L 9 U 5806/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 2040/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 5806/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. November 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob ein Ulna-Impaction-Syndrom im linken Handgelenk Folge des Arbeitsunfalls des Klägers vom 15.07.2008 ist.

Der 1972 geborene Kläger war seit April 2007 bei der S. GmbH in N. als LKW-Fahrer beschäftigt. Am 15.07.2008 wollte er gegen 13:30 Uhr nach dem Beladen des LKWs die Plane herunterziehen, weswegen er sich auf die Ladefläche des LKWs begab, von der er rückwärts hinunterstürzte. Professor Dr. S. von den S. Kliniken H. diagnostizierte am 15.07.2008 beim Kläger eine Prellung der Brust- und Lendenwirbelsäule (BWS und LWS) und stellte eine Druckdolenz über dem Processus styloideus ulnae (Knochenfortsatz am unteren Ende der Elle) bei freier Handgelenksbeweglichkeit fest. Die Röntgenaufnahmen zeigten einen altersentsprechenden regelrechten Befund des Handgelenks links (vgl. Durchgangsarztbericht vom 15.07.2008).

Am 16.07.2008 stellte sich der Kläger wegen Beschwerden im Bereich der linken Clavicula (Schlüsselbein) und der linken Schulter sowie wegen Kribbelparästhesien im Bereich der linken Hand bis zum Handgelenk erneut in den S.-Kliniken vor, wobei der Verdacht auf eine Radiusköpfchenfissur links geäußert und zunächst eine konservative funktionelle Therapie empfohlen wurde. Bei Persistenz der Kribbelparästhesien sollte am nächsten Tag eine neurologische Untersuchung erfolgen (Zwischenbericht von Professor Dr. S. vom 17.07.2008).

Am 28.07.2008 stellte sich der Kläger auf Veranlassung seines Hausarztes bei Dr. S. vor. Dieser diagnostizierte Restbeschwerden nach Distorsion des linken Handgelenks. Dabei zeigte sich eine ellenseitige Schwellung des linken Handgelenks, ein Druckschmerz über der Tabatiere, streckseitig in der Handgelenksmitte und ellenseitig. Die Röntgenbilder des linken Handgelenks zeigten keine frischen oder älteren knöchernen Verletzungen, keine scapholunäre Dissoziation, keine Osteolyse und keine Arthrosezeichen. Der Kalksalz war regelrecht (Nachschaubericht vom 28.07.2008). Dr. S. bescheinigte Arbeitsunfähigkeit bis 08.08.2008, die wegen fortbestehender Beschwerden bis zum 22.08.2008 verlängert wurde.

Am 09.10.2008 stellte sich der Kläger – nach einem Urlaub – wegen fortbestehender Handgelenksbeschwerden erneut bei Dr. S. vor, der diese als Tendinitis des Unterarms bzw. Styloi-ditis ulnae interpretierte, den Kläger kassenärztlich weiter behandelte und eine Magnetresonanztomographie (MRT) des linken Handgelenks veranlasste. Das MRT vom 27.10.2008 ergab einen hochgradigen Verdacht auf eine Ruptur des Discus triangularis ulnarseitig mit sekundärem Reizerguss im Karpus als auch radioulnar sowie eine diskrete Reizung der Extensor carpi ulnaris-Sehne. Dr. S. überwies den Kläger an Professor Dr. H. von der V. Klinik.

Professor Dr. H. führte im Zwischenbericht vom 01.11.2008 aus, im MRT vom 27.10.2008 finde sich kein richtungsweisender Befund. Derzeit stehe die Bewegungseinschränkung im Vordergrund. Es sei nicht ganz klar, ob es sich um einen akuten Abriss des Triangular Fibro Cartelage Complex (TFCC) oder um eine Stauchungssymptomatik handle. Die Behandlung werde zu Lasten der Berufsgenossenschaft (BG) ambulant bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit fortgeführt.

Am 28.11.2008 wurde in der V. Klinik eine Arthroskopie des linken Handgelenks mit TFCC-Glättung, therapeutischer Spülung, Kortisoninstillation und Synvialektomie durchgeführt. Der Operateur Dr. F. stellte dabei eine TFCC-Läsion bedingt durch eine diskrete Ulna-Plus-Variante mit ausgeprägter Reizsynovialitis fest. Einen Anhalt für eine traumatisch bedingte Verletzung fand er nicht. Im Operationsbericht heißt es: "Es zeigt sich eine degenerativ bedingte TFCC-Läsion mit ausgeprägter Reizsynovialitis. Dieser Sachverhalt wird der BG mitgeteilt; es erfolgte daher auch keine Entnahme einer Histologie. Bei Beschwerdepersistenz ist eine Ulna-verkürzungsosteotomie indiziert."

