L 3 U 299/98

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 13 U 118/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 299/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 15. Juni 1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger fordert Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer MdE um 40 v.H. wegen der Folgen eines am 20.03.1991 erlittenen Arbeitsunfalles.

Der am 1951 geborene Kläger war am 20.03.1991 als im Außendienst Beschäftigter mit seinem Pkw auf der Rückreise von einem Kundenbesuch auf der Autobahn A 92 auf einem vor ihm fahrenden Lkw aufgefahren. Dabei erlitt er laut Durchgangsarztbericht vom Unfalltage eine schwere commotio cerebri mit Bewusstlosigkeit, eine Fraktur der Halswirbelkörper 5 bis 7, Schürfwunden an Stirn und Hand sowie eine Beckenprellung. Die Brüche an der Halswirbelsäule führten zur Notwendigkeit von zwei operativen Eingriffen.

Auf der Grundlage der im Verwaltungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten auf chirurgischem und neurologischem Gebiet setzte die Beklagte mit Bescheid vom 09.10.1992 die vorläufige Verletztenrente ab 11.05.1992 auf 30 v.H. und ab 01.06.1992 auf 20 v.H. fest. Dabei beschrieb die Beklagte die Unfallfolgen mit: "Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule. Sensibilitätsstörung an der linken Handfläche. Noch liegendes Osteosynthesematerial in der Halswirbelsäule." Auf chirurgischem Gebiet hatte Dr. H. mit Gutachten vom 23.06.1992 ausgeführt, die MdE betrage jetzt noch 20 %; sie werde für die Zeit vom 01.04.1992 bis 25.05.1992 auf 30 v.H. geschätzt und betrage künftig voraussichtlich auf Dauer 20 v.H. Auf ausdrückliche Rückfrage der Beklagten bestätigte Dr. H. am 22.09.1992, dass sich seine MdE-Bewertung auf 20 v.H. allein auf die Unfallfolgen auf chirurgischem Gebiet beziehe.

Zur Vorbereitung der Feststellung der Dauerrente holte die Beklagte Gutachten des Dr. G. sowie des Dr. R. vom 19.01.1993 bzw. 22.01.1993 ein; darin ist die MdE auf chirurgischem Fachgebiet auf 20 v.H. und auf neurologischem Fachgebiet auf 10 v.H. eingeschätzt. Mit Bescheid vom 02.02.1993 formulierte die Beklagte die Unfallfolgen neu als "Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule, Sensibilitätsstörungen am linken Unterarm und an der linken Hand. Noch liegendes Osteosynthesematerial an der Halswirbelsäule." und bewertete die MdE mit 20 v.H.

Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.

Im darauf folgenden Klageverfahren holte das Sozialgericht Landshut weitere medizinische Unterlagen ein und beauftragte sodann den Arzt Dr. P. mit der Erstellung eines Gutachtens. In seinem Gutachten vom 18.02.1994 führte dieser aus, dass im Hinblick auf die bestehende erhebliche Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule und auf die inzwischen eingetretenen sekundärarthrotischen Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule die MdE vom 04.02.1993 an mit 30 v.H. zu bewerten sei. Ein auf Antrag des Klägers bei Prof. Dr. K. eingeholtes Gutachten bestätigte die Auffassung des Dr. P ... Mit Gerichtsbescheid vom 20.05.1995 verurteilte das Sozialgericht Landshut die Beklagte, an den Kläger ab 04.02.1993 Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. zu gewähren; zugleich änderte es die zugrundeliegenden Bescheide der Beklagten auch hinsichtlich der Feststellung der Unfallfolgen ab und beschrieb diese als: "ausgedehnte Narben, Verspannung der Schulter-/Nackenmuskulatur, erhebliche Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Fehlstellung der Halswirbelsäule und sekundär-arthrotische Veränderungen nach operativ versorgter Luxationsfraktur des 5. bis 7. Halswirbelkörpers, Sensibilitätsstörungen am linken Unterarm und an der linken Hand".

Im Berufungsverfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht erklärte der vom Kläger bevollmächtigte Rechtsanwalt in dessen Gegenwart nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage im Termin am 28.11.1995 auf Vorschlag des Senats die Zurücknahme der Berufung.

Am 10.09.1996 beantragte der Kläger gemäß § 44 SGB X die Überprüfung der bisherigen Feststellungen. Die Beklagte lehnte eine Neufeststellung mit Bescheid vom 21.01.1997 ab; seit Eintritt der Rechtskraft des vorangegangenen Gerichtsbescheides sei die Sach- und Rechtslage unverändert geblieben. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos - Widerspruchsbescheid vom 16.04.1997.

Mit seiner dagegen eingereichten Klage vom 06.05.1997 verfolgt der Kläger sein Anliegen auf Anhebung seiner Verletztenrente weiter. Zur Begründung beruft sich der Kläger im wesentlichen auf einen Arztbrief des Chirurgen Dr. H. vom 10.03.1992, in welchem u.a. ausgeführt ist: "Wir haben mit dem Patienten vereinbart, dass er bis zum 31.03.1992 noch arbeitsunfähig ist. Es ist jedoch in Anbetracht der schweren Verletzung durchaus mit einer MdE über 30 % gleichbleibend zu rechnen. Nach Erlangen des letzten neurologischen Gutachtens werden wir ihnen erneut berichten ...". Mit Gerichtsbescheid vom 15.06.1998 wies das Sozialgericht Landshut die Klage ab.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 11.09. 2001 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt: Die Beklagte wird unter Aufhebung des Gerichtsbescheides vom 15.06.1998 und Abänderung der zugrundliegenden Bescheid der Beklagten verurteilt, dem Kläger die gesetzlichen Leistungen und insbesondere Verletztenrente nach einer höheren MdE als um 30 v.H. zu gewähren. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für materielle und immaterielle Schäden Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld zu zahlen. Straftaten im Laufe des Verfahrens sind den Strafverfolgungsbehörden mitzuteilen. Die Verfassungskonformität im Vorgehen der Sachverständigen bei der Erstellung medizinischer Gutachten ist zu überprüfen.

