L 2 U 280/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 U 5058/99.L
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 280/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 24.05. 2000 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 25.11.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.12.1999 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am ...1945 geborene Kläger, Besitzer einer Reithalle, stürzte am 10.11.1996 beim Reiten eines jungen Pferdes. Am gleichen Tag suchte er den praktischen Arzt Dr.B ... auf, der eine Kontusion der Lendenwirbelsäule mit LWK 3-Fraktur diagnostizierte. Das MRT vom 14.11.1996 zeigte eine Fraktur des LWK 3 ohne dorsale Dislokationszeichen sowie eine Kontusion der Lendenwirbelkörper LWK 2 und 4, Diskopathie der Segmente LWK 4/5 und LWK 5/SWK 1 mit beginnender Osteoarthropathie, keinen Nachweis einer Bandscheibenprotrusion.

Der Durchgangsarzt, der Chirurg Dr.G ..., stellte am 10.11.1996 die Diagnose: teilkonsolidierte Kompressionsfraktur des 3. LWK. Der Kläger gab ihm gegenüber an, er trage seit sechs Wochen ein Korsett, habe aber nach wie vor Rückenschmerzen. Im Befundbericht vom 23.01.1997 erklärte Dr.B ..., der Kläger leide noch unter Schmerzen bei körperlicher Belastung und Beugung der Lendenwirbelsäule. Ein weiteres MRT vom 07.01.1997 zeigte einen Zustand nach Fraktur des LWK 3 ohne dorsale Dislokationszeichen. Im Befundbericht vom 17.04.1997 erwähnte Dr.B ..., der Kläger gebe Restbeschwerden, die sich im Laufe des Tages besserten, an.

Im Gutachten vom 20.08.1997 führte der Chirurg Dr.Br ... aus, der Kläger sei direkt auf den Rücken gefallen. Unfallfolgen seien eine Kompression des 3. Lendenwirbelkörpers mit Deckplatteneinbruch, Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule und glaubhafte Belastungsbeschwerden. Die MdE sei mit 20 v.H. einzuschätzen. Der beratende Arzt, der Chirurg Dr. Sch ..., schlug am 22.08.1997 eine MdE von 20 v.H. bis zum Ende des ersten Unfalljahres vor.

Mit Bescheid vom 24.10.1997 erkannte die Beklagte den Unfall als Arbeitsunfall an und gewährte als vorläufige Entschädigung vom 01.05.1997 bis 30.11.1997 eine Rente in Höhe von 20 v.H. der Vollrente. Danach liege eine zu entschädigende MdE voraussichtlich nicht mehr vor.

Mit Schreiben vom 31.10.1997 übersandte der Kläger ein Schreiben des Dr.Br ... vom 23.10.1997 an die A ... Versicherungs-AG in dem ausgeführt wird, es bestehe wegen Kompression des 3. Lendenwirbelkörpers eine MdE von 20 v.H., die dauernd bestehen bleiben werde.

Im Gutachten vom 19.01.1998 führte der Orthopäde Dr.D ... aus, der Kläger klage über Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule, außerdem über rechtsseitige Ellenbogenbeschwerden radial mit Ausstrahlung bis zum Handgelenk; er gebe an, er sei auch auf die rechte Hand gefallen. Die Ellenbogenbeschwerden im Sinne einer Epicondylitis radialis sowie die Verdickung des Endgelenkes des 4.Fingers der rechten Hand seien nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen. Als Unfallfolgen bestünden ein unter leichter keilförmiger Deformierung stabil und ohne Achsenknick verheilter Deckplatteneinbruch des 3. Lendenwirbelkörpers. Die MdE sei ab 01.12.1997 auf unter 10 v.H. einzuschätzen.

Mit Bescheid vom 20.02.1998 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rentengewährung über den 30.11.1997 hinaus ab.

Den Widerspruch vom 26.02.1998, mit dem der Kläger geltend machte, sowohl die Beschwerden an der Lendenwirbelsäule als auch am rechten Ellenbogen und der Hand seien durch den Sturz entstanden, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.04.1998 zurück.

