Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 26 (10) KA 32/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 93/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 10/00 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 18.05.1999 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die außergerichtlichen Kosten der Beklagten für beide Rechtszüge. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger begehren die Gewährung der Erweiterung von Praxisbudgets gemäß Teil B 4.3 der Allgemeinen Bestimmungen A I des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) in der ab 01.07.1997 geltenden Fassung (Beschluss des Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs. 3 SGB V vom 19.11.1996 - Deutsches Ärzteblatt 93, S. A - 3364 ff.) in Verbindung mit Nr. 4 der Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets zum 01.07.1997 (Deutsches Ärzteblatt 94, S. A-403 f.). Der Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten in der ab dem 01.07.1997 geltenden Fassung vom 12.12.1998 (Westfälisches Ärzteblatt 1999, S. 43 ff) enthält dazu folgende Regelung:
§ 6 Ausnahmebudgets/Ausnahmemodule
(1)
Der Vorstand kann auf Antrag des Vertragsarztes im Einzelfall zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs eine Erweiterung der Praxis und/oder Zusatzbudgets nach den Anlagen 1 und 2 bzw. der Grund- und/oder Zusatzmodule nach Anlage 4 gewähren. Ein solcher Ausnahmetatbestand liegt insbesondere dann vor, wenn nachfolgend genannte Krankheitsfälle oder spezifische Betreuungsleistungen den Schwerpunkt der Praxistätigkeit darstellen.
- Betreuung von HIV-Patienten
- Onkologische Erkrankung
- Diabetes
- Mukoviscidose
- Schmerztherapie (Teilnehmer an der Schmerztherapie-Vereinbarung)
- kontinuierliche Patientenbetreuung in beschützenden Einrichtungen
- erheblich über dem Arztgruppendurchschnitt liegender Überweisungsanteil
(2)
Der Vorstand erläßt hierzu Durchführungsbestimmungen. Auf der Grundlage des § 6 Abs. 2 HVM erließ der Vorstand der Beklagten am 27.01.1999/01.05.1999 im Einvernehmen mit dem HVM-Ausschuß Durchführungsbestimmungen (DFB) mit u.a. folgenden Inhalt:
3.2 Ausnahmebudgets nach § 6 Abs. 1 HVM
3.2.1. Nach § 6 Abs. 1 HVM kann die KVWL auf Antrag des Vertragsarztes im Einzelfall zur Sicherstellung eines medizinisch zu begründenden besonderen Versorgungsbedarfs eine Erweiterung der Praxis- und/oder Zusatzbudgets zuerkennen. Zur Anerkennung eines Mehrbedarfs ist zu prüfen, ob der besondere Versorgungsbedarf einen Schwerpunkt der antragstellenden Praxis bildet.
3.2.2. Bei der Prüfung eines Praxisschwerpunktes im Rahmen eines besonderen Versorgungsbedarfs als Grundlage zur Erweiterung des Praxisbudgets muß der Antragsteller folgende Voraussetzungen erfüllen:
- Die Praxis muß im Referenzquartal 1/96 die durchschnittliche Fallpunktzahl der Arztgruppe aus allen Leistungen der Praxis- und Zusatzbudgets und mehr als 40 % überschreiten.
- Die beantragten Leistungen müssen im Referenzquartal 1/96 mehr als 4 % des Gesamtumsatzes der Praxis betragen.
- Der statistisch festgestellte Mehrbedarf muß im Quartal 3/97 in einer mindestens 40%igen Überschreitung des Praxisbudgets fortbestehen.
- Anzuerkennen ist dieser statistisch festgestellte Mehrbedarf jedoch nur, wenn er medizinisch begründet ist. Ein medizinisch begründeter Mehrbedarf liegt insbesondere vor, wenn folgende Krankheitsfälle oder spezifische Betreuungsleistungen den Schwerpunkt der Praxistätigkeit darstellen:
- Betreuung von HIV-Patienten,
- onkologische Erkrankungen,
- Diabetes,
- Mukoviscidose,
- Teilnahme an der Schmerztherapievereinbarung,
- kontinuierliche Patientenbetreuung in beschützenden Einrichtungen, - erheblich über dem Arztgruppendurchschnitt liegender Überweisungsanteil. Die Fallpunktzahl des anerkannten Ausnahme-Praxisbudgets wird anhand des individuell nachgewiesenen und nach Wirtschaftlichkeitsprüfung anerkannten Mehrbedarf unter Berücksichtigung eines Abschlages von 30 % analog der Berechnung des Praxisbudgets festgelegt.
3.2.3. Bei der Prüfung eines Praxisschwerpunktes im Rahmen eines besonderen Versorgungsbedarfs als Grundlage zur Erweiterung einer oder mehrerer qualifikationsgebundener Zusatzbudgets muß der Antragsteller folgende Voraussetzungen erfüllen:
- Die Praxis muß im Quartal 3/97 die durchschnittliche Fallpunktzahl aller abrechnenden Ärzte des entsprechenden Zusatzbudgets um mehr als das Einfache der Standardabweichung der Arztgruppe (1 s) überschreiten.
- Anzuerkennen ist dieser statistische Mehrbedarf jedoch nur, wenn er medizinisch begründet ist. Die Ausführungen unter 3.2.2., vierter Spiegelstrich, gelten entsprechend.
Die Fallpunktzahl des/der anerkannten Ausnahme-Zusatzbudgets kann maximal den Mittelwert über alle oberhalb der einfachen Standardabweichung abrechnenden Ärzte, abzüglich der bereits im HVM festgelegten Fallpunktzahlen betragen. Liegt die in 3/97 abgerechnete Fallpunktzahl der antragstellenden Praxis unterhalb dieses Wertes, wird nur die Differenz zwischen der abgerechneten Fallpunktzahl und der im HVM festgelegten Fallpunktzahl anerkannt.
Dieser rechnerisch ermittelte Wert ist um die Fallpunktzahlen zu kürzen, die sich durch die Saldierungsfähigkeit mit dem Praxisbudget und/oder der Zusatzbudgets errechnen.
3.2.4. Für die Erweiterung eines bedarfsabhängigen Zusatzbudgets gelten die Regelungen unter 3.2.2. entsprechend.
Diese DFB wurden mit einem Sonderschreiben "Praxisbudgets und Honorarverteilung in Westfalen-Lippe" allen Vertragsärzten übersandt.
Die Beteiligten streiten vorrangig darüber, ob es zur Ausführung der Nr. 4.3 der Bestimmungen A I Teil B des EBM einer Satzungsregelung der Vertreterversammlung der Beklagten bedurft hätte (so das Sozialgericht).
Die Kläger nehmen in Gemeinschaftspraxis in D ... als Orthopäden an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Sie sind auch Belegärzte. Sie beantragten im Mai 1997 die Bereitstellung von Ausnahmebudgets für folgende Leistungen:
- Gesprächsleistungen nach den Nrn. 17, 18, 21 EBM
- Anlegen von Verbänden (Kapitel C I EBM),
- Punktionen (Kapitel G III EBM),
- Infusionen (Nr. 273 EBM),
- Anästhesien zur Schmerztherapie und zu operativen Eingriffen (Kapitel D I und D II EBM) und
- operative Leistungen (Kapitel N II - N V EBM).
