Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 19 KA 19/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 156/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 11/00 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.06.1999 abgeändert. Der Beschluss des Beklagten vom 03.02.1999 wird bezüglich der Ermächtigung zu Ziffer 4 und 8 des Ermächtigungskataloges aufgehoben. Der Beschluss wird ferner hinsichtlich des Kreises der überweisungsberechtigten Ärzte aufgehoben. Insofern wird der Widerspruch der Beigeladenen zu 5) zurückgewiesen. Die Beigeladene zu 5) trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Klägerin für beide Rechtszüge. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Umfang der Ermächtigung des Sozialpädiatrischen Zentrums der Beigeladenen zu 5).
Seit seiner Gründung im Jahr 1994 war das Sozialpädiatrische Zentrum der Klinik und Poliklinik für Kinderheilkunde des Beigeladenen zu 5) nach § 119 SGB V zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung auf Überweisung von Ärzten für Kinderheilkunde, Ärzten für Neurologie und Psychiatrie und Ärzten für Kinder- und Jugendpsychiatrie zur sozialpädiatrischen Behandlung von Kindern ermächtigt. Deswegen waren die Berufungsverfahren L 11 KA 155/95 und L 11 KA 23/98 vor dem Senat anhängig. Der Zulassungsausschuß für Ärzte ermächtigte das Sozialpädiatrische Zentrum mit weiterem Beschluss vom 16.09.1998 in dem bisherigen Umfang bis zum 30.09.2000. Auf den Widerspruch des Beigeladenen zu 5) faßte der Beklagte mit Beschluss vom 03.02.1999 den Ermächtigungskatalog neu, u.a. ermächtigte er das Sozialpädiatrische Zentrum in Ziffer 4 zur sozialpädiatrischen Behandlung von Kindern mit Retardierung der motorischen und/oder geistigen Entwicklung sowie Kindern mit Teilleistungsstörungen, "minimaler cerebraler Dysfunktion" und "Schulproblemkindern" und in Ziffer 8 zur sozialpädiatrischen Behandlung von Kindern mit psychosomatischen Störungen, Verhaltensstörungen bzw. definierten kinder- und jugendpsychiatrischen Krankheitsbildern. Weiterhin wurde die Ermächtigung auf Überweisung von allen Vertragsärzen erweitert. Zur Begründung führte der Beklagte aus, auch wenn Krankhheitsbilder erfaßt würden, die ihrem Schweregrad nach nicht die Behandlung durch ein Sozialpädiatrisches Zentrum erfordern würden, sei doch eine genauere, den besonderen Schweregrad einer Krankheit präziser kennzeichnende Umschreibung nicht möglich. Die Krankheitsbeschreibungen der Ziffern 4 und 8 seien nicht zu weitgehend, weil nach den Erläuterungen der Leiterin des Zentrums wie auch des Vertreters der Kreisstelle Köln der Klägerin mit den gewählten Formulierungen durchaus schwere Krankheitsbilder bezeichnet seien, so daß in den betroffenen Fachkreisen eine Fehlinterpretation bei der Umsetzung der Ermächtigung nicht zu befürchten sei. Wie für den Zeitraum zuvor gehe der Beklagte für den niedergelassenen Bereich sowohl unter quantitativen als auch unter qualitativen Gesichtspunkten von einer Versorgungslücke aus, so daß der Überweiserkreis auf alle Vertragsärzte auszudehnen sei.
Dagegen hat die Klägerin Klage erhoben. Die Ziffern 4 und 8 der Ermächtigung seien zu weit gefaßt. Die Feststellung, daß für den Schweregrad keine genauere Umschreibung habe gefunden werden können, dürfe nicht dazu führen, die Ermächtigunng inhaltlich auf Krankheitsbilder zu erweitern, die unstreitig ihrem Schweregrad nach nicht der Behandlung durch ein Sozialpädiatrisches Zentrum bedürften. Zum Überweiserkreis hat sie vorgetragen, daß eine Behandlung in einem Sozialpädiatrischen Zentrum nur in Betracht komme, wenn die Schwere und Dauer der Krankheit nicht mehr von geeigneten niedergelassenen Ärzten oder Frühförderstellen behandelt werden könne. Nach dieser gesetzgeberischen Wertung sei eine Beschränkung des Überweiserkreises auf entsprechende Ärztegruppen geboten.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beschluss des Berufungsausschusses für Ärzte für den Bezirk der KV Nordrhein vom 03.02.1999 hinsichtlich der Ziffern 4 und 8 aufzuheben und hinsichtlich des Überweiserkreises unter Beachtung der Auffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Die Beigeladenen zu 6) und 7) haben sich dem Antrag der Klägerin angeschlossen.
