgA-Mangels vor, so dass der Allgemeinzustand reduziert sei. Der gesamte Beschwerdekomplex sei allerdings stark psychisch überlagert. In Anlage hat sich ein Arztbrief des Dr. S. vom 29. April 2010 befunden, der über eine somatoforme Störung und sonstige depressive Episoden berichtet hatte.
Der Senat hat einen Befundbericht des Dr. S. vom 21. Juni 2011 eingeholt. Dieser hat über eine weitere schleichende Zunahme der multimorbiden Syndrome in den letzten Jahren berichtet und eine chronifizierte depressive Verstimmung mit anhaltenden Somatisierungsstörungen diagnostiziert. Damit seien erhebliche psychovegetative und psychische Störungen, anhaltende somatoforme Beschwerden, depressive hypochondrische asthenische phobische Beschwerden und auch schwere soziale Anpassungsstörungen verbunden. Nervenärztlich erfolge nur die Einnahme von Ginkgo- und Johanniskrautpräparaten. Außerdem erfolgten regelmäßige Gespräche.
Schließlich hat der Senat das Gutachten des Facharztes für Innere Medizin, Allgemeinmedizin, Psychotherapie, Sexualmedizin, Suchtmedizin, Notfallmedizin, Verkehrsmedizin Dr. G. vom Institut für Medizinische Begutachtung und Sachverständigentätigkeit S. vom 14. August 2012 nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 28. Juli 2012 eingeholt. Der Sachverständige hat folgende Diagnosen festgestellt:
Arthropathie bei selektivem IgA-Mangel
depressive Verstimmung (chronisch) und anhaltende Somatisierungsstörung
pseudoradikuläre segmentale cervicale und lumbale Osteochondrose der Wirbelsäule
latente Hyperfibrinolyse
arterielle Hypertonie und hypertensive Herzkrankheit
Asthma bronchiale
multiple Analgetika-Unverträglichkeit
Raynaud´sche Erkrankung
Zollinger-Ellison-Syndrom
gemischte Hyperlipidämie
komplexe Schlafstörung
Migräne, nicht näher bezeichnet
Neurodermitis
Homocystein-Gendefekt ohne Hyperhomocysteinämie
Hörminderung
Harninkontinenz bei Harnsteinleiden
analer Symptomenkomplex.
Dadurch lägen folgende Funktionsbeeinträchtigungen vor: Die Arthropathie verursache Gelenkschmerzen und schmerzhafte Bewegungseinschränkungen, die wiederum als Folge eine Muskelathrophie wegen mangelnder Muskelbewegung nach sich zögen. Die depressive Verstimmung und die anhaltende Somatisierungsstörung führten zu Misslaunigkeit und zur Schmerzempfindlichkeit. Das Zollinger-Ellison-Syndrom führe zu gehäuften wässrigen pastösen Durchfällen, welche die Lebensqualität und die Teilhabefähigkeit beeinflussten. Die Schlafstörung ziehe als Konsequenz die arterielle Hypertonie nach sich und verursache einen nicht erholsamen Schlaf. Für das Funktionssystem Gehirn und Psyche hat Dr. G. einen GdB von 40 vorgeschlagen und dabei die komplexe Schlafstörung, die depressive Verstimmung, die Somatisierungsstörung sowie die Migräneattacken erfasst. Für die gestörte Verdauung hat der Sachverständige einen GdB von 25 und für den IgA-Mangel einen GdB von 30 vorgeschlagen und dazu ausgeführt: Das Funktionssystem Verdauung sei als analer Symptomenkomplex erfasst und könne einen GdB von 0 bis 10 nach sich ziehen. Das Zollinger-Ellison-Syndrom rechtfertige nach einer Heilungsbewährung von zwei Jahren einen GdB von 30 bis 40. Für den IgA-Mangel schlage er einen GdB von 30 vor. Die Haut sei durch diesen Mangel betroffen, dies sei allerdings als Bronchitis bereits verschlüsselt und bedinge einen GdB von 20 bis 40. Ebenso seien hier die latente Hyperfibrinolyse, die multiple Analgetika-Unverträglichkeit und die Neurodermitis zu berücksichtigen, die zurzeit inaktiv bzw. ohne funktionelle Bedeutung seien. Arme, Beine und Rumpf seien als Bewegungsapparat zusammenzufassen und als Arthropathie bei IgA-Mangel und Osteochondrose jeweils mit einem GdB von 10 zu bewerten. Keinen GdB rechtfertigen folgende Erkrankungen: Die Harninkontinenz sei nur sehr schwach ausgeprägt. Eine Homozysteinämie sei nicht vorhanden und der Gen-Defekt sei eine Labordiagnose. Die latente Hyperfibrinolyse, die Hyperlipidämie und die Analgetika-Unverträglichkeit seien ohne klinische Relevanz. Die arterielle Hypertonie sei eingestellt und zeige keine Funktionsbehinderung. Der Morbus Raynaud sei, wenn überhaupt, im Winter vorhanden und könne zurzeit ebenfalls nicht bestätigt werden. Auch die Neurodermitis könne zurzeit nicht festgestellt werden, sei allenfalls anamnestisch als wiederkehrendes Leiden durch ein Jucken am After und eitrige Hautveränderungen bemerkbar. Die Migräne sei seit der Gabe von Acetylsalicylsäure nicht mehr von klinischer Relevanz. Für die Funktionssysteme Augen und Ohren sei kein GdB gegeben. Die Hörminderung sei durch Hörhilfen ausgeglichen. Das Asthma bronchiale sei zurzeit inaktiv und könne, wenn aktiv, einen GdB von 0 bis 20 nach sich ziehen. Insgesamt hat Dr. G. einen GdB von 50 vorgeschlagen und ausgeführt: Der A-Globulinmangel schlage sich sowohl als Erkrankung der Bronchien, der Haut und in Form von Gelenkschmerzen nieder. Die Gelenkschmerzen würden bei Depressionen als besonders schmerzhaft wahrgenommen und führten deshalb zu Inaktivität, die wiederum durch Muskelschwäche die Fallneigung begünstige. Das Gastrinom führe zum Zollinger-Ellison-Syndrom mit Durchfallerkrankungen, die wiederum die Teilhabe erschwerten und möglicherweise eine Vitaminmangelkrankheit mit nervalen Ausfallerscheinungen nach sich zöge. Hier werde allerdings medikamentös entgegengesteuert. Schließlich hat Dr. G. die Voraussetzungen für das Merkzeichen G verneint. Das Gangbild der ohne Hilfsmittel vorstellig gewordenen Klägerin hat er wie folgt beschrieben: kleinschrittig, vorn übergebeugt in der Hüfte, kein Mitschwingen der Arme, kein Schlurfen, kein Stolpern, kein Hinken. Mit Pausen oder mit Stützen könne die Klägerin bis zu zwei Kilometer im Ortsverkehr zurücklegen könne. Als Einzel-GdB mit Bezug auf die Gehfähigkeit lägen eine Osteochondrose und eine Arthropathie bei IgA-Mangel vor, die mit einem GdB von 10 zu bewerten seien. Die depressive Grundstimmung mit der erhöhten Schmerzempfindlichkeit mit dem durch Realitäten nicht beeinflussbaren Glauben an die körperliche Krankheit (Somatisierungsstörung) verstärkten das Schwächegefühl und die Schmerzen im Bewegungsapparat, insbesondere im Bereich der unteren Extremitäten und führten zu einem Bewegungsmangel und damit zu einer Rückbildung der Muskulatur. Diese wiederum bewirke, dass Bewegung als mühselig und schmerzhaft empfunden werde und eine erhebliche Gang- und Standunsicherheit vorliege. Dies wirke sich wiederum negativ auf die Gehfähigkeit aus. Dieser Zustand bestehe aber schon seit 20 Jahren.
Die Klägerin hat gegen das Gutachten eingewendet, bereits die depressive Grundstimmung sowie die stetige Verringerung der allgemeinen körperlichen Leistungsfähigkeit rechtfertigten das Merkzeichen G. Außerdem hat sie weitere Befunde übersandt. Nach dem undatierten Bericht der MVZ Außenstelle S. habe die Untersuchung der Augen einen Visus von 0,8 rechts und 0,7 links bei einer Angiopathie hypertonica im Stadium II ergeben. Nach dem Arztbrief des Internisten Dr. U. vom 11. September 2012 liege ein Zollinger-Ellison-Syndrom mit persistierender Diarrhoe vor. Die Klägerin habe über abdominelle Sensationen und einen analen Symptomenkomplex geklagt. Sie habe erneut drei Kilogramm abgenommen. Als Therapie seien eine medikamentöse Empfehlung, Ernährungsberatung und Sitzbäder ausgesprochen worden.
Mit ergänzender Stellungnahme hat der Sachverständige Dr. G. am 22. Oktober 2012 ausgeführt, er habe die vorgelegten Atteste bereits bei der Gutachtenerstellung berücksichtigt.
