Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 U 103/87
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 290/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
II. Der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Würzburg vom 26.06.1997 wird in Ziffer I dahingehend geändert, dass die Lungenkrebserkrankung des Versicherten als Berufskrankheit nach § 551 Abs 1 Nr 1 RVO iVm Nr 4104 2. Alternative der Anlage 1 zur BKVO anzuerkennen und zu entschädigen ist.
III. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen streitig.
Der am 1926 geborene Versicherte und Ehemann der Klägerin F. M. (F.M.) war von 1949 bis 1969 bei verschiedenen, inzwischen teilweise untergegangenen Baufirmen als Maurer beschäftigt. Ab 07.10.1969 arbeitete er bei der Firma M. (L. am Main). Er war dort bis 29.02.1972 als Kernmacher in der Kernsandaufbereitung und als Transportarbeiter im Bereich der Gußvorbereitung und ab 01.03.1972 als Ofenarbeiter im Kupolofenschmelzbetrieb (Probengießer und Pfannenmaurer) tätig. In der Zeit ab 01.03.1972 war er einer Asbeststaubbelastung durch die Verwendung von Asbestfasergeweben ausgesetzt. Als Pfannenmaurer brach er wöchentlich ca 8 Stunden lang verbrauchte Gußpfannen, deren Seitenwände und Böden mit 4 mm starken Asbestplatten belegt waren, auf und erneuerte die feuerfeste Auskleidung. Bei der Ermittlung der Asbestbelastung ergeben sich 21,23 Asbestfaserjahre (Auskunft des Technischen Auskunftsdienstes vom 16.08.1995). Ab 28.04.1981 arbeitete F.M. als Transportarbeiter und war keiner Asbeststaubbelastung ausgesetzt (Auskunft des T. vom 12.11.1986). Nach mehrfachen Infektionen und Entzündungen der Lunge ab 1969 bestanden bei F.M. seit Anfang der 80er Jahre asthmoide Beschwerden, im Mai 1983 wurde ein zentrales Bronchialkarzinom rechts festgestellt und am 09.10.1983 verstarb er an den Folgen dieser Erkrankung. (Todesbescheinigung des Allgemeinarztes Dr.J.G. - L. - vom 09.10.1983). Eine Obduktion fand nicht statt.
Am 24.08.1984 beantragte die Klägerin die Anerkennung der Erkrankung ihres verstorbenen Ehemannes als Berufskrankheit (BK) und die Gewährung von Rentenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Sie führte dessen Tumorerkrankung auf die berufliche Einwirkung von Chemikalien sowie vielfachen Gießereistäuben einschließlich Asbest zurück. Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte Unterlagen über die arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen des Versicherten, Befundberichte des Allgemeinarztes Dr.G.H. (L.) vom 12.10.1984 und des Internisten Dr.H.S. (L.) vom 26.11.1984, die ärztlichen Unterlagen des Kreiskrankenhauses L. und der Landesversicherungsanstalt Baden bei. Die Klägerin legte eine Krankheitsauskunft der AOK Lohr vom 15.03.1984 vor. Die Beklagte holte Gutachten des Prof.Dr.H.V. (Institut für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität E.) vom 13.06.1985/ 18.02.1987/06.08.1987/23.09.1987 sowie des Prof.Dr.G.L. (Institut für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität E.) vom 30.05.1989 ein. Prof.V. schloss aufgrund der Sichtung der Röntgenaufnahmen, auf denen er keine asbestosetypischen Veränderungen feststellen konnte und der Ergebnisse des T. zur Asbestexposition eine asbestbedingte Lungen- bzw Bronchialerkrankung im Sinne der Nr 4104 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) aus. Prof.L. führte aus, eine bösartige Neubildung der Atemwege und Lunge aufgrund einer Nickelexposition sei nicht begründbar. Nach Stellungnahme des Dr.H.G.M. (Bayer. Landesinstitut für Arbeitsmedizin) vom 20.02.1987 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.03.1987 einen Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenleistungen ab. Bei dem Versicherten habe keine BK nach § 551 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm irgendeiner Nr der Anlage 1 zur BKVO vorgelegen noch seien die Voraussetzungen für die Anerkennung wie eine BK nach § 551 Abs 2 RVO gegeben. Mit Bescheid vom 25.08.1989 lehnte die Beklagte einen Anspruch der Klägerin aufgrund einer BK nach § 551 Abs 1 RVO iVm Nr 4109 der Anlage 1 zur BKVO ab.
Gegen die Bescheide vom 12.03.1987 und 25.08.1989 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und beantragt, bei dem verstorbenen F.M. eine Bronchialkrebs- bzw Lungenkrebserkrankung anzuerkennen und Hinterbliebenenleistungen zu gewähren. Sie hat ausgeführt, ihr Ehemann habe bis zum Beginn der Tätigkeit in der Gießerei bei der Firma M. im Oktober 1969 nicht an Lungen- und Bronchialbeschwerden gelitten. Bereits ab Dezember 1969 sei es zu sich ständig verschlimmernden Atemwegserkrankungen gekommen. Diese habe sich ihr Mann als Ofenarbeiter zugezogen, weil er großer Staubbelastung und einer Vielzahl von Chemikalien, insbesondere aber der Einwirkung von Asbest ausgesetzt gewesen sei.