Die Beigeladene zu 5) hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 16.06.1999 abgewiesen. Der Beklagte habe sich, als er den Überweiserkreis auf alle Vertragsärzte erweitert habe, innerhalb der Grenzen seiner Einschätzungsprärogative gehalten. Das gelte auch für die Formulierungen der Ziffern 4 und 8 des Ermächtigungskataloges. Auch die Klägerin sei in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage gewesen, eine genauere Eingrenzung vorzunehmen.
Mit ihrer Berufung trägt die Klägerin vor, der gesetzlichen Vorschrift des § 119 SGB V sei ein Stufenverhältnis zu entnehmen. In Abs. 2 der Vorschrift werde festgelegt, daß die Behandlung durch Sozialpädiatrische Zentren auf diejenigen Kinder auszurichten sei, die wegen der Art, Schwere oder Dauer ihrer Krankheit oder einer drohenden Krankheit nicht von geeigneten Ärzten oder in geeigneten Frühförderstellen behandelt werden können. Damit erweise sich § 119 SGB V als gesetzliche Ausformung der in der Rechtsprechung des BSG zum Überweiserkreis getroffenen Festlegungen. In erster Linie obliege danach den niedergelassenen Ärzten die sozialpädiatrische Versorgung behinderter oder von Behinderung bedrohter Kinder. Dem Vorrang der Versorgung durch geeignete Vertragsärzte oder Frühförderstellen könne nur Rechnung getragen werden durch eine Einschränkung des Überweiserkreises. Mit Ziffern 4 und 8 der Ermächtigung würden auch Krankheitsbilder erfaßt, die ihrem Schweregrad nach nicht die Behandlung durch ein Sozialpädiatrisches Zentrum erforderten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.06.1999 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 03.02.1999 aufzuheben, soweit er die Ermächtigung neugefaßt und den Kreis der überweisungsberechtigten Ärzte erweitert hat, hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates zu entscheiden.
Der Beklagte sowie die Beigeladenen zu 3), 5), 6) und 7) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, auch des Vorbringens der Beteiligten, wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Akte des Beklagten sowie die beigezogenen Akten S 19 Ka 104/96 und S 19 K 7/95 SG Köln verwiesen. Deren Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Beschluss des Beklagten ist rechtswidrig, soweit das Sozialpädiatrische Zentrum auch ermächtigt wird, Kinder mit Retardierung der motorischen und/oder geistigen Entwicklung sowie Kinder mit Teilleistungsstörungen, "minimaler cerebraler Dysfunktion" und "Schulproblemkinder" sowie Kinder mit psychosomatischen Störungen, Verhaltensstörungen bzw. definierten kinder- und jugendpsychiatrischen Krankheitsbildern zu behandeln. Er ist ferner rechtswidrig, soweit der Überweiserkreis auf alle Vertragsärzte ausgedehnt worden ist.
Gemäß § 119 Abs. 1 Satz 1 SGB V können Sozialpädiatrische Zentren, die fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen und die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche sozialpädiatrische Behandlung bieten, zur ambulanten sozialpädiatrischen Behandlung von Kindern ermächtigt werden. Die Ermächtigung ist gemäß § 119 Abs. 1 Satz 2 SGB V zu erteilen, soweit und solange sie notwendig ist, um eine ausreichende sozialpädiatrische Behandlung sicherzustellen. Diese Voraussetzungen liegen hier hinsichtlich der streitigen Punkte der Ermächtigung nicht vor.
1.
Die Klägerin kann mit ihrer Klage noch die Unbestimmtheit einzelner inhaltlicher Bestimmungen des Ermächtigungskataloges geltend machen, obwohl sie gegen den Bescheid des Zulassungsausschusses, der insoweit überhaupt keine Konkretisierung enthielt, keinen Widerspruch eingelegt hat. Der Beklagte hat mit der Beschreibung einzelner Krankheitsbilder im Ermächtigungskatalog eine völlig neue inhaltliche Regelung getroffen, die von der Klägerin nunmehr (erstmals) angefochten werden kann.