Im Klageverfahren (S 9 U 5023/98) zog das SG einen Befundbericht des Dr.B ... vom 28.07.1998 bei, in dem Dr.B ... angab, seit dem Unfall klage der Patient über anhaltende Schmerzen im Bereich der LWS, der rechten Mittelhand und des Ellenbogens als Folge einer Kontusion.

Dr.B ... übersandte einen Bericht des Krankenhauszweckverbandes K ... über stationäre Behandlung vom 27.01.1995 bis 02.02.1995 mit den Diagnosen: benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel, beginnende vasculäre Encephalopathie, Zustand nach Sturz vom Pferd auf den Hinterkopf.

Im Schreiben vom 13.08.1998 gab der Kläger an, die Schmerzen im Ellenbogen und der Hand habe er drei bis vier Tage nach dem Unfall verstärkt bemerkt; beim Sturz habe er versucht, den Aufprall mit Ellenbogen und Hand zu mildern.

Im Gutachten vom 23.09.1998 führte der Orthopäde Dr.W ... aus, durch den Unfall sei es zu einem unter leichter keilförmiger Deformierung stabil verheilten Deckplattenbruch des 3. Lendenwirbelkörpers ohne Achsenabweichung gekommen. Die Ellenbogenbeschwerden sowie die Verdickung des Endgelenkes am 4.Finger rechts seien nicht als Unfallfolgen nachzuweisen, da in den Unfallberichten darüber keinerlei Angaben gemacht würden. Die MdE sei früher mit 10 bzw. unter 10 v.H. angemessen bewertet gewesen. Jetzt sei sie mit 20 v.H. einzuschätzen.

Nachdem die Beklagte eine Stellungnahme des Dr. Sch ... vom 22.10.1998 vorgelegt hatte, der ausführte, die Rentenschätzung im Gutachten des Dr.W ... müsse als überhöht betrachtet werden, erklärte Dr.W ... in der Stellungnahme vom 11.11.1998, aufgrund der glaubhaften und objektivierbaren anhaltenden Schmerzen, der Funktionseinschränkung sowie im Hinblick darauf, dass der Kläger ein Korsett tragen müsse, halte er eine MdE von 20 v.H. auf Dauer für gerechtfertigt.

Der vom SG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr.L ... führte im Gutachten vom 30.11.1998 aus, beim Kläger sei die leicht eingeschränkte Beweglichkeit bei achsengerecht verheiltem Bruch mit nicht mehr als höchstens 10 v.H. zu bewerten. Die Tatsache, dass der Kläger immer noch das Stützkorsett benütze, könne mit den Unfallfolgen kaum in Zusammenhang gebracht werden; man müsse hier auf die sicher unfallunabhängig vorbestehenden Bandscheibendegenerationsschäden hinweisen. Die MdE sei ab 01.12.1997 bis 30.11.1998 mit 10 v.H., danach mit unter 10 v.H. zu bewerten.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 08.07.1999 schlossen die Beteiligten einen Vergleich, in dem der Kläger die Klage zurücknahm und Antrag auf Verletztenrente wegen Verschlimmerung der Unfallfolgen stellte. Die Beklagte erklärte sich bereit, den Verschlimmerungsantrag sowie Behandlungsmöglichkeiten durch die Unfallklinik M ... prüfen zu lassen.

