L 5 KR 64/11

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 3 KR 106/07
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 64/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Kapitalzahlung aus der Lebensversicherung des verstorbenen geschiedenen Ehegatten an die Geschiedenenwitwe unterliegt nicht der Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung, da diese nicht Hinterbliebene iSv. § 229 Abs. 1 S. 1 SGB V ist. Die Hinterbliebeneneigenschaft bestimmt sich allein nach den rentenrechtlichen Normen des SGB VI.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 11. März 2011 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 992,25 EUR festgesetzt. &8195;

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe des Vergütungsanspruchs für eine stationäre Krankenhausbe-handlung.

Die 1919 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte E M (Versicher-te) wurde vom 5. Juli bis zum 13. Juli 2005 in der Klinik der Klägerin stationär behan-delt. Die Einweisung erfolgte notfallmäßig durch den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. E wegen rezidivierender Synkopen mit jeweils kurzer Ohnmacht unklarer Ge-nese und Bluthochdruck. Aufgrund eines Juckreizes im Genitalbereich war der Versi-cherten vom behandelnden Gynäkologen drei Tage zuvor das Medikament Tavegil verordnet worden.

Als Aufnahmediagnosen wurden von den behandelnden Krankenhausärzten festge-halten:

- E 86 (Volumenmangel) - N 39.0 (Harnwegsinfekt, Lokalisation nicht näher bezeichnet) - H 54.2 (Sehschwäche beider Augen).

Im Entlassungsbericht wurde als Hauptdiagnose der Harnwegsinfekt genannt. Als weitere Diagnosen:

- B 96.2 (Escherichia coli und andere Enterobakteriazeen als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind), - R 32 (nicht näher bezeichnete Harninkontinenz) - R 54 (Senilität) - H 91.1 (Alterschwerhörigkeit) - R 15 (Stuhlinkontinenz) - E 87.6 (Hypokaliämie) - E 87.1 (Hypoosmolalität) - E 86 (Volumenmangel).

Für die Behandlung stellte die Klägerin der Beklagten 3.320,47 EUR in Rechnung, wobei sie in der Endrechnung vom 4. August 2005 die DRG L 63A (Infektionen der Harnorgane mit äußerst schweren CC) abrechnete.

Die Beklagte beglich den Rechnungsbetrag zunächst in vollem Umfang. Mit Schrei-ben vom 22. August 2005 teilte sie der Klägerin dann mit, die Zahlung erfolge unter Vorbehalt, da die übermittelten Daten eine zweifelsfreie Beurteilung der Frage, ob die angegebene Hauptdiagnose der DRG-Abrechnung zugrundezulegen sei, nicht zulie-ßen. Die Beklagte holte danach eine Stellungnahme des Sozialmedizinischen Diens-tes vom 28. September 2005 ein, in der ausgeführt wird, dass gemäß Epikrise der Einweisungsgrund die Exsikkose mit Elektrolytentgleisung gewesen sei. Damit sei die Hauptdiagnose der Volumenmangel (E 86). Als Nebendiagnose sei die N 95.2 (atrophische Kolpitis in der Postmenopause) vergessen worden. Zur Abrechnung ge-lange gemäß der Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) die DRG K 62.Z. Dementspre-chend buchte die Beklagte am 26. November 2005 einen Teilbetrag in Höhe von 992,25 EUR zurück.

In einer weiteren Stellungnahme vom 6. März 2006 führte der Sozialmedizinische Dienst der Beklagten aus, dass ursächlich für die stationäre Einweisung kollaptische Ereignisse im Rahmen einer Exsikkose gewesen seien. Plausibel sei als Ursache hierfür die mangelnde Flüssigkeitsaufnahme mit Hypovolämie. Der zusätzliche Harnwegsinfekt sei wohl eher Folge als Ursache.

Mit Schreiben vom 31. März 2006 erklärte die Klägerin, sie sei nicht bereit, die Ab-rechnung zu ändern. Die Beklagte holte daraufhin ergänzende Stellungnahmen des Sozialmedizinischen Dienstes vom 26. April 2006, 4. Juli 2006 und 24. Januar 2007 ein. Mit Schreiben vom 2. Mai 2006 und 26. Januar 2007 teilte sie der Klägerin mit, die übersandten Unterlagen begründeten keinen weiteren Vergütungsanspruch.