Wegen fortbestehender Beschwerden stellte sich der Kläger am 30.12.2008 bei Dr. S. vor, der weiterbestehende Arbeitsunfähigkeit bescheinigte und mit dem Eintritt der Arbeitsfähigkeit nicht vor Ende Januar 2009 rechnete. Am 29.01.2009 stellte sich der Kläger in der V. Klinik vor. Professor Dr. H. führte im Zwischenbericht vom 30.01.2009 aus, wegen der Beschwerdesymptomatik bestehe die Indikation zur Ulnaverkürzungsosteotomie auf der linken Seite. Ein Operationstermin sei für den 12.02.2009 vereinbart. Der Kläger sei arbeitsunfähig; nach Abschluss der Behandlung sei zu klären, ob eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Ausmaß verbleibe.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme bei dem Arzt für Unfallchirurgie und Orthopädie Dr. S. vom 22.04.2009 ein, der ausführte, die geklagten Beschwerden im Bereich des Handgelenks links seien degenerativer Natur, wie sich aus dem Operationsbericht ergebe. Es zeige sich eine degenerativ bedingte TFCC-Läsion aufgrund des sog. Ulna-Impaction-Syndroms, d.h. einer sog. Ulna-Plus-Variante, hier etwas verlängert, so dass es zu einem Impingement der Handwurzel komme, die die degenerativen Veränderungen hervorrufe. Die Therapie habe zu Lasten der Krankenkasse zu erfolgen.

Der Arzt Merkle vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) führte unter dem 17.04.2009 aus, von der BG sei aufgrund des Arbeitsunfalls eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 22.08.2008 anerkannt worden. Diese Einschätzung sei nicht nachvollziehbar. Ursache für eine TFCC-Läsion sei häufig ein Sturz auf das dorsal exaltierte und radial duzierte Handgelenk. Klinisch lasse sich ein Druckschmerz unmittelbar distal des Ulnakopfes auslösen. Der Schmerz werde bei Ulnaduktion verstärkt. Ein weiterer Test zur Überprüfung des TFCC seien die Schmerzangaben des Patienten bei Pro- und Supination gegen Widerstand. Die vorliegenden Unterlagen bezüglich der Untersuchungen am 15.07. und 16.07.2008 beschrieben lediglich eine Druckdolenz über dem Processus styloideus radii; weitere spezifische Handgelenksuntersuchungen seien nicht durchgeführt bzw. nicht dokumentiert worden. Eine mögliche Verletzung des TFCC sei damit nicht auszuschließen. Warum der behandelnde Operateur eine degenerativ bedingte TFCC-Läsion diagnostiziere, sei aus den vorliegenden Unterlagen nicht nachvollziehbar. Vier Monate nach dem Unfallereignis sei – bei "leerer Anamnese" bezüglich des rechten Handgelenks – die Läsion mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 15.07.2008 zurückzuführen.

Mit Bescheid vom 07.07.2009 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlass des Unfalls vom 15.07.2008 über den 22.08.2008 hinaus ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe sich bei dem Arbeitsunfall eine Prellung der BWS/LWS, des linken Ellenbogens und der Hand sowie der linken Schulter zugezogen. Arbeitsfähigkeit sei zum 23.08.2008 wieder eingetreten. Am 09.10.2008 habe er sich wegen Beschwerden am linken Handgelenk erneut in ärztliche Behandlung begeben. Im Rahmen einer durchgeführten MRT am 27.10.2008 hätten keine Unfallfolgen festgestellt werden können. Die geklagten Beschwerden sowie die Arbeitsunfähigkeit ab dem 09.10.2008 seien nicht mehr auf die Unfallfolgen, sondern vielmehr auf unfallunabhängige Erkrankungen des linken Handgelenks zurückzuführen.

Hiergegen legte der Kläger am 07.08.2009 Widerspruch ein und vertrat die Ansicht, die TFCC-Läsion sei Folge des Arbeitsunfalls vom 15.07.2008, wie sich aus dem Gutachten des MDK vom 17.04.2009 ergebe.

