L 18 U 292/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 U 195/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 U 292/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 19.04.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob beim Kläger Berufskrankheiten (BK) nach Nrn 1302, 1303 und 1304 (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe, Erkrankungen durch Benzol, seiner Homologe oder durch Styrol und Erkrankungen durch Nitro- oder Aminoverbindungen des Benzols oder seiner Homologe oder ihrer Abkömmlinge) sowie 4301 und 4302 (obstruktive Atemwegserkrankungen einschl. Rhinopathie durch allergisierende Stoffe oder durch chemisch-irritative oder toxisch wirkende Stoffe) der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) anzuerkennen und zu entschädigen sind.

Der am 1947 geborene Kläger war von 1964 - unterbrochen durch den Wehrdienst - bis 1995 als Schreiner beschäftigt. Seit 1972 arbeitete er in der Schreinerei W. (W) in Kitzingen/Sickershausen. Zu seinen Tätigkeiten gehörte das Sägen, Schleifen und Furnieren von Möbeln. Beim Schleifen mussten überwiegend lackierte Teile geschliffen werden. Dabei arbeitete der Kläger in einem Bankraum, in dem die frisch lackierten Arbeitsstoffe nach dem Spritzlackieren aus dem Lackraum ausdünsteten. Spritzlackieren musste er nur ab und zu. Es wurden DD-Lacke verwandt sowie xylolhaltige Lacke. Zum Furnieren verwendete der Kläger eine Doppelwalze mit Heißpresse und Kauritleim. An Hölzer wurde verwendet: Fichte, Kiefer, Eiche sowie gelegentlich Tropenhölzer. Bis 1985/86 stand in der Werkstatt ein Ofen mit Ofentür, in dem verschiedene Arbeitsstoffe verheizt wurden, darunter auch Resopal, Kunststoffplatten, Styropor, Plastikteile und furnierte Platten sowie Pressspanplatten. Später wurde die Heizung außerhalb aufgestellt und die Werkstatt mit Gebläse geheizt. Seit April 1995 war der Kläger zunächst arbeitsunfähig, danach arbeitslos.

Beim Kläger ist mit Bescheid vom 09.04.1987 die Anerkennung von BK en nach Nrn 4301, 4302 und 5301 der Anl 1 zur BKV bindend abgelehnt worden.

1. Am 02.06.1995 erstattete die Allgemeine Ortskrankenkasse eine Unfallanzeige wegen einer Allergie, die sich der Kläger in der Schreinerei W zugezogen habe. Die Beklagte zog Unterlagen der behandelnden Ärzte und Kliniken, die Sicherheitsdatenblätter der in dem Betrieb verwendeten Arbeitsstoffe sowie die Unterlagen über die in der Firma W seit 1986 vom Technischen Aufsichtsdienst der Beklagten vorgenommenen Gefahrstoffmessungen bei. Der auf Wunsch des Klägers von der Beklagten mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragte Dr.M.B. führte in seinem Gutachten vom 19.08.1996 das allergische Asthma bronchiale und die Rhinokonjunktivitis auf die langjährige berufliche Exposition in der Tätigkeit eines Schreiners zurück und bejahte das Vorliegen einer BK nach Nr 4301 der Anl zur BKV. Der von der Beklagten hierzu gehörte Dr.J.S. hielt die im Gutachten des Dr.M.B. vorgelegten Befunde nicht für geeignet, beim Kläger berufliche Erkrankungen auf allergischem oder chemisch-irritativem Wege im Bereich der oberen oder unteren Atemwege wahrscheinlich zu machen. Daraufhin lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach den Nrn 4301 und 4302 mit Bescheid vom 24.10.1996 ab. Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte Stellungnahmen des Dr.M.B. vom 10.01.1997 und des Dr.J.S. vom 07.04.1997 ein und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.05.1997 im Wesentlichen mit der Begründung zurück, dass sowohl Dr.M.B. als auch Dr.J.S. keine obstruktive Atemwegserkrankung hätten nachweisen können.

2. In einem weiteren Berufskrankheitenverfahren wegen einer möglichen Lösemittelerkrankung (Befundbericht des Dr.O. vom 24.10.1995) schloss der von der Beklagten befragte Dr.J.S. eine PCP/PCB-Vergiftung beim Kläger aus (Stellungnahmen vom 20.02.1997/26.04.1997). Daraufhin lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach der Nummerngruppe 13 der BKV mit Bescheid vom 27.05.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.10.1997 ab.

