L 2 U 306/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 23 U 257/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 306/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Gastwirtin, deren Wohnung sich im selben Haus wie die
Gastwirtschaft in einem darüber gelegenen Stockwerk befindet, steht auf dem
Weg nach Schließung des Lokals über die Treppen in die Wohnung, um sich dort
schlafen zu legen, nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Daran ändern auch spätere Angaben zum Zweck des Gangs nach oben nichts.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 12. Mai 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Feststellung eines Unfalls als Arbeitsunfall.

Die 1930 geborene Klägerin war bei der Beklagten als Gastwirtin versichert. Ihre Wohnung befand sich im selben Haus wie die Gastwirtschaft in einem darüber gelegenen Stockwerk. Am 31.01. 1998 wurde sie gegen 4.00 Uhr oder 5.00 Uhr morgens auf der Treppe zwischen den Gasträumen und der Wohnung liegend gefunden. Sie hatte eine Lendenwirbelkörperfraktur erlitten und wurde am selben Tag ins Städtische Krankenhaus München-Schwabing eingeliefert. In dessen nachträglich erstelltem Durchgangsarztbericht vom 26.03.1998 ist zu den Unfallangaben ausgeführt, die Klägerin habe nach Abschließen der Gaststätte in die Wohnung gehen wollen und könne sich an den Unfall nicht erinnern. In ihrer eigenen Unfallanzeige vom 18.05.1998 gab sie an, sie sei gegen 2.30 Uhr beim Treppensteigen in den ersten Stock in die Wohnräume ausgerutscht und die Treppe hinuntergefallen. Dieselbe Angabe machte sie bei ihrer Krankenkasse am 07.04. 1998. Der Entlassungsbericht der Rheumaklinik Bad Füssing vom 17.04.1998 gab wieder, die Klägerin sei um ca. 2.00 Uhr oder 3.00 Uhr nachts auf dem Weg in die Wohnung gestürzt, habe aber keine genaue Erinnerung mehr. Auf ausdrückliche Fragen der Beklagten, wohin sie habe gehen und welche Tätigkeit sie dort habe verrichten wollen, antwortete die Klägerin am 10.06.1998, sie habe von den Gasträumen kommend sich in die Wohnung begeben und dort schlafen wollen.

Daraufhin verweigerte die Beklagte mit Bescheid vom 07.07.1998 eine Entschädigung für den Unfall. Es habe sich nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt, denn bei Wohnungen im Hause der Betriebsstätte gehöre die Treppe zum unversicherten Bereich. Den nicht weiter begründeten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.1999 zurück.

Im anschließenden Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, die Beklagte sei von falschen Tatsachen ausgegangen. Die Klägerin habe sich vor Schließung des Lokals in die Wohnung begeben wollen, um die Buchungsunterlagen zur abendlichen Kassenabrechnung und Eintragung zu holen. Diese Unterlagen befänden sich in den Privaträumen. Auf dem Weg zur Wohnung sei sie hierbei gestürzt.

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ausgeführt, die Gäste hätten sich nicht mehr in der Gaststätte befunden, die Bedienung sei verabschiedet gewesen und die Gaststätte verschlossen. Sie habe das Kassenbuch holen wollen, um Einnahmen und Ausgaben einzutragen.

