Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 2316/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 715/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 11.12.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten für eine ambulante privatärztliche Behandlung am 03.01.2011 iHv 2.650,94 EUR sowie für zwei Paar Kompressionsstrümpfe iHv 238 EUR.
Die 1960 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Bereits in den Jahren 2004 und 2006 wurde bei der Klägerin an beiden Beinen ein Venenstripping durchgeführt. Am 03.01.2011 ließ die Klägerin bei dem nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Dr. P. in M. ambulant eine endovenöse Radiofrequenzobliteration der Beinvenen beider Beine durchführen. Bei diesem Verfahren wird ein Katheter in die Vene eingeführt, dessen Spitze durch Radiowellen erhitzt wird. Die Hitze führt dazu, dass die Gefäßinnenwand zerstört wird und die umliegenden Kollagenstrukturen sich zusammenziehen, wodurch das erweiterte Gefäß verschlossen wird (G. von G., "Schaum, Laser und Radiowellen machen der klassischen Varizen-Operation ihren Rang streitig", Ärztezeitung 24.01.2005; Homepage privatklinik-p.). Mit Rechnung vom 03.01.2011 wurden der Klägerin für zwei Paar medizinische Kompressionsstrümpfe, Kompressionsklasse 2 von der Privatklinik P. GmbH 238 EUR in Rechnung gestellt. Mit weiterer Rechnung vom 04.01.2011 liquidierte Dr. P. für die Radiowellentherapie insgesamt 2.650,94 EUR.
Mit Schreiben vom 29.12.2011 reichte die Klägerin die genannten Rechnungen bei der Beklagten mit der Bitte um Kostenübernahme ein. Sie führte aus, dass eine Untersuchung bei Dr. S.-G. ergeben habe, dass sie aufgrund ihrer Venenerkrankung stark thrombose- und emboliegefährdet sei. Die Beine seien extrem angeschwollen und schmerzhaft gewesen, eine rasche OP sei unumgänglich gewesen. Die Wartezeiten der Krankenhäuser seien bekannt und aufgrund der Schwere des Beschwerdebildes sei ein ambulantes Stripping aufgrund des hohen Risikos nicht durchführbar gewesen. Zudem vertrage sie Narkosen sehr schlecht. Sie habe sich daher zu der Behandlung bei Dr. P. entschieden. Das von ihm verwendete Verfahren sei erforscht und werde in der Praxis schon seit Jahren praktiziert. Das Ergebnis sei super.
Mit Schreiben vom 03.01.2012 führte die Beklagte aus, dass sie sich an den Kosten nicht beteiligen könne, da die Radiowellentherapie ein neues Verfahren zur Behandlung von Krampfadern sei, hierfür als Behandlungsalternative jedoch anerkannte Methoden - Strippingoperation, Phlebektomie, Crossektomie oder Sklerosierung - zur Verfügung stünden. Abgesehen davon habe die Beklagte im Rahmen der integrierten Versorgung einen Versorgungsvertrag mit der Facharztpraxis Dr. S. in S., wo seit 01.04.2010 die Durchführung der endoluminalen Radiowellentherapie Vertragsinhalt der integrierten Versorgung sei. Über diese weitere vertragliche Behandlungsoption hätte man die Klägerin im Vorfeld gerne informiert. Die Klägerin antwortete darauf mit Schreiben vom 19.03.2012, man möge Kulanz walten lassen.
Die Beklagte holte ein sozialmedizinisches Gutachten über den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein. In dem Gutachten vom 11.04.2012 führte Dr. S. aus, dass es sich bei der beantragten Methode Radiowellentherapie Closure Fast um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB) handele. Ein positives Votum des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) liege zu dieser Methode nicht vor. Bei einer Veneninsuffizienz liege auch keine lebensbedrohliche, notstandsähnliche Situation vor. Anerkannte Standardverfahren stünden zur Verfügung, wie das Stripping. Auch dies erfolge im ambulanten Rahmen. Die hier streitige Methode sei von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen. Die vorliegenden medizinischen Unterlagen ließen weder erkennen, warum hier die Standardversorgung nicht zur Anwendung habe kommen können, noch warum nicht ein Vertragspartner der gesetzlichen Krankenversicherung habe gewählt werden können. Mit Bescheid vom 18.04.2012 lehnte die Beklagte daraufhin die Kostenübernahme ab.
Mit ihrem Widerspruch vom 04.05.2012 machte die Klägerin geltend, die durchgeführte Art der Venen-OP habe der Krankenkasse enorme Kosten erspart. Zudem sei die Radiowellentherapie so präzise, dass die dadurch erzielten Erfolge auf sehr lange Sicht garantiert seien, sodass auch für die Zukunft enorme Kosten erspart würden. Bereits in der Vergangenheit seien zwei Strippings durchgeführt worden, welche keinerlei Erfolge erzielt hätten. Im Gegenteil habe sie seit dem ersten Stripping in der Leiste sowie am linken Fuß innen Taubheitsgefühle. Außerdem sei sie sehr stark embolie- und thrombosegefährdet gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.06.2012 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, dass Bundessozialgericht (BSG) habe bereits mehrfach entschieden, dass der Versicherte vor Inanspruchnahme einer Leistung außerhalb des vertragsärztlichen Systems grundsätzlich gehalten sei, seine Krankenkasse zu befragen, soweit eine Kostenerstattung begehrt werde. Hier sei der Antrag auf Kostenerstattung jedoch erst nach Abschluss der Behandlung erfolgt. Obgleich bereits aus diesem Grund dem Anspruch nicht entsprochen werden könne, sei eine weitergehende Sachprüfung durchgeführt worden. Danach wäre auch bei rechtzeitiger Antragstellung eine Kostenübernahme nicht möglich gewesen, da Dr. P. nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei. Eine Kostenerstattung könne des Weiteren nicht erfolgen, da der GBA die Radiofrequenzobliteration nicht als vertragsärztliche Leistung anerkannt habe. Diese werde privat außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung erbracht und sei als NUB einzuordnen. NUB dürften nur dann über die gesetzliche Krankenversicherung abgerechnet werden, wenn sie in ihrer Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprächen. Diese Prüfung obliege dem GBA. Die Abrechnung einer nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode sei grundsätzlich ausgeschlossen, solange sich der GBA zur Notwendigkeit und zum therapeutischen Nutzen der Methode nicht geäußert habe. Eine Empfehlung des GBA liege für die Radiofrequenzobliteration nicht vor. Auch der MDK habe eine Kostenerstattung nicht empfehlen können, anerkannte Standardverfahren stünden zur Verfügung. Auch das Argument, dass durch Privatbehandlung Kosten eingespart würden, könne keine andere Entscheidung rechtfertigen, denn sonst könnte die krankenversicherungsrechtliche Beschränkung auf bestimmte Formen der Leistungserbringung letztlich durch den Anspruch auf (teilweise) Kostenerstattung ohne Weiteres durchbrochen werden.