Am 24. Juni 2007 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Kiel erhoben. Zur Be-gründung hat sie darauf verwiesen, dass sich bereits aus dem Entlassungsbericht ergebe, dass die Versicherte wegen einer Exsikkose und Elektrolytstörung stationär aufgenommen worden sei, wobei sich laborchemisch eine deutliche Entzündungs-konstellation gezeigt habe. Als Ursache hierfür habe man einen Harnwegsinfekt ge-funden, der entsprechend therapiert worden sei. Somit sei als Ursache der Exsikkose der Harnwegsinfekt beschrieben worden und auch als Hauptdiagnose zu verschlüsseln. Bereits in den Notfalllaborwerten vom 5. Juli 2005 sei eine deutliche Entzündungsserologie festgestellt worden, die in den Routine¬laborwerten einen Tag später bestätigt worden sei. Ferner sei eine Leukozyturie mit reichlichen Bakterien im Urin festgestellt worden. Dies sei der typische Sedimentbefund einer Harnwegsinfektion. Die Klägerin hat weiterhin auf die Kodierrichtlinie 11.07a verwiesen, wonach bei stationärer Aufnahme zur Behandlung einer Gastroenteritis mit Dehydration die Gastroenteritis als Hauptdiagnose und die Dehydration (E 86 Volumenmangel) als Nebendiagnose angegeben werde.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 992,25 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 29. November 2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat weiterhin die Auffassung vertreten, dass als Hauptdiagnose E 86 zu kodieren sei. Hieraus resultiere die DRG K 62.Z (verschiedene Stoffwechselerkrankungen). Eine analoge Anwendung der Kodiervorschrift 11.07a komme nicht in Betracht, da es sich um eine Ausnahmeregelung für einen ganz konkreten medizinischen Sachver-halt handele. Sie hat sich insoweit auf weitere Stellungnahmen des Sozialmedizini-schen Dienstes vom 28. Februar 2008, 26. Juni 2008 und 6. August 2008 gestützt.

Das Sozialgericht hat die den Rechtsstreit betreffenden Behandlungsunterlagen der Klägerin beigezogen und ein Gutachten des Arztes für innere Medizin und Sozialme-dizin Prof. Dr. O vom 26. Oktober 2010 eingeholt.

Mit Urteil vom 11. März 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Maßgeblich dafür, welche DRG zur Abrechnung komme, sei die jeweilige Hauptdiag-nose. Diese werde definiert als "die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festge-stellt worden sei, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Kranken-hausaufenthalts verantwortlich" sei. Der Harnwegsinfekt der Versicherten habe hier keine stationäre Behandlungsbedürftigkeit verursacht und sei insofern auch nicht als Hauptdiagnose zu kodieren. Nach den überzeugenden Ausführungen des medizini-schen Sachverständigen Prof. Dr. O sei die stationäre Aufnahme der Versicher-ten im Rahmen der ambulanten medizinischen Betreuung aufgrund vorübergehender (Ohnmachtszustände) erfolgt. Es sei davon auszugehen, dass Grundlage dieser Symptomatik eine Exsikkose infolge mangelnder Flüssigkeitszufuhr gewesen sei. Möglicherweise spiele hierbei eine Rolle, dass das gegen Juckreiz eingesetzte Medi-kament Tavegil eine stark dämpfende Nebenwirkung habe, was sich vor allem bei al-ten Menschen mit veränderter Pharmakodynamik dahingehend äußern könne, dass Kreislaufdepressionen und mangelnde Flüssigkeitsaufnahme wegen einer gewissen Schläfrigkeit aufträten. Der Harnwegsinfekt sei nicht die primäre Aufnahmediagnose gewesen und am 8. Juli 2005 noch als Verdachtsdiagnose genannt worden. Zwar habe diese Erkrankung im Zusammenhang mit wohl vorliegenden entzündlichen Veränderungen der äußeren Genitale wesentlich zur schlechten Gesamtsituation der Versicherten beigetragen. Diese Erkrankung sei jedoch grundsätzlich auch einer ambulanten Therapie durch Antibiotikagabe zugänglich gewesen. Die Klägerin könne sich auch nicht auf die Kodierrichtlinie 11.07a (Dehydration bei Gastroenteritis) be-ziehen. Diese Richtlinie stelle in bestimmten Fallkonstellationen eine Ausnahmerege-lung dar. Sie sei ausdrücklich als Ausnahmetatbestand gekennzeichnet und nicht auf andere Fallkonstellationen übertragbar.

Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 6. Juni 2011 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung, die am 24. Juni 2011 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, dass sie zutreffend die DRG L63A (Infektion der Harnorgane mit äußerst schweren CC) abgerechnet habe. Es hätten deutliche Zeichen einer systemischen Entzündung bei der Versicherten in der Aufnahmesituation bestanden. Es sei hoch unwahrscheinlich, dass diese ausschließlich durch eine Exsikkose herbeigeführt worden seien. Deshalb könne auch nicht angenommen werden, dass ausschließlich die Exsikkose oder die Gabe eines Antihistaminikums zur Synkope geführt hätten. Eine vasovagale infektionsbedingte Mitbeteiligung sei vielmehr hochwahrscheinlich. Die Elektrolytstörung und Exsikkose müssten als Phänomen der deutlich entzündlichen Konstellation bei Harnwegsinfekt angesehen werden, sodass insbesondere die Behandlung des ursächlich zugrundeliegenden Harnwegsinfekts mit paralleler Behandlung zum Ausgleich der Exsikkose und Elektrolytstörung zur Heilung der Versicherten geführt hätten. Wenn mehrere Diagnosen gleichermaßen die Kriterien der Hauptdiagnose erfüllten, sei vom behandelnden Arzt zu entscheiden, welche Diagnose am besten der Hauptdiagnosedefinition entspreche. Das sei diejenige, die für Untersuchung und/oder Behandlung die meisten Ressourcen verbraucht habe. Danach sei der Harnwegsinfekt hier die Hauptdiagnose.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 11. März 2011 aufzuheben und die Be-klagte zu verurteilen, an sie 992,25 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 %-Punkten über dem Basissatz ab dem 29. November 2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt ausweislich ihres schriftsätzlichen Vorbringens,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und sieht sich durch die sozialgerichtlichen Gutachten bestätigt. Die Kreislaufproblematik der Versi-cherten habe bei der stationären Aufnahme ganz im Vordergrund gestanden. Die Beklagte verweist insoweit auf weitere Stellungnahmen ihres Sozialmedizinischen Dienstes (Dr. K ) vom 22. Februar und 28. März 2012.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. O vom 10. Januar 2012 zu dessen Gutachten vom 26. Oktober 2010 eingeholt und weiteren Beweis er-hoben durch Vernehmung des Arztes für innere Medizin und Psychiatrie Dr. T aus S als medizinischen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 7. Februar 2013, dessen Gutachten vom 2. Januar 2013 den Beteiligten vorab über-sandt worden war.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteilig-ten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsak-ten der Beklagten. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; sie ist je-doch nicht begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung in Höhe von 992,25 EUR für die hier streitige Behandlung der Versicherten im Zeitraum vom 5. bis 13. Juli 2005, denn sie hat zu Unrecht die DRG L 63A (Infektionen der Harnröhre mit äußerst schweren CC) abgerechnet. Zutreffend wäre die DRG K 62.Z (verschie-dene Stoffwechselerkrankungen) abzurechnen gewesen. Daraus ergibt sich die von der Beklagten vorgenommene Kürzung der Vergütung in oben genannter Höhe.