Das SG hat Befundberichte des Hautartzes Dr.W.F. (L.) vom 07.08.1987 und des Allgemeinarztes Dr.G.H. vom 07.08.1987, eine Krankheitsauskunft der AOK Würzburg vom 11.08.1987, den Allergiepass des Versicherten vom 29.04.1971, die Krankengeschichte des Kreiskrankenhauses L. und der Maria-Theresia-Klinik L. sowie eine Auskunft des T. vom 27.02.1996 und eine Stellungnahme des Baufachmannes K. (H.) vom 23.05.1997 beigezogen und mit Beschluss vom 09.08.1995 die Südwestliche Baugenossenschaft Karlsruhe zum Verfahren beigeladen. Auf Veranlassung des SG hat Prof. Dr.H.J.W. (Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität G.) nach Einholung umfangreicher messtechnischer Gutachten durch die chemisch-biologischen Laboratorien Fresenius Traunstein und Gefahrstofflaboratorien Chemie des Instituts für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität G. sowie eines radiologischen Zusatzgutachtens des Dr.K.G.H. (Radiologische Abteilung des Knappschaftskrankenhauses D. vom 10.08.1993) am 27.10.1993 ein Gutachten erstellt. Er hat ausgeführt, beim Versicherten sei ein verkalkter Zwergfellplaque linksseitig ab 1970 durch die Thoraxröntgenaufnahme des Kreiskrankenhauses L. vom 09.11.1970 nachweisbar. Im Jahre 1978 zeigte sich auf den Aufnahmen des Kreiskrankenhauses L. vom 15.09.1978 eine deutliche Zunahme der Verkalkung im Bereich der Zwergfellkuppe linksseitig. Diese Röntgenveränderungen seien im Sinne einer Pleuraasbestose zu deuten. Die entsprechende Einwirkung asbestfaserhaltiger Stäube sei in der Tätigkeit als Maurer vor 1970 zu sehen. Er verweist auf den BK-Report 1/93 der Schriftenreihe des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften, der entsprechende Hinweise der Ermittlung der Asbestfaserdosis für einen Maurer enthalte, wenn konkrete Expositionsangaben nicht verfügbar seien. Für die 20-jährige Tätigkeit des Versicherten auf dem Bau käme man zu einer kumulativen Asbestfaserdosis von 44 Asbestfaserjahren. Es lägen die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für das Vorliegen einer BK Nr 4104 und 4103. Dem erhöhten Tabakgenuss des Versicherten, der hinsichtlich Dauer und Menge nicht mehr feststellbar sei, komme nicht die überwiegende Ursache für das entstandene Lungenleiden zu. Die Anerkennung einer BK Nr 4109 der Anlage 1 zur BKVO scheide aus, da trotz des Nachweises seiner relevanten Einwirkung von Nickel durch die Untersuchung bei einem verstorbenen Arbeitskollegen des Versicherten nicht wahrscheinlich zu machen sei, dass Nickel allein überwiegend wesentlich an der Verursachung des Bronchialasthmas beteiligt war. Auch sah er die Voraussetzungen des § 551 Abs 2 RVO als gegeben an. Der Versicherte sei bei der etwa 13-jährigen Tätigkeit in der Gießerei Einwirkungen krebserzeugender Gefahrstoffe (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, asbesthaltige Stäube), die das in der Umwelt vorliegende Gefährdungsmaß überschritten, ausgesetzt gewesen. Diese besonderen Einwirkungen seien nach den neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft generell geeignet, ein Bronchialkarzinom zu verursachen. Der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der gefährdenden Tätigkeit sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben.
Prof.Dr.G.L. hat im Gutachten vom 05.11.1996 darauf hingewiesen, dass die auf der Röntgenaufnahme vom 11.04.1970 zu sehende Pleuraplaque schon 2 Jahre vor der ersten belegten Asbeststaubexposition bei der Firma R. nachgewiesen sei und daher ein ursächlicher Zusammenhang mit der beruflichen Exposition nicht wahrscheinlich sei. Dass in der Zeit von 1949 bis 1969 während der Tätigkeit des Versicherten als Maurer keine direkte oder indirekte Asbeststaubexposition vorgelegen haben solle, verwundere allerdings.