Die Beklagte beauftragte Dr. P. mit der Erstattung eines handchirurgischen Gutachtens. Dieser führte im Gutachten vom 15.12.2009 aus, eine Ulna-Plus-Variante sei eine anatomische Situation ohne Krankheitswert. Ein Ulna-Impaction-Syndrom sei ein spezifisches Beschwerdebild, ein typischer klinischer Untersuchungsbefund, ein typischer arthroskopischer Befund und ein Röntgenbefund, bei dem in der Regel eine überlange Elle vorliege. Zur Krankheit oder zur Gesundheitsstörung werde eine Ulna-Plus-Variante erst dann, wenn ein bestimmtes Beschwerdebild und ein bestimmter klinischer Befund hinzuträten. Es gebe traumatische, also unfallbedingte, Läsionen des TFCC als auch degenerative Läsionen. Beim Kläger liege auf der rechten Seite eine Ulna-Plus-Variante ohne Beschwerden vor. Vor dem Unfall habe linksseitig ebenfalls eine Ulna-Plus-Variante bestanden, die keine Beschwerden verursacht habe. Die vom Kläger angegebenen Beschwerden seien erst nach dem Unfall aufgetreten. Eine Stauchungsverletzung des linken Handgelenks habe unzweifelhaft stattgefunden, auch wenn unmittelbar nach dem Unfall bei der Erstkonsultation Beschwerden am Handgelenk offenbar nicht beklagt worden seien. Dass eine Stauchung des Handgelenks stattgefunden habe, sei aus der Verletzung im Ellenbogenbereich abzuleiten, wo der Verdacht auf eine Radiusköpfchenfissur geäußert worden sei. Der Mechanismus, der zu einer derartigen Verletzung führe, sei nicht der Sturz auf den Ellenbogen direkt, sondern auf die Hand und damit die Stauchung des Ellenbogens, wobei es auch zu einer Stauchung des Handgelenks komme. Hierfür spreche auch der weitere Schmerzverlauf. Die ulnaren Handgelenksschmerzen seien relativ schnell nach dem Unfall aktenkundig geworden. Am 28.07.2008 sei festgestellt worden, dass das Handgelenk vor allem ellenseitig geschwollen war und ein Druckschmerz auch ellenseitig bestanden hat. Der weitere Verlauf habe zur Handgelenksarthroskopie geführt, bei der der intraartikuläre Befund einer TFCC-Läsion Palmer II C beschrieben worden sei. Spätestens zu diesem Zeitpunkt habe ein Ulna-Impaction-Syndrom bestanden. Das Unfallereignis sei die wesentliche Ursache für das Ulna-Impaction-Syndrom bei vorbestehender Ulna-Plus-Variante. Vom Unfalltag bis zum 22.08.2008 und vom 17.10.2008 bis 01.06.2009 habe Arbeitsunfähigkeit bestanden. Beim Kläger bestehe ein Zustand nach Ulnaver-kürzungsosteotomie der linken Hand, eine schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit des linken Handgelenks, eine Minderung der groben Kraft sowie ein Schmerzsyndrom im ulnaren Handgelenksbereich. Die unfallbedingte MdE betrage für die Dauer von einem Jahr 20 v.H.

Dr. S. schloss sich der Beurteilung des Kausalzusammenhangs im Gutachten von Dr. P. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 10.03.2010 nicht an. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11.05.2010 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 04.06.2010 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und beantragt, die Bescheide der Beklagten aufzuheben und festzustellen, dass ein Ulna-Impaction-Syndrom mit Beschwerden und funktionellen Einschränkungen im linken Handgelenk Folge des Arbeitsunfalls vom 15.07.2008 ist. Zur Begründung hat er am 26.07.2010 vorgetragen, die bei ihm vorliegenden Beschwerden bzw. Gesundheitsstörungen an der linken Hand seien auf den Arbeitsunfall vom 15.07.2008 zurückzuführen, wie sich aus dem Gutachten des MDK vom 17.04.2009, dem Gutachten von Professor Dr. H. für die A. AG vom 22.07.2009 (Unfallhergang: Sturz von der Ladefläche eines LKWs und Aufkommen auf der linken Hand; Kausalität: Die Gesundheitsschäden sind auf ein traumatisches Ereignis, in diesem Fall der Sturz auf die linke Hand, zurückzuführen. Aufgrund des jungen Alters des Versicherten ist nicht von degenerativen Veränderungen auszugehen) sowie dem Gutachten von Dr. P. vom 15.12.2009 ergebe. Klageerweiternd würden noch Ansprüche auf Verletztengeld, Verletztenrente sowie die Erstattung von weiteren Heilbehandlungskosten geltend gemacht.