Zur Begründung führten sie aus, daß sie einen übermäßigen Anteil an intensiven ärztlichen Beratungen und Erörterungen zu den therapeutischen, familiären, sozialen oder beruflichen Auswirkungen und deren Bewältigung bei nachhaltig lebensverändernden oder lebensbedrohlichen Erkrankungen durchzuführen hätten. Dies beruhe auf ihrer ausgedehnten operativen belegärztlichen Tätigkeit und ihrem überregionalen Einzugsgebiet, insbesondere hinsichtlich spezieller Operationsverfahren sowie auf der ausgedehnten ambulanten und konservativen speziellen Schmerztherapie besonders bei chronischen Wirbelsäulenbeschwerden. Darüberhinaus werde überdurchschnittlich häufig eine sofortige ärztliche Intervention bei akuter psychischer Dekompensation aufgrund der Grunderkrankung erforderlich.
Beim Anlegen von Verbänden und der Vornahme von Punktionen liege der Bedarf der Praxis immer deutlich über 50 % des Fachgruppendurchschnitts. Das gelte auch für Infusionen, Anästhesien zur Schmerztherapie und operativen Eingriffe, wobei dies im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung als angemessene Praxisbesonderheit anerkannt worden sei.
Die Beklagte wies den Antrag mit Bescheid vom 27.08.1997 und den Widerspruch der Kläger mit Widerspruchsbescheid vom 15.01.1998 zurück, weil die Kläger im Vergleich zu ihrer Fachgruppe lediglich eine Überschreitung des mittleren Teilfallwertes für "grüne" und "gelbe" Leistungen um 20,97 von Hundert erreicht hätten. Diese Auffassung vertrat die Beklagte auch in einem weiteren Bescheid vom 07.09.1998.
Zur Begründung ihrer Klage haben die Kläger vorgetragen, die Zugrundelegung des Quartals I/1996, in dem zahlreiche Neuerungen eingetreten seien, als Referenzquartal sei rechtswidrig. Der in den DFB der Beklagten enthaltene Grenzwert der Überschreitung der durchschnittlichen Fallpunktzahl der Arztgruppe aus allen Leistungen der Praxis und Zusatzbudgets um mehr als 40 % beinhalte keine sachliche Abgrenzung eines besonderen Versorgungsschwerpunktes.
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.08.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.01.1998 und des Bescheides vom 07.09.1998 zu verurteilen, über ihre Anträge auf Bereitstellung von Ausnahmebudgets zur Gewährleistung der Sicherstellung bei besonderem Versorgungsbedarf unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Praxis der Kläger keinen besonderen Versorgungsbedarf sicherzustellen habe. Abgesehen davon, dass der Teilfallwert im Quartal I/1996 nur um 20,97 % über den durchschnittlichen Teilfallwert gelegen habe, fehle es hinsichtlich eines Ausnahmebudgets für Infusionen und Anästhesien wegen eines Schwerpunkts Schmerztherapie an der erforderlichen Genehmigung zur Teilnahme an der Schmerztherapievereinbarung. Der Bereich der ambulanten Operation sei zahlenmäßig zu vernachlässigen. Was die Beratungen nach den Ziffern 17, 18 und 21 angehe, sei nicht ersichtlich, warum ein Orthopäde, der vermehrt Operationen durchführe, entscheidend mehr Beratungsbedarf habe als ein nicht operativ tätiger Orthopäde. Auch Suizidversuche oder sonstige akute psychische Dekompensationen kämen bei den Klägern nicht häufiger als bei sonstigen Orthopäden vor. Bei den DFB des Vorstandes handele es sich um reine Verwaltungsvorschriften, keine Honorarverteilungsregelungen. Die wesentlichen Elemente der Honorarverteilung seien in den Grundzügen im HVM und EBM geregelt worden. Der Kassenärztlichen Vereinigung werde in den Allgemeinen Bestimmungen A I Teil B Ziffer 4.3 EBM Ermessen eingeräumt, ob sie bei Vorliegen der dort genannten Tatbestandsvoraussetzungen ein Ausnahmebudget bewilligen wolle. Solche Einzelfallermessensentscheidungen könnten sinnvollerweise nur vom Vorstand getroffen werden, der sich mit den Durchführungsbestimmungen ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften gegeben habe. Selbst wenn man aber unterstelle, HVM und EBM hätten nicht alles wesentliche geregelt, bestehe kein Anspruch der Kläger auf Erlaß von sie begünstigenden HVM-Bestimmungen.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 18.05.1999 die Beklagte verurteilt, über den Antrag der Kläger auf Bereitstellung von Ausnahmebudgets zur Gewährleistung der Sicherstellung bei besonderem Versorgungsbedarf unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Mit den Durchführungsbestimmungen gestalte der Vorstand entgegen der gesetzlichen Konzeption § 85 Abs. 4 SGB V zentrale Elemente der Honorarverteilung. Praxis- und Zusatzbudgets würden ca. 80 % des Leistungsspektrum des EBM erfassen. Die Festsetzung von quantitativen Voraussetzungen für die Bereitstellung von Ausnahmebudgets stelle daher ein zentrales Element der Honorarverteilung dar. Zusatz- und Ausnahmebudgets seien ein wesentlicher Aspekt der rechtlichen Absicherung der Budgetierung eines Großteils der im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erbringbaren Leistungen. Es komme dem auch deshalb besondere Bedeutung zu, weil der Behandlungsanspruch des Versicherten gemäß § 27 SGB V nach der Rechtsprechung des BSG nur ein Rahmenrecht sei, das der Konkretisierung durch den Vertragsarzt bedürfe. Unter den Bedingungen der Praxisbudgets bestehe die Gefahr einer rechtswidrigen Rationierung von Gesundheitsleistungen durch Vertragsärzte, dem unter anderem durch Erweiterung von Praxisbudgets bei besonderem Versorgungsbedarf entgegenzuwirken sei. Außerdem seien die Krankenkassen gemäß § 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V zwingend in die Festlegung der Tatbestandsvoraussetzungen einzubinden.
Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte vor, § 6 des HVM regele ebenso wie die Vereinbarung zur Einführung der Praxisbudgets zum 01.07.1997 die wesentlichen Grundzüge der Ausnahmebudgets selbst. Dabei würden zwar unbestimmte Rechtsbegriffe wie "besonderer Versorgungsbedarf" und "Schwerpunkt der Praxistätigkeit" benutzt, diese seien aber anhand der Vorgaben des EBM und des HVM auslegungsfähig und richterlich überprüfbar. Es sei lediglich in rechtlich zulässiger Weise die Festlegung der Einzelheiten auf den Vorstand delegiert worden. Nach der Rechtsprechung des BSG sei es aber z.B. zulässig, die genaue Festlegung von Teilfallwerten, ab denen eine Abstaffelung wegen zu hoher Fallwerte erfolgt und die Festsetzung der prozentualen Höhe der Abstaffelung dem Vorstand zu überlassen. Auch hinsichtlich der bis zum Quartal II/1997 gelten den "Ausnahme von der Teilbudgetierung aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung bei Nachweis eines entsprechenden Versorgungsschwerpunkts" hätten keine Bedenken bestanden, dass der Vorstand diese Begriffe anwenden und auslegen konnte. In den meisten anderen Kassenärztlichen Vereinigungen seien weder vom Vorstand noch von der Vertreterversammlung Durchführungsbestimmungen erlassen worden. Die Beklagte verweist insoweit auf ein Urteil des Sozialgerichts Mainz, in dem das Sozialgericht selbständig prüft, ob die Voraussetzungen für ein Ausnahmebudget vorlagen. Die DFB stünden auch mit dem HVM in Einklang. Wenn eine Quote von 4 % des Gesamtumsatzes der Praxis für einen "Schwerpunkt der Praxistätigkeit" gefordert werde, liege dies deutlich unter den Anforderungen anderen KV en. Soweit an einem Mehrbedarf von 40 % angeknüpft werde, liege dem folgende Überlegungen zugrunde: Durch die Einführung der Praxisbudgets sei der Punktwert um ca. 45 % gestiegen. Das bedeute, dass ein finanzieller Verlust für den Arzt erst dann eintrete, wenn der Nachteil durch die Nichtvergütung bei Überschreitung des Punktwertes nicht mehr von den gestiegenen Punktwerten kompensiert worden sei. Das könne aber erst bei Praxisbudgetsüberschreitungen von mehr als 40 % der Fall sein.