3. Der Kläger hat sowohl gegen den Bescheid vom 24.10.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.05.1997 als auch gegen den Bescheid vom 27.05.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.10.1997 Klage zum Sozialgericht (SG) Würzburg erhoben, die Aufhebung der genannten Bescheide und die Verpflichtung des Beklagten begehrt, bei ihm BK en nach Nrn 1302, 1303, 1304, 4301 und 4302 anzuerkennen und ab 01.01.1991 Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 75 vH zu gewähren. Das SG hat die Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und von dem Facharzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie und Umweltmedizin Dr.W.S. ein Gutachten vom 08.06.1998 eingeholt. Dieser hat beim Kläger eine obstruktive Lungenerkrankung und ein hyperreagibles Bronchialsystem ausgeschlossen und die bestehenden Erkrankungen (Rhinopathia vasomotorica und allergische Rhinitis bei Hausstaubmilbenallergie; vegegative Dystonie mit arteriellem Hypotonus und Trainingsmangel; somatisierte, behandlungsbedürftige Depression; Osteochondrose der unteren Brustwirbelsäule; chronisch rezidivierende Urticaria; latenter Diabetes mellitus) nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die Tätigkeit als Bau- und Maschinenschreiner zurückgeführt, auch nicht im Sinne einer wesentlichen Teilbedingung. Der Sachverständige hat auch keine BK nach Nrn 1302 bzw 1303 oder eine andere BK aus der Gruppe 1300 ff feststellen können. Demgegenüber hat der gem § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörte Hautarzt Dr.K.E.M. beim Kläger eine pseudoallergisch ausgelöste Urticaria, ein Asthma bronchiale, Koordinationsstörungen (sekundäres Parkinson-Syndrom) infolge einer Schädigung der dopaminergen D 2-Rezeptoren des Hirnstammes auf beiden Seiten sowie kognitive Störungen bei Austauschminderung des Gehirns (Enzephalopathie II B) und eine Polyneuropathie festgestellt. Das Asthma bronchiale hat er mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 10 vH, die chronisch rezidivierende Urticaria mit 40 vH, die Enzephalopathie II B mit 50 vH, die Polyneuropathie mit 10 vH und die Gesamt-MdE ab Dezember 1984 mit 85 vH bewertet.

Dr.W.S. hat in seiner Stellungnahme vom 14.12.1999 zum Gutachten des Dr.K.E.M. darauf hingewiesen, dass pseudoallergische Reaktionen nicht von den BK en Nrn 4301, 4302 und 5101 erfasst werden und eine BK nach Nr 1302 schon deshalb nicht vorliege, da aus den beim Kläger gewonnenen PCB-Messwerten nicht auf eine besondere Einwirkung in erheblich höherem Grad als in der Allgemeinbevölkerung geschlossen werden könne. Für eine BK nach Nr 1303 sei die Nachweisgrenze für Toluol nicht erreicht und für eine BK nach Ziff 1304 fehle es schon an der Exposition gegenüber Nitro- oder Arminoverbindungen des Benzols. Die von Dr.K.E.M. festgestellte Poyneuropathie habe 1996 klinisch und apparativ ausgeschlossen werden können und sich in der Zeit nach Beendigung der Tätigkeit als Schreiner von 1996 bis 1999 entwickelt. Auch ergäben sich keine Hinweise auf eine Enzephalopathie durch organische Lösemittel.

Der von der Beklagten ebenfalls zum Gutachten des Dr.K.E.M. gehörte Hautarzt Dr.M.B. ist in seiner Stellungnahme vom 28.12.1999 ebenfalls von einer pseudoallergischen Urtikaria ausgegangen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 19.04.2000 abgewiesen und sich auf das Gutachten des Dr.W.S. gestützt.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.

Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Würzburg vom 19.04.2000 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 24.10.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.05.1997 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 27.05.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.10.1997 zu verpflichten, bei ihm Berufskrankheiten nach den Nrn 1302, 1303, 1304, 4301 und 4302 der Anlage zur BKV anzuerkennen und ab 01.01.1991 Rente nach einer MdE von 75 vH zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen das Urteil des SG Würzburg vom 19.04.2000 zurückzuweisen.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Akten der Beklagten, die Archivakten des SG Würzburg S 2 U 263/87 und S 2 U 88/88 sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Entscheidung ergeht im schriftlichen Verfahren durch den Berichterstatter, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs 1, 124 Abs 2, 155 Abs 3 und 4 SGG).

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs 2 SGG. Dieser hat keinen Anspruch auf Verletztenrente, weil die bei ihm bestehenden Erkrankungen keine entschädigungspflichtige BK darstellen.

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch richtet sich nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung - RVO -, da er seinen Entschädigungsanspruch auch für Zeiten vor dem In-Kraft-Treten des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) vom 01.01.1997 erhebt (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes [UVEG], § 212 SGB VII).

Nach § 551 Abs 1 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall, der nach § 547 RVO ua durch Gewährung von Verletztenrente zu entschädigen ist, auch eine BK. BK en sind nach § 551 Abs 1 Satz 1 RVO die Krankheiten, welche die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeiten erleidet. Die entschädigungspflichtigen BK en, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht werden, denen bestimmte Berufsgruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind, werden in der Liste der Anlage zur BKV bezeichnet.