Hiergegen richtet sich die am 18.07.2012 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage, mit welcher die Klägerin die Kostenerstattung von insgesamt 2.888,94 EUR begehrt. Einer Krankenkasse sei durchaus gestattet, Kosten auch für die Behandlung durch einen nicht zugelassenen Arzt zu übernehmen. Dies gelte nicht nur für eine Notfallbehandlung, sondern auch, wenn die Behandlung durch einen besonders qualifizierten Arzt erfolge und nur auf diese Art und Weise eine erfolgreiche Behandlung sichergestellt werden könne. Im Übrigen handle es sich bei der Radiofrequenztherapie nicht um eine Neulandmethode, sondern ein durchaus etabliertes Verfahren. Zudem würden die bei schulmedizinischer Behandlung zu erwartenden Erfolge deutlich übertroffen. Bemerkenswert sei, dass die Beklagte die Kosten für eine solche Therapie bei Durchführung in einer speziellen Praxis in S. durchaus übernehme. Daher stelle es einen Gleichheitsverstoß dar, wenn vorliegend keine Kostenerstattung erfolge. Es sei eine willkürliche Ungleichbehandlung, wenn ein Teil der Versicherten die streitige Therapie im Rahmen der integrierten Versorgung erhalten könne, ein anderer Teil nicht.
Mit Gerichtsbescheid vom 11.12.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung gemäß § 13 Abs 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nicht vorlägen. Eine unaufschiebbare Leistung zur Vermeidung einer ernsten Lebens- oder Leibesgefahr habe nicht vorgelegen. Auch eine unrechtmäßige Leistungsablehnung durch die Krankenkasse sei nicht gegeben. Insoweit fordere das BSG in ständiger Rechtsprechung, dass der Versicherte seiner Krankenkasse zuvor wenigstens Gelegenheit gegeben haben müsse, die Angelegenheit zu überprüfen. Nehme ein Versicherter im Gegensatz hierzu ohne vorherige Antragstellung und ohne Wissen der Krankenkasse nicht zugelassene Leistungserbringer in Anspruch, scheide eine Kostenerstattung von vornherein aus. Auch ein Sonderfall auf Basis der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98) liege nicht vor. Mittlerweile habe der Gesetzgeber in Reaktion auf diese Entscheidung eine besondere Regelung zum "Systemversagen" getroffen. Hiernach könnten Versicherte, die an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung oder einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung litten, auch die Durchführung von schulmedizinisch noch nicht anerkannten Behandlungen beanspruchen, wenn eine allgemein anerkannte erfolgversprechende Therapie im Einzelfall nicht zur Verfügung stehe und durch die Außenseitermethode eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe. Da für die Radiofrequenztherapie eine positive Entscheidung des GBA nicht vorliege, handele es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Sinne von § 135 SGB V. Für diese Behandlungsform bestehe im Rahmen der ambulanten kassenärztlichen Versorgung grundsätzlich ein Verbot. Dieses werde hier nicht durch ein "Systemversagen" ausgehebelt. Zum einen handele es sich nicht um eine schwere bzw regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung, zum anderen stünden durchaus anerkannte Behandlungsmethoden zur Behandlung des Venenleidens zur Verfügung. Dass die Klägerin in der Vergangenheit mit einem Venenstripping schlechte Erfahrungen gemacht habe, schließe die erneute Durchführung einer solchen Operation nicht von vornherein aus. Unerheblich sei, dass die Beklagte für eine vergleichbare Therapieform mit einer Arztpraxis in S. eine Vereinbarung über eine integrierte Versorgung nach § 140b SGB V abgeschlossen habe. Es hätte der Klägerin bei vorheriger Kontaktaufnahme mit der Beklagten freigestanden, an der integrierten Versorgung teilzunehmen und die Behandlung in S. durchführen zu lassen. Ebenso unerheblich sei der Einwand, dass eine schulmedizinisch anerkannte Behandlung deutlich höhere Kosten verursacht hätte. Das Wirtschaftlichkeitsgebot aus § 12 Abs 1 SGB V dürfe nicht auf einen konkreten Kostenvergleich zwischen zugelassenen und nicht zugelassenen Behandlungsmethoden bezogen werden. Vielmehr könnten von vornherein nur solche Therapieformen berücksichtigt werden, die tatsächlich auch zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung rechneten. Nicht zuletzt beinhalte das Wirtschaftlichkeitsgebot auch, dass die Versichertengemeinschaft davor geschützt werden solle, die wirtschaftlichen Folgelasten zu tragen, die sich aus Folgeschäden bei noch nicht hinreichend erforschten bzw erprobten Behandlung im Einzelfall ergeben könnten. Auch der Hinweis auf lange Wartezeiten bei Vertragsärzten bzw zugelassenen Krankenhäusern rechtfertige kein anderes Ergebnis. Zum einen könne dies rückblickend nicht mehr nachvollzogen werden, zudem seien von dieser Schwierigkeit alle Kassenpatienten gleichermaßen betroffen.