Eine Ausnahmebudget könne nur in den Fällen gewährt werden, in denen der Arzt durch die Budgetierung im Endergebnis wegen seiner Praxisbesonderheit unzumutbare finanzielle Verluste erleide. Dabei sei die Anknüpfung an das Quartal I/1996 geboten gewesen, weil zum damaligen Zeitpunkt die kommenden Budgetierungsregelungen noch nicht bekannt gewesen seien. Die weitere Anknüpfung an das Quartal II/1997 habe dazu gedient, auszuschließen, dass es sich bei dem Quartal I/1996 um ein einmaliges "Ausreißerquartal" gehandelt habe. Eine andere Verfahrensweise wäre unpraktikabel. Es hätten insgesamt 3.508 Praxen Anträge auf Ausnahmebudgets gestellt. In einer Vielzahl von Fällen seien mehrere Ausnahmebudgets beantragt worden. Wenn der HVM tatsächlich, wie das Sozialgericht dies meine, um Durchführungsbestimmungen ergänzt werden müsse, fehle es derzeit an einer Anspruchsgrundlage für den Erlaß eines Verwaltungsaktes zugunsten der Kläger. Ein Anspruch auf Erlaß eines entsprechenden HVM hätten die Kläger nicht. Die Beklagte weist erneut darauf hin, daß die Kläger keine Genehmigung für die Teilnahme an der Schmerztherapievereinbarung haben. Sie hätten Sonographieleistungen bis zum Quartal II/1998 nur einmal abgerechnet. Auch ambulante Operationen (Nrn. 2100 bis 2498 EBM) seien im budgetierten Bereich nicht in nennenswerten Umfang abgerechnet worden. Auch der durch ambulante Operationen bedingte Mehrbedarf bei den Punktionen und Verbänden sei zu vernachlässigen. Ein Mehrbedarf bei den Nrn. 17, 18 und 21 EBM sei nicht nachvollziehbar. Die im Zusammenhang mit den ambulanten Operationen durchgeführten Beratungen seien nicht gesondert berechnungsfähig.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 18.05.199 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten auch das Vorbringen der Beteiligten, wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Insbesondere wurden die Honorarübersichten und -berechnungen der Beklagte für alle Quartale der Jahre 1996 bis 1998 und die Übersichten über Punktwertentwicklungen in Bezug genommen. Deren Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässig Berufung der Beklagten ist begründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht zur erneuten Entscheidung über den Antrag der Kläger auf Gewährung eines Ausnahmebudgets verurteilt. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erweiterung ihres Praxisbudgets.
1.
Gegenstand des Verfahrens ist nicht die Frage der Rechtmäßigkeit der Praxisbudgets ab III/1997 insgesamt. Sie ist nicht Regelungsinhalt der angefochtenen Bescheide auf den Antrag der Kläger vom Mai 1997. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich erklärt, daß die Rechtswidrigkeit des EBM bezüglich der Praxisbudgets nicht geltend gemacht wird. Zum anderen sind die Kläger, wie sich aus den von der Beklagten vorgelegten Vergleichsberechnungen ergibt, durch die Einführung der Budgetierung nicht beschwert. Durch die Punktwertstabilisierung und -steigerung infolge der Praxisbudgets erzielten sie trotz erheblicher Überschreitung des Praxisbudgets z.B. um 65 % im Quartal III/1997 bei identischem erwirtschafteten Punktevolumen ein höheres Honorar in DM als dies ohne Budgetierung der Fall gewesen wäre. Im Falle der Rechtswidrigkeit der Praxisbudgets hätten die Kläger im übrigen erst recht keinen Anspruch auf Gewährung von Ausnahmebudgets.
2.
Der Senat folgt nicht der Rechtsauffassung des Sozialgerichts von der Rechtswichtigkeit des § 6 HVM und damit der DFB insgesamt, weil die Vertreterversammlung selbst hinreichend konkrete Tatbestandsvoraussetzungen für die Bereitstellung von Ausnahmebudgets zur Sicherstellung bei besonderem Versorgungsbedarf mit der Rechtsqualität einer Satzung hätte beschließen müssen. § 6 Abs. 1 HVM entspricht inhaltlich den Regelungen A I B 4.3 EBM und der o.a. Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets. Die in § 6 Abs. 2 HVM enthaltene Ermächtigung an den Vorstand, hierzu Durchführungsbestimmungen zu erlassen, ist rechtmäßig. Der Umfang der Kompetenz, die die Vertreterversammlung dem Vorstand einräumen kann, wird damit nicht überschritten. Nach der Rechtsprechung des BSG, müssen die wesentlichen Elemente der Honorarverteilung in ihren Grundzügen im HVM selbst geregelt werden, im übrigen kann aber der Vorstand im HVM zu konkretisierenden Regelungen und Einzelfallentscheidungen ermächtigt werden (BSG SozR 3 - 2500 § 85 Nr. 28; Urteil vom 03.03.1999 - B 6 KA 15/98 R). Es ist dementsprechend auch grundsätzlich zulässig, dass der Vorstand Verwaltungsvorschriften zur Gewährleistung einer einheitlichen Entscheidungspraxis im Rahmen einer Ermächtigung erläßt. Eine Grenze besteht dort, wo abstrakte Regelungen zur Honorarverteilung getroffen werden. So hat das BSG es in seiner Entscheidung vom 21.10.1998 (SozR 3-2500, § 85 Nr. 28) als unzulässig angesehen, wenn Regelungen zu allgemein bekannten und typischen Gegebenheiten der vertragsärztlichen Versorgung vom Vorstand getroffen werden. Dabei hat das BSG die Gleich- oder Ungleichbehandlung von Anfängerpraxen und etablierten Praxen bzw. Praxen mit geringer Fallzahl und umsatzstarken Praxen als so gewichtig angesehen, dass sie im HVM zumindest in den Grundzügen geregelt werden müsse. Lediglich in Ausnahmefällen könne die Ermittlung der Bemessungsgrundlage unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen durch den Vorstand erfolgen. In einem Urteil vom 20.01.1999 (B 6 Ka 77/97 R) hatte das BSG über die Frage zu entscheiden, wie die Fallpunktzahl für Basislaborleistungen im Fall einer vertragsärztlichen Tätigkeit unter mehreren Gebietsbezeichnungen festzusetzen ist. Das BSG hat gemeint, dass in diesen Fällen die Berechnung der arztgruppenbezogenen Fallpunktzahl auf der Grundlage des arithmetischen Mittelwertes von so erheblicher Tragweite seien könne, dass es einer normativen Grundlage bedürfe. In seiner Entscheidung vom 28.04.1999 (B 6 Ka 63/98 R) hat das BSG noch einmal bestätigt, dass es für Sonderfälle, die nicht durch vorhersehbare, allgemein bekannte, typische Gegebenheiten gekennzeichnet sind, ausreichend ist, wenn der HVM durch eine allgemein gehaltene Härteregelung den Vorstand ermächtigt, bei Vorliegen einer besonders schweren Härte die Bemessungsgrenze eines Kontingentes nach pflichtgemäßem Ermessen festzulegen. Um eine ähnliche Fallkonstellation handelt es sich hier. Die Grundzüge der Honorarverteilung sind durch den EBM, die Vereinbarung der Spitzenverbände und die gleichlautenden Bestimmungen im HVM der Beklagten vorgegeben. Darin ist festgelegt, daß Ausnahme budgets nur bei einem besonderen Versorgungsbedarf gewährt werden können, wobei die typischen Fälle eines solchen besonderen Bedarfs bereits ausdrücklich vorgegeben sind. Neben den qualitativen Kriterien sind auch quantitative Elemente vorgegeben. Soweit von einem "Schwerpunkt der Praxistätigkeit" die Rede ist, beinhaltet dies notwendig auch ein quantitatives Moment. Von einem Schwerpunkt kann nur die Rede sein, wenn die Tätigkeit einen gewissen Umfang erreicht. Nur dann kann die Notwendigkeit bestehen, eine spezielle Ausrichtung einer Praxis besonders zu honorieren. Dem Vorstand wird nach den vorgegebenen Kriterien lediglich die Entscheidung auf Antrag im Einzelfall übertragen. Das entspricht dem Charakter der Ausnahmebudgets, die nur bei besonderen Konstellationen im Einzelfall gewährt werden sollen. Die wirtschaftliche Bedeutung der Entscheidungen ist insofern untergeordnet und nicht etwa mit der Gewährung von Zusatzbudgets zu vergleichen. An dem Charakter der Entscheidung als Einzelfallentscheidung ändert auch der Umstand nichts, dass eine Vielzahl von Anträgen gestellt worden ist.