Mit Urteil vom 26.06.1997 hat das SG die Beklagte verpflichtet, die Lungenkrebserkrankung des Versicherten als BK nach § 551 Abs 2 RVO anzuerkennen und die gesetzlichen Hinterbliebenenleistungen zu gewähren. Die Klage auf eine Lebzeitenrente hat es abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Gefahrstoffgemische, die Prof.Dr.W. in seinem Gutachten angeführt habe, seien bereits in geringer Dosierung generell geeignet, ein Bronchialkarzinom zu verursachen. Ein ursächlicher Zusammenhang von gießereitypischen Gefahrstoffgemischen mit der Entstehung einer Lungen- bzw Bronchialkrebserkrankung sei als wissenschaftlich ausreichend gesichert im Sinne des § 551 Abs 2 RVO anzusehen. Auch habe eine Bronchialkrebserkrankung nach Nr 4104 2. Alternative der Anlage 1 zur BKVO vorgelegen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt und vorgetragen, das SG habe keinerlei weitere Feststellungen hinsichtlich der Frage des Vorliegens neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse im Sinne des § 551 Abs 2 RVO getroffen. Auch läge keine BK nach Nr 4104 2. Alternative vor. Unter Bezugnahme auf das Gutachten des Prof.Dr.L. hat sie ausgeführt, dass asbestosetypische Kalkplaques der linken Zwergfellkuppe bereits auf einer Röntgenaufnahme vom 11.04.1970 nachweisbar seien. Da der Versicherte aber erstmals ab März 1972 asbeststaubbelastende Tätigkeiten ausgeführt habe, habe er sich die Erkrankung nicht durch die Tätigkeit im Zuständigkeitsbereich der Beklagten zuziehen können. Weitere Pleuraveränderungen, die eindeutig auf die Asbeststaubexposition zurückgeführt werden könnten, seien den vorliegenden Röntgenbefunden der Thoraxorgane nicht zu entnehmen. Der Versicherte habe aber auch während seiner Tätigkeit im Baugewerbe in der Zeit von 1949 bis 1969 keinen Kontakt mit Asbest gehabt wie es sich aus den konkreten Aussagen der noch zur Verfügung stehenden früheren Arbeitgeber bzw der entsprechenden Technischen Aufsichtsdienste ergebe.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 26.06.1997 aufzuheben sowie die Klage gegen die Bescheide vom 12.03.1987 und 25.08.1999 abzuweisen, hilfsweise die Beigeladene zu verurteilen, der Klägerin Hinterbliebenenleistungen zu gewähren.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 26.06.1997 zurückzuweisen, hilfsweise die Beigeladene zu verurteilen, der Klägerin Hinterbliebenenleistungen zu gewähren.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie der Verwaltungsakte der Beigeladenen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Klägerin hat Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen nach ihrem am 09.10.1983 verstorbenen Ehemann F. M. gemäß §§ 589 Abs 1 RVO, 551 Abs 1 RVO iVm Nr 4104 der Anlage 1 zur BKVO.
Der Anspruch der Klägerin ist noch nach den Vorschriften der RVO zu beurteilen, da der Tod des Versicherten vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) am 01.01.1997 eingetreten ist (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII).
Die Beklagte ist zuständiger Versicherungsträger, da das 1983 erkannte und zum Tode führende Lungenkrebsleiden während der Tätigkeit des Versicherten in ihrem Zuständigkeitsbereich aufgetreten ist. Das Auftreten der Erkrankung vor Einführung der Nr 4104 2. Alternative der Anlage 1 zur BKVO steht der Anerkennung nicht entgegen, da Art 3 der Änderungsverordnung vom 22.03.1988 eine Rückwirkung bis 31.12.1976 vorsieht und der Versicherungsfall nach dem 31.12.1976 eingetreten ist.
Hinterbliebenenleistungen sind gemäß § 589 RVO bei Tod durch Arbeitsunfall zu gewähren. Als Arbeitsunfall gilt auch eine BK. BKen sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540, 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Nach der Nr 41 der Anlage 1 zur BKVO zählen als BKen Erkrankungen durch anorganische Stäube. Voraussetzung ist also zunächst die berufliche Exposition mit anorganischen Stäuben und weiter, dass die Erkrankung nach der Lehre von der wesentlichen Bedingung mit Wahrscheinlichkeit auf die Gefährdung des Versicherten durch schädigende Einwirkungen im Rahmen der versicherten Tätigkeit ursächlich zurückzuführen ist (vgl Ricke, Kasseler Kommentar, § 551 RVO RdNr 7 bzw § 9 SGB VII RdNr 11; Koch in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 36 RdNr 1 ff). Für die Exposition bedarf es des Vollbeweises (vgl Ricke aaO § 9 SGB VII RdNr 27).
Diese Voraussetzungen waren beim Versicherten im Hinblick auf die durch die Verordnung zur Änderung der BKVO vom 22.03.1988 (BGBl I 400) eingeführte BK eines "Lungenkrebses iVm durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura" erfüllt. Im Zeitpunkt seines Ablebens am 09.10.1983 lag unstreitig ein Lungenkrebsleiden vor. Das Brückensymptom für die haftungsbegründende Kausalität zwischen Asbestexpostition und Lungenkrebs in Form einer röntgenologisch eindeutigen Pleuraasbestose (so Schönberger/Mehrtens/Valentin in Arbeitsunfall und Berufskrankheit 6. Auflage Seite 1087) lag ebenfalls vor. Die Erkrankung der Pleura steht fest aufgrund der Röntgenaufnahmen vom 11.04.1970 und 28.07.1978. Es zeigten sich - worauf die Sachverständigen Prof.L. und Prof.W. hinwiesen - 1970 ein Kalkherd des linken Zwergfelles und 1978 eine deutliche Zunahme der Verkalkung, da die Pleura in den Folgejahren, wie Prof.L. darlegt, an Größe zugenommen hat. Diese Veränderungen im Bereich der Zwergfellkuppe sind auf die Einwirkung asbestfaserhaltiger Stäube zurückzuführen und somit im Sinne einer Pleuraasbestose zu deuten, denn der Versicherte war asbestfaserhaltigen Stäuben ausgesetzt. Dies ergibt sich für die Tätigkeit bei der Firma M. in der Zeit von 1972 bis 1981 eindeutig aus der Auskunft des T. vom 16.08.1995, der von einer Asbestbelastung von 21,23 Faserjahren in dieser Zeit ausgeht.