Im Gutachten vom 17.08.1999 führten der Chirurg Prof. Dr.Bü ... und Dr.R ... aus, in den Aktenunterlagen, vor allem in den Erstbefunden, werde keine Verletzung im Bereich des rechten Ellenbogengelenks erwähnt. Der Kläger beteuere, dass er primär auf die Außenseite des rechten Ellenbogens gestürzt sei, dann auf den Rücken. Dies sei durchaus glaubhaft. Eine wesentliche funktionelle Beeinträchtigung, d.h. eine Einschränkung der Beweglichkeit, bestehe nicht, lediglich eine Streckhemmung um 5 Grad. Die Oberarmmuskulatur rechts sei besser ausgebildet als links, daher bestehe der dringende Verdacht, dass es sich im Wesentlichen um eine Epicondylitis radialis humeri handle, zumal eine Prellung des Ellenbogens im Allgemeinen nach spätestens drei Wochen ausheile. Unfallunabhängig bestünden Bandscheibenprotrusionen zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbel und dem 5. Lenden- und 1. Sacralwirbel. Da dieser Befund bereits zwei Tage nach dem Unfallgeschehen im MRT zu erkennen gewesen sei, müsse er als unfallunabhängig angesehen werden. Wegen des unter keilförmiger Deformierung, d.h. Höhenminderung um gut 0,5 cm, knöchern festdurchbauten Stauchungsbruchs des 3. LWK sei eine MdE von 20 v.H. gegeben.

Der Allgemeinmediziner Dr.B ... bestätigte im Schreiben vom 01.10.1999, vor November 1996 sei der Kläger wegen Ellenbogenbeschwerden nicht in seiner Behandlung gewesen. Die Schmerzen seien durchaus vereinbar mit dem Sturz vom Pferd, da der Kläger versucht habe, sich mit dem rechten Arm abzustützen.

Hierzu erklärte Prof.Dr.Bü ... in der Stellungnahme vom 08.11. 1999, wenn ein stärkeres Trauma auf den Epicondylus erfolgt wäre, hätten stärkere Beschwerden sofort nach dem Unfall auftreten müssen, so dass der Kläger sicher sofort darauf hingewiesen hätte. Im Erstbefund sei kein Hämatom in diesem Bereich festgestellt worden. Im Übrigen sei bezüglich der Unfallfolgen eine Verschlimmerung nicht eingetreten.

Der beratende Arzt Dr.Sch ... führte am 23.11.1999 aus, da die Verletzung im vorderen Teil des Wirbelkörpers gelegen habe, sei eine Unfallschädigung nervöser Strukturen außerordentlich unwahrscheinlich. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule sei offenbar auch nicht wesentlich behindert, insbesondere liege keine umschriebene Bewegungseinschränkung in Höhe des 3. LWK vor. In Übereinstimmung mit den Ausführungen in Schönberger-Mehrtens-Valentin, könne nach den objektiv festgestellten Befunden die MdE-Einschätzung keinesfalls höher als 10 v.H. liegen.

Mit Bescheid vom 25.11.1999 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rentenwiedergewährung wegen Verschlimmerung der Unfallfolgen ab. Den Widerspruch des Klägers vom 29.11.1999 wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.1999 zurück.

Mit der Klage vom 22.12.1999 hat der Kläger weiterhin Beschwerden an Lendenwirbelsäule und Ellenbogen geltend gemacht.

Prof.Dr.Bü ... hat in der Stellungnahme vom 21.02.2000 ausgeführt, der Hinweis auf Schönberger-Mehrtens-Valentin sei nicht haltbar, da dort nicht zwischen den drei Wirbelsäulenabschnitten unterschieden werde. Eine MdE von 20 v.H. allein für die Unfallfolgen an der Lendenwirbelsäule erscheine gerechtfertigt bei erheblichen Muskelverhärtungen mit Ausstrahlung. Funktionell bestehe noch endgradige Einschränkung der Beweglichkeit, vor allem der Überstreckbarkeit.

Die Beklagte hat ein Gutachten des Orthopäden Dr.L ... vom 03.04.2000 übersandt, in dem Dr.L ... ausführt, nach dem Röntgenbefund sei der Bruch stabil verheilt. Eine wesentliche funktionelle Beeinträchtigung, die eine MdE um 20 v.H. begründen könnte, liege nicht vor. Selbst wenn man die subjektiven Beschwerden und die durch den dauernden Gebrauch eines Stützmieders verkümmerte Muskulatur als Unfallfolge mit einbeziehe, könne die MdE unter objektiven Kriterien nicht mehr als 10 v.H. betragen.