Gegen den am 31.01.2013 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 19.02.2013 eingelegte Berufung der Klägerin. Vorliegend habe durchaus eine unaufschiebbare Leistung vorgelegen, auch wenn die Klägerin zum Zeitpunkt des Eingriffs von Dr. P. nicht in akuter Lebensgefahr geschwebt habe. Es habe eine außerordentlich hohe Thrombose- und Emboliegefahr bestanden. Die Beklagte bezahle unstreitig völlig gleichartige Behandlungen, wenn sich die Patienten in die Behandlung von Dr. S. in S. begäben. Es sei darauf hinzuweisen, dass es sich nicht um eine Außenseitermethode, sondern eine etablierte Behandlungsmethode handele, welche lediglich noch nicht vom GBA als kassenärztliche Leistung anerkannt worden sei. Kein Patient müsse sich, wenn eine etablierte Behandlungsmethode vorliege, darauf verweisen lassen, eine andere anerkannte Behandlungsmethode zu akzeptieren, wenn bei dieser Methode Gefahr für Leib und Leben bestehe. Die Klägerin habe das bekannte Venenstripping unter Narkose nicht vertragen und es seien Komplikationen mit Taubheitserscheinungen aufgetreten. Im Sinne der Gleichbehandlung sämtlicher Patienten müsse die Beklagte die Behandlung durch Dr. P. bezahlen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 11.12.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 18.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.06.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die Behandlung bei Dr. P. sowie für die Kompressionsstrümpfe iHv insgesamt 2.888,94 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, hat keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1, 151 Abs 1 SGG statthafte und zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Bescheid vom 18.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.06.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, denn sie hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die privatärztliche Behandlung vom 03.01.2011 sowie für die von Dr. P. erworbenen Kompressionsstrümpfe.
Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V (idF vom 26.03.2007, BGBl I 378) in Betracht, da die Klägerin keine Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 SGB V gewählt hatte. Danach sind die Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (Alt 1) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Alt 2) und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V gibt demnach einen Kostenerstattungsanspruch für den Fall, dass der Versicherte wegen eines Systemversagens gezwungen ist, sich eine Behandlung, die ihm die Krankenkasse an sich als Sachleistung schuldet, außerhalb des für Sachleistungen vorgesehenen Weges selbst zu beschaffen.
Die Klägerin kann die Erstattung der Kosten nicht nach § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGB V beanspruchen. Voraussetzung ist, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte. Unaufschiebbarkeit liegt vor, wenn ein Zuwarten dem Versicherten aus medizinischen Gründen unzumutbar ist, weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder aus anderen medizinischen Gründen - zB wegen der Intensität der Schmerzen - ein auch nur vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zumutbar ist (BSG 06.03.2012, B 1 KR 17/11 R, juris - RdNr 18 mwN). Die hier durchgeführte Behandlung der Venenerkrankung war nach den dargelegten Kriterien nicht unaufschiebbar. Wie die Klägerin im Erörterungstermin am 16.07.2013 zu Protokoll erklärt hat, hatte sich ihre Venenerkrankung im Jahr 2010 verschlimmert. Die behandelnde Ärztin Dr S.-G. habe etwa drei Wochen vor der Operation gemeint, man müsse etwas machen. In dieser Zeit hätte sich die Klägerin ohne Weiteres - so wie sie sich im Internet und bei Bekannten informiert hat - mit der Beklagten in Verbindung setzen und eine Entscheidung der Krankenkasse über die begehrte Behandlung herbeiführen können. Erst recht liegt kein Notfall im Sinne von § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V vor. Eine Notfallbehandlung hätte im Übrigen als Sachleistung erbracht werden müssen, so dass sich der Vergütungsanspruch nicht gegen die Klägerin, sondern allein gegen die Krankenkasse gerichtet hätte (BSG 19.10.2001, B 1 KR 6/01 R, SozR 3-2500 § 13 Nr 25). Damit scheidet ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGB V aus.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB V, da sie schon den gesetzlich vorgesehenen Beschaffungsweg nicht eingehalten hat. Voraussetzung für eine Kostenerstattung nach rechtswidriger Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse ist der notwendige Kausalzusammenhang zwischen der Entscheidung der Krankenkasse und der Selbstbeschaffung (BSG 01.04.2010, B 1 KR 114/09 B, juris; BSG 30.06.2009, B 1 KR 5/09 R, SozR 4-2500 § 31 Nr 15 ständige Rechtsprechung). Hieran fehlt es vorliegend, denn die Krankenkasse war vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren überhaupt nicht befasst, da die Klägerin den Kostenerstattungsantrag erst ein knappes Jahr nach Durchführung der Behandlung eingereicht hat. Eine vorherige Entscheidung der Krankenkasse im Rahmen des § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB V ist selbst dann nicht entbehrlich, wenn die Ablehnung des Leistungsbegehrens - etwa aufgrund von Erfahrungen aus anderen Fällen - von vornherein feststeht (BSG 01.04.2010, B 1 KR 114/09 B, juris; BSG 30.06.2009, B 1 KR 5/09 R, SozR 4-2500 § 31 Nr 15 ständige Rechtsprechung). Dies gilt auch, wenn es um Leistungen geht, die kraft Gesetzes oder durch untergesetzliche Regelwerke (vermeintlich) ausgeschlossen sind (BSG 14.12.2006, B 1 KR 8/06 R, BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12). Auch nach Sinn und Zweck der Regelung kann in Fällen, in denen mit der Ablehnung zu rechnen ist, nicht auf die vorherige Entscheidung der Beklagten verzichtet werden (Senatsurteil vom 15.05.2012, L 11 KR 5586/10). § 13 Abs 3 SGB V will den Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Sachleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Sachleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke festgestellt wird. Diese Feststellung zu treffen, ist nicht Sache des Versicherten, sondern der Krankenkasse (BSG 14.12.2006, B 1 KR 8/06 R, aaO). Die Krankenkasse hat den nötigen Überblick über die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und kann beurteilen, ob und wie Leistungen im bestehenden Versorgungssystem realisiert werden können. Eine vorherige Prüfung durch die Krankenkasse, verbunden mit der Möglichkeit einer Beratung des Versicherten, ist sachgerecht; sie liegt gerade auch im eigenen Interesse des Versicherten, weil sie ihn von dem Risiko entlastet, die Behandlungskosten ggfs selbst tragen zu müssen, wenn ein zur Erstattungspflicht führender Ausnahmetatbestand nicht vorliegt (BSG 14.12.2006, aaO). Besonders deutlich wird dies im vorliegenden Fall, denn bei vorheriger Antragstellung hätte die Beklagte die Klägerin darüber informieren können, dass die gewünschte Behandlung im Rahmen der integrierten Versorgung - und damit innerhalb des bestehenden Versorgungsystems - in S. angeboten wird. Fehlt der ursächliche Zusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung, bedarf es keiner Entscheidung, ob der Ausschluss der Leistung aus materiellen Gründen rechtswidrig oder auch verfassungswidrig ist (vgl Senatsurteil vom 16.11.2010, L 11 KR 1871/10, juris).