Der Senat sieht es aber auch als nachgewiesen an, dass der Versicherte in der Zeit von 1949 bis 1969, während der er als Maurer tätig war, Asbeststaub ausgesetzt war. Eine Tatsache ist dann bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hierauf zu begründen (BSGE 8, 59, 61; 48, 285; 58, 80, 83). Zweifel des Richters müssen nicht völlig ausgeschlossen sein (BGHZ 53, 255). Es genügt ein der Gewissheit nahe kommender Grad der Wahrscheinlichkeit. Eine Asbeststaubbelastung in der Tätigkeit als Maurer nimmt der Senat ua an aufgrund der Ausführungen der Beklagten in ihrem Bearbeitungshinweis BK Report 1/97. Danach ist der Beweis für die Asbestexposition während der versicherten Tätigkeit bei typischen Arbeitstätigkeiten zB im Beruf des Isolierers, Dachdeckers regelmäßig erbracht. Da der Beruf des Maurers dahingehend beschrieben wird, dass dieser mit Asbestzementprodukten wie Fassaden-, Dach- und Schalldämmplatten, Leichtbauplatten, Beimischen feinster mineralischer Pulver für rutschfesten Belag, wie Schleifen von Spachtelmassen und Klebern, Zuschneiden von Asbestzementrohren für Lüftungszwecken einschließlich der Zu- und Ablüftungsöffnungen zu tun hat, ist ohne weiteren Nachweis davon auszugehen, dass der Versicherte im Laufe seiner 20-jährigen Tätigkeit mit Asbest gearbeitet hat. Hierfür spricht auch, dass nach heutigen Erkenntnissen Asbest früher wesentlich mehr verbreitet war als bislang angenommen (BK Report 1/97). Dementsprechend führte Prof.L. auch aus, er "wundere sich" dass keine Exposition als Maurer vorgelegen haben soll. Die Kenntnisse der damaligen Arbeitsmaterialien auf dem Bau sprechen im Übrigen - wie das Erstgericht unter Bezugnahme auf Mehrtens/Perlebach BKV Kommentar Nr 4104, Fruhmann/Pethran, Asbest in der Arbeitswelt, in Arbeits-Sozial-Präventivmedizin 1990/446 dargelegt hat, ebenso wie die Auskunft des Baufachmannes Keidels vom 23.05.1997 dafür, dass Maurer zur damaligen Zeit mit asbeststoffhaltigem Material zu arbeiten hatten. Bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und der allgemeinen Lebenserfahrung geht der Senat daher davon aus, dass ein Maurer während einer 20-jährigen Tätigkeit in der Zeit von 1949 bis 1969 Asbest ausgesetzt war und damit bestand beim Versicherten eine mit Wahrscheinlichkeit durch Asbeststaub verursachte als auch verschlimmerte Erkrankung der Pleura, die in Verbindung mit dem Lungenkrebsleiden des Versicherten steht.
Konkurrierende Entstehungsursachen haben nämlich keinen wesentlichen Einfluss auf die Entstehung der Erkrankung des Versicherten gehabt. Zwar hat er geraucht, wobei sich Dauer und Quantität der Rauchgewohnheit nicht mehr rekonstruieren lässt. Gerade bei der Einwirkung asbestfaserhaltiger Stäube aber kann das Rauchen als nicht so überwiegend angesehen werden, da ein überadditiver annähernd multiplikativer Effekt bei der Erhöhung des Bronchialkrebsrisikos, wie Prof.W. überzeugend darlegt, bekannt ist. Den versicherten Einwirkungen ist jedenfalls zumindest eine wesentliche Teilursächlichkeit bei der Entstehung des Lungenkrebsleidens zuzusprechen.
Eine BK gemäß § 551 Abs 1 RVO iVm Nr 4109 der Anlage 1 zur BKVO liegt nach den Ausführungen der gehörten Sachverständigen, denen sich der Senat anschließt, nicht vor.
Ebensowenig liegen die Voraussetzungen des § 551 Abs 2 RVO entgegen der Auffassung des Erstgerichts nicht vor, sodass der Tenor des Urteils des SG Würzburg vom 26.06.1997 insoweit abzuändern war.
Nach dieser Vorschrift sollen die Träger der Unfallversicherungen im Einzelfall eine Krankheit wie eine BK entschädigen, wenn nach neueren Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen des § 551 Abs 1 RVO erfüllt sind. Darüber, ob Beschäftigte bei Einwirkung des gießereirelevanten Gefahrstoffgemisches eindeutig vermehrt an Lungentumoren erkranken, gibt es aber keine eindeutigen neuen Erkenntnisse. Die synkancerogene Wirkung von entsprechenden Gefahrstoffgemischen ist wissenschaftlich noch nicht eindeutig belegt. Insbesondere gibt es keine eindeutigen Erkenntnisse darüber, wie diese Stoffe sich in ihrer Wirkung zueinander verhalten, ob sie sich zB aufheben, addieren, kumulieren oder ähnliches. Zuletzt hat auch der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaft im Schreiben vom 19.04.2000 mitgeteilt, dass keine Informationen über medizinisch-wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse bestehen, dass bei einer bestimmten Personengruppe (hier Gußputzer in einer Putzerei) durch die kombinierte Einwirkung von Asbestfaserstoff und Quarzfeinstoff in weitaus höherem Maße als in der übrigen Bevölkerung Bronchialkrebserkrankungen auftreten.
Nach alledem ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin Hinterbliebenenleistungen gemäß § 589 RVO zu gewähren. Das Urteil des SG Würzburg ist im Ergebnis zu bestätigen, im Tenor - Ziffer I - ist es jedoch abzuändern.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor.