Mit Gerichtsbescheid vom 24.05.2000 verurteilte das SG die Beklagte, dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren. Sowohl der Gerichtsgutachter Dr.W ... als auch die von der Beklagten eingeschaltete Unfallklinik M ... hielten eine MdE von 20 v.H. für angemessen. Durch die keilförmige Deformierung des 3. LWK sei eine deutliche Störung der physiologischen Hohlkrümmung der LWS aufgetreten. An der LWS sei eine Abflachung besonders ungünstig und führe zu rezidivierenden belastungsabhängigen Muskelverspannungen und entsprechenden Schmerzen.

Mit der Berufung vom 28.06.2000 verweist die Beklagte auf Stellungnahmen von Prof.Dr.H ..., Prof.Dr.Bü ... und Dr.R ...

Prof.Dr.H ... führt aus, Dr.W ... stelle eine objektivierbare schmerzhafte Funktionseinschränkung fest, die voraussetzen würde, dass ein funktionelles Defizit nachweisbar wäre. Dies widerspreche der Aussage, dass der Deckplattenbruch stabil verheilt sei. Die Tatsache, dass der Kläger immer noch das Stützkorsett benütze, könne, da eine medizinische Indikation nicht vorliege, nicht für die MdE-Bewertung herangezogen werden. Dr.L ... vertrete zutreffend die Auffassung, dass ein knöchern fest verheilter Wirbelkörperbruch mit einer MdE unter 10 v.H. einzuschätzen sei.

Prof.Dr.Bü ... und Dr.R ... erklären im Schreiben vom 21.06.2000, bei erneuter Durchsicht der Akten und in Kenntnis der aktuellen Literatur seien sie nun der Auffassung, dass eine MdE von 20 v.H. nicht aufrechterhalten werden könne. Da eine stabile Ausheilung des 3. Lendenwirbelkörperbruches zustande gekommen sei und die Veränderungen am rechten Ellenbogen nicht dem Unfallereignis zuzuordnen seien, sei eine MdE von 10 v.H. gegeben. Dies gelte ab 01.12.1997.

Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr.F ..., kommt im Gutachten vom 07.09.2000 zusammenfassend zu dem Ergebnis, eine Instabilität der verheilten Fraktur sei nicht verblieben. Auch eine Defektheilung liege nicht vor. Ein Knickwinkel als Folge der leichten Keilform sei nicht messbar. Die Wirbelsäulenhaltemuskulatur sei wieder ertüchtigt, denn der Kläger könne sich frei aufrichten. Eine Bandscheibenbeteiligung liege nicht vor und sei insbesondere kernspintomographisch mehrfach ausgeschlossen. Eine Höherbewertung der MdE bei Vorschaden würde voraussetzen, dass der Vorschaden bereits vor dem Unfall die physiologischen Kompensationskräfte des Körpers nennenswert in Anspruch genommen habe; dafür ergebe sich aus den Aktenaufzeichnungen und den Angaben des Klägers kein Hinweis. Die MdE sei mit 10 v.H. grenzwertig hoch bewertet.

Mit Schreiben vom 05.09.2000 an den Sachverständigen Dr.F ... erklärt der Kläger, er sei bei dem Sturz auf den Hinterkopf gestürzt, so dass er ca. 30 Sekunden nicht bei Bewußtsein gewesen sei.

Im Schreiben vom 14.09.2000 erklärt der Kläger, der erstbehandelnde Arzt könne die Schmerzen am Ellenbogen, die durch den Sturz entstanden seien, bestätigen. Im Schreiben vom 27.09.2000 verweist der Kläger auf die Schmerzen am Rücken, am Ellenbogen und darauf, dass er auf den Hinterkopf gefallen sei. Auch hier bestehe ein Zusammenhang mit den Beschwerden an der rechten Hand.

Die Beklagte stellt den Antrag,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 24.05.2000 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 25.11.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.12.1999 abzuweisen.

Der Kläger stellt den Antrag,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und sachlich begründet.

Die Entscheidung richtet sich nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, da der streitige Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 eingetreten ist und über einen daraus resultierenden Leistungsanspruch vor dem 01.01.1997 zu entscheiden gewesen wäre (§§ 212, 214 Abs.3 SGB VII i.V.m. § 580 RVO).

Ein Arbeitsunfall setzt gemäß § 548 Abs.1 RVO einen Unfall voraus, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten versicherten Tätigkeiten erleidet. Der Begriff des Unfalls erfordert ein äußeres Ereignis, d.h. einen von außen auf den Körper einwirkenden Vorgang der rechtlich wesentlich den Körperschaden verursacht hat (vgl. BSGE 23, 139, 141). Das äußere Ereignis muss mit der die Versicherteneigenschaft begründenden Tätigkeit rechtlich wesentlich zusammenhängen. Dabei bedürfen alle rechtserheblichen Tatsachen des vollen Beweises, d.h. sie müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorgelegen haben (vgl. BSGE 45, 285). Die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt nur insoweit, als der ursächliche Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Bedingung zwischen der der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden und zum Unfall führenden Verrichtung und dem Unfall selbst sowie der Zusammenhang betroffen ist, der im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen dem Arbeitsunfall und der maßgebenden Verletzung bestehen muss (Krasney VSSR 1993, 81, 114).

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 24.05.2000 ist aufzuheben, denn der Arbeitsunfall des Klägers vom 10.11.1996 hat über den 30.11.1997 hinaus keine bleibenden Gesundheitsstörungen, die eine MdE von wenigstens 20 v.H. der Vollrente bedingen würden, zurückgelassen. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem schlüssigen Gutachten des ärztlichen Sachverständigen Dr.F ..., der nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 04.09.2000 und Auswertung der ärztlichen Unterlagen in den Akten zu dem Ergebnis gekommen ist, dass ab 01.12.1997 eine höhere MdE als 10 v.H. nicht verblieben ist.

Die Höhe der MdE nach Wirbelfrakturen, wird wie Dr.F ... erläutert, durch folgende Parameter festgelegt: stabile oder instabile Ausheilung, Achsenabweichung, Wiederertüchtigung der Wirbelsäulenhaltemuskulatur und Bandscheibenbeteiligung.

Von einer instabilen Ausheilung wäre dann auszugehen, wenn ein Hinterkantenbruch des Wirbelkörpers abgelaufen und nicht ausgeheilt wäre oder ein Wirbelbogenbruch ein bleibende Instabilität, erkennbar an einer Verschiebung des Wirbelkörpers, verursacht hätte. Solche Verletzungsfolgen scheiden im Fall des Klägers aus, da primär weder eine Hinterkanten- noch Wirbelbogenbeteiligung bestanden hat und auch radiologisch keinerlei Verschiebung des ehemals verletzten 3. Lendenwirbelkörpers zu verifizieren ist.

Eine erhebliche Achsenabweichung (in Form eines Knickwinkels von 15 bis 20 %) ist beim Kläger nicht gegeben. Dies erklärt sich daraus, wie Dr.F ... erläutert, dass die Bandscheiben zwischen dem 2. und 3. sowie 3. und 4. Lendenwirbelkörper im vorderen Bereich weiter als im rückwärtigen Raum sind, so dass die leichte Keilform des 3. Lendenwirbelkörpers dadurch voll ausgeglichen und ein Knickwinkel nicht messbar ist.

Die Wirbelsäulenhaltemuskulatur ist, wie Dr.F ... betont, zweifellos wieder ertüchtigt. Der Kläger kann sich aus vorgebeugter Stellung frei aufrichten und ist nach seinen Angaben gegenüber Dr.F ... auch noch in der Lage, zu reiten. Dies wäre bei einer insuffizienten Rückenhaltemuskulatur völlig unvorstellbar.

Eine Bandscheibenbeteiligung ist durch die mehrfachen Kernspintomographien ausgeschlossen. Die Bandscheibenschäden an den beiden untersten Segmenten der Lendenwirbelsäule (L4/L5 und L5/S1) sind unfallunabhängig.

Für die Einschätzung der unfallbedingten MdE ist, wie Dr. F ... erklärt, das Segmentprinzip anzuwenden. Bei der segmentbezogenen Beurteilung von Wirbelsäulenschäden richtet sich die Höhe der MdE nach dem Segment, in dem Schäden vorliegen und der segmentalen Beweglichkeit (vgl. Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6.Auflage, 1998, Seite 500 ff). Das Segment zwischen dem 2. und 3. Lendenwirbelkörper, das beim Kläger betroffen ist, ist mit einer MdE von 3,6 v.H. einzustufen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass beim Kläger ein Vorschaden an der Lendenwirbelsäule bestand. Eine Höherbewertung der MdE bei Vorschaden würde aber voraussetzen, dass der Vorschaden bereits vor dem Unfall die physiologischen Kompensationskräfte des Körpers nennenswert in Anspruch genommen hat. Hierfür ergeben sich, wie Dr. F ... betont, weder aus den Aktenaufzeichnungen noch aus den Angaben des Klägers Hinweise, zumal der Kläger vor dem Unfallgeschehen intensiv Turnier geritten ist. Außerdem haben die Unfallfolgen nicht zu einer Defektheilung geführt; daher ist eine Erhöhung der MdE aufgrund der Vorschädigung der unteren Lendenwirbelsäule nicht zu begründen.

Zusammenfassend führt Dr.F ... aus, dass die bisherige MdE von 10 v.H. grenzwertig hoch bewertet ist. Mit der Beurteilung, dass eine höhere MdE als 10 v.H. nicht veranlasst ist, befindet sich Dr. F ... in Übereinstimmung mit Dr.D ..., Dr.L ..., Prof.Dr.Bü ..., Dr.R ... und Prof.Dr.H ... Nicht überzeugen kann dagegen das Gutachten von Dr.W ..., der ohne nähere Begründung eine MdE von 20 v.H. annimmt.

Weitere Unfallfolgen liegen beim Kläger nicht vor. Weder in der Unfallanzeige noch gegenüber Dr.B ..., Dr.V ..., Dr.G ..., Dr.Br ..., auch nicht bei Antragstellung vom 31.10.1997 hat der Kläger Verletzungen oder Beschwerden am Ellenbogen oder an der Hand geltend gemacht, sondern erstmals gegenüber Dr.D ... am 07.01.1998. Dr.D ... ging von einer Epicondylitis radialis rechts aus, die, wie Dr.F ... ausführt, jetzt nicht nachzuweisen ist. Die Symptomatik am Unterarm entspricht einem halswirbelsäulenabhängigen Schmerzsyndrom. Da im zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen keine krankhaften Befunde am rechten Ellenbogengelenk gefunden und vom Kläger auch keine subjektiven Beschwerden angegeben wurden, ist davon auszugehen, dass es sich um Symptome einer unfallunabhängigen Erkrankung der Halswirbelsäule handelt.

Gleichfalls nicht nachgewiesen ist der vom Kläger als Unfallfolge geltend gemachte Sturz auf den Hinterkopf, den er erstmals gegenüber Dr.F ... im Schreiben vom 05.09.2000 erwähnt hat. Während der Kläger zunächst angab, er sei auf den Rücken gefallen, dann ab 07.01.1998 erklärte, er habe versucht, sich mit dem Ellenbogen abzustützen und sei dann auf den Rücken gefallen, erklärt er nun, er sei auf den Hinterkopf gefallen. Da keinerlei Anhaltspunkte für eine Verletzung des Hinterkopfes in den umfangreichen Aktenunterlagen vorliegen, ist das Vorbringen des Klägers nicht glaubwürdig.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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