Ist damit die Erstattung der hier streitigen Kosten schon deshalb ausgeschlossen, weil die Voraussetzungen der Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 SGB V nicht vorliegen, weist der Senat nur ergänzend und ohne dass es für die Entscheidung hierauf ankommt darauf hin, dass auch bei Einhaltung des Beschaffungswegs eine Erstattung der Kosten für die Radiofrequenzobliteration nicht in Betracht gekommen wäre. Der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (BSG 18.05.2004, B 1 KR 21/02 R, SozR 3-2500 § 13 Nr 11; BSG 19.10.2004, B 1 KR 27/02 R, juris).
Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach § 28 Abs 1 Satz 1 SGB V umfasst die (ambulante) ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Insoweit entspricht die Vorgabe des § 28 Abs 1 Satz 1 SGB V auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 Satz 1 SGB V, wonach die Leistungen der Krankenkassen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen. Sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs 1 Satz 2 SGB V). Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V). Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat.
Bei der hier streitigen Radiofrequenzobliteration der Beinvenen handelt es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, für die keine positive Empfehlung des GBA vorliegt. Ein Ausnahmefall, in dem es keiner positiven Empfehlung des GBA bedarf, ist nicht ersichtlich. Ein Systemversagen wegen verzögerter Bearbeitung eines Antrags auf Empfehlung einer neuen Methode (vgl dazu BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 12) liegt nicht vor, da ein entsprechender Antrag bislang noch nicht gestellt wurde. Auch ein Seltenheitsfall ist nicht gegeben. Voraussetzung wäre ein singulärer Krankheitsfall, so dass generelle wissenschaftliche Aussagen zur Therapie der Krankheit infolge der geringen Zahl an Patienten so gut wie ausgeschlossen sind (BSG 19.10.2004, B 1 KR 27/02 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 1). Eine derartige Fallgestaltung liegt bei der hier gegebenen Veneninsuffizienz der Beinvenen offensichtlich nicht vor.
Ebenfalls zutreffend hat das SG entschieden, dass sich ein Kostenerstattungsanspruch auch nicht aus einer grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung ergibt. Mit Beschluss vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98, SozR 4200 § 27 Nr 5) hat das BVerfG entschieden, dass es mit den Grundrechten aus Art 2 Abs 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art 2 Abs 2 Satz 1 GG nicht vereinbar ist, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Der Gesetzgeber hat diese Rechtsprechung inzwischen mit dem seit 01.01.2012 geltenden § 2 Abs 1a SGB V kodifiziert.
Eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende (BSG 04.04.2006, B 1 KR 7/05 R, BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4) oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung (BSG 04.04.2006, B 1 KR 12/04 R, BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7) ist trotz des Thrombose- und Embolierisikos nicht gegeben. Mit dem Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, ist eine strengere Voraussetzung umschrieben als sie etwa mit dem Erfordernis einer "schwerwiegenden Erkrankung" für die Eröffnung des sog "Off-Label-Use" formuliert ist (BSG 19.03.2002, B 1 KR 37/00 R, BSGE 89,184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8; BSG 26.09.2006, B 1 KR 3/06 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 10). Die hier vorliegende Veneninsuffizienz stellt keine Erkrankung dar, die die oben genannten Kriterien erfüllt, wie sich auch aus dem Gutachten des MDK vom 11.04.2012 ergibt. Für die Therapie dieser Erkrankung standen zudem allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlungsmöglichkeiten wie Venenstripping zur Verfügung. Insoweit nimmt der Senat ebenfalls auf das MDK-Gutachten vom 11.04.2012 Bezug. Objektive Anhaltspunkte, dass die Durchführung der allgemein anerkannten Behandlungsmethoden bei der Klägerin nicht möglich gewesen wäre, liegen nicht vor, dies wird auch von der Klägerin nicht behauptet.
Die Entscheidung der Klägerin, eine bestimmte Behandlungsmethode - Venenstripping - nicht anzuwenden, ist im Hinblick auf den damit verbundenen Eingriff in ihre körperliche Integrität zu respektieren. Die Klägerin ist nicht verpflichtet, die Operation vornehmen zu lassen. Daraus folgt aber noch nicht, dass die von ihr gewählte Behandlungsalternative von der Krankenkasse zu vergüten ist. Auch nach der Rspr des BVerfG ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die gesetzliche Krankenversicherung den Versicherten Leistungen nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs (§ 11 SGB V) und unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V) zur Verfügung stellt (BVerfG 06.12.2005, aaO, mwN). Nimmt die Klägerin diese Systemleistung aus eigener Entscheidung nicht in Anspruch, so kann sie nicht die Erstattung der Kosten der Alternativbehandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verlangen.
Auch Art 3 Abs 1 GG gebietet im vorliegenden Fall keine Kostenerstattung. Die Tatsache, dass die Beklagte eine vergleichbare wie die hier streitige Leistung im Rahmen der integrierten Versorgung als Sachleistung anbietet, erfordert keinesfalls, deswegen entsprechende Leistungen außerhalb des Systems im Wege der Kostenerstattung zu gewähren. Die Erbringung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode, die das Gesetz ohne positive Entscheidung des GBA nur ausnahmsweise als Sachleistung im Rahmen der integrierten Versorgung mit der Gewährleistung auch einer ausreichenden Qualitätssicherung (§ 140b Abs 3 SGB V) zulässt, ist nicht vergleichbar mit der unkontrollierten Erbringung derartiger Leistungen außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung. Es handelt sich daher um unterschiedliche Sachverhalte, so dass eine unterschiedliche Behandlung keinen Gleichheitsverstoß darstellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten für eine ambulante privatärztliche Behandlung am 03.01.2011 iHv 2.650,94 EUR sowie für zwei Paar Kompressionsstrümpfe iHv 238 EUR.
Die 1960 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Bereits in den Jahren 2004 und 2006 wurde bei der Klägerin an beiden Beinen ein Venenstripping durchgeführt. Am 03.01.2011 ließ die Klägerin bei dem nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Dr. P. in M. ambulant eine endovenöse Radiofrequenzobliteration der Beinvenen beider Beine durchführen. Bei diesem Verfahren wird ein Katheter in die Vene eingeführt, dessen Spitze durch Radiowellen erhitzt wird. Die Hitze führt dazu, dass die Gefäßinnenwand zerstört wird und die umliegenden Kollagenstrukturen sich zusammenziehen, wodurch das erweiterte Gefäß verschlossen wird (G. von G., "Schaum, Laser und Radiowellen machen der klassischen Varizen-Operation ihren Rang streitig", Ärztezeitung 24.01.2005; Homepage privatklinik-p.). Mit Rechnung vom 03.01.2011 wurden der Klägerin für zwei Paar medizinische Kompressionsstrümpfe, Kompressionsklasse 2 von der Privatklinik P. GmbH 238 EUR in Rechnung gestellt. Mit weiterer Rechnung vom 04.01.2011 liquidierte Dr. P. für die Radiowellentherapie insgesamt 2.650,94 EUR.
Mit Schreiben vom 29.12.2011 reichte die Klägerin die genannten Rechnungen bei der Beklagten mit der Bitte um Kostenübernahme ein. Sie führte aus, dass eine Untersuchung bei Dr. S.-G. ergeben habe, dass sie aufgrund ihrer Venenerkrankung stark thrombose- und emboliegefährdet sei. Die Beine seien extrem angeschwollen und schmerzhaft gewesen, eine rasche OP sei unumgänglich gewesen. Die Wartezeiten der Krankenhäuser seien bekannt und aufgrund der Schwere des Beschwerdebildes sei ein ambulantes Stripping aufgrund des hohen Risikos nicht durchführbar gewesen. Zudem vertrage sie Narkosen sehr schlecht. Sie habe sich daher zu der Behandlung bei Dr. P. entschieden. Das von ihm verwendete Verfahren sei erforscht und werde in der Praxis schon seit Jahren praktiziert. Das Ergebnis sei super.
Mit Schreiben vom 03.01.2012 führte die Beklagte aus, dass sie sich an den Kosten nicht beteiligen könne, da die Radiowellentherapie ein neues Verfahren zur Behandlung von Krampfadern sei, hierfür als Behandlungsalternative jedoch anerkannte Methoden - Strippingoperation, Phlebektomie, Crossektomie oder Sklerosierung - zur Verfügung stünden. Abgesehen davon habe die Beklagte im Rahmen der integrierten Versorgung einen Versorgungsvertrag mit der Facharztpraxis Dr. S. in S., wo seit 01.04.2010 die Durchführung der endoluminalen Radiowellentherapie Vertragsinhalt der integrierten Versorgung sei. Über diese weitere vertragliche Behandlungsoption hätte man die Klägerin im Vorfeld gerne informiert. Die Klägerin antwortete darauf mit Schreiben vom 19.03.2012, man möge Kulanz walten lassen.
Die Beklagte holte ein sozialmedizinisches Gutachten über den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein. In dem Gutachten vom 11.04.2012 führte Dr. S. aus, dass es sich bei der beantragten Methode Radiowellentherapie Closure Fast um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB) handele. Ein positives Votum des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) liege zu dieser Methode nicht vor. Bei einer Veneninsuffizienz liege auch keine lebensbedrohliche, notstandsähnliche Situation vor. Anerkannte Standardverfahren stünden zur Verfügung, wie das Stripping. Auch dies erfolge im ambulanten Rahmen. Die hier streitige Methode sei von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen. Die vorliegenden medizinischen Unterlagen ließen weder erkennen, warum hier die Standardversorgung nicht zur Anwendung habe kommen können, noch warum nicht ein Vertragspartner der gesetzlichen Krankenversicherung habe gewählt werden können. Mit Bescheid vom 18.04.2012 lehnte die Beklagte daraufhin die Kostenübernahme ab.
Mit ihrem Widerspruch vom 04.05.2012 machte die Klägerin geltend, die durchgeführte Art der Venen-OP habe der Krankenkasse enorme Kosten erspart. Zudem sei die Radiowellentherapie so präzise, dass die dadurch erzielten Erfolge auf sehr lange Sicht garantiert seien, sodass auch für die Zukunft enorme Kosten erspart würden. Bereits in der Vergangenheit seien zwei Strippings durchgeführt worden, welche keinerlei Erfolge erzielt hätten. Im Gegenteil habe sie seit dem ersten Stripping in der Leiste sowie am linken Fuß innen Taubheitsgefühle. Außerdem sei sie sehr stark embolie- und thrombosegefährdet gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.06.2012 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, dass Bundessozialgericht (BSG) habe bereits mehrfach entschieden, dass der Versicherte vor Inanspruchnahme einer Leistung außerhalb des vertragsärztlichen Systems grundsätzlich gehalten sei, seine Krankenkasse zu befragen, soweit eine Kostenerstattung begehrt werde. Hier sei der Antrag auf Kostenerstattung jedoch erst nach Abschluss der Behandlung erfolgt. Obgleich bereits aus diesem Grund dem Anspruch nicht entsprochen werden könne, sei eine weitergehende Sachprüfung durchgeführt worden. Danach wäre auch bei rechtzeitiger Antragstellung eine Kostenübernahme nicht möglich gewesen, da Dr. P. nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei. Eine Kostenerstattung könne des Weiteren nicht erfolgen, da der GBA die Radiofrequenzobliteration nicht als vertragsärztliche Leistung anerkannt habe. Diese werde privat außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung erbracht und sei als NUB einzuordnen. NUB dürften nur dann über die gesetzliche Krankenversicherung abgerechnet werden, wenn sie in ihrer Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprächen. Diese Prüfung obliege dem GBA. Die Abrechnung einer nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode sei grundsätzlich ausgeschlossen, solange sich der GBA zur Notwendigkeit und zum therapeutischen Nutzen der Methode nicht geäußert habe. Eine Empfehlung des GBA liege für die Radiofrequenzobliteration nicht vor. Auch der MDK habe eine Kostenerstattung nicht empfehlen können, anerkannte Standardverfahren stünden zur Verfügung. Auch das Argument, dass durch Privatbehandlung Kosten eingespart würden, könne keine andere Entscheidung rechtfertigen, denn sonst könnte die krankenversicherungsrechtliche Beschränkung auf bestimmte Formen der Leistungserbringung letztlich durch den Anspruch auf (teilweise) Kostenerstattung ohne Weiteres durchbrochen werden.
Hiergegen richtet sich die am 18.07.2012 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage, mit welcher die Klägerin die Kostenerstattung von insgesamt 2.888,94 EUR begehrt. Einer Krankenkasse sei durchaus gestattet, Kosten auch für die Behandlung durch einen nicht zugelassenen Arzt zu übernehmen. Dies gelte nicht nur für eine Notfallbehandlung, sondern auch, wenn die Behandlung durch einen besonders qualifizierten Arzt erfolge und nur auf diese Art und Weise eine erfolgreiche Behandlung sichergestellt werden könne. Im Übrigen handle es sich bei der Radiofrequenztherapie nicht um eine Neulandmethode, sondern ein durchaus etabliertes Verfahren. Zudem würden die bei schulmedizinischer Behandlung zu erwartenden Erfolge deutlich übertroffen. Bemerkenswert sei, dass die Beklagte die Kosten für eine solche Therapie bei Durchführung in einer speziellen Praxis in S. durchaus übernehme. Daher stelle es einen Gleichheitsverstoß dar, wenn vorliegend keine Kostenerstattung erfolge. Es sei eine willkürliche Ungleichbehandlung, wenn ein Teil der Versicherten die streitige Therapie im Rahmen der integrierten Versorgung erhalten könne, ein anderer Teil nicht.
Mit Gerichtsbescheid vom 11.12.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung gemäß § 13 Abs 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nicht vorlägen. Eine unaufschiebbare Leistung zur Vermeidung einer ernsten Lebens- oder Leibesgefahr habe nicht vorgelegen. Auch eine unrechtmäßige Leistungsablehnung durch die Krankenkasse sei nicht gegeben. Insoweit fordere das BSG in ständiger Rechtsprechung, dass der Versicherte seiner Krankenkasse zuvor wenigstens Gelegenheit gegeben haben müsse, die Angelegenheit zu überprüfen. Nehme ein Versicherter im Gegensatz hierzu ohne vorherige Antragstellung und ohne Wissen der Krankenkasse nicht zugelassene Leistungserbringer in Anspruch, scheide eine Kostenerstattung von vornherein aus. Auch ein Sonderfall auf Basis der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98) liege nicht vor. Mittlerweile habe der Gesetzgeber in Reaktion auf diese Entscheidung eine besondere Regelung zum "Systemversagen" getroffen. Hiernach könnten Versicherte, die an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung oder einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung litten, auch die Durchführung von schulmedizinisch noch nicht anerkannten Behandlungen beanspruchen, wenn eine allgemein anerkannte erfolgversprechende Therapie im Einzelfall nicht zur Verfügung stehe und durch die Außenseitermethode eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe. Da für die Radiofrequenztherapie eine positive Entscheidung des GBA nicht vorliege, handele es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Sinne von § 135 SGB V. Für diese Behandlungsform bestehe im Rahmen der ambulanten kassenärztlichen Versorgung grundsätzlich ein Verbot. Dieses werde hier nicht durch ein "Systemversagen" ausgehebelt. Zum einen handele es sich nicht um eine schwere bzw regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung, zum anderen stünden durchaus anerkannte Behandlungsmethoden zur Behandlung des Venenleidens zur Verfügung. Dass die Klägerin in der Vergangenheit mit einem Venenstripping schlechte Erfahrungen gemacht habe, schließe die erneute Durchführung einer solchen Operation nicht von vornherein aus. Unerheblich sei, dass die Beklagte für eine vergleichbare Therapieform mit einer Arztpraxis in S. eine Vereinbarung über eine integrierte Versorgung nach § 140b SGB V abgeschlossen habe. Es hätte der Klägerin bei vorheriger Kontaktaufnahme mit der Beklagten freigestanden, an der integrierten Versorgung teilzunehmen und die Behandlung in S. durchführen zu lassen. Ebenso unerheblich sei der Einwand, dass eine schulmedizinisch anerkannte Behandlung deutlich höhere Kosten verursacht hätte. Das Wirtschaftlichkeitsgebot aus § 12 Abs 1 SGB V dürfe nicht auf einen konkreten Kostenvergleich zwischen zugelassenen und nicht zugelassenen Behandlungsmethoden bezogen werden. Vielmehr könnten von vornherein nur solche Therapieformen berücksichtigt werden, die tatsächlich auch zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung rechneten. Nicht zuletzt beinhalte das Wirtschaftlichkeitsgebot auch, dass die Versichertengemeinschaft davor geschützt werden solle, die wirtschaftlichen Folgelasten zu tragen, die sich aus Folgeschäden bei noch nicht hinreichend erforschten bzw erprobten Behandlung im Einzelfall ergeben könnten. Auch der Hinweis auf lange Wartezeiten bei Vertragsärzten bzw zugelassenen Krankenhäusern rechtfertige kein anderes Ergebnis. Zum einen könne dies rückblickend nicht mehr nachvollzogen werden, zudem seien von dieser Schwierigkeit alle Kassenpatienten gleichermaßen betroffen.
Gegen den am 31.01.2013 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 19.02.2013 eingelegte Berufung der Klägerin. Vorliegend habe durchaus eine unaufschiebbare Leistung vorgelegen, auch wenn die Klägerin zum Zeitpunkt des Eingriffs von Dr. P. nicht in akuter Lebensgefahr geschwebt habe. Es habe eine außerordentlich hohe Thrombose- und Emboliegefahr bestanden. Die Beklagte bezahle unstreitig völlig gleichartige Behandlungen, wenn sich die Patienten in die Behandlung von Dr. S. in S. begäben. Es sei darauf hinzuweisen, dass es sich nicht um eine Außenseitermethode, sondern eine etablierte Behandlungsmethode handele, welche lediglich noch nicht vom GBA als kassenärztliche Leistung anerkannt worden sei. Kein Patient müsse sich, wenn eine etablierte Behandlungsmethode vorliege, darauf verweisen lassen, eine andere anerkannte Behandlungsmethode zu akzeptieren, wenn bei dieser Methode Gefahr für Leib und Leben bestehe. Die Klägerin habe das bekannte Venenstripping unter Narkose nicht vertragen und es seien Komplikationen mit Taubheitserscheinungen aufgetreten. Im Sinne der Gleichbehandlung sämtlicher Patienten müsse die Beklagte die Behandlung durch Dr. P. bezahlen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 11.12.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 18.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.06.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die Behandlung bei Dr. P. sowie für die Kompressionsstrümpfe iHv insgesamt 2.888,94 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, hat keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1, 151 Abs 1 SGG statthafte und zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Bescheid vom 18.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.06.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, denn sie hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die privatärztliche Behandlung vom 03.01.2011 sowie für die von Dr. P. erworbenen Kompressionsstrümpfe.
Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V (idF vom 26.03.2007, BGBl I 378) in Betracht, da die Klägerin keine Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 SGB V gewählt hatte. Danach sind die Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (Alt 1) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Alt 2) und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V gibt demnach einen Kostenerstattungsanspruch für den Fall, dass der Versicherte wegen eines Systemversagens gezwungen ist, sich eine Behandlung, die ihm die Krankenkasse an sich als Sachleistung schuldet, außerhalb des für Sachleistungen vorgesehenen Weges selbst zu beschaffen.
Die Klägerin kann die Erstattung der Kosten nicht nach § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGB V beanspruchen. Voraussetzung ist, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte. Unaufschiebbarkeit liegt vor, wenn ein Zuwarten dem Versicherten aus medizinischen Gründen unzumutbar ist, weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder aus anderen medizinischen Gründen - zB wegen der Intensität der Schmerzen - ein auch nur vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zumutbar ist (BSG 06.03.2012, B 1 KR 17/11 R, juris - RdNr 18 mwN). Die hier durchgeführte Behandlung der Venenerkrankung war nach den dargelegten Kriterien nicht unaufschiebbar. Wie die Klägerin im Erörterungstermin am 16.07.2013 zu Protokoll erklärt hat, hatte sich ihre Venenerkrankung im Jahr 2010 verschlimmert. Die behandelnde Ärztin Dr S.-G. habe etwa drei Wochen vor der Operation gemeint, man müsse etwas machen. In dieser Zeit hätte sich die Klägerin ohne Weiteres - so wie sie sich im Internet und bei Bekannten informiert hat - mit der Beklagten in Verbindung setzen und eine Entscheidung der Krankenkasse über die begehrte Behandlung herbeiführen können. Erst recht liegt kein Notfall im Sinne von § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V vor. Eine Notfallbehandlung hätte im Übrigen als Sachleistung erbracht werden müssen, so dass sich der Vergütungsanspruch nicht gegen die Klägerin, sondern allein gegen die Krankenkasse gerichtet hätte (BSG 19.10.2001, B 1 KR 6/01 R, SozR 3-2500 § 13 Nr 25). Damit scheidet ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGB V aus.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB V, da sie schon den gesetzlich vorgesehenen Beschaffungsweg nicht eingehalten hat. Voraussetzung für eine Kostenerstattung nach rechtswidriger Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse ist der notwendige Kausalzusammenhang zwischen der Entscheidung der Krankenkasse und der Selbstbeschaffung (BSG 01.04.2010, B 1 KR 114/09 B, juris; BSG 30.06.2009, B 1 KR 5/09 R, SozR 4-2500 § 31 Nr 15 ständige Rechtsprechung). Hieran fehlt es vorliegend, denn die Krankenkasse war vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren überhaupt nicht befasst, da die Klägerin den Kostenerstattungsantrag erst ein knappes Jahr nach Durchführung der Behandlung eingereicht hat. Eine vorherige Entscheidung der Krankenkasse im Rahmen des § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB V ist selbst dann nicht entbehrlich, wenn die Ablehnung des Leistungsbegehrens - etwa aufgrund von Erfahrungen aus anderen Fällen - von vornherein feststeht (BSG 01.04.2010, B 1 KR 114/09 B, juris; BSG 30.06.2009, B 1 KR 5/09 R, SozR 4-2500 § 31 Nr 15 ständige Rechtsprechung). Dies gilt auch, wenn es um Leistungen geht, die kraft Gesetzes oder durch untergesetzliche Regelwerke (vermeintlich) ausgeschlossen sind (BSG 14.12.2006, B 1 KR 8/06 R, BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12). Auch nach Sinn und Zweck der Regelung kann in Fällen, in denen mit der Ablehnung zu rechnen ist, nicht auf die vorherige Entscheidung der Beklagten verzichtet werden (Senatsurteil vom 15.05.2012, L 11 KR 5586/10). § 13 Abs 3 SGB V will den Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Sachleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Sachleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke festgestellt wird. Diese Feststellung zu treffen, ist nicht Sache des Versicherten, sondern der Krankenkasse (BSG 14.12.2006, B 1 KR 8/06 R, aaO). Die Krankenkasse hat den nötigen Überblick über die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und kann beurteilen, ob und wie Leistungen im bestehenden Versorgungssystem realisiert werden können. Eine vorherige Prüfung durch die Krankenkasse, verbunden mit der Möglichkeit einer Beratung des Versicherten, ist sachgerecht; sie liegt gerade auch im eigenen Interesse des Versicherten, weil sie ihn von dem Risiko entlastet, die Behandlungskosten ggfs selbst tragen zu müssen, wenn ein zur Erstattungspflicht führender Ausnahmetatbestand nicht vorliegt (BSG 14.12.2006, aaO). Besonders deutlich wird dies im vorliegenden Fall, denn bei vorheriger Antragstellung hätte die Beklagte die Klägerin darüber informieren können, dass die gewünschte Behandlung im Rahmen der integrierten Versorgung - und damit innerhalb des bestehenden Versorgungsystems - in S. angeboten wird. Fehlt der ursächliche Zusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung, bedarf es keiner Entscheidung, ob der Ausschluss der Leistung aus materiellen Gründen rechtswidrig oder auch verfassungswidrig ist (vgl Senatsurteil vom 16.11.2010, L 11 KR 1871/10, juris).
Ist damit die Erstattung der hier streitigen Kosten schon deshalb ausgeschlossen, weil die Voraussetzungen der Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 SGB V nicht vorliegen, weist der Senat nur ergänzend und ohne dass es für die Entscheidung hierauf ankommt darauf hin, dass auch bei Einhaltung des Beschaffungswegs eine Erstattung der Kosten für die Radiofrequenzobliteration nicht in Betracht gekommen wäre. Der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (BSG 18.05.2004, B 1 KR 21/02 R, SozR 3-2500 § 13 Nr 11; BSG 19.10.2004, B 1 KR 27/02 R, juris).
Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach § 28 Abs 1 Satz 1 SGB V umfasst die (ambulante) ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Insoweit entspricht die Vorgabe des § 28 Abs 1 Satz 1 SGB V auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 Satz 1 SGB V, wonach die Leistungen der Krankenkassen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen. Sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs 1 Satz 2 SGB V). Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V). Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat.
Bei der hier streitigen Radiofrequenzobliteration der Beinvenen handelt es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, für die keine positive Empfehlung des GBA vorliegt. Ein Ausnahmefall, in dem es keiner positiven Empfehlung des GBA bedarf, ist nicht ersichtlich. Ein Systemversagen wegen verzögerter Bearbeitung eines Antrags auf Empfehlung einer neuen Methode (vgl dazu BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 12) liegt nicht vor, da ein entsprechender Antrag bislang noch nicht gestellt wurde. Auch ein Seltenheitsfall ist nicht gegeben. Voraussetzung wäre ein singulärer Krankheitsfall, so dass generelle wissenschaftliche Aussagen zur Therapie der Krankheit infolge der geringen Zahl an Patienten so gut wie ausgeschlossen sind (BSG 19.10.2004, B 1 KR 27/02 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 1). Eine derartige Fallgestaltung liegt bei der hier gegebenen Veneninsuffizienz der Beinvenen offensichtlich nicht vor.
Ebenfalls zutreffend hat das SG entschieden, dass sich ein Kostenerstattungsanspruch auch nicht aus einer grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung ergibt. Mit Beschluss vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98, SozR 4200 § 27 Nr 5) hat das BVerfG entschieden, dass es mit den Grundrechten aus Art 2 Abs 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art 2 Abs 2 Satz 1 GG nicht vereinbar ist, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Der Gesetzgeber hat diese Rechtsprechung inzwischen mit dem seit 01.01.2012 geltenden § 2 Abs 1a SGB V kodifiziert.
Eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende (BSG 04.04.2006, B 1 KR 7/05 R, BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4) oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung (BSG 04.04.2006, B 1 KR 12/04 R, BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7) ist trotz des Thrombose- und Embolierisikos nicht gegeben. Mit dem Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, ist eine strengere Voraussetzung umschrieben als sie etwa mit dem Erfordernis einer "schwerwiegenden Erkrankung" für die Eröffnung des sog "Off-Label-Use" formuliert ist (BSG 19.03.2002, B 1 KR 37/00 R, BSGE 89,184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8; BSG 26.09.2006, B 1 KR 3/06 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 10). Die hier vorliegende Veneninsuffizienz stellt keine Erkrankung dar, die die oben genannten Kriterien erfüllt, wie sich auch aus dem Gutachten des MDK vom 11.04.2012 ergibt. Für die Therapie dieser Erkrankung standen zudem allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlungsmöglichkeiten wie Venenstripping zur Verfügung. Insoweit nimmt der Senat ebenfalls auf das MDK-Gutachten vom 11.04.2012 Bezug. Objektive Anhaltspunkte, dass die Durchführung der allgemein anerkannten Behandlungsmethoden bei der Klägerin nicht möglich gewesen wäre, liegen nicht vor, dies wird auch von der Klägerin nicht behauptet.
Die Entscheidung der Klägerin, eine bestimmte Behandlungsmethode - Venenstripping - nicht anzuwenden, ist im Hinblick auf den damit verbundenen Eingriff in ihre körperliche Integrität zu respektieren. Die Klägerin ist nicht verpflichtet, die Operation vornehmen zu lassen. Daraus folgt aber noch nicht, dass die von ihr gewählte Behandlungsalternative von der Krankenkasse zu vergüten ist. Auch nach der Rspr des BVerfG ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die gesetzliche Krankenversicherung den Versicherten Leistungen nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs (§ 11 SGB V) und unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V) zur Verfügung stellt (BVerfG 06.12.2005, aaO, mwN). Nimmt die Klägerin diese Systemleistung aus eigener Entscheidung nicht in Anspruch, so kann sie nicht die Erstattung der Kosten der Alternativbehandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verlangen.
Auch Art 3 Abs 1 GG gebietet im vorliegenden Fall keine Kostenerstattung. Die Tatsache, dass die Beklagte eine vergleichbare wie die hier streitige Leistung im Rahmen der integrierten Versorgung als Sachleistung anbietet, erfordert keinesfalls, deswegen entsprechende Leistungen außerhalb des Systems im Wege der Kostenerstattung zu gewähren. Die Erbringung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode, die das Gesetz ohne positive Entscheidung des GBA nur ausnahmsweise als Sachleistung im Rahmen der integrierten Versorgung mit der Gewährleistung auch einer ausreichenden Qualitätssicherung (§ 140b Abs 3 SGB V) zulässt, ist nicht vergleichbar mit der unkontrollierten Erbringung derartiger Leistungen außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung. Es handelt sich daher um unterschiedliche Sachverhalte, so dass eine unterschiedliche Behandlung keinen Gleichheitsverstoß darstellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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