Die Klägerin hat am 13. Februar 2013 weitere Unterlagen vorgelegt und vorgetragen: Das Bluthochdruckleiden sei nicht medikamentös eingestellt. Nach wie vor seien Blutdruckspitzen von 275/110 mmHg aufgetreten. Nach dem Attest des Facharztes für Innere Medizin Dr. B. vom 30. Januar 2013 sei die Klägerin bei ihm wegen erhöhter Blutdruckwerte in Behandlung. Im Rahmen der medikamentösen Einstellung könne es zu Kreislaufproblemen kommen, welche die Belastbarkeit und das Befinden beeinträchtigen könnten. Die Klägerin hat weitere medizinische Unterlagen (beginnend ab September 2012) insbesondere zur Hypertonie vorgelegt. Außerdem hat Klägerin einen Bericht der Medizinischen Hochschule H. vom 20. September 2012 vorgelegt, wonach sie sich in einem guten Ernährungszustand (stabiles Gewicht bei 58 kg) befunden habe. Zudem war über wässrigen Stuhlgang berichtet worden.
Der Beklagte hält unter Verweis auf die prüfärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 15. März 2013 an seiner bisherigen Auffassung fest. Danach sei aufgrund des Zollinger-Ellison-Syndroms ein GdB von 20 festzustellen. Nach dem Bericht vom Dr. S. vom 18. Januar 2013 seien keine maßgeblichen Lungenfunktionseinschränkungen nachweisbar, sodass für das Asthma Bronchiale ein GdB von 10 festzustellen sei. Es bestünden keine krankheitswertigen Herzveränderungen und auch die neu mitgeteilte Nierenfunktionsstörung bedinge bei normalen Retentionswerten keinen GdB.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auch statthafte Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Die Klage gegen den Bescheid vom 24. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. April 2005 und die Bescheide vom 18. Februar 2010 und 15. März 2011, die nach § 96 SGG Streitgegenstand des Berufungsverfahrens geworden sind, soweit mit ihnen ein höherer GdB und die Feststellung des Merkzeichens G abgelehnt worden ist, ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG statthaft. Bei dieser ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2000 - B 9 SB 3/99 R - SozR 3-3870 § 3 Nr. 9 S. 22). Die Klage ist aber unbegründet, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines GdB von mehr als 60. Auch die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens G liegen nicht vor.
Da der Beklagte bereits mit Bescheid vom 3. August 1993 einen GdB von 60 festgestellt und damit über den GdB der Klägerin entschieden hat, richten sich die Voraussetzungen für die Neufeststellung nach § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X). Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine wesentliche Änderung ist dann anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechterung eine Herabsetzung oder Erhöhung des Gesamtbehinderungsgrades um wenigstens 10 ergibt. Die Änderung der Behinderungsbezeichnung oder das Hinzutreten weiterer Teil-Behinderungen ohne Auswirkung auf den Gesamtbehinderungsgrad allein stellen aber noch keine wesentliche Änderung dar (BSG, Urteil vom 24. Juni 1998, B 9 SB 18/97 R, zitiert nach juris). Für die wesentliche Änderung kommt es weder auf den Inhalt des Vergleichsbescheides noch auf die von der Behörde bei der Bewilligung oder später angenommenen Verhältnisse, sondern auf die tatsächlichen Verhältnisse und deren objektive Änderung an (KassKomm-Steinwedel, SGB X, § 48 Rdnr. 14 m.w.N.).
Für den streitgegenständlichen Zeitraum gilt das am 1. Juli 2001 in Kraft getretene Neunte Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046). Der hier anzuwendende § 69 SGB IX ist durch die Gesetze vom 23. April 2004 (BGBl. I S. 606) und vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2904) geändert worden. Rechtsgrundlage für den von der Klägerin erhobenen Anspruch auf Feststellung eines GdB sind § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX und für das Merkzeichen G § 69 Abs. 4 SGB IX. Infolge der verfahrensrechtlichen Änderungen des § 69 SGB IX durch das Gesetz vom 23. April 2004 (a.a.O.) hat sich im Übrigen nur die Satzzählung geändert. Im Folgenden werden die Vorschriften des § 69 SGB IX nach der neuen Satzzählung zitiert.
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Diese Vorschrift knüpft materiellrechtlich an den in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX sind die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festzustellen. Wenn mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft vorliegen, wird nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.