Die Klägerin hat mit der erhobenen echten Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die richtige Klageart gewählt. Ein Verwaltungsakt konnte nicht ergehen, weil sich die Klägerin und die Beklagte gleichgeordnet gegenüberste-hen.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Vergütungsanspruch ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 7 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und der Anlage 1 Teil A Fallpauschalenverordnung (FPV 2005) sowie dem aktuellen zwischen den Beteiligten geltenden Krankenhausbehandlungsvertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V. Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korres-pondiert nach ständiger Rechtsprechung mit dem Anspruch der Versicherten auf Krankenhausbehandlung. Diese Krankenhausbehandlung muss tatsächlich durchge-führt und notwendig gewesen sein (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 10. April 2008, B 3 KR 19/05 R). Der Behandlungspflicht des zugelassenen Krankenhauses im Sinne des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG), des KHEntgG und der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) in der zwischen den Krankenkassen und dem Krankenhausträger abzuschließenden Pflegesatzverordnung festgelegt wird (§ 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V). Da die Klägerin in das DRG-Vergütungssystem einbezogen ist, richtet sich ihre Vergütung gemäß § 1 Abs. 1 BPflV nach den Rege-lungen des KHG und des KHEntgG.

Gemäß § 7 Satz 1 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen ge-genüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, in dem Katalog der Norm abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Maßgeblich ist im vor-liegenden Abrechnungsfall gemäß § 7 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG die Abrechnung einer Fallpauschale nach dem gemäß § 9 auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (bzw. hier maßgeblich bis 30. Juni 2008 die Spitzenverbände der Krankenkassen) und der Verband der privaten Kran-kenversicherung gemeinsam haben nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG mit der Deut-schen Krankenhausgesellschaft mit Wirkung für die Vertragsparteien, gemäß § 11 KHEntgG in Verbindung mit § 18 Abs. 2 KHG, also die Krankenhausträger und die Sozialleistungsträger, ein Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelati-on sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und deren Abhängigkeit von diesen zu-sätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge zu vereinbaren. Grundlage dieser Regelungen ist § 17b KHG. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 ist für die Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen ein durchgängiges leistungsori-entiertes und pauschalierendes Vergütungssystem einzuführen. Dieses hat nach § 17b Abs. 1 Satz 2 KHG Komplexitäten und Komorbiditäten abzubilden, sein Diffe-renzierungsgrad soll praktikabel sein. Mit den Entgelten nach Satz 1 werden die all-gemeinen vollstationären und teilstationären Krankenhausleistungen für einen Be-handlungsfall vergütet (§ 17b Abs. 1 Satz 3 KHG). Grundlage für die Einführung der DRG ist § 17b Abs. 2 Satz 1 KHG, nach dem der Spitzenverband Bund der Kranken-kassen (bzw. bis zum 30. Juni 2008 die Spitzenverbände der Krankenkassen) und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam entsprechend den Vor-gaben der Abs. 1 und 3 mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft ein Vergütungs-system vereinbaren, das sich an einem international bereits eingesetzten Vergü-tungssystem orientiert und jährlich weiterentwickelt und angepasst werden soll, ins-besondere an medizinische Entwicklungen, Kostenentwicklungen, Verweildauerver-kürzungen und Leistungsverlagerung zu und von anderen Versorgungsbereichen, und die Abrechnungsbestimmungen enthalten, soweit diese nicht im KHEntgG vor-gegeben werden. Gemäß § 17b Abs. 6 Satz 1 KHG wurde dieses Vergütungssystem für alle Krankenhäuser mit einer ersten Fassung eines deutschen Fallpauschalen-katalogs verbindlich zum 1. Januar 2004 eingeführt (vgl. zur Abrechnung grundsätz-lich BSG, Urteil vom 18. September 2008, B 3 KR 15/07 R; Urteil vom 8. November 2011, B 1 KR 8/11 R m. w. N.).

Bestimmend für die zur Abrechnung gelangende DRG ist zunächst die Hauptdiagno-se. Diese wird definiert (D 002 f der Kodierrichtlinien) als die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthalts verantwortlich ist. Nebendiagnose ist eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthalts entwickelt (D 003 d der Kodierricht-linien). Zutreffend hat das Sozialgericht festgestellt, dass nicht der bei der Versicher-ten bestehende Harnwegsinfekt, sondern der Volumenmangel die Hauptdiagnose war. Die im Berufungsverfahren durchgeführte Beweisaufnahme hat das Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Sozialgericht nachdrücklich bestätigt.