Mit Urteil vom 12.05.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Wie die Beklagte ausgeführt habe, gehöre im vorliegenden Fall das Treppenhaus zum unversicherten Bereich. Nach Überzeugung des Gerichts waren die Erstangaben der Klägerin richtig, wonach sie in die Wohnung gegangen sei, um sich schlafen zu legen. Die späteren Angaben seien offensichtlich zweckgerichtet.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt denselben Sachverhalt vor wie im Klageverfahren. An Freitagen wie dem vor dem Unfall seien mehrere Barauslagen üblich, so seien drei Zulieferer bar auszuzahlen gewesen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.05.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 07.07.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.1999, das Ereignis vom 31.01.1998 als Arbeitsunfall zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Beiziehung der Krankenakte des Städtischen Krankenhauses München-Schwabing. Nach den Aufnahmeunterlagen war die Klägerin sehr adipös (93 kg bei 1,56 m Körpergröße), saß nach ihren Angaben zu Hause fast nur im Stuhl und hatte am Gesäß mehrere schwarze, teils leicht offene Decubitalgeschwüre. Sie litt zudem an Adipositas, Herzinsuffizienz und Hypertonus. Nach dem Aufnahmeprotokoll war sie zu Hause auf der Treppe gestürzt. Obwohl der Aufnahmebogen zu den Ursachen einen Hinweis auf mögliche berufliche Zusammenhänge enthielt, ist dazu nichts wiedergegeben. Hingegen ist im Anästhesieprotokoll, unterschrieben von der Klägerin, ausgeführt, sie sei beim zu Bett gehen gestürzt. Diese Angaben wurden den Beteiligten mit Schreiben des Senats vom 05.02.2001 mitgeteilt.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung sind die Akte der Beklagten, des Städtischen Krankenhauses München-Schwabing und des Sozialgerichts München im vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die von der Klägerin form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG be- steht nicht.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet, weil nicht erwiesen ist, dass die Klägerin bei dem Sturz am 31.01.1998 eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat.

Der Senat hält die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts München für unbegründet und sieht nach § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Die von der Klägerin im Berufungsverfahren hiergegen vorgebrachten Einwendungen unterscheiden sich nicht von ihrem Vorbringen im Klageverfahren. Sie sind vom Sozialgericht bereits ausreichend und überzeugend gewürdigt worden. Über den Zweck des bei dem Sturz zurückgelegten Weges stehen nach wie vor lediglich die Angaben der Klägerin zur Verfügung. Ihre Angabe vom 10.06.1998 gegenüber der Beklagten über den Zweck des Weges ist unmissverständlich. Das spätere Abgehen von dieser Angabe ist von ihr nicht plausibel begründet worden und offensichtlich, wie das Sozialgericht bereits ausgeführt hat, eine spätere zweckdienliche Behauptung. Durch die vom Senat beigezogenen Unterlagen des erstbehandelnden Krankenhauses wird diese Einschätzung eher bestätigt als widerlegt. In ihnen befindet sich die einzige Äußerung der Klägerin, die sich sonst in den Akten zum Zweck des zurückgelegten Weges befindet, nämlich die Angabe gegenüber der Anästhesistin, sie sei beim Zubettgehen gestürzt. Darüber hinaus machen es weitere in den Unterlagen enthaltene Befunde wenig plausibel, dass die Klägerin das Lokal verschlossen hätte und in die Wohnung gegangen wäre, um das Kassenbuch zu holen, sodann wieder in das Lokal gegangen wäre, um anhand der dort befindlichen, allenfalls kleinen Zahl von Belegen die Tageseintragungen zu machen, das Lokal wieder zu verschließen und sodann zu Bett zu gehen. Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt 68 Jahre alt, schwer übergewichtig, nicht sonderlich belastungsfähig und hätte einen lang dauernden Arbeitstag hinter sich gehabt. Die an ihrem Gesäß festgestellten Decubitalgeschwüre sind ein deutlicher Hinweis auf übermäßig lange Zeiten des Sitzens. Es ist deshalb nicht plausibel, dass sie unter diesen Umständen den Weg zur Wohnung und zurück hätte zweimal machen sollen. Zur Fertigung der Eintragungen in das Kassenbuch hätte sie dieses nicht von der Wohnung in die Gaststätte verbringen müssen. Zumal dann, wenn diese Unterlage nicht im Lokal aufbewahrt werden sollte, wäre es in jeder Hinsicht sinnvoll gewesen, die Belege über die Barausgaben ebenso wie die Bareinnahmen selbst in die Privatwohnung zu verbringen. Es mag sein, dass solche nicht sinnvoll erscheinenden Verhaltensweisen in Einzelfällen dennoch vorkommen. Der nachträglichen Geltendmachung durch die Klägerin misst jedoch auch der Senat nicht soviel Glaubhaftigkeit bei, dass damit der behauptete Sachverhalt als bewiesen angesehen werden könnte.

Die Berufung ist deshalb unbegründet.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass die Klägerin in beiden Rechtszügen nicht obliegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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