§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX ist durch das am 21. Dezember 2007 in Kraft getretene Gesetz vom 13. Dezember 2007 (a.a.O.) geändert worden. Nach der früheren Fassung der Vorschrift galten für den GdB die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend. Nach dem Wortlaut der früheren Fassung des ebenfalls durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 geänderten § 30 Abs. 1 BVG war für die Beurteilung die körperliche und geistige Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben maßgeblich, wobei seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen waren. Nach der Neufassung des § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten für den GdB die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Nach der damit in Bezug genommenen neuen Fassung des § 30 Abs. 1 BVG richtet sich die Beurteilung des Schweregrades – dort des "Grades der Schädigungsfolgen" (GdS) – nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen. Die hierfür maßgebenden Grundsätze sind in der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) aufgestellt worden, zu deren Erlass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch den dem § 30 BVG durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 angefügten Abs. 17 ermächtigt worden ist.
Nach § 2 VersMedV sind die auch für die Beurteilung des Schweregrades nach § 30 Abs. 1 BVG maßgebenden Grundsätze in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anlageband zu BGBl. I Nr. 57 vom 15. Dezember 2008, G 5702) als deren Bestandteil festgelegt und sind damit nunmehr der Beurteilung der erheblichen medizinischen Sachverhalte mit der rechtlichen Verbindlichkeit einer Rechtsverordnung zugrunde zu legen. Zuvor dienten der Praxis als Beurteilungsgrundlage die jeweils vom zuständigen Bundesministerium herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als vorweggenommene Sachverständigengutachten eine normähnliche Wirkung hatten (vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2003 – B 9 SB 3/02 R – SozR 4-3800 § 1 Nr. 3 Rdnr. 12, m.w.N.). Die in den Anhaltspunkten (letzte Ausgabe von 2008) enthaltenen Texte und Tabellen, nach denen sich die Bewertung des GdB bzw. der Schädigungsfolge bisher richtete, sind – inhaltlich nahezu unverändert – in diese Anlage übernommen worden (vgl. die Begründung BR-Drucks. 767/08, S. 3 f.). Die im vorliegenden Fall heranzuziehenden Abschnitte aus den Anhaltspunkten in den Fassungen von 2004, 2005 und 2008 bzw. aus den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen sind nicht geändert worden. Im Folgenden werden die Vorschriften der Versorgungsmedizinische Grundsätze zitiert. GdS und GdB werden dabei nach gleichen Grundsätzen bemessen. Die Begriffe unterscheiden sich lediglich dadurch, dass sich der GdS kausal auf Schädigungsfolgen und der GdB final auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von deren Ursachen auswirkt (vgl. Versorgungsmedizinische Grundsätze, Teil A: Allgemeine Grundsätze 2 a, S. 19).
Der hier streitigen Bemessung des GdB ist die GdS-Tabelle der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (Teil A, S. 17 ff.) zugrunde zu legen. Nach den allgemeinen Hinweisen zu der Tabelle (Teil A, S. 33) sind die dort genannten GdS-Sätze Anhaltswerte. In jedem Einzelfall sind alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in Nr. 2 e (Teil A, S. 20) genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sektion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (Teil B, Nr. 1 a, S. 33).
Nach diesem Maßstab kann für die Funktionseinschränkungen der Klägerin keinesfalls noch ein höherer GdB als 60 festgestellt werden. Dabei stützt sich der Senat auf die Gutachten von Dr. G. und Dr. H. sowie auf die Berichte der behandelnden Ärzte der Klägerin und die Bewertung dieser medizinischen Unterlagen durch die Versorgungsärzte des Beklagten. Danach ist selbst der bislang festgestellte GdB von 60 zu hoch.
1.
Das zentrale Leiden der Klägerin betrifft das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche". Für dieses kann maximal ein GdB von 40 festgestellt.
Nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (B 3.9., S. 43) werden leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20 bewertet. Für stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) ist ein Bewertungsrahmen von 30 bis 40 vorgesehen. Schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten werden mit einem GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit 80 bis 100 bewertet. Psychische Anpassungsschwierigkeiten, die einen Behinderungsgrad von 30 bis 40 rechtfertigen, sind nach dem Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirates (BMA am 18./19.03.1998 – zitiert nach Rohr/Sträßer, Teil B: GdS-Tabelle-19, 96. Lfg. – Stand Dezember 2011) durch Kontaktschwäche und/oder Vitalitätseinbuße gekennzeichnet. Dieses Kriterium ist zur differenzierenden Einschätzung von Anpassungsschwierigkeiten analog auch dann heranzuziehen, wenn die Symptomatik der psychischen Störungen ganz unterschiedlich ist (Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirats, BMA am 8./9.11.2000, Rohr/Sträßer, a.a.O., GdS-Tabelle-18). Mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten setzen neben den Auswirkungen im Berufsleben erhebliche familiäre Probleme durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung voraus (Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirats, BMA am 18./19.03.1998 – zitiert nach Rohr/Sträßer, a.a.O., GdS-Tabelle-19).
Nach diesem Maßstab kann für die seelische Erkrankung seit der Antragstellung am 1. März 2004 ein GdB von maximal 40 festgestellt werden. Nach den übereinstimmenden Diagnosen des die Klägerin behandelnden Nervenarztes Dr. S. und der Sachverständigen Dr. H. und Dr. G. leidet die Klägerin an einer somatoformen Störung und depressiven Verstimmungen. Für die somatoforme Störung ist der Bewertungsrahmen von 30 bis 40 eröffnet. Dieser ist nach der überzeugenden Bewertung von Dr. G. auszuschöpfen, da die Klägerin aufgrund der anhaltenden Somatisierungsstörung unter einer Vielzahl von Symptomen leidet, die ihre Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit erheblich beeinträchtigen. Danach führen die depressive Verstimmung und die anhaltende Somatisierungsstörung zu Misslaunigkeit, zu einer Schmerzempfindlichkeit und einer komplexe Schlafstörung. Auch Dr. S. hat in seinem Befundbericht vom 21. Juni 2011 über eine weitere schleichende Zunahme der multimorbiden Syndrome in den letzten Jahren berichtet und eine chronifizierte depressive Verstimmung mit anhaltenden Somatisierungsstörungen mit erheblichen psychovegetativen und psychischen Störungen, anhaltende somatoforme, depressive, hypochondrische, asthenische und phobische Beschwerden und schwere soziale Anpassungsstörungen diagnostiziert. Diese Auswirkungen der Erkrankung hat er auch schon in seinem Bericht vom 12. Dezember 2005 mitgeteilt, in dem er über eine chronifizierte depressive Verfassung mit Somatisierungsstörungen (vielfältige körperliche Symptome), verminderter Belastbarkeit, Resigniertheit und Antriebsstörungen, Angstsyndromen und einer kognitiven Störung (erhebliche Konzentrationsschwäche) berichtet und dadurch die Teilhabe der Klägerin am gesellschaftlichen Leben als erheblich beeinträchtigt eingeschätzt hat. Ebenso hat Dr. H. in ihrem Gutachten vom 5. Oktober 2008 eine somatoforme Störung mit multiplem Beschwerdebild (Müdigkeit, vorzeitige Erschöpfung, Schmerzen, Bauchkrämpfe, tägliche Übelkeit, Zungenbrennen, Appetitlosigkeit, Atemnot, Angina Pectoris, Herzrhythmusstörung, Rückenschmerzen, Kniegelenksbeschwerden) diagnostiziert und festgestellt, die Art und das Ausmaß dieser Symptome seien in keiner Weise mit den körperlichen Befunden zu erklären. Auch nach ihrer Ansicht ist von einer stärker behindernden Störung auszugehen, die die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit der Klägerin durchaus einengt. Wird auch das im Rentenverfahren durch PD Dr. G. am 7. August 1998 erstellte Gutachten bei der Feststellung des GdB berücksichtigt, zeigen sich auch die Auswirkungen der Erkrankung auf die berufliche Tätigkeit, die eine Feststellung eines GdB von 40 für die somatoforme Erkrankung rechtfertigen. Denn Dr. G. hatte bei der Klägerin aufgrund einer schweren primärneurotischen Fehlentwicklung von Krankheitswert mit multiplen psychosomatischen Beschwerden und einer hochgradigen Somatisierungstendenz ohne hinlängliche Krankeneinsicht eingeschätzt, dass diese nicht in der Lage sei, einer mehr als zweistündigen regelmäßigen Tätigkeit in ihrem erlernten Beruf (Frisör) bzw. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen.
Eine darüber hinausgehende noch höhere Bewertung der seelischen Erkrankung kann auch unter Berücksichtigung der depressiven Symptome nicht erfolgen, weil keine schwere Zwangskrankheit bei der Klägerin vorliegt, die bei einem GdB von 50 vorausgesetzt wird. Die nur von Dr. S. diagnostizierte schwere soziale Anpassungsstörung rechtfertigt keine solche Bewertung, weil er dafür keine zugrunde liegende Diagnose mitgeteilt hat und auch keine Behandlung erfolgt, die bei einer solchen Erkrankung zu erwarten wäre. Allein die Einnahme von Ginkgo- und Johanniskrautpräparaten sowie die Durchführung von regelmäßigen Gesprächen ohne psychopharmakologische Begleitung und ohne die Notwendigkeit stationärer Behandlungen seit nunmehr fast zehn Jahren entspricht nicht dem Krankheitsbild, das eine Bewertung mit einem GdB von 50 rechtfertigt.
2.
Außerdem liegt bei der Klägerin aufgrund des Zollinger-Ellison-Syndroms eine Behinderung im Funktionssystem Verdauung vor, die mit einem GdB von 20 zu bewerten ist. Auch insoweit folgt der Senat den prüfärztlichen Stellungnahmen des Beklagten.
Die Bewertung kann allerdings nicht, wie von der Klägerin gefordert und auch von Dr. G. vorgeschlagen, als Tumorerkrankung mit Heilungsbewährung erfolgen. Denn ein maligner Tumor, der nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen eine Heilungsbewährung rechtfertigt (vgl. B 10.2.1, S. 70 zum Magentumor und B 10.2.1., S. 72 zum Darmtumor) liegt bei der Klägerin nicht vor. Diese leidet an einem Gastrinom, also einem gutartigen Tumor. Daher ist, wie auch vom Beklagten in den Versorgungsärztlichen Stellungnahme vorgeschlagen, eine analoge Bewertung nach Teil B, 10.2.2 (chronische Darmstörung) vorzunehmen und darüber hinaus zu beachten, das bei Magen-Darmerkrankungen der GdS nach dem Grad der Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes, der Schwere der Organstörung und der Notwendigkeit besonderer Diätkost zu beurteilen ist (B 10.2.1, S. 69).
Nach diesem aufgezeigten Maßstab kann für die Auswirkungen der Erkrankung mit Durchfall und Fettstühlen ein GdB von 20 festgestellt werden, weil sich die Klägerin einer Sandostatintherapie unterziehen und eine spezielle Ernährung (Kreon) durchführen muss. Dr. G. hat mitgeteilt, die Ausscheidungsfunktion sei in Abhängigkeit von Sandostatin gestört im Sinne von schleimigen, übel riechenden Durchfällen (ein- bis zweimal täglich). Außerdem leide die Klägerin unter krampfartigen Bauchschmerzen im Oberbauch. Auch nach dem Arztbrief des Internisten Dr. U. vom 11. September 2012 liegt ein Zollinger-Ellison-Syndrom mit Funktionsbeeinträchtigungen vor: So leide die Klägerin an persistierender Diarrhoe und habe über abdominelle Sensationen und einen analen Symptomenkomplex geklagt. Sie habe erneut drei Kilogramm abgenommen. Als Therapie seien eine medikamentöse Empfehlung, Ernährungsberatung und Sitzbäder ausgesprochen worden. Allerdings werden im Bericht der Medizinischen Hochschule H. vom 20. September 2012 die gegenüber Dr. G. geschilderten und von Dr. U. mitgeteilten täglichen Durchfälle nicht berichtet, sondern nur wässriger Stuhlgang geschildert. Da auch bei Dr. H. die gegenüber Dr. G. geschilderten Symptome nicht berichtet worden sind, kann allenfalls der untere Bewertungsrahmen nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (Teil B 10.2.2, S. 71) für eine Darmerkrankung mit stärkeren und häufig rezidivierenden oder anhaltenden Symptomen (z.B. Durchfälle oder Spasmen) mit einem GdB von 20 angenommen werden. Denn es liegt auch keine Minderung des Kräfte- und Ernährungszustand der Klägerin vor, die eine höhere Bewertung rechtfertigt (dazu B 10.2.2, S. 71). Nach dem Bericht der Medizinischen Hochschule H. vom 17. April 2008 hat sich die Klägerin in gutem Allgemein- und Ernährungszustand (163 cm, 65 kg) befunden. Auch Dr. H. hat in ihrem Gutachten vom 6. Oktober 2008 einen guten Allgemein- und normgewichtigen Ernährungszustand (162 cm, 57 kg) festgestellt. Schließlich hat sich die Klägerin auch nach dem aktuellen Bericht der Medizinischen Hochschule H. vom 20. September 2012 in einem guten Ernährungszustand (stabiles Gewicht bei 58 kg) befunden.
3.