Zur stationären Einweisung der Versicherten führten kurzdauernde Ohnmachten, mit einer Blutdruckerniedrigung auf 100/60 mmHg bei sonst erhöhter Blutdrucklage und ferner eine hausärztlicherseits festgestellte Störung der Herztätigkeit mit gehäuften Extraschlägen (Extrasystolen), sodass unter Annahme synkopaler Ereignisse unkla-rer Ursache bei bekannter arterieller Hypertonie eine stationäre Einweisung veran-lasst wurde (so die Verordnung durch den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. E ). Synkopale Ereignisse können durch verschiedene Ursachen, wie z. B. Herzerkran-kungen oder Hirndurchblutungsstörungen hervorgerufen werden. Hier war als ur-sächlich anzunehmen bei Berücksichtigung der vorbestehenden arteriellen Hyperto-nie der Versicherten eine Blutdruckdepression, wie sie vor der stationären Einwei-sung bei der Versicherten beobachtet worden war. Als deren Ursache ist unter Be-rücksichtigung der im Krankenhaus bei der Aufnahme erhobenen Laborbefunde am ehesten ein Flüssigkeitsmangel anzusehen. Es gibt gute Gründe für die Vermutung, dass es bei der Versicherten durch die Einnahme des wegen Juckreiz verordneten Medikaments Tavegil zu Schläfrigkeit und damit zu verminderter Flüssigkeitsauf-nahme gekommen war. Vermutet werden kann aber auch, dass es im Rahmen einer Beeinträchtigung des Allgemeinzustands der Versicherten durch den beginnenden Harnwegsinfekt zu vermindertem Trinken und damit zur Austrocknung und hierdurch zu der zur Einweisung führenden Kreislaufstörung gekommen ist. Auch wenn die Harnwegsinfektion letztlich erst nach der stationären Aufnahme der Versicherten durch die Untersuchung einer Urinprobe am Tag nach der Aufnahme und durch die dann veranlasste weitere Untersuchung diagnostiziert worden war, ist davon auszu-gehen, dass bereits am Aufnahmetag eine Entzündung im Bereich der Harnblase bestanden hat. Die Laborbefunde mit deutlicher Leukozytose im Blutbild, erhöhter Aktivität des c-reaktiven Proteins (CRP) und die BSG-Beschleunigung im Aufnahme-labor lassen auf eine zuvor eingetretene Entzündung schließen, für die sich bei den weiteren Untersuchungen keine andere Lokalisation als ein Infekt der unteren Harn-wege bzw. eine Blasenentzündung gefunden hat. Auch wenn eine Blasenentzündung bei der Versicherten bereits vor der Aufnahme im Krankenhaus vorgelegen hat, ist diese jedoch nicht die führende Ursache der zur Einweisung führenden Dehydration und konsekutiven Kreislaufstörung gewesen. Insoweit ist vielmehr die bei der Aufnahmeuntersuchung festgestellte Elektrolytstörung (Verminderung des Serum-Natrium-, Kalium- und Chloridspiegels) bedeutsam. Differenzialdiagnostische Unter-suchungen zur Klärung dieser Elektrolytstörung, insbesondere eine Überprüfung der Serumosmolalität sowie der Natriumausscheidung im Urin, sind im Krankenhaus nicht durchgeführt worden. Zwar hat es sich bei einem Serum-Natriumspiegel von 124 um eine leichte Hyponatriämie gehandelt, damit aber zugleich um einen Befund, der allein durch unzureichende Flüssigkeitsaufnahme durch zu geringes Trinken nicht zu erklären ist und mit hoher Wahrscheinlichkeit am ehesten darauf zurückzuführen ist, dass der Versicherten wegen erhöhter Blutdruckwerte in der Zeit vor der stationären Einweisung eine erhöhte Dosis des blutdrucksenkenden Medikaments Lisibeta verordnet worden war. Dieses Medikament enthält Chlorothiazid, welches gerade bei älteren Frauen durch Verlust von Natrium und Flüssigkeit über die Nieren zu einer Verminderung des Körperwassers und damit zu einer Kreislaufdepression mit Kollapszuständen führen kann. Eine andere Ursache für die bei der Aufnahmeun-tersuchung festgestellte Elektrolytstörung ist aus den anamnestischen Angaben und Untersuchungsbefunden nicht ersichtlich. Auffällig ist, dass es nach der Aufnahme-untersuchung zu einer stärkeren Ausprägung der Entzündungsreaktion bzw. einem weiteren Anstieg des CRP von 4,9 auf 19,9 bei der Kontrolluntersuchung gekommen war. Dieser starke Anstieg macht deutlich, dass die Harnwegsinfektion nicht die Ur-sache der Kreislaufstörung in der Einweisungssituation gewesen sein kann. Das schwerwiegende Ausmaß der Harnwegsinfektion ist damit erst im Laufe des stationä-ren Aufenthalts eingetreten. Bedeutsam ist ferner, dass die Anzahl der weißen Blut-körperchen als Hinweis auf eine entzündliche Allgemeinreaktion bereits vor der Gabe von Antibiotika erheblich rückläufig gewesen ist. Auch das ist ein Indiz dafür, dass die Kreislaufstörung nicht durch die Entzündung verursacht wurde. Es bestand bei der stationären Aufnahme der Versicherten auch kein Zustandsbild, das einer schweren und insbesondere septischen Verlaufsform einer Harnwegsinfektion entsprach, die zu einer Kreislaufdepression hätte führen können. Der Harnwegsinfekt selbst hätte keine stationäre Behandlung erfordert. Er wäre ambulant behandelbar gewesen und kommt nicht als Hauptdiagnose für die strittige Krankenhausbehandlung in Betracht.