Das SG hat das Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers von der A. H. und vom Kläger Arztbriefe der V. Klinik beigezogen und sodann ein handchirurgisches Gutachten eingeholt.

Professor Dr. M., Arzt für Hand- und Mikrochirurgie, hat im Gutachten vom 04.01.2011 beim Kläger eine reizlose Operationsnarbe auf der Kleinfingerseite des linken Unterarmes und Handgelenks, eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken Handgelenks, eine Herabsetzung der groben Kraft der linken Hand sowie radiologische Veränderungen nach Ellenverkürzung links festgestellt. Er hat ausgeführt, röntgenologisch und arthroskopisch seien beim Kläger ein leichter Ellenvorschub beiderseits und dadurch bedingte degenerative Veränderungen des Discus triangularis, des Ellenkopfes und des Dreieckbeins links festgestellt worden. Bei der Arthroskopie hätten sich keine Traumafolgen, kein Riss im Discus, gezeigt, sondern eine zentrale Läsion und dazu passend beginnende degenerative Veränderungen des Knorpelbelags im Bereich des Ellenkopfes und des Os Triquetrum. Die Strukturveränderungen im Bereich des linken Handgelenks seien anlagebedingt. Bei dem Unfallhergang sei das linke Handgelenk nicht verletzt worden; im DA-Bericht werde das Handgelenk nicht erwähnt. Erst einen Tag später (richtig: 13 Tage später) habe das Handgelenk eine Schwellung und eine Druckempfindlichkeit ulnarseitig gezeigt. Das Unfallereignis, die Prellung, habe zu einer vorübergehenden Verschlimmerung eines vorbestehenden Schadens geführt. Durch die Prellung – es hätte auch eine falsche Bewegung sein können – sei es zu einer Reizung des Gelenks mit Reizsynovialis gekommen, wodurch die Krankheit aktiviert worden sei. Beschwerden nach einer Handgelenksprellung heilten nach zwei bis drei Wochen ab.

In der ergänzenden Stellungnahme vom 24.03.2011 hat Dr. M. dargelegt, selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass das linke Handgelenk bei dem Unfallereignis geprellt worden wäre, sei dadurch keine Verletzung am linken Handgelenk entstanden. Durch Röntgen, MRT und Arthroskopie sei eine solche ausgeschlossen worden. Die Arthroskopie des linken Handgelenks habe Verschleißerscheinungen und eine Reizsynovialis gezeigt, aber keine Verletzung an irgendwelchen Strukturen.