Die Ziffern 4 und 8 dieses Ermächtigungskatalogs genügen nicht den Anforderungen, die sich aus der Bestimmung des § 119 Abs. 2 Satz 1 SGB V ergeben. Danach ist die Behandlung durch Sozialpädiatrische Zentren auf diejenigen Kinder auszurichten, die wegen der Art, Schwere oder Dauer ihrer Krankheit oder einer drohenden Krankheit nicht von geeigneten Ärzten oder in geeigneten Frühförderstellen behandelt werden können. Ermächtigungen nach § 119 SGB V sind demnach zunächst im Hinblick auf die betroffenen - schweren - Krankheitsbilder oder Behinderungen inhaltlich näher zu bestimmen. Das entspricht der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-2500 § 118 Nr. 1) zu der wortgleichen Vorschrift des § 118 Abs. 2 Satz 2 SGB V. Danach müssen die Zulassungsinstanzen im Einzelfall Gegenstand und Umfang der Ermächtigung entsprechend den genannten gesetzlichen Vorgaben näher konkretisieren und im Ermächtigungsbescheid festlegen. Hinsichtlich der Punkte 4 und 8 des Ermächtigungskataloges findet sich keine hinreichende inhaltliche Bestimmung der Ermächtigung. Die genannten Krankheitsbilder sind so unspezifisch, daß eine konkrete Abgrenzung insbesondere nach Schwere und Dauer nicht möglich ist. Sie umfassen auch Erscheinungsformen, die nach den in § 119 Abs. 2 Satz 1 SGB V genannten Kriterien nicht in die Behandlung Sozialpädiatrischer Zentren gehören (vgl. Heinemann/Liebold, Kassenarztrecht, Stand: Januar 1999, § 119 SGB V Anm. C 119-5 zu Kindern mit rein schulischen Störungen). Dies hat der Beklagte selbst im angefochtenen Bescheid festgestellt. Die Schwierigkeit einer präzisen Formulierung, mit der die unbestimmte Fassung der Ziffern 4 und 8 gerechtfertigt wird, entbindet nicht von der Pflicht zur ausreichenden Konkretisierung. Die erforderliche inhaltliche Eingrenzung kann auch nicht etwa den überweisenden Ärzten oder gar den Ärzten des Sozialpädiatrischen Zentrums überlassen werden.
2.
Der Beschluss ist ferner rechtswidrig, soweit die Ermächtigung auf Überweisung aller Vertragsärzte erteilt worden ist. Zwar ist nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-2500 § 116 Nrn. 11 und 12) für eine Beschränkung des Überweiserkreises kein Raum, wenn ein quantitatives oder qualitatives Versorgungsdefizit besteht. Es ist auch unstreitig, daß im Versorgungsbereich die sozialpädiatrische Behandlung von Kindern nicht durch Praxen niedergelassener Vertragsärzte sichergestellt ist, die über die organisatorischen, personellen und apparativen Voraussetzungen wie ein Sozialpädiatrisches Zentrum verfügen (vgl. hierzu BSG SozR 3-2500 § 119 Nr.1). Hieraus kann aber lediglich auf einen grundsätzlichen Bedarf für eine Ermächtigung des Sozialpädiatrischen Zentrums geschlossen werden. Hinsichtlich des Überweiserkreises ergeben sich wiederum Besonderheiten aus der gesetzlichen Vorschrift des § 119 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Darin ist nicht nur ein wiederholter Hinweis auf den auch ansonsten geltenden Vorrang niedergelassener Vertragsärzte zu sehen, wie er bereits in § 119 Abs. 1 Satz 2 SGB V formuliert ist. Mit dem Hinweis auf "geeignete Ärzte" und der Beschränkung auf bestimmte Krankheitsbilder ist vielmehr noch einmal besonders hervorgehoben, daß die Behandlung primär durch Vertragsärzte erfolgen soll, die für die Beurteilung von Art, Schwere und Dauer der Erkrankung eines Kindes kompetent sind. Gleichzeitig folgt daraus, dass nur bei bestimmten besonderen pädiatrischen Erkrankungen die Diagnostik und Therapie in einem Sozialpädiatrischen Zentrum erfolgen soll, dass die Entscheidung über die Erforderlichkeit einer solchen Behandlung nur von denjenigen Ärzten getroffen werden kann, die ansonsten selbst die sozialpädiatrische Versorgung sicherstellen. Betont wird dies auch dadurch, dass in § 119 Abs. 2 Satz 2 SGB V eine enge Zusammenarbeit der Zentren mit den Ärzten und Frühförderstellen vorgesehen ist. Das ist nur dann sinnvoll, wenn die niedergelassenen Ärzte, die Kinder an ein Sozialpädiatrisches Zentrum überweisen, über die für eine sozialpädiatrische Behandlung erforderlichen Kenntnissse verfügen. Für die Beurteilung pädiatrischer Krankheitsbilder und des damit verbundenen Behandlungsbedarfs, insbesondere der Frage, ob die Inanspruchnahme der