3.
Die Durchführungsbestimmungen des Vorstandes sind auch in ihrer konkreten inhaltlichen Ausformung und Anwendung auf die Kläger nicht zu beanstanden. Sie sind sachgerecht, frei von Willkür und sachfremden Erwägungen und verstoßen nicht gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. In zulässiger Weise konkretisieren sie das vom HVM vorgegebene quantitative Element. Wenn bei der Anspruchsprüfung zunächst auf diese Kriterien abgestellt wird, bevor durch eine Kommission die medizinischen Voraussetzungen geprüft werden, stellt dies nicht die Vorgaben des HVM in Frage, sondern ist lediglich Ausdruck einer möglichst ökonomischen Prüfungsreihenfolge.
a) Soweit zunächst eine Überschreitung des Teilfallwertes aus dem grünen und gelben, d.h. aus dem budgetierten Bereich im Quartal I/1996 um 40 % gefordert wird, ist dies darauf zurückzuführen, dass durch die Einführung der Praxisbudgets eine Steigerung des Punktwertes um ca. 33 % eintrat. Bis zum Quartal II/1997 war im Mittel für den Primär- und Ersatzkassenbereich ein Punktwertverfall auf 6,25 Pfennig eingetreten. Infolge der Einführung der Budgets stieg der Punktwert auf 8,5 Pfennig. Eine "Beschwer" durch die Budgetierung ergab sich deswegen erst, wenn eine über 33 % hinausgehende Überschreitung des Teilfallwertes vorlag. Die Beklagte geht in ihren Anforderungen nur geringfügig über diesen Wert hinaus was sich bereits daraus rechtfertigt, dass auch der sog. "rote Bereich" im Punktwert durch Überläufe aus den grünen und gelben Töpfen gestützt wird. Dabei war auch die Überlegung nicht unsachgemäß, daß beim Vorliegen von Praxisbesonderheiten häufig eine Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um mehr als 40 % und damit oberhalb des oft als Grenze zum offensichtlichen Mißverhältnis in der Wirtschaftlichkeitsprüfung angesetzten Wertes erreicht wird.
Die Anknüpfung an das Quartal I/1996 ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Auch der EBM hat bei der Berechnung der Budgets an die beiden ersten Quartale 1996 angeknüpft. Dabei sind zwar die rechtswidrig rückwirkend budgetierten Leistungen nicht berücksichtigt worden. Da dies jedoch auch bei den zugrundegelegten Vergleichszahlen der Fall war, hat sich dies für die Betroffenen nicht negativ ausgewirkt. Schließlich ist dieses erste Kriterium der Durchführungsbestimmungen auch deshalb unbedenklich, weil es sich bei der festgelegten Zahl nicht um eine starre Grenze handelt, der Vorstand vielmehr, wie auch das Verhalten der Beklagten in entsprechenden Fallkonstellationen in der mündlichen Verhandlung gezeigt hat, offen ist für besondere Gestaltungen und in Einzelfällen von der 40 %-Grenze durchaus abweicht.
b) Dass unter dem zweiten Spiegelstrich für einen Schwerpunkt der Praxistätigkeit unter dem Gesichtspunkt eines besonderen Versorgungsbedarfs ein Anteil von 4 % am Gesamtumsatz der Praxis im Referenzquartal gefordert wird, ist eher niedrig. Die Kläger sind insofern begünstigt. Auch ein höherer Prozentsatz wäre durchaus noch als sachgerecht anzusehen. Im Bereich anderer KV en wird teilweise ein Prozentsatz von 20 bis 50 % gefordert. Wo insofern eine obere Grenze liegt, bedarf hier keiner Entscheidung.
Die Kläger erreichen mit den von ihnen in Anspruch genommenen Schwerpunkten diese Grenzwerte bei weitem nicht. Die Summe der Gesprächsleistungen Nrn. 17, 18 und 21 EBM beträgt im Quartal I/1996 2 % und im Quartal III/1997 unter 2 % des angeforderten Gesamtumsatzes. Zu den Bereichen Anlegen von Verbänden und Punktionen hat die Beklagte unwidersprochen einen operationsbedingten Mehraufwand von nur 0,79 % der Punkteanforderung errechnet. Aus dem Bereich Infusionen rechnen die Kläger nur die Nr. 273 EBM überdurchschnittlich gegenüber der Fachgruppe ab. Einen Schwerpunkt vermag der Senat aber nicht zu erkennen. Operative Leistungen - außer den stationären Leistungen und den Zuschlägen aus dem roten Bereich - betragen nur einen Anteil von 0,2% am Gesamtpunktvolumen. Letztlich hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass die Kläger nicht über die erforderliche Genehmigung zur Teilnahme an der Schmerztherapievereinbarung verfügen.
c) Auch die Forderung einer mindestens 40 %tigen Überschreitung des Praxisbudgets im Quartal III/1997 ist nicht unsachgemäß. Damit wird festgestellt, dass auch weiterhin ein Mehrbedarf besteht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass alle budgetierten Ärzte das Praxisbudget um durchschnittlich 23,5 % überschritten haben, die Fachgruppe der Kläger um 26,6 %. Ausgehend hiervon wird von den Durchführungsbestimmungen lediglich noch eine Überschreitung des Durchschnittswertes von 16,5 % gefordert. Das ist quantitativ keine überhöhte Forderung für den Nachweis eines weiter bestehenden besonderen Mehrbedarfs.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183 und 193 SGG.