Im Ergebnis ist daher eine Dehydration und Elektrolytstörung als vorrangig für die zur Einweisung führende Symptomatik bei der Versicherten anzusehen. Der Senat folgt insoweit der gutachterlichen Bewertung von Dr. T. Diese hat den Senat über-zeugt. Sie steht im Einklang mit der Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. O und den Stellungnahmen des Sozialmedizinischen Dienstes. Der Senat sieht in diesem Zusammenhang auch, dass es bereits im Jahre 2003 zu einer Kran-kenhausbehandlung der Versicherten wegen einer ähnlichen Symptomatik gekom-men war, ohne dass damals ein Harnwegsinfekt vorgelegen hätte. Auch das stützt die übereinstimmende gutachterliche Auffassung, dass der Harnwegsinfekt, insbe-sondere im Hinblick auf Schweregrad und Verlauf, nicht hauptsächlich verantwortlich für die Veranlassung des stationären Aufenthalts im Sinne von D 002 f der Kodier-richt¬linien war. Zudem heißt es in dem Entlassungsbericht der Klägerin bei den Diag-nosen u. a.: "Kreislaufdepression bei Exsikkose mit Elektrolytstörung".

Deshalb steht die Diagnose des Harnwegsinfekts auch nicht gleichrangig neben der Diagnose Exsikkose mit Elektrolytentgleisung bei der Frage nach der Verantwortlich-keit für die Veranlassung des stationären Aufenthalts. Aus diesem Grunde sind die Ausführungen der Klägerin zum "Ressourcenverbrauch" nicht weiter beachtlich, denn sie stehen unter der – hier nicht zutreffenden – Prämisse, dass zwei oder mehr Di-agnosen gleichermaßen der Definition der Hauptdiagnose entsprechen.

Soweit die Klägerin sich auf die Kodierrichtlinie 11.07a (Dehydration bei Gastroente-ritis) bezieht, hat das Sozialgericht zu Recht festgestellt, dass es sich um einen hier nicht anwendbaren Ausnahmetatbestand handelt, weil dessen Regelungsinhalt nicht auf andere Fallkonstellationen übertragen werden kann. Dies entspricht der Recht-sprechung des Bundessozialgerichts, wonach Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut auszulegen sind (BSG, Urteil vom 8. November 2011, B 1 KR 8/11 R).

Anhaltspunkte für weitere alternative Kodiermöglichkeiten sind weder ersichtlich, noch von der Klägerin vorgebracht worden. Mithin liegen die Voraussetzungen für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch nicht vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtskraft
Aus
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