besonderen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten eines Sozialpädiatrischen Zentrums erforderlich ist, sind aber nicht alle Vertragsärzte qualifiziert. Nur der fachkundige Gebietsarzt kann beurteilen, ob Art und Schwere einer Störung eine Behandlung in einem Sozialpädiatrischen Zentrum erforderlich machen (vgl. Hencke, in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand: 15. Juni 1999, § 119 SGB V Rdnr. 3). Nach der Weiterbildungsordnung ist insofern von einer besonderen Kompetenz vor allem der Ärzte für Kinderheilkunde, bei psychiatrischen Krankheitsbildern auch der Ärzte für Neurologie und Psychiatrie sowie der Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie auszugehen. Dementsprechend sehen auch die Gemeinsamen Empfehlungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Bundesverbände der Krankenkassen vom 16.10.1989 zur Ermächtigung von Sozialpädiatrischen Zentren im Rahmen der ambulanten sozialpädiatrischen Betreuung von Kindern nach § 119 SGB V (abgedruckt bei Heinemann/Liebold, LZ O 17) vor, daß die Überweisung möglichst durch einen Kinderarzt erfolgen soll.
Die Einschränkung des Überweiserkreises führt nicht zu unnötigen Umwegen für die Versicherten. Sie stellt vielmehr sicher, dass zunächst die fachkompetente Beurteilung einer Störung im Kindesalter durch die dafür zuständigen Fachärzte erfolgt, die gegebenenfalls sodann eine Behandlung in Zusammenarbeit mit einem Sozialpädiatrischen Zentrum durchführen.
Da der Bescheid des Beklagten allein aus Rechtsgründen keinen Bestand haben kann, konnte der Senat in der Sache abschließend entsprechend dem Hauptantrag entscheiden.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183 und 193 SGG.
Der Senat hat im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Frage der Eingrenzung des Überweiserkreises gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG die Revision zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Umfang der Ermächtigung des Sozialpädiatrischen Zentrums der Beigeladenen zu 5).
Seit seiner Gründung im Jahr 1994 war das Sozialpädiatrische Zentrum der Klinik und Poliklinik für Kinderheilkunde des Beigeladenen zu 5) nach § 119 SGB V zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung auf Überweisung von Ärzten für Kinderheilkunde, Ärzten für Neurologie und Psychiatrie und Ärzten für Kinder- und Jugendpsychiatrie zur sozialpädiatrischen Behandlung von Kindern ermächtigt. Deswegen waren die Berufungsverfahren L 11 KA 155/95 und L 11 KA 23/98 vor dem Senat anhängig. Der Zulassungsausschuß für Ärzte ermächtigte das Sozialpädiatrische Zentrum mit weiterem Beschluss vom 16.09.1998 in dem bisherigen Umfang bis zum 30.09.2000. Auf den Widerspruch des Beigeladenen zu 5) faßte der Beklagte mit Beschluss vom 03.02.1999 den Ermächtigungskatalog neu, u.a. ermächtigte er das Sozialpädiatrische Zentrum in Ziffer 4 zur sozialpädiatrischen Behandlung von Kindern mit Retardierung der motorischen und/oder geistigen Entwicklung sowie Kindern mit Teilleistungsstörungen, "minimaler cerebraler Dysfunktion" und "Schulproblemkindern" und in Ziffer 8 zur sozialpädiatrischen Behandlung von Kindern mit psychosomatischen Störungen, Verhaltensstörungen bzw. definierten kinder- und jugendpsychiatrischen Krankheitsbildern. Weiterhin wurde die Ermächtigung auf Überweisung von allen Vertragsärzen erweitert. Zur Begründung führte der Beklagte aus, auch wenn Krankhheitsbilder erfaßt würden, die ihrem Schweregrad nach nicht die Behandlung durch ein Sozialpädiatrisches Zentrum erfordern würden, sei doch eine genauere, den besonderen Schweregrad einer Krankheit präziser kennzeichnende Umschreibung nicht möglich. Die Krankheitsbeschreibungen der Ziffern 4 und 8 seien nicht zu weitgehend, weil nach den Erläuterungen der Leiterin des Zentrums wie auch des Vertreters der Kreisstelle Köln der Klägerin mit den gewählten Formulierungen durchaus schwere Krankheitsbilder bezeichnet seien, so daß in den betroffenen Fachkreisen eine Fehlinterpretation bei der Umsetzung der Ermächtigung nicht zu befürchten sei. Wie für den Zeitraum zuvor gehe der Beklagte für den niedergelassenen Bereich sowohl unter quantitativen als auch unter qualitativen Gesichtspunkten von einer Versorgungslücke aus, so daß der Überweiserkreis auf alle Vertragsärzte auszudehnen sei.
