L 2 U 270/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 U 5052/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 270/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Teilnahme eines Landwirts und Pferdezüchters am traditionell durchgeführten Leonhardiritt ist keine unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehende betriebliche Tätigkeit
Bemerkung
S 10 U 5054/00
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 05.07.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 1945 geborene Kläger zu 2) und die am 1973 geborene Klägerin zu 1), seine Tochter, erlitten am 06.11.1999 gegen 17.00 Uhr einen Unfall, als die Kutsche, die der Kläger lenkte - die Klägerin war Beifahrerin - gegen eine Mauer stieß, die Kläger herabstürzten und mitgeschleift wurden.

Der Kläger bewirtschaftet eine landwirtschaftliche Nutzfläche von 96,7 Hektar, im Wesentlichen Äcker, sowie forstwirtschaftliche Grundstücke von 38,8 Hektar. Neben der Schweinezucht besteht als Nebenbetrieb eine Pferdezucht mit drei Haflingern. Bei der telefonischen Unfallmeldung vom 08.11.1999 gab der Kläger an, er und die Klägerin seien zum Unfallzeitpunkt mit der Pferdeausbildung beschäftigt gewesen.

Aus der Verkehrsunfallanzeige der Polizeiinspektion Amberg vom 07.11.1999 ergibt sich, die Kläger hätten die Absicht gehabt, am Leonhardiritt teilzunehmen. Die Gemeindeverwaltung E. teilte am 31.01.2000 telefonisch mit, der jährliche Leonhardiumritt habe am 06.11.1999 um 17.30 Uhr oder 18.00 Uhr stattgefunden. Er werde von der Kirchenverwaltung W. veranstaltet. Die Teilnehmer seien Pferdehalter aus dem Dorf und der Umgebung.

Mit den Bescheiden vom 07.02.2000 lehnte die Beklagte Entschädigungsansprüche der Kläger ab. Die unfallbringende Tätigkeit, die Teilnahme am Leonhardiritt, habe in keinem Zusammenhang mit dem landwirtschaftlichen Unternehmen gestanden, sondern sei vielmehr aus Gründen der Brauchtumspflege erfolgt und da- her dem persönlichen unversicherten Lebensbereich zuzuordnen. Ein Arbeitsunfall liege somit nicht vor.

Die Kläger wandten mit den Widersprüchen vom 08.03.2000 ein, bei der Leonhardifahrt werde der Schutzpatron der landwirtschaftlichen Tiere und Pferde um seinen Beistand gebeten. Es bestehe eine landwirtschaftliche Notwendigkeit zur Teilnahme und somit ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem landwirtschaftlichen Unternehmen.

Die Beklagte hat die Widersprüche mit Widerspruchsbescheiden vom 23.05.2000 zurückgewiesen. Die Teilnahme an einem Leonhardiritt, um dabei Schutz und Segen für die Tiere zu erflehen, stelle keine betriebsdienliche Tätigkeit dar, sondern sei dem privaten unversicherten Lebensbereich zuzuordnen.

Mit den Klagen vom 23.06. und 26.06.2000 haben die Kläger nochmals darauf hingewiesen, die Leonhardifahrt sei eine mit der Landwirtschaft untrennbar verbundene notwendige Maßnahme, die eine betriebsbedingte Tätigkeit darstelle. Denn um Schutz und Segen für die Tiere und den Hof zu bitten, sei in einer religiös geprägten katholischen landwirtschaftlichen Lebens- und Arbeitsgemeinschaft unabdingbar mit Hof, Tier und Betriebserwerb verbunden.

Pater S. von katholischen Pfarramt E. hat auf Anfrage des SG im Schreiben vom 07.01.2001 mitgeteilt, die Kirchenverwaltung richte den Leonhardiritt seit nunmehr zehn Jahren aus. Es würden die Pferdehalter der Umgebung eingeladen. Die Veranstaltung werde vom Pfarrer an der Leonhardi-Kapelle eröffnet, dann erfolge der Zug zur W. Kirche; dort fänden die Pferdesegnung und anschließend ein Gottesdienst statt. Es handle sich um eine kirchliche-religiöse Veranstaltung, so werde sie auch von den Beteiligten aufgefasst.

Im Termin vom 05.07.2001 hat das SG die Streitsachen der Kläger zur gemeinsamen mündlichen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Mit Urteil vom 05.07.2001 hat das SG die Klagen abgewiesen. Die Ausübung des Glaubens sei dem nicht versicherten Tätigkeitsbereich eines Landwirts zuzuordnen. Die Klägerin sei als Beifahrerin nicht wie eine Versicherte für den Kläger tätig geworden.

Mit der Berufung vom 21.08.2001 verweisen die Kläger noch einmal darauf, es sei für einen katholischen, in der Oberpfalz beheimateten Landwirt eine Selbstverständlichkeit, sich aus alter Tradition und religiöser Überzeugung an der Wallfahrt mit seinen Tieren zu beteiligen. Es handle sich um eine landwirtschaftsbezogene Tätigkeit, bei der der Unternehmer für sich, seinen Hof und seine Tiere die Vermittlung des heiligen Leonhard anrufe. Ebenso wie es eine persönliche wirtschaftliche Entscheidung sei, ob man Kunstdünger verwende oder nicht, sei es auch eine persönliche Entscheidung, ob man den Segen des Himmels für notwendig halte oder nicht.