Eine vom Verordnungsgeber in der Anlage (Liste der BK en) zur BKV aufgenommene BK liegt - wie die Beklagte zu Recht entschieden hat - beim Kläger nicht vor. Die Feststellung einer BK setzt grundsätzlich voraus, dass zum Einen in der Person des Versicherten die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt sind, dh, dass er im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BK ausgesetzt gewesen ist, die prizipiell geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken (haftungsbegründende Kausalität). Zum Anderen muss ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehen (haftungsausfüllende Kausalität). Wärend die arbeitstechnischen Voraussetzungen und der Gesundheitsschaden voll bewiesen sein müssen, reicht zur Bejahung des Kausalzusammenhangs zwischen der schädigenden Einwirkung und dem Gesundheitsschaden die hinreichende Wahrscheinlichkeit aus (vgl BSG SozR 2200 § 548 Nr 38; § 551 Nr 1; Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheiten-Verordnung [Kommentar] E § 9 SGB VII RdNr 26). Diese ist dann gegeben, wenn nach geltender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (BSGE, 32, 303, 309; BSG SozR 2200 § 548 Nr 38; BSG Breithaupt 1963, 60, 61).

Von diesen rechtlichen Voraussetzungen ausgehend kann nicht festgestellt werden, dass beim Kläger eine BK nach Nrn 4301 und 4302 der Anl zur BKV vorliegt. Die BK 4301 erfasst durch allergisierende Stoffe, die BK 4302 durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Inwieweit die arbeitstechnischen Voraussetzungen für diese BK en erfüllt sind, kann vorliegend letztlich dahinstehen. Die vorgenannten BK en erfordern nämlich zunächst einmal das Vorliegen einer obstruktiven Atemwegserkrankung. Damit sind verschiedene akute und chronische Krankheitsbilder gemeint, die charakterisiert sind durch vorübergehende, sich wiederholende meist reversible Zustände und Anfälle von Atemnot, die durch eine Erhöhung der Atemwegswiderstände verursacht werden (vgl Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6.Aufl, S 1029 ff). Fehlt es an einer Obstruktion liegen die Voraussetzungen für eine obstruktive Atemwegserkrankung nicht vor (Mehrtens/Perlebach, Kommentar zur BKV M 4301 RdNr 3 und M 4302 RdNr 2).

So ist es hier. Im Falle des Klägers fehlt es bereits an einer obstruktiven Atemwegserkrankung. Der Sachverständige Dr.W.S. konnte weder bei der Durchsicht des gesamten Aktenmaterials noch bei seiner Untersuchung eine obstruktive Lungenerkrankung feststellen. Die Lungenfunktionsdaten von 1986 bis 1998 ergaben zu keinem Zeitpunkt eine manifeste obstruktive Lungenerkrankung. Auch eine unspezifische Überempfindlichkeit der Atemwege im Sinne einer bronchialen Hyperirritabilität ließ sich nicht nachweisen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine unspezifische bronchiale Hyperirritabilität als Erkrankung die Annahme einer BK nicht nicht trägt, weil sie keine obstruktive Atemwegserkrankung darstellt, sondern allenfalls ein Vorläufer oder Begleiter ist (aaO S 103).

Auch eine Holzstauballergie konnte bei einer Reihe von Allergietestungen nicht nachgewiesen werden. Bereits 1986 konnten im Hauttest mit mitgebrachten Hölzern (Makore, Teak und Mahagoni) sowie im Scratch-Test mit 13 verschiedenen Holzarten keine positiven Reaktionen gefunden werden, der Intracutan-Test war negativ, auch der Epicutan-Test erbrachte keine eindeutig positive Reaktion. Eine weitere Intracutan-Testung mit Holzstaubextrakten im Jahr 1989 war ebenfalls negativ. Auch die HNO-Klinik Würzburg führte 1986 Allergietestungen mit Arbeitsstoffen durch (Lerche, Hausstaub, Ofenstaub, Spanplatte, Nussbaum, Fichte, Tischlerplatte, Lackstaub, Kiefer, Eiche, Asbestzement und Leim). Alle Ergebnisse waren unauffällig. Auch die aktuelle Allergietestung mit Holzstäuben war negativ. Bei der aktuellen Untersuchung, die als Arbeitsplatztest in einer benachbarten Schreinerei durchgeführt wurde sowie als arbeitsplatzbezogener Provokationstest in der Praxis des Dr.W.S. mit Inhalation von mitgebrachtem Fichtenholzstaub konnten keine signifikanten Lungenfunktionsveränderungen hervorgerufen werden. Unter Berücksichtigung der negativen Hauttestungen, der serologisch nachgewiesenen Hausstaubmilbenallergie, der unauffälligen Lungenfunktionsprüfung, dem fehlenden Nachweis einer bronchialen Hyperreagibilität sowie der negativen inhalativen Provokationstestungen ergibt sich zusammenfassend kein Krankheitsbild, das einer BK nach Nrn 4301 oder 4302 entspricht.