II. Der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Würzburg vom 26.06.1997 wird in Ziffer I dahingehend geändert, dass die Lungenkrebserkrankung des Versicherten als Berufskrankheit nach § 551 Abs 1 Nr 1 RVO iVm Nr 4104 2. Alternative der Anlage 1 zur BKVO anzuerkennen und zu entschädigen ist.
III. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen streitig.
Der am 1926 geborene Versicherte und Ehemann der Klägerin F. M. (F.M.) war von 1949 bis 1969 bei verschiedenen, inzwischen teilweise untergegangenen Baufirmen als Maurer beschäftigt. Ab 07.10.1969 arbeitete er bei der Firma M. (L. am Main). Er war dort bis 29.02.1972 als Kernmacher in der Kernsandaufbereitung und als Transportarbeiter im Bereich der Gußvorbereitung und ab 01.03.1972 als Ofenarbeiter im Kupolofenschmelzbetrieb (Probengießer und Pfannenmaurer) tätig. In der Zeit ab 01.03.1972 war er einer Asbeststaubbelastung durch die Verwendung von Asbestfasergeweben ausgesetzt. Als Pfannenmaurer brach er wöchentlich ca 8 Stunden lang verbrauchte Gußpfannen, deren Seitenwände und Böden mit 4 mm starken Asbestplatten belegt waren, auf und erneuerte die feuerfeste Auskleidung. Bei der Ermittlung der Asbestbelastung ergeben sich 21,23 Asbestfaserjahre (Auskunft des Technischen Auskunftsdienstes vom 16.08.1995). Ab 28.04.1981 arbeitete F.M. als Transportarbeiter und war keiner Asbeststaubbelastung ausgesetzt (Auskunft des T. vom 12.11.1986). Nach mehrfachen Infektionen und Entzündungen der Lunge ab 1969 bestanden bei F.M. seit Anfang der 80er Jahre asthmoide Beschwerden, im Mai 1983 wurde ein zentrales Bronchialkarzinom rechts festgestellt und am 09.10.1983 verstarb er an den Folgen dieser Erkrankung. (Todesbescheinigung des Allgemeinarztes Dr.J.G. - L. - vom 09.10.1983). Eine Obduktion fand nicht statt.
Am 24.08.1984 beantragte die Klägerin die Anerkennung der Erkrankung ihres verstorbenen Ehemannes als Berufskrankheit (BK) und die Gewährung von Rentenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Sie führte dessen Tumorerkrankung auf die berufliche Einwirkung von Chemikalien sowie vielfachen Gießereistäuben einschließlich Asbest zurück. Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte Unterlagen über die arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen des Versicherten, Befundberichte des Allgemeinarztes Dr.G.H. (L.) vom 12.10.1984 und des Internisten Dr.H.S. (L.) vom 26.11.1984, die ärztlichen Unterlagen des Kreiskrankenhauses L. und der Landesversicherungsanstalt Baden bei. Die Klägerin legte eine Krankheitsauskunft der AOK Lohr vom 15.03.1984 vor. Die Beklagte holte Gutachten des Prof.Dr.H.V. (Institut für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität E.) vom 13.06.1985/ 18.02.1987/06.08.1987/23.09.1987 sowie des Prof.Dr.G.L. (Institut für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität E.) vom 30.05.1989 ein. Prof.V. schloss aufgrund der Sichtung der Röntgenaufnahmen, auf denen er keine asbestosetypischen Veränderungen feststellen konnte und der Ergebnisse des T. zur Asbestexposition eine asbestbedingte Lungen- bzw Bronchialerkrankung im Sinne der Nr 4104 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) aus. Prof.L. führte aus, eine bösartige Neubildung der Atemwege und Lunge aufgrund einer Nickelexposition sei nicht begründbar. Nach Stellungnahme des Dr.H.G.M. (Bayer. Landesinstitut für Arbeitsmedizin) vom 20.02.1987 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.03.1987 einen Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenleistungen ab. Bei dem Versicherten habe keine BK nach § 551 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm irgendeiner Nr der Anlage 1 zur BKVO vorgelegen noch seien die Voraussetzungen für die Anerkennung wie eine BK nach § 551 Abs 2 RVO gegeben. Mit Bescheid vom 25.08.1989 lehnte die Beklagte einen Anspruch der Klägerin aufgrund einer BK nach § 551 Abs 1 RVO iVm Nr 4109 der Anlage 1 zur BKVO ab.
Gegen die Bescheide vom 12.03.1987 und 25.08.1989 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und beantragt, bei dem verstorbenen F.M. eine Bronchialkrebs- bzw Lungenkrebserkrankung anzuerkennen und Hinterbliebenenleistungen zu gewähren. Sie hat ausgeführt, ihr Ehemann habe bis zum Beginn der Tätigkeit in der Gießerei bei der Firma M. im Oktober 1969 nicht an Lungen- und Bronchialbeschwerden gelitten. Bereits ab Dezember 1969 sei es zu sich ständig verschlimmernden Atemwegserkrankungen gekommen. Diese habe sich ihr Mann als Ofenarbeiter zugezogen, weil er großer Staubbelastung und einer Vielzahl von Chemikalien, insbesondere aber der Einwirkung von Asbest ausgesetzt gewesen sei.