Die Hörminderung der Klägerin betrifft das Funktionssystem Ohren und ist unter Berücksichtigung der Ton- und Sprachaudiogramme vom März 2004 und Mai 2009 mit einem GdB von 15 zu bewerten, da beidseits ein geringgradiger Hörverlust (30 %) vorliegt.
4.
Der selektive IgA-Mangel ist nach den Auswirkungen der Erkrankung (nach dem Bericht der Medizinischen Hochschule H. vom 20. September 2012: rezidivierende Bronchitiden und Sinusitiden) zu bewerten. Danach liegt aufgrund der wiederholt auftretenden Bronchitis, die aber nicht mit einer Lungenfunktionseinschränkung verbunden ist und nach der Art und Häufigkeit der Erkrankung noch als leichte Form anzusehen ist, ein GdB von 10 vor (Versorgungsmedizinische Grundsätze, B 8.2., S. 60). Werden die von Dr. G. mit dieser Erkrankung in Verbindung gebrachten Gelenkschmerzen berücksichtigt, kann maximal ein GdB von 20 festgestellt werden. Diese Bewertung entspricht der Bewertung eines Immundefektes, bei dem trotz Therapie eine erhöhte Infektanfälligkeit besteht (Versorgungsmedizinische Grundsätze, B 8.2., S. 97). Dabei ist allerdings zu beachten, dass der durch IgA-Mangel und die gehäuften Infekte reduzierte Allgemeinzustand der Klägerin nach den Ausführungen von Dipl.-Med. S. (Dezember 2010) sehr stark als psychisch überlagert eingeschätzt wurde, sodass keine doppelte Bewertung der Auswirkungen erfolgen kann. Denn diese sind bereits im hohen GdB für die Somatisierungsstörung (40) mit berücksichtigt worden.
5.
Das Bluthochdruckleiden der Klägerin mit Augenbeteiligung rechtfertigt derzeit als mittelschwere Form einen GdB von 20. Nach Teil B, Nr. 9.3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (S. 51) ist die leichte Form der Hypertonie, bei der keine oder eine geringe Leistungsbeeinträchtigung und höchstens leichte Augenhintergrundsveränderungen vorliegen, mit einem Grad der Behinderung von 0 bis zu 10 zu bewerten. Die mittelschwere Form eröffnet je nach Leistungsbeeinträchtigung einen Bewertungsrahmen von 20 bis 40. Kriterien dafür sind Organbeteiligungen leichten bis mittleren Grades (Augenhintergrundsveränderungen – Fundus hypertonicus I bis II- und/oder Linkshypertrophie des Herzens und/oder Proteinurie) sowie diastolischer Blutdruck mehrfach über 100 mmHg trotz Behandlung. Zwar sind bei der Klägerin in den letzten Monaten stark erhöhte Blutdruckwerte aufgetreten, doch befindet sie sich nach dem Attest des Dr. B. vom 30. Januar 2013 derzeit in der Einstellungsphase, sodass noch von einem Behandlungsleiden ausgegangen werden muss. Dauerhaft mit einem GdB zu bewertende erhöhte Blutdruckwerte können somit nicht festgestellt werden. Doch führt die Beteiligung der Augen nach dem undatierten Bericht der MVZ Außenstelle S. bei einer Angiopathie hypertonica im Stadium II zur Annahme einer schon mittelschweren Bluthochdruckerkrankung, die die Bewertung mit einem GdB von 20 rechtfertigt. Eine höhere Bewertung kommt allerdings aufgrund der von Dr. G. und Dr. H. festgestellten unbeeinträchtigten kardialen Funktion nicht in Betracht.
6.
Für die degenerative Wirbelsäulenerkrankung ohne Bewegungseinschränkungen und ohne neurologische Defizite kann bei der Klägerin nach Teil B 18.9 (S. 107) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze maximal ein GdB von 10 festgestellt werden. Denn ein höherer GdB setzt mittelgradige funktionelle Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden in einem Wirbelsäulenabschnitt, z.B. eine anhaltende Bewegungseinschränkung oder eine Instabilität mittleren Grades, voraus. Derartige Einschränkungen haben die Sachverständigen Dr. H. und Dr. G. ausgeschlossen und wurden auch nicht durch die behandelnden Ärzte der Klägerin mitgeteilt.
7.
Für die Harninkontinenz der Klägerin ist ein GdB von 10 festzustellen, da allenfalls von einer relativen Harninkontinenz ausgegangen werden muss (Versorgungsmedizinische Grundsätze, B 12.2.4, S. 83). Für eine höhere Bewertung erforderliche medizinische Befunde liegen nicht vor.
8.
Weitere Funktionseinschränkungen, die mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten sind, sind nicht erkennbar. So haben Dr. H. und Dr. G. insbesondere weitere relevante Erkrankungen der Bewegungsapparates ausgeschlossen und darauf hingewiesen, dass die zahlreichen Labordiagnosen (Hyperfibrinolyse, Analgetika-Unverträglichkeit, Hyperlipidanämie, Homozysteinämie) nicht mit behinderungsgradrelevanten Funktionseinschränkungen verbunden sind. Die Augenerkrankung rechtfertigt bei einem Visus von 0,8 rechts und 0,7 links nach dem Bericht der MVZ Außenstelle S. nach den Versorgungsmedizischen Grundsätzen (Teil B 4.3, S. 46) keinen GdB. Auch eine GdB-relevante Nierenfunktionsstörung ist nach den vorliegenden Laboruntersuchungen ausgeschlossen.
9.
Da bei der Klägerin Einzelbehinderungen aus verschiedenen Funktionssystemen mit einem messbaren GdB vorliegen, ist nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der Gesamtbehinderungsgrad zu ermitteln. Dafür sind die Grundsätze nach Teil A, Nr. 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (S. 22) anzuwenden. Nach Nr. 3c ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad bedingt und dann zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Zehnergrad ein oder mehr Zehnergrade hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden.
Danach ist von dem Behinderungsgrad von 40 für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche auszugehen. Nach der prüfärztlichen Stellungnahme des Beklagten kann in Übereinstimmung mit den Ausführungen von Dr. G. aufgrund der Behinderung im Funktionssystem Verdauung (GdB 20 aufgrund des Zollinger-Ellison-Syndroms) dieser erhöht und ein GdB von 50 gebildet werden. Eine weitere Erhöhung aufgrund der Beeinträchtigungen im Funktionssystem Ohr, die ebenfalls mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten sind bzw. der Bluthochdruckerkrankung (ebenfalls GdB von 20), kommt nicht in Betracht. Denn das Gesamtausmaß der Behinderung wird durch diese - nach den Versorgungsmedizischen Grundsätzen (A 4, S. 23) noch als leichte Funktionseinschränkung zu bewertenden Behinderungen - nicht größer. Diese bestehen unabhängig von den anderen Funktionsstörungen. Außerdem hat Dr. G. ausdrücklich festgestellt, dass das Bluthochdruckleiden zu keiner funktionalen Einschränkung führt. Gleiches gilt für den mit einem GdB von 20 bewerteten IgA-Mangel. Dr. G. hat auch eine über die Schwerbehinderteneigenschaft hinausgehende Bewertung abgelehnt. Dies ist nachvollziehbar, da sich aufgrund der starken psychischen Überlagerung die Symptome des IgA-Mangels zu einem wesentlichen Teil mit denen der Somatisierungsstörung decken. Die weiteren mit einem GdB von 10 bewerteten Funktionsbehinderungen führen nicht zur Erhöhung des Gesamt-GdB, denn von einem hier nicht vorliegenden Ausnahmefall abgesehen, führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes des Gesamtbeeinträchtigung, auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen (A 4, S. 23).
10.
Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch auf die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G. Übereinstimmend mit den versorgungsärztlichen Stellungnahmen haben dies beide Sachverständige angenommen. Dieser Ansicht schließt sich der Senat an. Es liegen keine sich auf die Gehfähigkeit auswirkenden Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der LWS vor, die für sich einen GdB von 50 bedingen (dazu Versorgungsmedizinische Grundsätze, D 1, S. 139). Zwar können bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 die Voraussetzungen gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken. Solche besonderen Auswirkungen liegen bei der Klägerin nicht vor. Der Stütz- und Bewegungsapparat ist bei Untersuchung durch Dr. H. völlig unauffällig gewesen. Die Gehfähigkeit ist nach ihrer Einschätzung uneingeschränkt. Gegen eine Einschränkung der Gehfähigkeit spricht zudem, dass die Klägerin selbst gegenüber der Sachverständigen spontan keine Wegstreckenbeschränkung angegeben konnte. Auch bei der Untersuchung durch Dr. G. ist die Klägerin ohne Hilfsmittel vorstellig gewesen und auch dieser hat eingeschätzt, dass sie in der Lage sei, bis zu zwei Kilometer im Ortsverkehr zurücklegen zu können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
SAN
Saved