Auch eine BK nach der Nummerngruppe 1300 ff liegt beim Kläger nach den arbeitstechnischen und medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nicht vor.

Die Feststellung einer BK nach Nr 1302 (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe) der Anlage zur BKV setzt eine Grenzwertüberschreitung für Halogenkohlenwasserstoffe voraus, die nach einem Messbericht des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten vom 10.11.1986 nicht vorgelegen hat. Die Messungen von polichlorierten Biphenilen vom 14.03.1995 und 17.05.1995 aus dem Blut des Klägers lagen nach den gutachtlichen Feststellungen des Dr.W.S. jeweils unter den in der wissenschaftlichen Literatur angegebenen Referenzwerten, so dass sich hieraus eine PCB-Vergiftung nicht ableiten lässt.

Ebenso liegt keine BK nach Nr 1303 der Anlage zur BKV (Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder Styrol) vor. Aus den Sicherheitsdatenblättern geht zwar hervor, dass einige Arbeitsstoffe Xylol sowie Toluol enthalten haben. Auch finden sich nicht entsprechende Messungen dieser Stoffe in der Akte. Eine Messung von Toluol im Blut des Klägers vom 01.03.1995 war aber unterhalb der Nachweisgrenze, eine Messung von Xylol erbrachte einen Wert, der etwa bei einem Hundertstel des BAT-Wertes liegt. Xylol im Blut wird zu verschiedenen Methylhippursäuren abgebaut, die dann im Urin nachweisbar sind. Die Messung von Methylhippursäure im Urin erbrachte einen Wert von 0,15 gr/l bei einem BAT-Wert von 2 gr/l. Der Messwert lag somit unter 10 % des BAT-Wertes. Aus diesen Messungen lässt sich zwar ableiten, dass der Kläger gegenüber Xylol exponiert war, es lassen sich aber keine Einwirkungen daraus ableiten, die geeignet wären, eine gesundheitliche Schädigung zu verursachen. Die Langzeitwirkung von Homologen des Benzols, zB dem Xylol, kann zwar zu Beschwerden wie Müdigkeit, Kopfschmerzen, Benommenheit, Brechreiz, allgemeine Abgeschlagenheit führen, die Symptome klingen jedoch nach Wegfall der Exposition schnell ab. Die Persistenz der allgemeinen Beschwerden im Sinne von Konzentrationsstörungen und Vergesslichkeit können, vor allem im Hinblick auf die Messergebnisse aus Blut und Harn nach den Feststellungen des Dr.W.S. nicht auf die berufliche Einwirkung von Xylol bzw Toluol zurückgeführt werden.

Für eine Berufskrankheit nach Nr 1304, eine Erkrankung durch Nitro- oder Aminoverbindungen, fehlt es bereits an der Exposition. Aus der Zusammenstellung der Arbeitsstoffe geht keine Exposition gegenüber Nitro- oder Aminoverbindungen des Benzols hervor. Es findet sich lediglich die Substanz "Cellulosenitrat", möglicherweise bezieht sich dieses auf Nitrolacke, die mit Nitrocellulose hergestellt wurden. Bei diesen Substanzen handelt es sich aber um keine Nitro- oder Aminoverbindungen des Benzols, so dass eine Berufskrankheit nach Nr 1304 nicht begründbar ist.

Die von dem Hautarzt Dr.M. gestellte nervenärztliche Diagnose einer Polyneuropathie ist fachärztlich nicht gesichert. Aus dem vom SG in dem Rentenverfahren S 6 RJ 462/97 beigezogenen nervenärztlichen Gutachten des Dr.T.S. vom 06.10.1998 ergibt sich diese Diagnose nicht. Auch die durch den Hautarzt Dr.K.E.M. gestellte weitere Diagnose einer kognitiven Störung bei Austauschminderung des Gehirns und Koordinationsstörung bei beidseitiger Reduktion der dopaminergen D 2-Rezeptoren des Hirnstamms im Sinne eines sekundären Parkinson-Syndroms ist schon diagnostisch nicht gesichert. Da eine Belastung mit Lösemitteln keine erneute Perfusionsstörung bei der SPECT-Hirn-Perfusionsszintigraphie erbrachte, besteht nach den für den Senat überzeugenden Ausführungen des Dr.W.S. kein Hinweis auf eine Enzephalopathie durch organische Lösemittel.

Nach alledem war das Urteil des SG Würzburg zu bestätigen und die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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