Das SG hat Befundberichte des Hautartzes Dr.W.F. (L.) vom 07.08.1987 und des Allgemeinarztes Dr.G.H. vom 07.08.1987, eine Krankheitsauskunft der AOK Würzburg vom 11.08.1987, den Allergiepass des Versicherten vom 29.04.1971, die Krankengeschichte des Kreiskrankenhauses L. und der Maria-Theresia-Klinik L. sowie eine Auskunft des T. vom 27.02.1996 und eine Stellungnahme des Baufachmannes K. (H.) vom 23.05.1997 beigezogen und mit Beschluss vom 09.08.1995 die Südwestliche Baugenossenschaft Karlsruhe zum Verfahren beigeladen. Auf Veranlassung des SG hat Prof. Dr.H.J.W. (Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität G.) nach Einholung umfangreicher messtechnischer Gutachten durch die chemisch-biologischen Laboratorien Fresenius Traunstein und Gefahrstofflaboratorien Chemie des Instituts für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität G. sowie eines radiologischen Zusatzgutachtens des Dr.K.G.H. (Radiologische Abteilung des Knappschaftskrankenhauses D. vom 10.08.1993) am 27.10.1993 ein Gutachten erstellt. Er hat ausgeführt, beim Versicherten sei ein verkalkter Zwergfellplaque linksseitig ab 1970 durch die Thoraxröntgenaufnahme des Kreiskrankenhauses L. vom 09.11.1970 nachweisbar. Im Jahre 1978 zeigte sich auf den Aufnahmen des Kreiskrankenhauses L. vom 15.09.1978 eine deutliche Zunahme der Verkalkung im Bereich der Zwergfellkuppe linksseitig. Diese Röntgenveränderungen seien im Sinne einer Pleuraasbestose zu deuten. Die entsprechende Einwirkung asbestfaserhaltiger Stäube sei in der Tätigkeit als Maurer vor 1970 zu sehen. Er verweist auf den BK-Report 1/93 der Schriftenreihe des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften, der entsprechende Hinweise der Ermittlung der Asbestfaserdosis für einen Maurer enthalte, wenn konkrete Expositionsangaben nicht verfügbar seien. Für die 20-jährige Tätigkeit des Versicherten auf dem Bau käme man zu einer kumulativen Asbestfaserdosis von 44 Asbestfaserjahren. Es lägen die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für das Vorliegen einer BK Nr 4104 und 4103. Dem erhöhten Tabakgenuss des Versicherten, der hinsichtlich Dauer und Menge nicht mehr feststellbar sei, komme nicht die überwiegende Ursache für das entstandene Lungenleiden zu. Die Anerkennung einer BK Nr 4109 der Anlage 1 zur BKVO scheide aus, da trotz des Nachweises seiner relevanten Einwirkung von Nickel durch die Untersuchung bei einem verstorbenen Arbeitskollegen des Versicherten nicht wahrscheinlich zu machen sei, dass Nickel allein überwiegend wesentlich an der Verursachung des Bronchialasthmas beteiligt war. Auch sah er die Voraussetzungen des § 551 Abs 2 RVO als gegeben an. Der Versicherte sei bei der etwa 13-jährigen Tätigkeit in der Gießerei Einwirkungen krebserzeugender Gefahrstoffe (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, asbesthaltige Stäube), die das in der Umwelt vorliegende Gefährdungsmaß überschritten, ausgesetzt gewesen. Diese besonderen Einwirkungen seien nach den neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft generell geeignet, ein Bronchialkarzinom zu verursachen. Der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der gefährdenden Tätigkeit sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben.
Prof.Dr.G.L. hat im Gutachten vom 05.11.1996 darauf hingewiesen, dass die auf der Röntgenaufnahme vom 11.04.1970 zu sehende Pleuraplaque schon 2 Jahre vor der ersten belegten Asbeststaubexposition bei der Firma R. nachgewiesen sei und daher ein ursächlicher Zusammenhang mit der beruflichen Exposition nicht wahrscheinlich sei. Dass in der Zeit von 1949 bis 1969 während der Tätigkeit des Versicherten als Maurer keine direkte oder indirekte Asbeststaubexposition vorgelegen haben solle, verwundere allerdings.
Mit Urteil vom 26.06.1997 hat das SG die Beklagte verpflichtet, die Lungenkrebserkrankung des Versicherten als BK nach § 551 Abs 2 RVO anzuerkennen und die gesetzlichen Hinterbliebenenleistungen zu gewähren. Die Klage auf eine Lebzeitenrente hat es abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Gefahrstoffgemische, die Prof.Dr.W. in seinem Gutachten angeführt habe, seien bereits in geringer Dosierung generell geeignet, ein Bronchialkarzinom zu verursachen. Ein ursächlicher Zusammenhang von gießereitypischen Gefahrstoffgemischen mit der Entstehung einer Lungen- bzw Bronchialkrebserkrankung sei als wissenschaftlich ausreichend gesichert im Sinne des § 551 Abs 2 RVO anzusehen. Auch habe eine Bronchialkrebserkrankung nach Nr 4104 2. Alternative der Anlage 1 zur BKVO vorgelegen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt und vorgetragen, das SG habe keinerlei weitere Feststellungen hinsichtlich der Frage des Vorliegens neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse im Sinne des § 551 Abs 2 RVO getroffen. Auch läge keine BK nach Nr 4104 2. Alternative vor. Unter Bezugnahme auf das Gutachten des Prof.Dr.L. hat sie ausgeführt, dass asbestosetypische Kalkplaques der linken Zwergfellkuppe bereits auf einer Röntgenaufnahme vom 11.04.1970 nachweisbar seien. Da der Versicherte aber erstmals ab März 1972 asbeststaubbelastende Tätigkeiten ausgeführt habe, habe er sich die Erkrankung nicht durch die Tätigkeit im Zuständigkeitsbereich der Beklagten zuziehen können. Weitere Pleuraveränderungen, die eindeutig auf die Asbeststaubexposition zurückgeführt werden könnten, seien den vorliegenden Röntgenbefunden der Thoraxorgane nicht zu entnehmen. Der Versicherte habe aber auch während seiner Tätigkeit im Baugewerbe in der Zeit von 1949 bis 1969 keinen Kontakt mit Asbest gehabt wie es sich aus den konkreten Aussagen der noch zur Verfügung stehenden früheren Arbeitgeber bzw der entsprechenden Technischen Aufsichtsdienste ergebe.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 26.06.1997 aufzuheben sowie die Klage gegen die Bescheide vom 12.03.1987 und 25.08.1999 abzuweisen, hilfsweise die Beigeladene zu verurteilen, der Klägerin Hinterbliebenenleistungen zu gewähren.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 26.06.1997 zurückzuweisen, hilfsweise die Beigeladene zu verurteilen, der Klägerin Hinterbliebenenleistungen zu gewähren.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie der Verwaltungsakte der Beigeladenen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Klägerin hat Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen nach ihrem am 09.10.1983 verstorbenen Ehemann F. M. gemäß §§ 589 Abs 1 RVO, 551 Abs 1 RVO iVm Nr 4104 der Anlage 1 zur BKVO.
Der Anspruch der Klägerin ist noch nach den Vorschriften der RVO zu beurteilen, da der Tod des Versicherten vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) am 01.01.1997 eingetreten ist (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII).
Die Beklagte ist zuständiger Versicherungsträger, da das 1983 erkannte und zum Tode führende Lungenkrebsleiden während der Tätigkeit des Versicherten in ihrem Zuständigkeitsbereich aufgetreten ist. Das Auftreten der Erkrankung vor Einführung der Nr 4104 2. Alternative der Anlage 1 zur BKVO steht der Anerkennung nicht entgegen, da Art 3 der Änderungsverordnung vom 22.03.1988 eine Rückwirkung bis 31.12.1976 vorsieht und der Versicherungsfall nach dem 31.12.1976 eingetreten ist.
Hinterbliebenenleistungen sind gemäß § 589 RVO bei Tod durch Arbeitsunfall zu gewähren. Als Arbeitsunfall gilt auch eine BK. BKen sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540, 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Nach der Nr 41 der Anlage 1 zur BKVO zählen als BKen Erkrankungen durch anorganische Stäube. Voraussetzung ist also zunächst die berufliche Exposition mit anorganischen Stäuben und weiter, dass die Erkrankung nach der Lehre von der wesentlichen Bedingung mit Wahrscheinlichkeit auf die Gefährdung des Versicherten durch schädigende Einwirkungen im Rahmen der versicherten Tätigkeit ursächlich zurückzuführen ist (vgl Ricke, Kasseler Kommentar, § 551 RVO RdNr 7 bzw § 9 SGB VII RdNr 11; Koch in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 36 RdNr 1 ff). Für die Exposition bedarf es des Vollbeweises (vgl Ricke aaO § 9 SGB VII RdNr 27).
Diese Voraussetzungen waren beim Versicherten im Hinblick auf die durch die Verordnung zur Änderung der BKVO vom 22.03.1988 (BGBl I 400) eingeführte BK eines "Lungenkrebses iVm durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura" erfüllt. Im Zeitpunkt seines Ablebens am 09.10.1983 lag unstreitig ein Lungenkrebsleiden vor. Das Brückensymptom für die haftungsbegründende Kausalität zwischen Asbestexpostition und Lungenkrebs in Form einer röntgenologisch eindeutigen Pleuraasbestose (so Schönberger/Mehrtens/Valentin in Arbeitsunfall und Berufskrankheit 6. Auflage Seite 1087) lag ebenfalls vor. Die Erkrankung der Pleura steht fest aufgrund der Röntgenaufnahmen vom 11.04.1970 und 28.07.1978. Es zeigten sich - worauf die Sachverständigen Prof.L. und Prof.W. hinwiesen - 1970 ein Kalkherd des linken Zwergfelles und 1978 eine deutliche Zunahme der Verkalkung, da die Pleura in den Folgejahren, wie Prof.L. darlegt, an Größe zugenommen hat. Diese Veränderungen im Bereich der Zwergfellkuppe sind auf die Einwirkung asbestfaserhaltiger Stäube zurückzuführen und somit im Sinne einer Pleuraasbestose zu deuten, denn der Versicherte war asbestfaserhaltigen Stäuben ausgesetzt. Dies ergibt sich für die Tätigkeit bei der Firma M. in der Zeit von 1972 bis 1981 eindeutig aus der Auskunft des T. vom 16.08.1995, der von einer Asbestbelastung von 21,23 Faserjahren in dieser Zeit ausgeht.