Der Senat hat im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Frage der Anwendung des A I B 4.3 EBM gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger begehren die Gewährung der Erweiterung von Praxisbudgets gemäß Teil B 4.3 der Allgemeinen Bestimmungen A I des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) in der ab 01.07.1997 geltenden Fassung (Beschluss des Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs. 3 SGB V vom 19.11.1996 - Deutsches Ärzteblatt 93, S. A - 3364 ff.) in Verbindung mit Nr. 4 der Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets zum 01.07.1997 (Deutsches Ärzteblatt 94, S. A-403 f.). Der Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten in der ab dem 01.07.1997 geltenden Fassung vom 12.12.1998 (Westfälisches Ärzteblatt 1999, S. 43 ff) enthält dazu folgende Regelung:
§ 6 Ausnahmebudgets/Ausnahmemodule
(1)
Der Vorstand kann auf Antrag des Vertragsarztes im Einzelfall zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs eine Erweiterung der Praxis und/oder Zusatzbudgets nach den Anlagen 1 und 2 bzw. der Grund- und/oder Zusatzmodule nach Anlage 4 gewähren. Ein solcher Ausnahmetatbestand liegt insbesondere dann vor, wenn nachfolgend genannte Krankheitsfälle oder spezifische Betreuungsleistungen den Schwerpunkt der Praxistätigkeit darstellen.
- Betreuung von HIV-Patienten
- Onkologische Erkrankung
- Diabetes
- Mukoviscidose
- Schmerztherapie (Teilnehmer an der Schmerztherapie-Vereinbarung)
- kontinuierliche Patientenbetreuung in beschützenden Einrichtungen
- erheblich über dem Arztgruppendurchschnitt liegender Überweisungsanteil
(2)
Der Vorstand erläßt hierzu Durchführungsbestimmungen. Auf der Grundlage des § 6 Abs. 2 HVM erließ der Vorstand der Beklagten am 27.01.1999/01.05.1999 im Einvernehmen mit dem HVM-Ausschuß Durchführungsbestimmungen (DFB) mit u.a. folgenden Inhalt:
3.2 Ausnahmebudgets nach § 6 Abs. 1 HVM
3.2.1. Nach § 6 Abs. 1 HVM kann die KVWL auf Antrag des Vertragsarztes im Einzelfall zur Sicherstellung eines medizinisch zu begründenden besonderen Versorgungsbedarfs eine Erweiterung der Praxis- und/oder Zusatzbudgets zuerkennen. Zur Anerkennung eines Mehrbedarfs ist zu prüfen, ob der besondere Versorgungsbedarf einen Schwerpunkt der antragstellenden Praxis bildet.
3.2.2. Bei der Prüfung eines Praxisschwerpunktes im Rahmen eines besonderen Versorgungsbedarfs als Grundlage zur Erweiterung des Praxisbudgets muß der Antragsteller folgende Voraussetzungen erfüllen:
- Die Praxis muß im Referenzquartal 1/96 die durchschnittliche Fallpunktzahl der Arztgruppe aus allen Leistungen der Praxis- und Zusatzbudgets und mehr als 40 % überschreiten.
- Die beantragten Leistungen müssen im Referenzquartal 1/96 mehr als 4 % des Gesamtumsatzes der Praxis betragen.
- Der statistisch festgestellte Mehrbedarf muß im Quartal 3/97 in einer mindestens 40%igen Überschreitung des Praxisbudgets fortbestehen.
- Anzuerkennen ist dieser statistisch festgestellte Mehrbedarf jedoch nur, wenn er medizinisch begründet ist. Ein medizinisch begründeter Mehrbedarf liegt insbesondere vor, wenn folgende Krankheitsfälle oder spezifische Betreuungsleistungen den Schwerpunkt der Praxistätigkeit darstellen:
- Betreuung von HIV-Patienten,
- onkologische Erkrankungen,
- Diabetes,
- Mukoviscidose,
- Teilnahme an der Schmerztherapievereinbarung,
- kontinuierliche Patientenbetreuung in beschützenden Einrichtungen, - erheblich über dem Arztgruppendurchschnitt liegender Überweisungsanteil. Die Fallpunktzahl des anerkannten Ausnahme-Praxisbudgets wird anhand des individuell nachgewiesenen und nach Wirtschaftlichkeitsprüfung anerkannten Mehrbedarf unter Berücksichtigung eines Abschlages von 30 % analog der Berechnung des Praxisbudgets festgelegt.
3.2.3. Bei der Prüfung eines Praxisschwerpunktes im Rahmen eines besonderen Versorgungsbedarfs als Grundlage zur Erweiterung einer oder mehrerer qualifikationsgebundener Zusatzbudgets muß der Antragsteller folgende Voraussetzungen erfüllen:
- Die Praxis muß im Quartal 3/97 die durchschnittliche Fallpunktzahl aller abrechnenden Ärzte des entsprechenden Zusatzbudgets um mehr als das Einfache der Standardabweichung der Arztgruppe (1 s) überschreiten.
- Anzuerkennen ist dieser statistische Mehrbedarf jedoch nur, wenn er medizinisch begründet ist. Die Ausführungen unter 3.2.2., vierter Spiegelstrich, gelten entsprechend.
Die Fallpunktzahl des/der anerkannten Ausnahme-Zusatzbudgets kann maximal den Mittelwert über alle oberhalb der einfachen Standardabweichung abrechnenden Ärzte, abzüglich der bereits im HVM festgelegten Fallpunktzahlen betragen. Liegt die in 3/97 abgerechnete Fallpunktzahl der antragstellenden Praxis unterhalb dieses Wertes, wird nur die Differenz zwischen der abgerechneten Fallpunktzahl und der im HVM festgelegten Fallpunktzahl anerkannt.
Dieser rechnerisch ermittelte Wert ist um die Fallpunktzahlen zu kürzen, die sich durch die Saldierungsfähigkeit mit dem Praxisbudget und/oder der Zusatzbudgets errechnen.
3.2.4. Für die Erweiterung eines bedarfsabhängigen Zusatzbudgets gelten die Regelungen unter 3.2.2. entsprechend.
Diese DFB wurden mit einem Sonderschreiben "Praxisbudgets und Honorarverteilung in Westfalen-Lippe" allen Vertragsärzten übersandt.
Die Beteiligten streiten vorrangig darüber, ob es zur Ausführung der Nr. 4.3 der Bestimmungen A I Teil B des EBM einer Satzungsregelung der Vertreterversammlung der Beklagten bedurft hätte (so das Sozialgericht).
Die Kläger nehmen in Gemeinschaftspraxis in D ... als Orthopäden an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Sie sind auch Belegärzte. Sie beantragten im Mai 1997 die Bereitstellung von Ausnahmebudgets für folgende Leistungen:
- Gesprächsleistungen nach den Nrn. 17, 18, 21 EBM
- Anlegen von Verbänden (Kapitel C I EBM),
- Punktionen (Kapitel G III EBM),
- Infusionen (Nr. 273 EBM),
- Anästhesien zur Schmerztherapie und zu operativen Eingriffen (Kapitel D I und D II EBM) und
- operative Leistungen (Kapitel N II - N V EBM).