Die Kläger beantragen, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 05.07.2001 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.02.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2000 zu verurteilen, den Unfall der Klägerin zu 1) vom 06.11.1999 als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihr Entschädigungsleistungen zu gewähren sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.02.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2000 zu verurteilen, den Unfall des Klägers zu 2) vom 06.11.1999 als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm Entschädigungsleistungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Beklagtenakten sowie der Klage- und Berufsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Kläger zu 1) und 2) ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs.1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit. Voraussetzung ist, dass die zum Unfall führende Verrichtung mit der versicherten Tätigkeit sachlich verknüpft ist, der Unfall ursächlich auf der versicherten Tätigkeit beruht und im Sinne der haftungsausfüllenden Kausalität einen Gesundheitsschaden bewirkt hat.

Der Kläger zu 2) hat zum Zeitpunkt des Unfalls am 06.11.1999 keine den Versicherungsschutz begründende Tätigkeit ausgeübt. Als landwirtschaftlicher Unternehmer ist er gemäß § 2 Abs.1 Nr.5 SGB VII Kraft Gesetzes versichert, aber nur, soweit er unternehmerische Tätigkeiten verrichtet, nicht im Rahmen von unversicherten eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten. Der zum Eintritt des Versicherungsschutzes notwendige innere ursächliche Zusammenhang der zum Unfall führenden Tätigkeit mit dem Unternehmen ist nur dann zu bejahen, wenn die unfallbringende Tätigkeit für das Unternehmen unmittelbare konkrete Bedeutung hat. Allgemeine Überlegungen, ein Verhalten könne geschäftsnützlich sein, genügen daher nicht (vgl. Kasseler Kommentar § 8 SGB VII Rdnr.132 ff. m.w.N.).

Diese sachliche Verbindung mit der Betriebstätigkeit und dem Unternehmen, die es rechtfertigt, das Verhalten des Klägers der versicherten Tätigkeit zuzurechen, ist hier nicht gegeben. Zwar mag es innerhalb einer dörflichen Gemeinschaft allgemein im Betriebsinteresse eines Landwirts liegen, sich möglichst positiv sozial in die Dorfgemeinschaft einzuordnen. Eine sachliche Verbindung mit der Betriebstätigkeit ist aber nur dann gegeben, wenn die Tätigkeit den Betrieb auch direkt fördert, wenn also die individuellen Betriebs- und Absatzchancen berührt werden. Dies war bei der Teilnahme am Leonhardiritt nicht der Fall. Zwar ist der heilige Leonhard als Patron des Viehs, insbeson- dere der Pferde, in Bayern geschätzt und verehrt; der Einwand, die Teilnahme gehöre in Bayern traditionell zum Betriebsablauf eines landwirtschaftlichen Unternehmens und sei als landwirtschaftlicher Brauch zu betrachten, ist aber nicht überzeugend, weil die Herkunft eines Brauches für die Frage des Versicherungsschutzes unerheblich ist. Vielmehr ist die Anwendung des Brauchtums nach heutigen Gesichtspunkten zu beurteilen. Der Leonhardiritt, eine auf religiösem Brauchtum beruhende gesellschaftliche Veranstaltung der Pferdeeigentümer mit priesterlicher Segnung der Pferde, diente nicht wesentlich dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers. Wenn sich der Kläger aufgrund seiner religiösen Überzeugung einen wirtschaftlichen Nutzen als landwirtschaftlicher Unternehmer von der Teilnahme versprach, so handelt es sich hier nur um einen in der persönlichen und privaten Vorstellung des Klägers begründeten Zusammenhang, der aus der Sicht der Unfallversicherung nicht zu berücksichtigen ist. Auch soweit neben dem religiösen Beweggrund die Repräsentation eine Rolle spielte, würde es sich um eine rein eigenwirtschaftliche Betätigung des Klägers und Pferdeeigentümers handeln, für die kein Unfallversicherungsschutz gegeben ist (vgl. BayLSG vom 25.06.1964, Breithaupt 1965, S.846). Zudem hat die Kirchenverwaltung dem SG mitgeteilt, nicht nur Land- wirte, sondern überhaupt Pferdehalter seien zur Teilnahme aufgefordert worden; auch ist es in Bayern üblich, dass auswärtige Zuschauer an dem Fest teilnehmen. Somit handelt es sich nicht um eine zum landwirtschaftlichen Betriebsablauf gehörende, betriebsspezifische Tätigkeit (vgl. LSG Baden-Württemberg vom 29.11.1984, L 10 U 1417/84).

Im Hinblick darauf, dass der Kläger eine rein eigenwirtschaftliche Tätigkeit verrichtete, kommt ein Unfallversicherungsschutz unter dem Gesichtspunkt der besonderen Betriebsgefahr nicht in Betracht. Denn dem Kläger bekannte und von ihm beherrschbare Betriebsgefahren, wie das Lenken einer Pferdekutsche, rechtfertigen es nicht, dem Moment der Betriebsgefahr den Vorrang vor dem Gesichtspunkt der eigenwirtschaftlichen Verrichtung einzuräumen.

Bei der Teilnahme an der Leonhardifahrt war die Klägerin, auch wenn man von einem inneren Zusammenhang der Fahrt mit dem Betrieb ausginge, schon darum nicht versichert, weil sie im landwirtschaftlichen Unternehmen ihres Vaters nur ganz kurzfristig mitgearbeitet hat. Versichert sind Kraft Gesetzes aber nur Personen, die als Familienangehörige im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeiten (§2 Abs.1 Nr.5 b SGB VII). Bei lebensnaher und vernünftiger Betrachtungsweise der gesamten Umstände kann die Teilnahme an der Kutschenfahrt ohnedies nur im Rahmen des Familienverhältnisses beurteilt werden. Selbst wenn sich die Klägerin dem Wunsch des Vaters nach ihrer Teilnahme nicht hätte entziehen können, hätte dies seinen ausschlaggebenden Grund in dem persönlichen Verhältnis der Klägerin zu ihrem Vater gehabt.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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