Dagegen hat die Klägerin Klage erhoben. Die Ziffern 4 und 8 der Ermächtigung seien zu weit gefaßt. Die Feststellung, daß für den Schweregrad keine genauere Umschreibung habe gefunden werden können, dürfe nicht dazu führen, die Ermächtigunng inhaltlich auf Krankheitsbilder zu erweitern, die unstreitig ihrem Schweregrad nach nicht der Behandlung durch ein Sozialpädiatrisches Zentrum bedürften. Zum Überweiserkreis hat sie vorgetragen, daß eine Behandlung in einem Sozialpädiatrischen Zentrum nur in Betracht komme, wenn die Schwere und Dauer der Krankheit nicht mehr von geeigneten niedergelassenen Ärzten oder Frühförderstellen behandelt werden könne. Nach dieser gesetzgeberischen Wertung sei eine Beschränkung des Überweiserkreises auf entsprechende Ärztegruppen geboten.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beschluss des Berufungsausschusses für Ärzte für den Bezirk der KV Nordrhein vom 03.02.1999 hinsichtlich der Ziffern 4 und 8 aufzuheben und hinsichtlich des Überweiserkreises unter Beachtung der Auffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Die Beigeladenen zu 6) und 7) haben sich dem Antrag der Klägerin angeschlossen.
Die Beigeladene zu 5) hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 16.06.1999 abgewiesen. Der Beklagte habe sich, als er den Überweiserkreis auf alle Vertragsärzte erweitert habe, innerhalb der Grenzen seiner Einschätzungsprärogative gehalten. Das gelte auch für die Formulierungen der Ziffern 4 und 8 des Ermächtigungskataloges. Auch die Klägerin sei in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage gewesen, eine genauere Eingrenzung vorzunehmen.
Mit ihrer Berufung trägt die Klägerin vor, der gesetzlichen Vorschrift des § 119 SGB V sei ein Stufenverhältnis zu entnehmen. In Abs. 2 der Vorschrift werde festgelegt, daß die Behandlung durch Sozialpädiatrische Zentren auf diejenigen Kinder auszurichten sei, die wegen der Art, Schwere oder Dauer ihrer Krankheit oder einer drohenden Krankheit nicht von geeigneten Ärzten oder in geeigneten Frühförderstellen behandelt werden können. Damit erweise sich § 119 SGB V als gesetzliche Ausformung der in der Rechtsprechung des BSG zum Überweiserkreis getroffenen Festlegungen. In erster Linie obliege danach den niedergelassenen Ärzten die sozialpädiatrische Versorgung behinderter oder von Behinderung bedrohter Kinder. Dem Vorrang der Versorgung durch geeignete Vertragsärzte oder Frühförderstellen könne nur Rechnung getragen werden durch eine Einschränkung des Überweiserkreises. Mit Ziffern 4 und 8 der Ermächtigung würden auch Krankheitsbilder erfaßt, die ihrem Schweregrad nach nicht die Behandlung durch ein Sozialpädiatrisches Zentrum erforderten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.06.1999 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 03.02.1999 aufzuheben, soweit er die Ermächtigung neugefaßt und den Kreis der überweisungsberechtigten Ärzte erweitert hat, hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates zu entscheiden.