Mit Gerichtsbescheid vom 29.11.2011 hat das SG die Klage – insbesondere gestützt auf das Gutachten von Professor Dr. M. – abgewiesen. Zur Begründung hat es weiter ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht die Gewährung von Verletztengeld und Heilbehandlungskosten aufgrund des Arbeitsunfalls vom 15.07.2008 über den 22.08.2008 hinaus und die Gewährung von Verletztenrente abgelehnt. Darüber hinaus seien auch die noch bestehenden Schmerzen im Bereich des linken Handgelenks nicht als Folge des Arbeitsunfalls festzustellen. Zweifelhaft sei bereits, ob der Sturz am 15.07.2008 naturwissenschaftliche Ursache der über den 22.08.2008 hinaus bestehenden Beschwerden am linken Handgelenk gewesen sei. Am 28.11.2008 sei beim Kläger arthroskopisch eine zentrale TFCC-Läsion Typ Palmer II C bei diskreter Ulna-Plus-Variante festgestellt worden, die bereits vor dem Arbeitsunfall – wie auch am rechten Handgelenk – bestanden habe. Gegen eine Verursachung der TFCC-Läsion durch den Unfall vom 15.07.2008 spreche, dass im Rahmen der Arthroskopie am 28.11.2008 eine TFCC-Läsion Typ Palmer II C und damit eine degenerative Läsion festgestellt worden sei. Ein Anhalt für eine traumatisch bedingte Verletzung habe sich nicht gefunden. Unklar sei darüber hinaus, ob der Unfallhergang überhaupt zu einer Einwirkung auf das linke Handgelenk geführt habe. Denn insbesondere dem DA-Bericht vom 15.07.2008 seien keine Verletzungen, die auf eine Beteiligung des linken Handgelenks beim Aufprall schließen ließen, zu entnehmen. Auch seien keine Schmerzangaben des Klägers bezüglich des linken Handgelenks vermerkt. Erst am 28.07.2008 seien ärztlicherseits von Dr. S. eine ellenseitige Schwellung des linken Handgelenks, ein Druckschmerz über der Tabatiere, streckseitig in der Handgelenksmitte und ellenseitig beschrieben worden. Allerdings sei auch bei – unterstelltem – naturwissenschaftlichem Zusammenhang der TFCC-Läsion mit dem angeschuldigten Arbeitsunfall ein Ursachenzusammenhang im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung nicht gegeben. Denn das Unfallereignis sei jedenfalls nicht wesentlich für die TFCC-Läsion und die damit einhergehende Beschwerdesymptomatik (zweite Stufe der Kausalitätsprüfung) gewesen. So stehe fest, dass beim Kläger im Zeitpunkt des Unfallereignisses bereits eine Schadensanlage, eine Ulna-Plus-Variante, vorhanden gewesen sei. Dieser Schadensanlage komme vorliegend eine überragende Bedeutung für die Entstehung der TFCC-Läsion zu. Dafür spreche, dass im Rahmen der Arthroskopie keine Anzeichen einer traumatischen Läsion festgestellt worden seien. Liege der Discusschaden im Zentrum des Discus, so spreche dies für einen degenerativen Schaden. Die beim Kläger festgestellte zentrale TFCC-Läsion mit beginnenden degenerativen Veränderungen des Knorpelbelags im Bereich des Ellenkopfes und des Os Triquetrum sei damit eindeutig degenerativer Natur. Hiervon gingen Professor Dr. H. (gemeint wohl Dr. F.), Dr. P. und Professor Dr. M. übereinstimmend aus. Sollte es tatsächlich zu einer Beteiligung des linken Handgelenks gekommen sein, wäre der Arbeitsunfall lediglich Gelegenheitsursache für die TFCC-Läsion, da jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis, z.B. eine falsche Bewegung des Handgelenks, mit Wahrscheinlichkeit zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Da die über den 22.08.2008 hinaus bestehenden Beschwerden am linken Handgelenk des Klägers nicht wesentlich ursächlich auf den Arbeitsunfall vom 15.07.2008 zurückzuführen seien, habe er über den 22.08.2008 hinaus auch keinen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen den am 02.12.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 30.12.2011 Berufung eingelegt und vorgetragen, er sei am 15.07.2008 von der Ladefläche seines LKWs gestürzt und dabei auf seiner linken Hand aufgekommen. Er sei dann bis einschließlich 22.08.2008 arbeitsunfähig gewesen. Danach habe er zunächst wieder knapp zwei Wochen gearbeitet. Nachdem aber erneut Schmerzen an seiner linken Hand aufgetreten seien, sei er vom 13.10.2008 bis 01.06.2009 arbeitsunfähig gewesen. Entgegen der Ansicht des SG sei der Sturz nicht lediglich Gelegenheitsursache für die aktuelle Beschwerdesymptomatik. Zu Unrecht bezweifele das SG schon, dass der Sturz naturwissenschaftliche Ursache für seine aktuellen Beschwerden sei. Dies ergebe sich bereits daraus, dass bei ihm an der rechten Hand ebenfalls eine so genannte Ulna-Plus-Variante vorliege, ohne Beschwerden zu verursachen, wie dies auch links vor dem Sturz der Fall gewesen sei. Insoweit widerlegten die Gutachten die Ansicht des SG. Bei dem rückwärtigen Sturz von der LKW-Rampe auf das linke Handgelenk handele es sich auch um kein alltäglich vorkommendes Ereignis. Durch diesen Sturz sei unzweifelhaft eine Stauchung bzw. Prellung des Handgelenks verursacht worden, und zwar in einem Ausmaß, welches nicht durch alltägliche Handbewegungen herbeigeführt werden könne. Der Sturz auf das Handgelenk habe die Reizsynovialis ausgelöst und damit das aktuelle Krankheitsbild zumindest wesentlich mitverursacht.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. November 2011 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 2010 abzuändern und festzustellen, dass ein Ulna-Impaction-Syndrom mit Beschwerden und funktionellen Einschränkungen im linken Handgelenk Folge des Arbeitsunfalls vom 15. Juli 2008 ist, sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 22. August 2008 hinaus Heilbehandlungskosten zu erstatten sowie Verletztengeld und Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte.