Der Senat sieht es aber auch als nachgewiesen an, dass der Versicherte in der Zeit von 1949 bis 1969, während der er als Maurer tätig war, Asbeststaub ausgesetzt war. Eine Tatsache ist dann bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hierauf zu begründen (BSGE 8, 59, 61; 48, 285; 58, 80, 83). Zweifel des Richters müssen nicht völlig ausgeschlossen sein (BGHZ 53, 255). Es genügt ein der Gewissheit nahe kommender Grad der Wahrscheinlichkeit. Eine Asbeststaubbelastung in der Tätigkeit als Maurer nimmt der Senat ua an aufgrund der Ausführungen der Beklagten in ihrem Bearbeitungshinweis BK Report 1/97. Danach ist der Beweis für die Asbestexposition während der versicherten Tätigkeit bei typischen Arbeitstätigkeiten zB im Beruf des Isolierers, Dachdeckers regelmäßig erbracht. Da der Beruf des Maurers dahingehend beschrieben wird, dass dieser mit Asbestzementprodukten wie Fassaden-, Dach- und Schalldämmplatten, Leichtbauplatten, Beimischen feinster mineralischer Pulver für rutschfesten Belag, wie Schleifen von Spachtelmassen und Klebern, Zuschneiden von Asbestzementrohren für Lüftungszwecken einschließlich der Zu- und Ablüftungsöffnungen zu tun hat, ist ohne weiteren Nachweis davon auszugehen, dass der Versicherte im Laufe seiner 20-jährigen Tätigkeit mit Asbest gearbeitet hat. Hierfür spricht auch, dass nach heutigen Erkenntnissen Asbest früher wesentlich mehr verbreitet war als bislang angenommen (BK Report 1/97). Dementsprechend führte Prof.L. auch aus, er "wundere sich" dass keine Exposition als Maurer vorgelegen haben soll. Die Kenntnisse der damaligen Arbeitsmaterialien auf dem Bau sprechen im Übrigen - wie das Erstgericht unter Bezugnahme auf Mehrtens/Perlebach BKV Kommentar Nr 4104, Fruhmann/Pethran, Asbest in der Arbeitswelt, in Arbeits-Sozial-Präventivmedizin 1990/446 dargelegt hat, ebenso wie die Auskunft des Baufachmannes Keidels vom 23.05.1997 dafür, dass Maurer zur damaligen Zeit mit asbeststoffhaltigem Material zu arbeiten hatten. Bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und der allgemeinen Lebenserfahrung geht der Senat daher davon aus, dass ein Maurer während einer 20-jährigen Tätigkeit in der Zeit von 1949 bis 1969 Asbest ausgesetzt war und damit bestand beim Versicherten eine mit Wahrscheinlichkeit durch Asbeststaub verursachte als auch verschlimmerte Erkrankung der Pleura, die in Verbindung mit dem Lungenkrebsleiden des Versicherten steht.
Konkurrierende Entstehungsursachen haben nämlich keinen wesentlichen Einfluss auf die Entstehung der Erkrankung des Versicherten gehabt. Zwar hat er geraucht, wobei sich Dauer und Quantität der Rauchgewohnheit nicht mehr rekonstruieren lässt. Gerade bei der Einwirkung asbestfaserhaltiger Stäube aber kann das Rauchen als nicht so überwiegend angesehen werden, da ein überadditiver annähernd multiplikativer Effekt bei der Erhöhung des Bronchialkrebsrisikos, wie Prof.W. überzeugend darlegt, bekannt ist. Den versicherten Einwirkungen ist jedenfalls zumindest eine wesentliche Teilursächlichkeit bei der Entstehung des Lungenkrebsleidens zuzusprechen.
Eine BK gemäß § 551 Abs 1 RVO iVm Nr 4109 der Anlage 1 zur BKVO liegt nach den Ausführungen der gehörten Sachverständigen, denen sich der Senat anschließt, nicht vor.
Ebensowenig liegen die Voraussetzungen des § 551 Abs 2 RVO entgegen der Auffassung des Erstgerichts nicht vor, sodass der Tenor des Urteils des SG Würzburg vom 26.06.1997 insoweit abzuändern war.
Nach dieser Vorschrift sollen die Träger der Unfallversicherungen im Einzelfall eine Krankheit wie eine BK entschädigen, wenn nach neueren Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen des § 551 Abs 1 RVO erfüllt sind. Darüber, ob Beschäftigte bei Einwirkung des gießereirelevanten Gefahrstoffgemisches eindeutig vermehrt an Lungentumoren erkranken, gibt es aber keine eindeutigen neuen Erkenntnisse. Die synkancerogene Wirkung von entsprechenden Gefahrstoffgemischen ist wissenschaftlich noch nicht eindeutig belegt. Insbesondere gibt es keine eindeutigen Erkenntnisse darüber, wie diese Stoffe sich in ihrer Wirkung zueinander verhalten, ob sie sich zB aufheben, addieren, kumulieren oder ähnliches. Zuletzt hat auch der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaft im Schreiben vom 19.04.2000 mitgeteilt, dass keine Informationen über medizinisch-wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse bestehen, dass bei einer bestimmten Personengruppe (hier Gußputzer in einer Putzerei) durch die kombinierte Einwirkung von Asbestfaserstoff und Quarzfeinstoff in weitaus höherem Maße als in der übrigen Bevölkerung Bronchialkrebserkrankungen auftreten.
Nach alledem ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin Hinterbliebenenleistungen gemäß § 589 RVO zu gewähren. Das Urteil des SG Würzburg ist im Ergebnis zu bestätigen, im Tenor - Ziffer I - ist es jedoch abzuändern.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor.
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