S 12 KA 89/13

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 89/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 63/13
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die individuelle Basisvergütung nach dem HVM KZV Hessen steht für eine angestellte Zahnärztin während eines Beschäftigungsverbotes aufgrund Schwangerschaft nicht zu.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 1.320,68 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um einen HVM-Zuschlag im Quartal II/12 für eine angestellte Zahnärztin über deren vorläufiges Tätigkeitsende infolge einer Schwangerschaft und des daraufhin erklärten Beschäftigungsverbotes hinaus.

Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis mit drei zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassenen Zahnärzten. Herr Dr. med. Dr. med. dent. A1 ist Arzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und Zahnarzt. Die übrigen Mitglieder der Gemeinschaftspraxis sind Zahnärzte.

Die Klägerin teilte der Beklagten am 02.02.2012 mit, die bei ihr angestellte Zahnärztin Frau Doctor-medic A2, geb. 1978, habe ihr am 27.03.2012 ihre Schwangerschaft mitgeteilt. Die Beklagte teilte der Klägerin unter Datum vom 02.04.2012 mit, auf Grund der Mitteilung über das vorübergehende Beschäftigungsende der angestellten Zahnärztin ab 28.03.2012 werde diese als vorübergehend nicht tätig geführt. Damit entfalle für die Zeit bis zu der schriftlichen Mitteilung der erneuten Tätigkeitsaufnahme das Budget für die angestellte Ärztin.

Die Klägerin teilte unter Datum vom 12.04.2012 mit, Frau Dr. A2 sei weiterhin bei ihr als Zahnärztin angestellt. Sie erhalte weiter Gehalt. Aus diesem Grunde sei es ihr nicht verständlich, wie die Beklagte zur Erkenntnis komme, dass sie bei ihr nicht mehr angestellt sei. Sie bitte daher um Berücksichtigung des entsprechenden Budgets.

Die Beklagte wies unter Datum vom 23.04.2012 darauf hin, dass die Klägerin die Möglichkeit habe, die Genehmigung für einen weiteren angestellten Zahnarzt zu beantragen. Hierbei sei zu beachten, dass pro antragstellenden Vertragszahnarzt nur maximal zwei angestellte Zahnärzte ganztags genehmigt werden könnten.

Die Klägerin erwiderte mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 21.06.2012, nach Ziff. 3.2.2 HVM-Anlage A sei von einem genehmigten Zahnarzt mit einer Wochenarbeitszeit auszugehen. Es komme nicht darauf an, ob der Zahnarzt tatsächlich tätig sei, sondern maßgeblich sei lediglich, ob ein Punktfaktor 0 oder 0,5 oder 1 festgesetzt werde. Da das Beschäftigungsverhältnis von Frau Dr. A2 auch während des Beschäftigungsverbotes fortbestehe, sei die Vergütung weiterhin zu zahlen.

Die Beklagte erwiderte unter Datum vom 27.06.2012, es komme auf Ziffer 3.3.1 der Anlage A zum Honorarverteilungsmaßstab an. Dort werde die Berechnung der individuellen Basisvergütung geregelt und ausgeführt: "Die individuelle Basisvergütung des Anspruchsberechtigten ist die Summe der allgemeinen Basisvergütungen nach Ziffer 3.2.3 je Fachgruppe multipliziert mit dem Punktfaktoren der tätigen Zahnärzte nach Ziffer 3.2.2". Damit sei die Tätigkeit an sich gemeint und nicht lediglich die zeitanteilige Berücksichtigung der Punktfaktoren. Die Beklagte teilte der Kläger mit der Vierteljahresabrechnung für das Quartal II/12 am 28.09.2012 im Rahmen der "HVM-Information" die individuelle Basisvergütung und die weiteren Eckdaten der Vergütungsberechnung mit. Für Frau Dr. A2 wurde kein Budget vorgesehen.

Hiergegen legte die Klägerin am 18.10.2012 Widerspruch ein, weil eine Vergütung für Frau Dr. A2 fehle. Sie verwies auf ihre Vorkorrespondenz.