Der Senat hat ergänzende gutachterliche Stellungnahmen bei Dr. P. und Professor Dr. M. eingeholt.

Dr. P. hat unter dem 23.07.2012 ausgeführt, die Ursache für das Ulna-Impaction-Syndrom sei eine relative Überlänge der Elle im Vergleich zur Speiche. Das Ulna-Impaction-Syndrom sei definitionsgemäß eine degenerative Erkrankung, wenn sie nicht Folge einer knöchernen Verletzung der Speiche mit Ausheilung in Verkürzung sei. Im Gutachten vom 15.12.2009 sei er davon ausgegangen, dass das Unfallereignis nicht die wesentliche Ursache für die Ulna-Plus-Situation, sondern für die Auslösung der Beschwerden im Sinne einer Auslösung des Ulna-Impaction-Syndroms gewesen sei. Man könnte von einer Gelegenheitsursache ausgehen; allerdings liege auch auf der Gegenseite eine Ulna-Plus-Variante mit zystischen Veränderungen im gegenüberliegendem Lunatum vor, die asymptomatisch sei. Richtig sei, dass im DA-Bericht eine Verletzung des Handgelenks nicht verzeichnet sei. Sollte eine Verletzung des Handgelenks nicht stattgefunden haben, bestehe auch kein Unfallzusammenhang. Sollten die Handgelenksbeschwerden zunächst gegenüber den sonstigen Beschwerden geringer gewesen und deshalb nicht verzeichnet worden sein, sehe er das Unfallereignis als Auslöser der Beschwerden an.

Professor Dr. M. hat unter dem 06.11.2012 ausgeführt, nach Durchsicht der Akten und unter Berücksichtigung der zuletzt eingegangenen ärztlichen Äußerungen ergäben sich keine wesentlichen neuen Erkenntnisse. Es bestehe für ihn daher kein Anlass, die Beurteilung in seinem Gutachten zu revidieren. Letztlich stimme auch Dr. P. zu, dass die Beschwerden des Klägers degenerativ und anlagebedingt und nicht wesentlich durch das Unfallereignis verursacht worden seien. Deshalb könnten diese nicht als Unfallfolgen anerkannt werden.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines Ulna-Impaction-Syndroms als Unfallfolge und auf Gewährung von Leistungen über den 22.08.2008 hinaus hat.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundsätze für die Feststellung von Unfallfolgen sowie die Voraussetzungen für die Gewährung von Heilbehandlung, Verletztengeld und Verletztenrente – §§ 26, 27, 45 und 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) – dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines Ulna-Impaction-Syndroms als Unfallfolge und auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung über den 22.08.2008 hinaus hat. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren sowie der im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zurück.

Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass der Kläger am Unfalltag lediglich Schmerzen am Rücken und am linken Ellenbogen, nicht jedoch an der linken Hand angegeben hat. Das Handgelenk links war frei beweglich; es bestand lediglich ein Druckschmerz über dem Processus styloideus ulnae. Röntgenologisch zeigte sich ein regelrechter Befund im Handgelenk links. Der Durchgangsarzt diagnostizierte lediglich eine Prellung der BWS und LWS und keine Prellung und/oder Verstauchung an der linken Hand.

Bei seiner Vorstellung am 16.07.2008 gab der Kläger Beschwerden im Bereich der Clavicula links und der Schulter links sowie Kribbelparästhesien im Bereich der linken Hand bis zum Handgelenk an. Die Motorik der linken Hand war jedoch unauffällig ebenso wie die Durchblutung. Irgendeinen auffälligen Handgelenksbefund konnten die Ärzte beim Kläger nicht feststellen. Der Kläger sollte sich am nächsten Tag (17.07.2008) bei einem Neurologen vorstellen, falls die Kribbelparästhesien anhalten würden. Ausweislich der Aktenlage erfolgte jedoch keine neurologische Untersuchung.