Demgegenüber beantragt die Beklagte, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides, die darin angeführten Beweismittel und den Inhalt der Gerichtsakten I. und II. Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Der angefochtene Gerichtsbescheid und die zugrundeliegenden Bescheide sind nicht zu beanstanden. Dem Kläger steht eine höhere MdE als um 30 v.H. wegen des Unfalles am 20.03.1991 nicht zu. Dem Kläger stehen auch weitere Leistungen der Beklagten wie weiterer Schadensersatz und Schmerzensgeld nicht zu.

Was die Höhe der MdE seiner Verletztenrente angeht, so sind Fehler bei der MdE-Einschätzung in den vorangegangenen Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren, deren Vermeidung zu einer höheren MdE als um 30 v.H. führen könnte, nicht ersichtlich; auch der vom Kläger herangezogene Arztbrief des Dr. H. vom 10.03.1992 rechtfertigt den Standpunkt des Klägers nicht. Zwar spricht Dr. H. dort von einer MdE "über" 30 v.H. Daraus lässt sich aber nicht die Schlussfolgerung ziehen, es habe eine dauerhafte MdE um mehr als 30 v.H. vorgelegen. Denn zum einen hat Dr. H. selbst in dieser Stellungnahme zum Ausdruck gebracht, dass diese Einschätzung eine vorläufige sei und dass die endgültige Einschätzung erst nach Vorliegen weiterer Befunde getroffen werden könne, zum anderen hat derselbe Arzt in späteren Erklärungen die MdE auf chirurgischem Fachgebiet auf Dauer auf nur 20 v.H. eingeschätzt, vgl. insbesondere die Ausführungen des Dr. H. unter dem Datum vom 23.06.1992. Diese Einschätzung ist niedriger als die dem Kläger schließlich mit Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 20.05.1995 zugebilligte MdE um 30 v.H. Denn da die Einzel-MdE auf neurologischem Fachgebiet nur mit 10 v.H. zu bewerten ist, hat das Sozialgericht Landshut zwangsläufig auf chirurgischem Fachgebiet eine Einzel-MdE um mehr als 20 v.H. annehmen müssen, da es andernfalls nicht eine Gesamt-MdE um 30 v.H. hätte bilden können. Unter diesen Umständen kann es auch offen gelassen werden, ob die von Dr. H. in seinem Arztbrief vom 10.03.1992 gewählte Formulierung "über" 30 v.H. überhaupt mit "mehr als" 30 v.H. gleichzusetzen ist, oder ob damit nicht gerade ausgedrückt werden solle, die MdE werde voraussichtlich einen Betrag von 30 v.H. erreichen. Denn die Bezeichnung "über" bedeutet nicht ausschließlich "höher als", sondern wird durchaus auch im Sinne einer Gleichsetzung mit einem Objekt gebraucht, so etwa in der Formulierung, eine Maßnahme erstrecke sich über drei Jahre. Aus diesem Grunde konnte auch darauf verzichtet werden, Dr. H. persönlich dazu zu hören, was er mit seinem Arztbrief vom 10.03.1992 zum Ausdruck bringen wollte.

Soweit der Kläger neben seinem Antrag auf höhere Verletztenrente noch gefordert hat, ihm weiteren Schadensersatz und Schmerzensgeld zuzusprechen, sind seine Anträge ebenfalls unbegründet und vom Erstgericht zu Recht nicht positiv verbeschieden worden. Denn zu solchen Leistungen an den Kläger ist die Beklagte nach geltendem Recht nicht verpflichtet. Soweit der Kläger damit gemeint hat, dass ihm Verletztengeld zu gewähren sei, ist anzumerken, dass dies durch die Beklagte geschehen ist; dazu, inwieweit nach seiner Meinung die Gewährung von Verletztengeld nach den geltenden rechtlichen Bestimmungen unzureichend gewesen sei, hat der Kläger nichts vorgetragen. Dazu, dass darüberhinaus seitens der Beklagten noch Schadensersatz geleistet werden solle, ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte; auch insoweit hat der Kläger selbst nichts Verwertbares vorgetragen. Was speziell die vom Kläger erhobene Forderung nach Schmerzensgeld angeht, so ist darauf hin zu weisen, dass das im Verhältnis des Klägers zur Beklagten maßgebende Recht der gesetzlichen Unfallversicherung der RVO bzw. des SGB VII einen solchen Anspruch nicht vorgesehen hat.

Die übrigen Anträge, die der Kläger gestellt hat, nämlich auf Information der Strafverfolgungsbehörden und Überprüfung des Vorgehens der medizinischen Sachverständigen auf Verfassungkonformität sind keine Sachanträge, sondern Anträge, die das Verfahren des Senats betreffen. Wie das Verfahren zu gestalten ist, ist grundsätzlich Sache des Senats; Anträge in diesem Zusammenhang haben daher rechtlich gesehen lediglich die Qualität von Anregungen. Nach der Überzeugung des Senats hat kein Anlass bestanden, diesen Anregungen des Klägers zu folgen.

Weil die Berufung des Klägers nicht erfolgreich gewesen ist, sind ihm auch keine Kosten zu erstatten, §§ 193, 202 SGG, 91 ff. ZPO. Ein Grund für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 SGG besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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