Der Beklagte sowie die Beigeladenen zu 3), 5), 6) und 7) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, auch des Vorbringens der Beteiligten, wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Akte des Beklagten sowie die beigezogenen Akten S 19 Ka 104/96 und S 19 K 7/95 SG Köln verwiesen. Deren Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Beschluss des Beklagten ist rechtswidrig, soweit das Sozialpädiatrische Zentrum auch ermächtigt wird, Kinder mit Retardierung der motorischen und/oder geistigen Entwicklung sowie Kinder mit Teilleistungsstörungen, "minimaler cerebraler Dysfunktion" und "Schulproblemkinder" sowie Kinder mit psychosomatischen Störungen, Verhaltensstörungen bzw. definierten kinder- und jugendpsychiatrischen Krankheitsbildern zu behandeln. Er ist ferner rechtswidrig, soweit der Überweiserkreis auf alle Vertragsärzte ausgedehnt worden ist.
Gemäß § 119 Abs. 1 Satz 1 SGB V können Sozialpädiatrische Zentren, die fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen und die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche sozialpädiatrische Behandlung bieten, zur ambulanten sozialpädiatrischen Behandlung von Kindern ermächtigt werden. Die Ermächtigung ist gemäß § 119 Abs. 1 Satz 2 SGB V zu erteilen, soweit und solange sie notwendig ist, um eine ausreichende sozialpädiatrische Behandlung sicherzustellen. Diese Voraussetzungen liegen hier hinsichtlich der streitigen Punkte der Ermächtigung nicht vor.
1.
Die Klägerin kann mit ihrer Klage noch die Unbestimmtheit einzelner inhaltlicher Bestimmungen des Ermächtigungskataloges geltend machen, obwohl sie gegen den Bescheid des Zulassungsausschusses, der insoweit überhaupt keine Konkretisierung enthielt, keinen Widerspruch eingelegt hat. Der Beklagte hat mit der Beschreibung einzelner Krankheitsbilder im Ermächtigungskatalog eine völlig neue inhaltliche Regelung getroffen, die von der Klägerin nunmehr (erstmals) angefochten werden kann.
Die Ziffern 4 und 8 dieses Ermächtigungskatalogs genügen nicht den Anforderungen, die sich aus der Bestimmung des § 119 Abs. 2 Satz 1 SGB V ergeben. Danach ist die Behandlung durch Sozialpädiatrische Zentren auf diejenigen Kinder auszurichten, die wegen der Art, Schwere oder Dauer ihrer Krankheit oder einer drohenden Krankheit nicht von geeigneten Ärzten oder in geeigneten Frühförderstellen behandelt werden können. Ermächtigungen nach § 119 SGB V sind demnach zunächst im Hinblick auf die betroffenen - schweren - Krankheitsbilder oder Behinderungen inhaltlich näher zu bestimmen. Das entspricht der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-2500 § 118 Nr. 1) zu der wortgleichen Vorschrift des § 118 Abs. 2 Satz 2 SGB V. Danach müssen die Zulassungsinstanzen im Einzelfall Gegenstand und Umfang der Ermächtigung entsprechend den genannten gesetzlichen Vorgaben näher konkretisieren und im Ermächtigungsbescheid festlegen. Hinsichtlich der Punkte 4 und 8 des Ermächtigungskataloges findet sich keine hinreichende inhaltliche Bestimmung der Ermächtigung. Die genannten Krankheitsbilder sind so unspezifisch, daß eine konkrete Abgrenzung insbesondere nach Schwere und Dauer nicht möglich ist. Sie umfassen auch Erscheinungsformen, die nach den in § 119 Abs. 2 Satz 1 SGB V genannten Kriterien nicht in die Behandlung Sozialpädiatrischer Zentren gehören (vgl. Heinemann/Liebold, Kassenarztrecht, Stand: Januar 1999, § 119 SGB V Anm. C 119-5 zu Kindern mit rein schulischen Störungen). Dies hat der Beklagte selbst im angefochtenen Bescheid festgestellt. Die Schwierigkeit einer präzisen Formulierung, mit der die unbestimmte Fassung der Ziffern 4 und 8 gerechtfertigt wird, entbindet nicht von der Pflicht zur ausreichenden Konkretisierung. Die erforderliche inhaltliche Eingrenzung kann auch nicht etwa den überweisenden Ärzten oder gar den Ärzten des Sozialpädiatrischen Zentrums überlassen werden.
2.
Der Beschluss ist ferner rechtswidrig, soweit die Ermächtigung auf Überweisung aller Vertragsärzte erteilt worden ist. Zwar ist nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-2500 § 116 Nrn. 11 und 12) für eine Beschränkung des Überweiserkreises kein Raum, wenn ein quantitatives oder qualitatives Versorgungsdefizit besteht. Es ist auch unstreitig, daß im Versorgungsbereich die sozialpädiatrische Behandlung von Kindern nicht durch Praxen niedergelassener Vertragsärzte sichergestellt ist, die über die organisatorischen, personellen und apparativen Voraussetzungen wie ein Sozialpädiatrisches Zentrum verfügen (vgl. hierzu BSG SozR 3-2500 § 119 Nr.1). Hieraus kann aber lediglich auf einen grundsätzlichen Bedarf für eine Ermächtigung des Sozialpädiatrischen Zentrums geschlossen werden. Hinsichtlich des Überweiserkreises ergeben sich wiederum Besonderheiten aus der gesetzlichen Vorschrift des § 119 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Darin ist nicht nur ein wiederholter Hinweis auf den auch ansonsten geltenden Vorrang niedergelassener Vertragsärzte zu sehen, wie er bereits in § 119 Abs. 1 Satz 2 SGB V formuliert ist. Mit dem Hinweis auf "geeignete Ärzte" und der Beschränkung auf bestimmte Krankheitsbilder ist vielmehr noch einmal besonders hervorgehoben, daß die Behandlung primär durch Vertragsärzte erfolgen soll, die für die Beurteilung von Art, Schwere und Dauer der Erkrankung eines Kindes kompetent sind. Gleichzeitig folgt daraus, dass nur bei bestimmten besonderen pädiatrischen Erkrankungen die Diagnostik und Therapie in einem Sozialpädiatrischen Zentrum erfolgen soll, dass die Entscheidung über die Erforderlichkeit einer solchen Behandlung nur von denjenigen Ärzten getroffen werden kann, die ansonsten selbst die sozialpädiatrische Versorgung sicherstellen. Betont wird dies auch dadurch, dass in § 119 Abs. 2 Satz 2 SGB V eine enge Zusammenarbeit der Zentren mit den Ärzten und Frühförderstellen vorgesehen ist. Das ist nur dann sinnvoll, wenn die niedergelassenen Ärzte, die Kinder an ein Sozialpädiatrisches Zentrum überweisen, über die für eine sozialpädiatrische Behandlung erforderlichen Kenntnissse verfügen. Für die Beurteilung pädiatrischer Krankheitsbilder und des damit verbundenen Behandlungsbedarfs, insbesondere der Frage, ob die Inanspruchnahme der besonderen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten eines Sozialpädiatrischen Zentrums erforderlich ist, sind aber nicht alle Vertragsärzte qualifiziert. Nur der fachkundige Gebietsarzt kann beurteilen, ob Art und Schwere einer Störung eine Behandlung in einem Sozialpädiatrischen Zentrum erforderlich machen (vgl. Hencke, in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand: 15. Juni 1999, § 119 SGB V Rdnr. 3). Nach der Weiterbildungsordnung ist insofern von einer besonderen Kompetenz vor allem der Ärzte für Kinderheilkunde, bei psychiatrischen Krankheitsbildern auch der Ärzte für Neurologie und Psychiatrie sowie der Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie auszugehen. Dementsprechend sehen auch die Gemeinsamen Empfehlungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Bundesverbände der Krankenkassen vom 16.10.1989 zur Ermächtigung von Sozialpädiatrischen Zentren im Rahmen der ambulanten sozialpädiatrischen Betreuung von Kindern nach § 119 SGB V (abgedruckt bei Heinemann/Liebold, LZ O 17) vor, daß die Überweisung möglichst durch einen Kinderarzt erfolgen soll.
Die Einschränkung des Überweiserkreises führt nicht zu unnötigen Umwegen für die Versicherten. Sie stellt vielmehr sicher, dass zunächst die fachkompetente Beurteilung einer Störung im Kindesalter durch die dafür zuständigen Fachärzte erfolgt, die gegebenenfalls sodann eine Behandlung in Zusammenarbeit mit einem Sozialpädiatrischen Zentrum durchführen.
Da der Bescheid des Beklagten allein aus Rechtsgründen keinen Bestand haben kann, konnte der Senat in der Sache abschließend entsprechend dem Hauptantrag entscheiden.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183 und 193 SGG.
Der Senat hat im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Frage der Eingrenzung des Überweiserkreises gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG die Revision zugelassen.
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