Die Beklagte wies die Klägerin unter Datum vom 18.12.2012 auf eine Änderung der Assistentenrichtlinien durch Beschluss der Vertreterversammlung vom 01.12.2012. Danach bestehe die Möglichkeit, für angestellte Zahnärzte eine Vertretung in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit einer Entbindung oder Kindererziehungszeit einzustellen.

Die Klägerin erwiderte mit Datum vom 22.01.2013, sie habe von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht und bleibe bei ihrer dargelegten Rechtsauffassung.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 07.02.2013 den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, es bestünden Zweifel an der Zulässigkeit des Widerspruchs, da die Quartalsmitteilungen zunächst nur vorläufigen Charakter hätten und eine endgültige Belastung erst von der HVM-Jahresmitteilung 2012 ausgehe. Mit dieser sei jedoch erst im Laufe des Jahres 2013 zu rechnen. Unabhängig hiervon sei der Widerspruch unbegründet. Nach der HVM-Anlage A Ziffer 3.3.1 finde eine individuelle Basisvergütung nur für "tätige" Zahnärzte nach Ziffer 3.2.2 Berücksichtigung. Die Klägerin habe selbst mitgeteilt, dass Frau Dr. A2 auf Grund ihrer Schwangerschaft und dem damit verbundenen Beschäftigungsverbot vorläufig ab dem 28.03.2012 nicht mehr tätig sein könne. Unabhängig vom arbeitsrechtlichen Fortbestehen des Beschäftigungsverhältnisses bestehe daher mangels tatsächlicher Tätigkeit keine Möglichkeit der Erhaltung des HVM-Zuschlages. Mit dem in Ziffer 3.3.1 geregelten HVM-Passes sei eindeutig die tatsächliche Tätigkeit an sich gemeint und nicht lediglich die zeitanteilige Berücksichtigung der Punktfaktoren.

Hiergegen hat die Klägerin am 21.02.2013 die Klage erhoben. Sie trägt vor, die vertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit von Frau Dr. A2 sei größer als 30 Stunden und die zeitweise Nichttätigkeit bei Fortzahlung des Gehaltes nach den gesetzlichen Vorschriften führe nicht zu einer Aufhebung des Arbeitsverhältnisses, sodass das Budget mit dem entsprechenden Punktfaktor zu gewähren sei. Die HVM-Anlage lasse nicht erkennen, was unter "tätigen" Zahnärzten zu verstehen sei. Die Auffassung der Beklagten widerspreche auch der sozialrechtlichen Rechtslage, da das Arbeitsverhältnis fortbestehe und die Bezüge gezahlt würden. Ziffer 3.3.1 des HVM habe keine gesetzliche Grundlage und sei für den Empfänger der Erklärung nicht verständlich. Die Beklagte gehe auch nicht auf dem von ihr mit dem Widerspruch vorgetragenen Gesichtspunkt der Reiseentschädigung und Wegegelder ein. Sie könne aus der Abrechnung nicht die Vergütung von Wegegeldern nach Nr. 7810 bis 7841 BEMA ersehen, auch nicht, ob diese nicht der Degressesion bei Erreichen einer Gesamtmenge unterworfen seien.

Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Bescheids vom 28.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.02.2013 die Beklagte zu verurteilen, ihr für das Quartal II/12 eine individuelle Basisvergütung KCH/PAR/KB in Höhe von 26.380,05 Euro und eine individuelle Basisvergütung KfO in Höhe von 1.815,03 Euro zu bewilligen,
hilfsweise
unter Aufhebung des Bescheids vom 28.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.02.2013 die Beklagte zu verurteilen, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie ist weiterhin der Auffassung, dass unabhängig vom arbeitsrechtlichen Fortbestehend es Beschäftigungsverhältnisses keine Möglichkeit des Erhalts des HVM-Zuschlags bestehe, da Frau Dr. A2 im Quartal II/12 ihre Tätigkeit nicht mehr ausgeübt habe. Sie verweist im Einzelnen auf Ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid. Weiter trägt sie vor, die angesprochene Regelung sei hinreichend verständlich und finde ihre gesetzliche Grundlage in § 85 Abs. 4 SGB V. Die Klägerin verkenne, dass sie, die Beklagte, ihren Mitgliedern kein Gehalt oder eine Gehaltsfortzahlung schulde, sondern lediglich eine Vergütung für entsprechend erbracht und abgerechnete vertragszahnärztliche Leistungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragszahnärzte verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragszahnärzte handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Klage ist zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Streitgegenstand ist nicht die Quartalsmitteilung II/12 ist, sondern ein Antrag der Klägerin auf Zuteilung einer individuellen Basisvergütung KCH/PAR/KB und einer individuellen Basisvergütung KFO. Von daher kann nach Auffassung der Kammer dahinstehen, ob die Quartalsmitteilung selbst eine verbindliche Festsetzung oder lediglich eine Mitteilung ist. Nach Mitteilung der Beklagten vom 02.04.2012 über ein Entfallen des Budgets für Frau Dr. A2 hat die Klägerin unter Datum vom 12.04.2012 darauf hingewiesen, dass weiterhin das entsprechende Budget zu berücksichtigen sei. Die Kammer sieht darin einen Antrag, den die Beklagte mit der Quartalsmitteilung verbindlich abgelehnt hat. Die Verbindlichkeit der Ablehnung kommt insbesondere im Widerspruchsbescheid vom 07.02.2013 zum Ausdruck. Von daher geht die Kammer davon aus, dass Klagebegehren die Verpflichtung der Beklagten ist, der Klägerin für Frau Dr. A2 für das Quartal II/12 eine individuelle Basisvergütung KcH/PAR/KB in Höhe von 26.380,05 Euro und eine individuelle Basisvergütung KFO in Höhe von 1.815,03 Euro zu bewilligen.

Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 28.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 07.02.2013 ist rechtmäßig. Er war daher nicht aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.

Nach Ziffer 3.2.2 der HVM-Anlage A wird je Kalenderjahr (ggf. anteilig) einem genehmigten angestellten Zahnarzt, der ganztags (Wochenarbeitszeit größer 30 Stunden) beschäftigt ist, ein Punktfaktor 1 zugeordnet. Nach Ziffer 3.3.1 ist die individuelle Basisvergütung des Anspruchsberechtigten die Summe der allgemeinen Basisvergütungen nach Ziffer 3.2.3 je Fachgruppe multipliziert mit den Punktfaktoren der tätigen Zahnärzte nach Ziffer 3.2.2. Bereits aus dem Wortlaut dieser Vorschriften folgt, dass ein Budget nur für aktiv tätige und aktiv beschäftigte Zahnärzte bewilligt werden kann. Zwischen den Beteiligten ist insofern unstreitig, dass die angestellte Zahnärztin Frau Dr. A2 bei der Klägerin auf Grund arbeitsschutzrechtlicher Bestimmungen ab dem 28.03.2012 nicht mehr tätig sein kann. Von daher kann sie keinen Beitrag zum Umsatz der klägerischen Praxis leisten und bedarf es daher keines Budgets für sie. Auf die arbeitsrechtlichen Bestimmungen kommt es insofern nicht an.

Nach allem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwertbeschluss erging durch den Vorsitzenden.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 EUR anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).

Auszugehen für die Streitwertfestsetzung ist von der Bewilligung des genannten strittigen Budgets. Nach Aktenlage ist insofern unstreitig, dass Frau Dr. A2 im streitbefangenen Quartal nicht gearbeitet hat. Das für sie beantragte Budget hat ausschließlich die Bedeutung, dass Gesamtbudget der Klägerin zu erhöhen und insofern die Restvergütungsforderung, die nur quotiert vergütet wird, zu vermindern. Auszugehen ist hierbei von einem Restvergütungsminderungsprozentsatz in Höhe von 4,89 % für KZH/PAR/KB und 1,79 % für KFO. Ausgehend hiervon ergibt sich eine geringere Vergütung in Höhe von 1.289,98 Euro bzw. 30,70 Euro, zusammen von 1.320,68 Euro. Dies ist der Betrag, in dessen Höhe der endgültige Streitwert festzusetzen ist. Nur in dieser Höhe ergeben sich Honorardifferenzen, nicht in der Höhe des strittigen Teilbudgets.
Rechtskraft
Aus
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