Zur Begründung führten sie aus, daß sie einen übermäßigen Anteil an intensiven ärztlichen Beratungen und Erörterungen zu den therapeutischen, familiären, sozialen oder beruflichen Auswirkungen und deren Bewältigung bei nachhaltig lebensverändernden oder lebensbedrohlichen Erkrankungen durchzuführen hätten. Dies beruhe auf ihrer ausgedehnten operativen belegärztlichen Tätigkeit und ihrem überregionalen Einzugsgebiet, insbesondere hinsichtlich spezieller Operationsverfahren sowie auf der ausgedehnten ambulanten und konservativen speziellen Schmerztherapie besonders bei chronischen Wirbelsäulenbeschwerden. Darüberhinaus werde überdurchschnittlich häufig eine sofortige ärztliche Intervention bei akuter psychischer Dekompensation aufgrund der Grunderkrankung erforderlich.
Beim Anlegen von Verbänden und der Vornahme von Punktionen liege der Bedarf der Praxis immer deutlich über 50 % des Fachgruppendurchschnitts. Das gelte auch für Infusionen, Anästhesien zur Schmerztherapie und operativen Eingriffe, wobei dies im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung als angemessene Praxisbesonderheit anerkannt worden sei.
Die Beklagte wies den Antrag mit Bescheid vom 27.08.1997 und den Widerspruch der Kläger mit Widerspruchsbescheid vom 15.01.1998 zurück, weil die Kläger im Vergleich zu ihrer Fachgruppe lediglich eine Überschreitung des mittleren Teilfallwertes für "grüne" und "gelbe" Leistungen um 20,97 von Hundert erreicht hätten. Diese Auffassung vertrat die Beklagte auch in einem weiteren Bescheid vom 07.09.1998.
Zur Begründung ihrer Klage haben die Kläger vorgetragen, die Zugrundelegung des Quartals I/1996, in dem zahlreiche Neuerungen eingetreten seien, als Referenzquartal sei rechtswidrig. Der in den DFB der Beklagten enthaltene Grenzwert der Überschreitung der durchschnittlichen Fallpunktzahl der Arztgruppe aus allen Leistungen der Praxis und Zusatzbudgets um mehr als 40 % beinhalte keine sachliche Abgrenzung eines besonderen Versorgungsschwerpunktes.
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.08.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.01.1998 und des Bescheides vom 07.09.1998 zu verurteilen, über ihre Anträge auf Bereitstellung von Ausnahmebudgets zur Gewährleistung der Sicherstellung bei besonderem Versorgungsbedarf unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Praxis der Kläger keinen besonderen Versorgungsbedarf sicherzustellen habe. Abgesehen davon, dass der Teilfallwert im Quartal I/1996 nur um 20,97 % über den durchschnittlichen Teilfallwert gelegen habe, fehle es hinsichtlich eines Ausnahmebudgets für Infusionen und Anästhesien wegen eines Schwerpunkts Schmerztherapie an der erforderlichen Genehmigung zur Teilnahme an der Schmerztherapievereinbarung. Der Bereich der ambulanten Operation sei zahlenmäßig zu vernachlässigen. Was die Beratungen nach den Ziffern 17, 18 und 21 angehe, sei nicht ersichtlich, warum ein Orthopäde, der vermehrt Operationen durchführe, entscheidend mehr Beratungsbedarf habe als ein nicht operativ tätiger Orthopäde. Auch Suizidversuche oder sonstige akute psychische Dekompensationen kämen bei den Klägern nicht häufiger als bei sonstigen Orthopäden vor. Bei den DFB des Vorstandes handele es sich um reine Verwaltungsvorschriften, keine Honorarverteilungsregelungen. Die wesentlichen Elemente der Honorarverteilung seien in den Grundzügen im HVM und EBM geregelt worden. Der Kassenärztlichen Vereinigung werde in den Allgemeinen Bestimmungen A I Teil B Ziffer 4.3 EBM Ermessen eingeräumt, ob sie bei Vorliegen der dort genannten Tatbestandsvoraussetzungen ein Ausnahmebudget bewilligen wolle. Solche Einzelfallermessensentscheidungen könnten sinnvollerweise nur vom Vorstand getroffen werden, der sich mit den Durchführungsbestimmungen ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften gegeben habe. Selbst wenn man aber unterstelle, HVM und EBM hätten nicht alles wesentliche geregelt, bestehe kein Anspruch der Kläger auf Erlaß von sie begünstigenden HVM-Bestimmungen.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 18.05.1999 die Beklagte verurteilt, über den Antrag der Kläger auf Bereitstellung von Ausnahmebudgets zur Gewährleistung der Sicherstellung bei besonderem Versorgungsbedarf unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Mit den Durchführungsbestimmungen gestalte der Vorstand entgegen der gesetzlichen Konzeption § 85 Abs. 4 SGB V zentrale Elemente der Honorarverteilung. Praxis- und Zusatzbudgets würden ca. 80 % des Leistungsspektrum des EBM erfassen. Die Festsetzung von quantitativen Voraussetzungen für die Bereitstellung von Ausnahmebudgets stelle daher ein zentrales Element der Honorarverteilung dar. Zusatz- und Ausnahmebudgets seien ein wesentlicher Aspekt der rechtlichen Absicherung der Budgetierung eines Großteils der im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erbringbaren Leistungen. Es komme dem auch deshalb besondere Bedeutung zu, weil der Behandlungsanspruch des Versicherten gemäß § 27 SGB V nach der Rechtsprechung des BSG nur ein Rahmenrecht sei, das der Konkretisierung durch den Vertragsarzt bedürfe. Unter den Bedingungen der Praxisbudgets bestehe die Gefahr einer rechtswidrigen Rationierung von Gesundheitsleistungen durch Vertragsärzte, dem unter anderem durch Erweiterung von Praxisbudgets bei besonderem Versorgungsbedarf entgegenzuwirken sei. Außerdem seien die Krankenkassen gemäß § 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V zwingend in die Festlegung der Tatbestandsvoraussetzungen einzubinden.
Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte vor, § 6 des HVM regele ebenso wie die Vereinbarung zur Einführung der Praxisbudgets zum 01.07.1997 die wesentlichen Grundzüge der Ausnahmebudgets selbst. Dabei würden zwar unbestimmte Rechtsbegriffe wie "besonderer Versorgungsbedarf" und "Schwerpunkt der Praxistätigkeit" benutzt, diese seien aber anhand der Vorgaben des EBM und des HVM auslegungsfähig und richterlich überprüfbar. Es sei lediglich in rechtlich zulässiger Weise die Festlegung der Einzelheiten auf den Vorstand delegiert worden. Nach der Rechtsprechung des BSG sei es aber z.B. zulässig, die genaue Festlegung von Teilfallwerten, ab denen eine Abstaffelung wegen zu hoher Fallwerte erfolgt und die Festsetzung der prozentualen Höhe der Abstaffelung dem Vorstand zu überlassen. Auch hinsichtlich der bis zum Quartal II/1997 gelten den "Ausnahme von der Teilbudgetierung aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung bei Nachweis eines entsprechenden Versorgungsschwerpunkts" hätten keine Bedenken bestanden, dass der Vorstand diese Begriffe anwenden und auslegen konnte. In den meisten anderen Kassenärztlichen Vereinigungen seien weder vom Vorstand noch von der Vertreterversammlung Durchführungsbestimmungen erlassen worden. Die Beklagte verweist insoweit auf ein Urteil des Sozialgerichts Mainz, in dem das Sozialgericht selbständig prüft, ob die Voraussetzungen für ein Ausnahmebudget vorlagen. Die DFB stünden auch mit dem HVM in Einklang. Wenn eine Quote von 4 % des Gesamtumsatzes der Praxis für einen "Schwerpunkt der Praxistätigkeit" gefordert werde, liege dies deutlich unter den Anforderungen anderen KV en. Soweit an einem Mehrbedarf von 40 % angeknüpft werde, liege dem folgende Überlegungen zugrunde: Durch die Einführung der Praxisbudgets sei der Punktwert um ca. 45 % gestiegen. Das bedeute, dass ein finanzieller Verlust für den Arzt erst dann eintrete, wenn der Nachteil durch die Nichtvergütung bei Überschreitung des Punktwertes nicht mehr von den gestiegenen Punktwerten kompensiert worden sei. Das könne aber erst bei Praxisbudgetsüberschreitungen von mehr als 40 % der Fall sein.
Eine Ausnahmebudget könne nur in den Fällen gewährt werden, in denen der Arzt durch die Budgetierung im Endergebnis wegen seiner Praxisbesonderheit unzumutbare finanzielle Verluste erleide. Dabei sei die Anknüpfung an das Quartal I/1996 geboten gewesen, weil zum damaligen Zeitpunkt die kommenden Budgetierungsregelungen noch nicht bekannt gewesen seien. Die weitere Anknüpfung an das Quartal II/1997 habe dazu gedient, auszuschließen, dass es sich bei dem Quartal I/1996 um ein einmaliges "Ausreißerquartal" gehandelt habe. Eine andere Verfahrensweise wäre unpraktikabel. Es hätten insgesamt 3.508 Praxen Anträge auf Ausnahmebudgets gestellt. In einer Vielzahl von Fällen seien mehrere Ausnahmebudgets beantragt worden. Wenn der HVM tatsächlich, wie das Sozialgericht dies meine, um Durchführungsbestimmungen ergänzt werden müsse, fehle es derzeit an einer Anspruchsgrundlage für den Erlaß eines Verwaltungsaktes zugunsten der Kläger. Ein Anspruch auf Erlaß eines entsprechenden HVM hätten die Kläger nicht. Die Beklagte weist erneut darauf hin, daß die Kläger keine Genehmigung für die Teilnahme an der Schmerztherapievereinbarung haben. Sie hätten Sonographieleistungen bis zum Quartal II/1998 nur einmal abgerechnet. Auch ambulante Operationen (Nrn. 2100 bis 2498 EBM) seien im budgetierten Bereich nicht in nennenswerten Umfang abgerechnet worden. Auch der durch ambulante Operationen bedingte Mehrbedarf bei den Punktionen und Verbänden sei zu vernachlässigen. Ein Mehrbedarf bei den Nrn. 17, 18 und 21 EBM sei nicht nachvollziehbar. Die im Zusammenhang mit den ambulanten Operationen durchgeführten Beratungen seien nicht gesondert berechnungsfähig.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 18.05.199 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten auch das Vorbringen der Beteiligten, wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Insbesondere wurden die Honorarübersichten und -berechnungen der Beklagte für alle Quartale der Jahre 1996 bis 1998 und die Übersichten über Punktwertentwicklungen in Bezug genommen. Deren Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässig Berufung der Beklagten ist begründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht zur erneuten Entscheidung über den Antrag der Kläger auf Gewährung eines Ausnahmebudgets verurteilt. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erweiterung ihres Praxisbudgets.
1.
Gegenstand des Verfahrens ist nicht die Frage der Rechtmäßigkeit der Praxisbudgets ab III/1997 insgesamt. Sie ist nicht Regelungsinhalt der angefochtenen Bescheide auf den Antrag der Kläger vom Mai 1997. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich erklärt, daß die Rechtswidrigkeit des EBM bezüglich der Praxisbudgets nicht geltend gemacht wird. Zum anderen sind die Kläger, wie sich aus den von der Beklagten vorgelegten Vergleichsberechnungen ergibt, durch die Einführung der Budgetierung nicht beschwert. Durch die Punktwertstabilisierung und -steigerung infolge der Praxisbudgets erzielten sie trotz erheblicher Überschreitung des Praxisbudgets z.B. um 65 % im Quartal III/1997 bei identischem erwirtschafteten Punktevolumen ein höheres Honorar in DM als dies ohne Budgetierung der Fall gewesen wäre. Im Falle der Rechtswidrigkeit der Praxisbudgets hätten die Kläger im übrigen erst recht keinen Anspruch auf Gewährung von Ausnahmebudgets.
2.
Der Senat folgt nicht der Rechtsauffassung des Sozialgerichts von der Rechtswichtigkeit des § 6 HVM und damit der DFB insgesamt, weil die Vertreterversammlung selbst hinreichend konkrete Tatbestandsvoraussetzungen für die Bereitstellung von Ausnahmebudgets zur Sicherstellung bei besonderem Versorgungsbedarf mit der Rechtsqualität einer Satzung hätte beschließen müssen. § 6 Abs. 1 HVM entspricht inhaltlich den Regelungen A I B 4.3 EBM und der o.a. Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets. Die in § 6 Abs. 2 HVM enthaltene Ermächtigung an den Vorstand, hierzu Durchführungsbestimmungen zu erlassen, ist rechtmäßig. Der Umfang der Kompetenz, die die Vertreterversammlung dem Vorstand einräumen kann, wird damit nicht überschritten. Nach der Rechtsprechung des BSG, müssen die wesentlichen Elemente der Honorarverteilung in ihren Grundzügen im HVM selbst geregelt werden, im übrigen kann aber der Vorstand im HVM zu konkretisierenden Regelungen und Einzelfallentscheidungen ermächtigt werden (BSG SozR 3 - 2500 § 85 Nr. 28; Urteil vom 03.03.1999 - B 6 KA 15/98 R). Es ist dementsprechend auch grundsätzlich zulässig, dass der Vorstand Verwaltungsvorschriften zur Gewährleistung einer einheitlichen Entscheidungspraxis im Rahmen einer Ermächtigung erläßt. Eine Grenze besteht dort, wo abstrakte Regelungen zur Honorarverteilung getroffen werden. So hat das BSG es in seiner Entscheidung vom 21.10.1998 (SozR 3-2500, § 85 Nr. 28) als unzulässig angesehen, wenn Regelungen zu allgemein bekannten und typischen Gegebenheiten der vertragsärztlichen Versorgung vom Vorstand getroffen werden. Dabei hat das BSG die Gleich- oder Ungleichbehandlung von Anfängerpraxen und etablierten Praxen bzw. Praxen mit geringer Fallzahl und umsatzstarken Praxen als so gewichtig angesehen, dass sie im HVM zumindest in den Grundzügen geregelt werden müsse. Lediglich in Ausnahmefällen könne die Ermittlung der Bemessungsgrundlage unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen durch den Vorstand erfolgen. In einem Urteil vom 20.01.1999 (B 6 Ka 77/97 R) hatte das BSG über die Frage zu entscheiden, wie die Fallpunktzahl für Basislaborleistungen im Fall einer vertragsärztlichen Tätigkeit unter mehreren Gebietsbezeichnungen festzusetzen ist. Das BSG hat gemeint, dass in diesen Fällen die Berechnung der arztgruppenbezogenen Fallpunktzahl auf der Grundlage des arithmetischen Mittelwertes von so erheblicher Tragweite seien könne, dass es einer normativen Grundlage bedürfe. In seiner Entscheidung vom 28.04.1999 (B 6 Ka 63/98 R) hat das BSG noch einmal bestätigt, dass es für Sonderfälle, die nicht durch vorhersehbare, allgemein bekannte, typische Gegebenheiten gekennzeichnet sind, ausreichend ist, wenn der HVM durch eine allgemein gehaltene Härteregelung den Vorstand ermächtigt, bei Vorliegen einer besonders schweren Härte die Bemessungsgrenze eines Kontingentes nach pflichtgemäßem Ermessen festzulegen. Um eine ähnliche Fallkonstellation handelt es sich hier. Die Grundzüge der Honorarverteilung sind durch den EBM, die Vereinbarung der Spitzenverbände und die gleichlautenden Bestimmungen im HVM der Beklagten vorgegeben. Darin ist festgelegt, daß Ausnahme budgets nur bei einem besonderen Versorgungsbedarf gewährt werden können, wobei die typischen Fälle eines solchen besonderen Bedarfs bereits ausdrücklich vorgegeben sind. Neben den qualitativen Kriterien sind auch quantitative Elemente vorgegeben. Soweit von einem "Schwerpunkt der Praxistätigkeit" die Rede ist, beinhaltet dies notwendig auch ein quantitatives Moment. Von einem Schwerpunkt kann nur die Rede sein, wenn die Tätigkeit einen gewissen Umfang erreicht. Nur dann kann die Notwendigkeit bestehen, eine spezielle Ausrichtung einer Praxis besonders zu honorieren. Dem Vorstand wird nach den vorgegebenen Kriterien lediglich die Entscheidung auf Antrag im Einzelfall übertragen. Das entspricht dem Charakter der Ausnahmebudgets, die nur bei besonderen Konstellationen im Einzelfall gewährt werden sollen. Die wirtschaftliche Bedeutung der Entscheidungen ist insofern untergeordnet und nicht etwa mit der Gewährung von Zusatzbudgets zu vergleichen. An dem Charakter der Entscheidung als Einzelfallentscheidung ändert auch der Umstand nichts, dass eine Vielzahl von Anträgen gestellt worden ist.
3.
Die Durchführungsbestimmungen des Vorstandes sind auch in ihrer konkreten inhaltlichen Ausformung und Anwendung auf die Kläger nicht zu beanstanden. Sie sind sachgerecht, frei von Willkür und sachfremden Erwägungen und verstoßen nicht gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. In zulässiger Weise konkretisieren sie das vom HVM vorgegebene quantitative Element. Wenn bei der Anspruchsprüfung zunächst auf diese Kriterien abgestellt wird, bevor durch eine Kommission die medizinischen Voraussetzungen geprüft werden, stellt dies nicht die Vorgaben des HVM in Frage, sondern ist lediglich Ausdruck einer möglichst ökonomischen Prüfungsreihenfolge.
a) Soweit zunächst eine Überschreitung des Teilfallwertes aus dem grünen und gelben, d.h. aus dem budgetierten Bereich im Quartal I/1996 um 40 % gefordert wird, ist dies darauf zurückzuführen, dass durch die Einführung der Praxisbudgets eine Steigerung des Punktwertes um ca. 33 % eintrat. Bis zum Quartal II/1997 war im Mittel für den Primär- und Ersatzkassenbereich ein Punktwertverfall auf 6,25 Pfennig eingetreten. Infolge der Einführung der Budgets stieg der Punktwert auf 8,5 Pfennig. Eine "Beschwer" durch die Budgetierung ergab sich deswegen erst, wenn eine über 33 % hinausgehende Überschreitung des Teilfallwertes vorlag. Die Beklagte geht in ihren Anforderungen nur geringfügig über diesen Wert hinaus was sich bereits daraus rechtfertigt, dass auch der sog. "rote Bereich" im Punktwert durch Überläufe aus den grünen und gelben Töpfen gestützt wird. Dabei war auch die Überlegung nicht unsachgemäß, daß beim Vorliegen von Praxisbesonderheiten häufig eine Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um mehr als 40 % und damit oberhalb des oft als Grenze zum offensichtlichen Mißverhältnis in der Wirtschaftlichkeitsprüfung angesetzten Wertes erreicht wird.
Die Anknüpfung an das Quartal I/1996 ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Auch der EBM hat bei der Berechnung der Budgets an die beiden ersten Quartale 1996 angeknüpft. Dabei sind zwar die rechtswidrig rückwirkend budgetierten Leistungen nicht berücksichtigt worden. Da dies jedoch auch bei den zugrundegelegten Vergleichszahlen der Fall war, hat sich dies für die Betroffenen nicht negativ ausgewirkt. Schließlich ist dieses erste Kriterium der Durchführungsbestimmungen auch deshalb unbedenklich, weil es sich bei der festgelegten Zahl nicht um eine starre Grenze handelt, der Vorstand vielmehr, wie auch das Verhalten der Beklagten in entsprechenden Fallkonstellationen in der mündlichen Verhandlung gezeigt hat, offen ist für besondere Gestaltungen und in Einzelfällen von der 40 %-Grenze durchaus abweicht.
b) Dass unter dem zweiten Spiegelstrich für einen Schwerpunkt der Praxistätigkeit unter dem Gesichtspunkt eines besonderen Versorgungsbedarfs ein Anteil von 4 % am Gesamtumsatz der Praxis im Referenzquartal gefordert wird, ist eher niedrig. Die Kläger sind insofern begünstigt. Auch ein höherer Prozentsatz wäre durchaus noch als sachgerecht anzusehen. Im Bereich anderer KV en wird teilweise ein Prozentsatz von 20 bis 50 % gefordert. Wo insofern eine obere Grenze liegt, bedarf hier keiner Entscheidung.
Die Kläger erreichen mit den von ihnen in Anspruch genommenen Schwerpunkten diese Grenzwerte bei weitem nicht. Die Summe der Gesprächsleistungen Nrn. 17, 18 und 21 EBM beträgt im Quartal I/1996 2 % und im Quartal III/1997 unter 2 % des angeforderten Gesamtumsatzes. Zu den Bereichen Anlegen von Verbänden und Punktionen hat die Beklagte unwidersprochen einen operationsbedingten Mehraufwand von nur 0,79 % der Punkteanforderung errechnet. Aus dem Bereich Infusionen rechnen die Kläger nur die Nr. 273 EBM überdurchschnittlich gegenüber der Fachgruppe ab. Einen Schwerpunkt vermag der Senat aber nicht zu erkennen. Operative Leistungen - außer den stationären Leistungen und den Zuschlägen aus dem roten Bereich - betragen nur einen Anteil von 0,2% am Gesamtpunktvolumen. Letztlich hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass die Kläger nicht über die erforderliche Genehmigung zur Teilnahme an der Schmerztherapievereinbarung verfügen.
c) Auch die Forderung einer mindestens 40 %tigen Überschreitung des Praxisbudgets im Quartal III/1997 ist nicht unsachgemäß. Damit wird festgestellt, dass auch weiterhin ein Mehrbedarf besteht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass alle budgetierten Ärzte das Praxisbudget um durchschnittlich 23,5 % überschritten haben, die Fachgruppe der Kläger um 26,6 %. Ausgehend hiervon wird von den Durchführungsbestimmungen lediglich noch eine Überschreitung des Durchschnittswertes von 16,5 % gefordert. Das ist quantitativ keine überhöhte Forderung für den Nachweis eines weiter bestehenden besonderen Mehrbedarfs.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183 und 193 SGG.
Der Senat hat im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Frage der Anwendung des A I B 4.3 EBM gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zugelassen.
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