Erstmals am 28.07.2008 klagte der Kläger über (fortbestehende) Beschwerden am linken Handgelenk. Er gab dazu an, dass er mit der linken Hand nicht fest zufassen könne, kein Steuerrad drehen und keine Ameise ziehen könne. Dabei stellte Dr. S. ein vor allem ellenseitig geschwollenes Handgelenk, einen Druckschmerz über der Tabatiere, streckseitig in der Handgelenksmitte und ellenseitig fest. In der Folgezeit stellte sich der Kläger noch dreimal wegen fortbestehender Beschwerden am linken Handgelenk vor, weswegen Dr. S. unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bis zum 22.08.2008 bescheinigte (Bericht vom 04.11.2008).

Letztlich kann dahinstehen, ob der Kläger bei dem Unfallereignis vom 15.07.2008 eine Prellung oder Verstauchung an der linken Hand bzw. am linken Handgelenk erlitten hat und ob die im Wesentlichen vom 28.07.2008 bis 22.08.2008 bestehenden Handgelenksbeschwerden unfallbedingt waren, da die Beklagte dem Kläger für die Zeit bis 22.08.2008 Leistungen gewährt hat und streitig lediglich das Bestehen von Unfallfolgen und die Gewährung von Leistungen für die Zeit nach dem 22.08.2008 ist.

Der Senat vermag – ebenso wie das SG – nicht festzustellen, dass über den 22.08.2008 hinaus Folgen des Arbeitsunfalls vom 15.07.2008 an der linken Hand des Klägers bestanden bzw. bestehen. Zunächst ist auffällig, dass zumindest zwischen dem 22.08.2008 (letzter Tag der Arbeitsunfähigkeit) und dem 09.10.2008 (lt. Dr. S. erneute Arbeitsunfähigkeit) keine Vorstellungen beim Durchgangsarzt wegen Handgelenksbeschwerden erfolgten.

Ferner ergibt sich insbesondere aus dem Operationsbericht vom 28.11.2008 über die Arthroskopie des linken Handgelenks, dass es sich um eine degenerativ bedingte TFCC-Läsion mit ausgeprägter Reizsynovialitis gehandelt hat. Dementsprechend hat der Operateur die Diagnose eines Ulna-Impaction-Syndroms mit zentraler TFCC-Läsion Typ II C (d.h. degenerativ, und nicht traumatisch bedingt, da traumatische Läsionen mit Typ I zu klassifizieren sind) gestellt. Angesichts dessen hält der Senat die Beurteilung von Professor Dr. M. für nachvollziehbar und überzeugend, dass beim Kläger an der linken Hand keine Folgen des Unfallereignisses vom 15.07.2008, d.h. keine Traumafolgen, insbesondere kein Riss im Discus, vorlagen, sondern eine durch die Überlänge der Elle bedingte degenerative Veränderungen des Discus triangularis, des Ellenkopfes und des Dreieckbeins.

In der vom Senat eingeholten ergänzenden Stellungnahme hat Dr. P. selbst eingeräumt, dass wesentliche Ursache für das Ulna-Impaction-Syndrom die Ulna-Plus-Variante ist und es sich bei dem Ulna-Impaction-Syndrom um eine degenerative Erkrankung handelt. Soweit er aufgrund des Auftretens des Ulna-Impaction-Syndroms nach dem Arbeitsunfall, diesen als Auslöser (bzw. als Gelegenheitsursache) ansieht, reicht der zeitliche Zusammenhang nicht aus, um einen Kausalzusammenhang zu begründen, da ausweislich des Operationsberichts keine traumatische Läsionen, sondern lediglich degenerative Veränderungen am Discus feststellbar waren. Außerdem ist zur Beschwerdelinderung die Ulnaverkürzungsosteotomie, d.h. eine Verkürzung der Elle, durchgeführt worden, und keine operative Versorgung irgendwelcher Risse oder Frakturen, die als Traumafolgen bzw. Unfallfolgen anzusehen wären, erfolgt. Dies spricht ebenfalls dafür, dass wesentliche Ursache für die Beschwerden des Klägers am linken Handgelenk die Ulna-Plus-Variante war.

Nach alledem war der angefochtene Gerichtsbescheid des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision lagen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved