L 8 SB 1403/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SB 2996/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 1403/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 29.02.2012 abgeändert und der Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 28.02.2008 in der Fassung des Bescheids vom 02.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.08.2008 verurteilt, bei der Klägerin ab dem 01.01.2013 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin auf ihren Erstantrag vom 22.02.2008 hin ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 zuzuerkennen ist.

Der 1947 geborenen, sich seit Oktober 2011 in Rente befindenden Klägerin, deutsche Staatsangehörige, war seitens der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (LBG) wegen eines Arbeitsunfalles wegen einer Narbenbildung und Sensibilitätsstörung am rechten Oberschenkel nach Verstauchung des rechten oberen Sprunggelenkes und abgelaufener tiefer Beinvenenthrombose am rechten Ober- und Unterschenkel vom 13.10.1990 eine MdE von zuletzt 20 v.H. auf Lebenszeit (vgl. Blatt 25 der Verwaltungsakte des Beklagten) und eine entsprechende Rente (dazu vgl. Blatt 32, 33 der Verwaltungsakte des Beklagten) zuerkannt worden, die mit Bescheid vom 16.01.2008 (Blatt 24, 25 der Verwaltungsakte des Beklagten) abgefunden wurde.

Am 22.02.2008 beantragte die Klägerin beim Landratsamt H. (LRA) die (Erst-) Feststellung eines GdB (Blatt 1, 2 der Verwaltungsakte des Beklagten). Hierzu verwies sie auf eine Gonarthrose rechts, eine Coxarthrose beidseits, ein HWS-Syndrom, Schwindel, einen Bandscheibenvorfall L5/S1 sowie einen Zustand nach TVT Bein rechts 90,05. Der Schwerbehindertenausweis solle die Voraussetzungen ab 2007 nachweisen.

Unter Berücksichtigung eines Entlassberichts aus einer zu Lasten der Deutschen Rentenversicherung durchgeführten stationären Rehabilitationsmaßnahme in der T. Klinik Bad K. (03.01.2008 bis 26.01.2008, Blatt 3 bis 8 der Verwaltungsakte des Beklagten) und einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 27.02.2008 (Ärztin S. , Blatt 10, 11 der Verwaltungsakte des Beklagten) stellte das LRA mit Bescheid vom 28.02.2008 (Blatt 12, 13 der Verwaltungsakte des Beklagten) einen GdB von 30 seit 01.01.2007 fest (zugrundeliegende Funktionsbeeinträchtigungen: Funktionsbehinderungen beider Hüftgelenke, Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule; nicht mit einem GdB von wenigstens 10 anerkannt: Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks, Schwindel, Metabolisches Syndrom).

Mit ihrem Widerspruch vom 26.03.2008 machte die Klägerin u.a. geltend, der BG-Schaden, die asthmatischen Beschwerden mit ständiger schwerer Bronchitis, die Zuckererkrankung und der Bluthochdruck seien nicht berücksichtigt.

Das LRA zog den Arztbrief von Dr. Schr. vom 02.04.2008 (Diagnose: intrisic Asthma) und die Unterlagen der LBG bei (Blatt 22 bis 59 der Verwaltungsakte des Beklagten) und holte eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. R. vom 16.06.2008 (Blatt 61, 62 der Verwaltungsakte des Beklagten) ein. Dr. R. führte aus, der auf Lebenszeit angegebene MdE-Wert von 20 für das BG-Leiden könne übernommen werden. Der Diabetes mellitus IIb und die arterielle Hypertonie ohne medikamentöse Behandlung könnten mit einem GdB von 10 bewertet werden. Sie schlug folgende GdB-Bewertung vor: Funktionsbehinderungen beider Hüftgelenke Teil-GdB 30 degenerative Veränderungen der Wirbelsäule Teil-GdB 10 hyperreagibles Bronchialsystem Teil-GdB 10 Diabetes mellitus, Bluthochdruck Teil-GdB 10 BG-Leiden lt. Bescheid der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Stuttgart Teil-GdB 20 Gesamt-GdB 40

Mit Teilabhilfe-Bescheid vom 02.07.2008 (Blatt 64, 65 der Verwaltungsakte des Beklagten) stellte das LRA einen GdB von 40 seit 01.01.2007 fest (zugrundeliegende Funktionsbeeinträchtigungen: Funktionsbehinderungen beider Hüftgelenke; degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, hyperreagibles Bronchialsystem; Diabetes mellitus; Bluthochdruck, BG-Leiden lt. Bescheid der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Stuttgart); Merkzeichen könnten nicht festgestellt werden, da Schwerbehinderteneigenschaft nicht vorliege.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 02.08.2008 (Blatt 68 der Verwaltungsakte des Beklagten). Die Beschwerden ergäben einen GdB von mindestens 60.

Der Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 11.08.2008 (Blatt 71 bis 73 der Verwaltungsakte des Beklagten) den Widerspruch zurück. Ein einem GdB von 50 vergleichbares Ausmaß der gesundheitlichen Beeinträchtigungen werde nicht erreicht.

Am Montag, 15.09.2008, hat die Klägerin beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben. Nicht berücksichtigt seien Lipödeme beidseits, die sich insbesondere am rechten Bein mit der vorliegenden posttrombotischen Erkrankung überlagerten und sie ganz erheblich beeinträchtigten. Außerdem sei ein Zustand nach IM-Läsion G II rechts, ein Zustand nach IB-Teilruptur, die Gonarthrose beidseits sowie die Arthrose der Daumengrundgelenke nicht berücksichtigt.

Die Klägerin hat - einen Bericht des Facharztes für Orthopädie, Sportmedizin, Chirotherapie Dr. E. vom 01.06.2006 (Blatt 14 der SG-Akte), - einen Bericht des Facharztes für Chirurgie, Gefäßchirurgie u.a. Dr. He. vom 05.03.2007 (Blatt 25, 26 der SG-Akte), - einen Bericht des Ärztlichen Direktors der V. Klinik Bad R. , Dr. C. vom 14.12.2010 (Blatt 91 der SG-Akte), - einen Bericht der Ärztlichen Drektorin der Klinik für Innere Medizin der S. K. Krankenhauses H. , Dr. H.-K. , vom 10.02.2011 (Blatt 102 bis 104 der SG-Akten), - einen Bericht des Handchirurgen Prof. Dr. Ha. vom 16.12.2010 (Blatt 105 der SG-Akte) vorgelegt.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 31 und 32, 33 bis 43, 44 bis 50 und 51 bis 55 der SG-Akte Bezug genommen.

Der HNO-Arzt Dr. W. hat dem SG am 02.02.2009 per Fax mitgeteilt, die Klägerin sei nicht wegen der in der übersandten versorgungsärztlichen Stellungnahme genannten Leiden in seiner Behandlung.

Der Orthopäde Dr. N. hat dem SG am 28.01.2009 geschrieben, bezüglich der Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke und des BG-Leidens halte er den zugestandenen GdB für angemessen. Dagegen halte er aufgrund der schweren Verschleißerscheinungen sowohl der HWS als auch der LWS mit Bandscheibenschäden L4/5 und L5/S1 sowie C5/6 und C6/7 mit Arthrose der Zwischenwirbelgelenke und deutlicher Skoliose im Bereich der Wirbelsäule einen GdB von 20 für angemessen. Für die Varusgonarthrose des rechten Kniegelenkes halte er einen GdB von 10 für angemessen. Die Veränderungen im Bereich des Fußes bedürften keines GdB. In der Anlage hat u.a. er einen Bericht des Facharztes für Innere Medizin a.u. Dr. K. vom 28.11.2005, in dem ein postthrombotisches Syndrom bei Zustand nach Phlebothrombosen (vv. Femoro-poplitea re. im 1990) mit Umgehungskreislauf bereits oberhalb der Trifurcatio poplitea rechts beschrieben ist, vorgelegt sowie zwei Laborbefunde aus dem Herzzentrum Bad K ...

Dr. Schr. , Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Schlafmedizin, hat mit Schreiben vom 08.02.2009 ausgeführt, die Klägerin leide an einer Belastungsdyspnoe sowie Husten. Bei der Auskulatation der Lunge zeige sich eine leichte Spastik über der gesamten Lunge. Neben den lungenfunktionellen Veränderungen spiele das Übergewicht ebenfalls eine Rolle. Der GdB solle mit 20% angegeben werden.

Der Facharzt für Chirurgie, Facharzt für Gefäßchirurgie u.a. Dr. He. hat dem SG (Schreiben vom 20.02.2009) mitgeteilt, bei der Klägerin bestehe ein Lipödem beidseits, ein Phleboedem rechts bei postthrombotischem Zustand (Berufsunfallfolge) sowie eine Varikose. Das Lipoedem sei nicht Berufsunfallfolge. Es sei nicht heilbar und verursache bei längerer statischer Belastung eine beidseitige Schwellneigung. Das postthrombotische Syndrom am rechten Bein sei Berufsunfallfolge und sei - jedenfalls 1997 - auch dekompensiert. Es gehe ebenfalls mit einer und nur in begrenztem Umfang therapierbaren Schwellneigung einher. Das beidseitige Lipoedem mit seiner Schwellneigung stelle einen Dauerzustand dar, der unabhängig von dem postthrombotischen Syndrom rechts einer lebenslangen Kompressionsstrumpfbehandlung an beiden Beinen bedürfe.

Der Klägerin wurde am 12.02.2009 eine Hüft-TEP links implantiert. Das SG hat den Entlassbericht vom 16.04.2009 der S. Klinik Bad R. , wo die Klägerin vom 25.03.2009 bis 15.04.2009 auf Kosten der Deutschen Rentenversicherung zur medizinischen Rehabilitation stationär aufgenommen worden war, (dazu vgl. Blatt 70 bis 78 der SG-Akte) sowie den Reha-Nachsorgebericht (Zeitraum 19.05.2009 bis 27.08.2009, Blatt 79 bis 81 der SG-Akte) beigezogen.

Daraufhin hat das SG Beweis erhoben durch schriftliche Befragung weiterer, die Klägerin behandelnder Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 111 und 112 sowie 113 bis 115 der SG-Akte Bezug genommen.

Der Handchirurg Prof. Dr. Ha. von der V. Klinik hat dem SG am 06.07.2011 geschrieben, die Klägerin leide an einer geringfügigen Daumensattelgelenksarthrose (Rhizarthrose) beidseits, die die Greifkraft und Beweglichkeit des Daumensattelgelenkes reduzieren könne und bei Belastung schmerzhaft sein. Er stimme mit den versorgungsärztlichen Feststellungen überein. Die Daumensattelgelenksarthrose beidseits bedinge einen GdB von 0.

Dr. C. , Orthopäde und Unfallchirurg sowie Ärztlicher Direktor der V. Klinik, hat dem SG mitgeteilt (Schreiben vom 05.08.2011), es bestehe ein Zustand nach Implantation einer zementfreien Hüfttotalendoprothese links am 12.03.2009, eine ausgeprägte Coxarthrose rechts sowie eine Rhizarthrose beidseits, außerhalb des orthopädisch-chirurgischen Fachgebietes noch ein diätetisch eingestellter Diabetes mellitus, eine arterielle Hypertonie, multiple Allergien und ein Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose rechtsseitig mit Operation von 1990. Das linke Hüftgelenk müsse trotz guter Funktion der eingesetzten Totalendoprothese auf Grund des Einbringens eines Fremdkörpers mit einem GdB von 20 beurteilt werden. Der rechtsseitige Hüftgelenksverschleiß sei als mittel- bis schwergradig einzuschätzen, weshalb die zurzeit noch nicht operativ versorgte Coxarthrose rechts aktuell Ruhe- und Belastungsschmerzen sowie eine deutliche Einschränkung der Beweglichkeit und der Gehstrecke bedinge. Dies sei mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Die Arthrose beider Daumensattelgelenke sei mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Ausschließlich auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet halte er die Zuerkennung eines Gesamt-GdB von 40 für korrekt.

Mit Schreiben vom 10.10.2011 (Blatt 119 bis 121 der SG-Akte) hat der Beklagte vorgeschlagen, folgende Funktionsbeeinträchtigungen festzustellen: Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks Hüftgelenksendoprothese links Teil-GdB 30 Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule Teil-GdB 10 Hyperreagibles Bronchialsystem Teil-GdB 10 BG-Leiden Teil-GdB 20 Der Gesamt-GdB verbleibe bei 40. Die Feststellung des Diabetes und des Bluthochdrucks solle nicht fortgeführt werden, es erfolge keinerlei Medikation; der Diabetes sei diätetisch eingestellt und es werde auch für den Bluthochdruck keine Medikation eingenommen.

Das SG hat ein Gutachten beim Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. Hu. eingeholt. Zum Inhalt und Ergebnisses des Gutachtens vgl. Blatt 127 bis 154 der SG-Akte. Dr. Hu. hat in seinem Gutachten vom 25.01.2012 angegeben, auf orthopädischem Fachgebiet bestehe ein Cervicalsyndrom mit leichten Muskelspannungsstörungen bei altersentsprechend degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule, ohne Anhaltspunkte für Nervenwurzelreiz- oder -ausfallserscheinungen, ein Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen des untersten lumbalen Bewegungssegments, ohne Anhaltpunkt für Nervenwurzelreiz- oder -ausfallserscheinungen, ein Impingement-syndrom der linken Schulter mit leichter Funktionsbeeinträchtigung, eine Rhizarthrose beider Daumensattelgelenke mit deutlicher Funktionsbeeinträchtigung beider Hände, eine Zentrale Coxarthrose rechts, eine Hüfttotalendoprothese links bei Coxarthrose, des weiteren beginnende degenerative Umbauvorgänge des medialen Kniegelenkskompartiments rechts, ohne Funktionsdefizit, Senk-Spreizfüße beidseits, ein kleiner plantarer Fersensporn links mit Ansatztendopathie der Plantarapaneurose und beginnende degenerative Umbauvorgänge des linken Großzehengrundgelenks. Die Funktionsbeeinträchtigung der Lendenwirbelsäule überschneide sich teilweise mit der Funktionsbeeinträchtigung der Hüftgelenke, so dass insgesamt die Lenden-Becken-Hüftregion betroffen sei. Teilweise Überschneidungen ergäben sich durch die angiologischen Leiden und die orthopädische Beeinträchtigung der unteren Extremitäten. Die Teil-GdB schätzte Dr. Hu. wie folgt ein: Wirbelsäule Teil-GdB 20 obere Extremitäten Teil-GdB 10 untere Extremitäten Teil-GdB 30 Angiologische Situation Teil-GdB 20. Von orthopädischer Seite aus ergebe sich ein Gesamt-GdB von 40. Unter Berücksichtigung der anderweitig angenommenen Ansätze ergebe sich ebenfalls ein Gesamt-GdB von 40 seit Antragstellung.

Mit Gerichtsbescheid vom 29.02.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Die vom Beklagten vorgenommene Bewertung des Gesamt-GdB mit 40 sei rechtmäßig. Für beide Hüften sei ein Teil-GdB von 30 angemessen. Dort bestehe rechts eine Arthrose mit deutlichem Funktionsdefizit, die Beugung rechts liege bei 100 Grad, es bestehe ein Streckdefizit von 10 Grad und gleichzeitig eine eingeschränkte Rotations- und Abspreizfähigkeit. An der linken Hüfte sei eine Endoprothese implantiert, die mit einem Mindest-GdB von 10 zu bewerten sei. Durch die zusätzliche Beeinträchtigung der Versorgungsqualität durch die Bewegungs- und Belastungseinschränkung sei der Teil-GdB an der linken Hüfte ebenfalls mit 20 zu bewerten; für beide Hüften sei der Teil-GdB mit 30 anzusetzen. Der Reizzustand mit geringer Funktionsstörung durch den Fersensporn mit der Sehnenansatzreizung sei mit einem Teil-GdB von 10 angemessen bewertet. An den unteren Extremitäten sei der Teil-GdB demnach mit einem Teil-GdB von 30 zutreffend bewertet. Die Beeinträchtigungen der Wirbelsäule seien mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. An der HWS zeigten sich keine schweren Verschleißerscheinungen und kein wesentliches Funktionsdefizit, an der LWS zeige sich ein mäßiges Funktionsdefizit mit deutlichen, dem Alter vorauseilenden Verschleißerscheinungen. Hier bestehe ein Wirbelsäulenschaden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt durch Verformung und anhaltende Bewegungseinschränkung. Der Teil-GdB sei mit 20 zu bewerten. Die Arthroseveränderungen der Daumensattelgelenke seien mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Die anerkannten BG-Leiden durch ein belastungsunabhängiges Ödem und nicht ulcerösen Hautveränderungen in Kombination mit einem Lipödem seien mit einem Teil-GdB von 20 angemessen bewertet. Auch das hyperreagible Bronchialsystem sei mit einem Teil-GdB von 10 angemessen bewertet. Für den diätisch eingestellten Diabetes mellitus sei ein Teil-GdB von 0 anzusetzen. Was die Hypertonie anbelange, sei diese nicht GdB-relevant. Aus den aktuellen Befunden ergäben sich keinerlei Leistungsbeeinträchtigungen, die auf den Bluthochdruck zurückzuführen seien. Daher ergebe sich im vorliegenden Fall ein Gesamt-GdB von 40. Zwar seien die orthopädischen Leiden, wie auch von Dr. Hu. vorschlagen, mit einem Gesamt-GdB von 40 zu bewerten, die festgestellten, mit einem Teil-GdB von 20 zu bewertenden BG-Leiden und das mit einem Teil-GdB von 10 bewertete hyperreagible Bronchialsystem sei jedoch nicht geeignet, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderungen zu schließen.

Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 08.03.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 02.04.2012 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Tatsächlich liege der GdB höher als vom SG angenommen. Der Sachverständige sei bereits aus orthopädischer Sicht zu einem GdB von 40 gekommen. Weiter zu berücksichtigen seien die BG-Leiden durch ein belastungsunabhängiges Ödem und nicht uiceröse Hautveränderungen in Kombination mit einem Lipödem, das hyperreagible Bronchialsystem sowie die Hypertonie und der Diabetes mellitus. Damit werde ein GdB von 60, zumindest aber von 50, erreicht.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 29.02.2012 aufzuheben sowie den Beklagten unter Abänderung des Bescheids des Landratsamts H. vom 28.02.2008 in der Fassung des Teilabhilfe-Bescheids vom 02.07.2008 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheids vom 11.08.2008 zu verurteilen, bei der Klägerin einen GdB von 60 seit dem 01.01.2007 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, soweit sie über den Vergleichsvorschlag vom 29.04.2013 (Feststellung eines GdB von 50 ab 01.01.2013) hinausgeht.

Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hat zunächst die angefochtene Entscheidung für zutreffend gehalten.

Mit Schreiben vom 22.05.2012 (Blatt 17, 18 der Senatsakte) hat die Klägerin vorgetragen, die Ausführungen des Gutachters Dr. Hu. , der angiologische Teil erhöhe die Beeinträchtigungen der unteren Extremitäten nicht, sei nicht zutreffend. Es handele sich hier um Beschwerdebilder, die sich zwar beide auf die unteren Extremitäten bezögen, sich jedoch gegenläufig auswirkten. Es komme nicht zu einer Überlagerung, sondern geradezu zu einer Ergänzung der Krankheitsbilder.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 13.08.2012 (Blatt 22 bis 25 der Senatsakte) einen Bericht von Dr. B. , Facharzt für Chirurgie, Facharzt für Gefäßchirurgie vom 04.06.2012 vorgelegt und ausgeführt, die venöse Drainagesituation habe sich verschlechtert. Der rechte Fuß sei bombiert, der gesamte rechte Oberschenkel umfangsvermehr mit einem eindellbaren Ödem. Mit Schreiben vom 20.08.2012 (Blatt 26 bis 28 = 29 bis 31 der Senatsakte) hat sie noch Blutdruckmessprotokolle vorgelegt.

Der Beklagte hat sich hierzu unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. G. vom 19.10.2012 mit Schreiben vom 23.10.2012 (Blatt 34 bis 36 der Senatsakte) geäußert und vorgeschlagen, den Gesamt-GdB bei 40 zu belassen, jedoch die berücksichtigten Funktionsbeeinträchtigungen wie folgt zu fassen: Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks, Hüftgelenksendoprothese links Teil-GdB 30 Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule Teil-GdB 20 BG-Leiden (rechtes Bein) Teil-GdB 20 Hyperreagibles Bronchialsystem Teil-GdB 10 Daumensattelgelenksarthrose beidseitig Teil-GdB 10.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG hat der Senat ein Gutachten bei Dr. B. eingeholt. Wegen des Inhalts und Ergebnisses des Gutachtens wird auf Blatt 42 bis 55 der Senatsakte Bezug genommen. Der Facharzt für Chirurgie, Facharzt für Gefäßchirurgie, Lymphologie, zertifizierter Wundmanager, Dr. B. hat in seinem Gutachten vom 18.02.2013 angegeben, es liege ein postthrombotisches Syndrom mit chronisch venöser Insuffizienz und Umfangsvermehrung sowie deutlichen trophischen Hautveränderungen des rechten Beines, ein Lipolymphödem rechts bei positivem Stemmerzeichen und erhebliche Umfangsvermehrung des rechten Beines im Stadium II und ein Lipödem links vor. Es bestehe eine Überschneidung der orthopädischen Erkrankungen der unteren Extremitäten sowohl mit dem postthrombotischen Syndrom als auch mit der sekundären Lymphstauung. Durch die Lymphstauung komme es zunächst zu einer erheblichen Lymphstauung in der betroffenen Extremität mit Umfangsvermehrung und daraus resultierendem Schwere- und Spannungsgefühl. Dies habe eine mechanische Behinderung sowie eine Einschränkung der Gehstrecke zur Folge. Den Schweregrad hat Dr. B. jeweils auf mittel eingeschätzt. Das postthrombotische Syndrom rechts bedinge einen Teil-GdB von 20, das Lipolymphödem rechts einen Teil-GdB von 30 und das Lipödem links einen Teil-GdB von 10. Zusammenfassend ergebe sich aus phlebologisch/lymphologischer Sicht ein GdB von 30. Insgesamt und unter Berücksichtigung eines Teil-GdB von 40 auf orthopädischem Fachgebiet betrage der GdB insgesamt 50. Da bei der letzten Untersuchung in seiner Praxis am 28.03.2011 noch keine wesentliche lymphatische Stauung festgestellt worden sei, müsse diese im Jahr 2012 entstanden sein.

Mit Schreiben vom 05.03.2013 hat die Klägerin (Blatt 56 der Senatsakte) ausgeführt, aus dem Gutachten von Dr. B. ergebe sich ein Gesamt-GdB von 50.

Der Beklagte hat die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Bru. vom 25.04.2013 vorgelegt und mit Schreiben vom 29.04.2013 (Blatt 58 bis 60 der Senatsakte) im Wege des Vergleichs angeboten, den GdB auf 50 seit 01/2013 festzustellen (berücksichtigte Funktionsbeeinträchtigungen: Hüftgelenksendoprothese links, Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks: Teil-GdB 30; Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule: Teil-GdB 20; Postthrombotisches Syndrom rechtsseitig, Lymphstauung beider Beine: Teil-GdB 20, ab 01/2013 Teil-GdB 30; Hyperreagibles Bronchialsystem: Teil-GdB 10; Daumensattelgelenksarthrose beidseitig: Teil-GdB 10). Die Feststellung des Merkzeichens "G" sei nicht Streitgegenstand, könne aber auf Antrag der Klägerin vom LRA im Ausführungsbescheid berücksichtigt werden.

Die Klägerin hat sich mit Schreiben vom 23.07.2013 und 28.10.2013 (Blatt 62, 66 und 67 der Senatsakte) dahingehend eingelassen, dass die Schwerbehinderteneigenschaft bereits 2008 vorgelegen habe. Die Beklagtenseite gehe fälschlicherweise davon aus, dass das Lipolymphödem rechts erst jetzt vorliege. Bereits seit dem Jahr 2007 leide sie an einem beidseitigen Lipödem mit Schwellneigung, völlig unabhängig von der unfallbedingten postthrombotischen Symptomatik. Es ergebe sich damit ein GdB von 60, mindestens jedoch von 50 seit Klagerhebung. Auf richterliche Anfrage hat sie mitgeteilt, eine Hüftendoprothese rechts sei noch nicht implantiert worden (Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 18.11.2013).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, und teilweise begründet.

Der Bescheid des LRA vom 28.06.2007 in der Fassung des Teilabhilfe-Bescheids vom 02.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 11.08.2008 ist nicht mehr in vollem Umfang rechtmäßig. Die Klägerin hat Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50 ab dem 01.01.2013. Die angefochtenen Bescheide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids sowie der Gerichtsbescheid des SG waren daher abzuändern und der Beklagte entsprechend zu verurteilen.

Gegenstand des Rechtsstreits ist nicht die Zuerkennung von Nachteilsausgleichen (Merkzeichen), insbesondere nicht die Zuerkennung des Merkzeichens "G". Insoweit hat sich die Klägerin mit einem neuen Antrag an das LRA zu wenden.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91, BSGE 72, 285; BSG 09.04.1997 - 9 RVs 4/95, SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG 18.09.2003 – B 9 SB 3/02 R, BSGE 19091, 205; BSG 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89; BSG SozR 3 3870 § 4 Nr. 1).

Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten AHP, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandt wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R, RdNr 27, 30 mwN). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG 30.09.2009, SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 19; BSG 23.4.2009, aaO, RdNr. 30).In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht (ständige Rechtsprechung des Senats).

Die orthopädischen Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin an den unteren Extremitäten (Hüftgelenksendoprothese links, Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks) waren mit einem Teil-GdB 30 zu bewerten. Gemäß Nr. 18.12 VG beträgt der Teil-GdB bei einseitiger Hüft-Endoprothese mindestens 10, bei beidseitiger Hüft-Endoprothese mindestens 20. Bis zu dieser erst am 01.01.2011 in Kraft getretenen Änderung war die einseitige Hüft-Endoprothese mit einem Teil-GdB von 20, die beidseitige Hüft-Endoprothese mit einem Teil-GdB von 40 bewertet (dazu vgl. auch Nr. 26.18 AHP). Bis zur endoprothetischen Versorgung des linken Hüftgelenks am 12.03.2009 bestand eine Coxarthrose beidseitig, die angesichts der Befunde der Rehabilitationsberichte aus dem Jahr 2008 (a.a.O.) mit Bewegungseinschränkungen geringen Grades beidseitig mit einem Teil-GdB von 30 angemessen berücksichtigt war. Nach der Hüftoperation bedingte die Hüft-Endoprothese links lediglich noch einen Teil-GdB von 20, seit 01.01.2011 zwar grundsätzlich noch von mindestens 10, wegen der noch endgradigen Bewegungs- und Belastungseinschränkungen links kann jedoch nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Hu. hierfür ein Teil-GdB von 20 als angemessen angesehen werden. Dieser konnte unter Berücksichtigung der ausgeprägten Coxarthrose rechts mit der festgestellten Bewegungseinschränkungen (Beugung/Streckung: 100-10-0, was der GdB-Stufe 10-20 unterfällt) mit einem Teil-GdB von 20 insgesamt zu einem Teil-GdB betreffend die unteren Extremitäten von 30 angemessen und ausreichend zusammengefasst werden. Dieser Beurteilung liegt zu Grunde, dass die beidseitigen Bewegungseinschränkungen der Hüfte in Beugung und Streckung bis 90°/10°/0° durchgehend nach den AHP und den VG mit einem GdB bis 30 zu bemessen war und ist. Dieser Bewertung ist auch die Klägerin nicht mehr entgegen getreten.

Für die vom Gutachter Dr. Hu. mit einem Teil-GdB von 10 bewerteten Funktionseinschränkungen durch den Fersensporn sowie die Funktionsbeeinträchtigungen am rechten Knie, war angesichts der freien Beweglichkeit kein Teil-GdB zuzuerkennen; diese erhöhen den Teil-GdB von 30 für die unteren Extremitäten nicht.

Die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule sind mit einem Teil-GdB von 20 ausreichend und umfassend bewertet. Das SG hat die maßgeblichen Rechtsgrundlagen dargestellt (B Nr. 18.9 VG bzw. Nr. 26.18 AHP). Auf Grundlage des Gutachtens von Dr. Hu. (Blatt 127 bis 154 der SG-Akte) aber auch der vorliegenden Rehabilitationsberichte aus den Jahren 2008 (dazu vgl. Blatt 3 bis 8 der Verwaltungsakte des Beklagten = 35 bis 43 der SG-Akte) und 2009 (Blatt 70 bis 78, 79 bis 81) sowie der vorliegenden Auskünfte der behandelnden Ärzte konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt oder mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten bestehen. Das Gutachten von Dr. Hu. ist schlüssig und widerspruchsfrei und wird auch von den Beteiligten insoweit nicht angezweifelt. Seiner Bewertung der Wirbelsäulenerkrankung mit einem GdB 20 ist der Senat daher gefolgt. Angesichts der von Dr. Hu. beschriebenen Cervical- und Lumbalsyndrome ohne Nervenwurzelreiz- und Ausfallserscheinungen bei nur leichten Muskelverspannungsstörungen ist diese Bewertung jedoch großzügig bemessen, denn ein mit einem GdB 20 zu bemessender Funktionsverlust wird nur knapp erreicht, worauf Dr. G. in seiner versorgungsärztlichen Stellungahme vom 19.10.2012 überzeugend hinweist.

Die bestehende, erst am 10.12.2010 (vgl. die Auskunft von Prof. Dr. Ha. von der V.-Klinik auf Blatt 111 der SG-Akte) festgestellte Daumensattelgelenksarthrose beidseitig bedingt allenfalls einen Teil-GdB 10, denn sie ist ohne größere Funktionseinschränkungen: Prof. Dr. Ha. konnte (a.a.O. Blatt 112) lediglich geringfügige bis leichte Störungen berichten und hält einen Teil-GdB von 0 für ausreichend. Dr. C. bewertete diese Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Teil-GdB von 10, was auch mit der Einschätzung von Dr. Hu. (Seite 21-22 seines Gutachtens) übereinstimmt.

Das hyperreagible Bronchialsystem wurde bei der Klägerin mit einem Teil-GdB von 10 ausreichend und umfassend bewertet. Nach B Nr. 8.5 VG bzw. 26.8 AHP ist Bronchialasthma ohne dauernde Einschränkung der Lungenfunktion bei Hyperreagibilität mit seltenen (saisonalen) und/oder leichten Anfällen mit einem Teil-GdB von 0-20, bei Hyperreagibilität mit häufigen (mehrmals pro Monat) und/oder schweren Anfällen mit einem Teil-GdB von 30 bis 40 sowie bei Hyperreagibilität mit Serien schwerer Anfälle mit einem Teil-GdB von 50 zu bewerten. Zwar hat Dr. Schr. gegenüber dem SG (Blatt 44, 45 der SG-Akte) eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung angenommen und diese mit einem Teil-GdB von 20 bewertet. Doch zeigen die von ihm mitgeteilten Messergebnisse (zur Bodyplethysographie vgl. Blatt 46 46, 47 und 48, 49 sowie 50 der SG-Akte) - worauf der Versorgungsarzt D. in seiner Stellungnahme vom 10.07.2009 (Blatt 62, 63 der SG-Akte) zutreffend hingewiesen hat -, eher eine unzureichende Mitwirkung der Klägerin als eine wesentliche Einschränkung der Lungenfunktion. Denn ohne dass ein krankhafter Anhalt besteht oder von Dr. Schr. mitgeteilt werden konnte, ist das Ausatem-Volumen der Klägerin (forcierte Vitalkapazität, FVC) größer als das Einatmen-Volumen (inspiratorische Vitalkapazität, VC IN). Die Einsekundenkapazität (FEV1) wird aber von Dr. Schr. als nicht eingeschränkt beschrieben, weshalb von einer wesentlichen obstruktiven Ventilationseinschränkung nicht ausgegangen werden kann; eine von der Klägerin behauptete ständige schwere Bronchitis ließ sich nicht nachweisen. Damit kann dieser Funktionsbeeinträchtigung jedenfalls kein höherer Teil-GdB als 10 zuerkannt werden.

Der Diabetes mellitus Typ IIb sowie die Hypertonie bedingen keinen GdB von mindestens 10. Beide sind nicht medikamentös behandelt, wie sich aus den Gutachten Dr. Hu. , Dr. B. sowie den Reha-Berichten aus den Jahren 2008 und 2009 ergibt. Folgeerkrankungen oder Funktionsbeeinträchtigungen sind aus beiden Erkrankungen nicht entsprungen; die Blutdruckwerte lagen zuletzt (vgl. Berichte aus der S. Klinik Bad R. ) sogar im Normbereich, worauf Dr. Re. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 04.10.2011 hingewiesen hat. Daher musste beiden Erkrankungen die Zuerkennung eines Teil-GdB von mindestens 10 versagt bleiben (vgl. dazu B Nr. 15.1 VG bzw. B Nr. 9.3 VG).

Dr. B. konnte in seinem Gutachten zur Überzeugung des Senats darstellen, dass bei der Klägerin ein postthrombotisches Syndrom mit chronisch venöser Insuffizienz und Umfangsvermehrung sowie deutlichen trophischen Hautveränderungen des rechten Beines, ein Lipolymphödem rechts bei positivem Stemmerzeichen und erhebliche Umfangsvermehrung des rechten Beines im Stadium II sowie ein Lipödem links besteht. Diese Erkrankungen umfassen auch die von der LBG als Unfallfolge anerkannten und vom Beklagten sowie dem SG übernommenen Teil der Funktionseinschränkungen (belastungsunabhängiges Ödem mit nicht ulcerösen Hautveränderungen in Kombination mit einem Lipödem) sowei die angegebenen Varikosen. Dr. B. hat den Schweregrad der von ihm dargestellten Funktionsbeeinträchtigungen beim Gehen usw. auf jeweils mittelgradig einschätzt und für das postthrombotische Syndrom rechts einen Teil-GdB von 20, für das Lipolymphödem rechts einen Teil-GdB von 30 sowie für das Lipödem links einen Teil-GdB von 10, für die phlebologisch/lymphologischen Erkrankungen zusammen einen Teil-GdB von 30 für angemessen gehalten. Dieser Einschätzung (B Nr. 9.2.3 VG bzw. 26.9 AHP) schließt sich der Senat insoweit an, als sie ab dem Zeitpunkt der Untersuchung bei Dr. B. im Jahr 2013 gilt. Dr. B. , der die Klägerin zuvor schon wegen der Gefäßerkrankungen behandelt hatte, konnte nämlich in seinem Gutachten darlegen (Seite 11), dass bei seiner Untersuchung am 28.03.2011 (angeblich letzte Untersuchung der Klägerin vor der Begutachtung) noch keine wesentliche lymphatische Stauung festgestellt worden sei. Eine solche hat er aber auch nicht in seinem Bericht vom 04.06.2012 (Blatt 24, 25 der Senatsakte) nach erneuter Untersuchung der Klägerin in seinem Befund, was dann die letzte dokumentierte Untersuchung der Klägerin vor der Begutachtung wäre, dargestellt. Damit musste diese erst in der Folgezeit aufgetreten sein. Dass die Klägerin angegeben hat, das bekannte BG-Leiden sowie ein belastungsunabhängiges Ödem und nicht ulceröse Hautveränderungen mit einem Lypödem hätten bereits 2008 vorgelegen, steht dem nicht entgegen. Denn Dr. B. begründet seine höhere Einschätzung des höheren Teil-GdB nicht mit den von der Klägerin benannten und bekannten Erkrankungen sondern mit hinzugetretenen lymphatischen Stauungen. Diese konnten aber vor der Begutachtung von Dr. B. nicht festgestellt werden, wie sich auch aus dem von der Klägerin vorgelegten Bericht von Dr. He. , der u.a. mit Dr. B. eine Gemeinschaftspraxis für Gefäßerkrankungen führt, vom 05.03.2007 (Blatt 25, 26 der SG-Akte) und seiner Auskunft gegenüber dem SG (Blatt 51 bis 55 der SG-Akte) sowie dem Bericht von Dr. B. vom 04.06.2012 (a.a.O.) ergibt. Mangels Feststellung der Verschlimmerung/Erweiterung der Funktionsbeeinträchtigungen konnte der Senat vor der Begutachtung bei Dr. B. das Vorliegen von einen Teil-GdB von 30 rechtfertigenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht feststellen; für die Zeit vor der Begutachtung ist der Teil-GdB für die phlebologisch/lymphologischen Erkrankungen mit 20 ausreichend bemessen. Darauf, ob diese Funktionsbeeinträchtigungen mit den Arbeitsunfallfolgen in Zusammenhang stehen oder - wie die Klägerin vortragen ließ - unabhängig sind, ist unerheblich. Denn maßgeblich ist vorliegend, welche Funktionsbeeinträchtigungen an dem gemeinsamen Funktionssystem (A Nr. 2 e) VG) bestehen. Vorliegend ist daher die Funktionsbeeinträchtigung durch die Schwellneigung als Folge der tiefen Beinvenenthrombose einerseits und infolge der Lipödeme andererseits zutreffend zusammenfassend bewertet, was Versorgungsarzt D. (Stellungnahme vom 10.07.2009) und damit übereinstimmend Versorgungsarzt Dr. G. (Stellungnahme vom 19.10.2012 medizinisch nachvollziehbar und in Übereinstimmung mit den GdB-Bewertungsgrundsätzen dargelegt haben. Diese Funktionsbeeinträchtigungen gehören zu Funktionssystem der unteren Extremitäten. Sie sind daher zusammenfassend mit den orthopädischen Funktionsbeeinträchtigungen der unteren Extremitäten mit einem gemeinsamen Teil-GdB zu bewerten. Vor dem Hintergrund des Umstandes, dass sich die jeweiligen Funktionsbeeinträchtigungen lediglich zum Teil überschneiden, im Wesentlichen aber verstärken, hält der Senat insoweit einen Teil-GdB für die unteren Extremitäten von 40 bzw. ab 01.01.2013 von 50 für angemessen und ausreichend.

Weitere Funktionsbeeinträchtigungen, die einen Teil-GdB von mindestens 10 bedingen, liegen bei der Klägerin nicht vor.

Die Bemessung des Gesamt-GdB erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt.

Unter Beachtung der gegenseitigen Auswirkungen ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Gesamt-GdB mit 40 für die Zeit bis zum 01.01.2013 zutreffend bemessen ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Teil-GdB 40 für Hüft- und Beinbeeinträchtigung nicht zu erhöhen ist, denn der nur knapp erfüllte Teil-GdB 20 für die Wirbelsäulenerkrankung wirkt sich wegen der damit erfassten nur geringgradigen Bewegungseinschränkung - so überzeugend Dr. G. in seiner Stellungahme vom 19.10.2012 - nicht erhöhend auf den Gesamt-GdB aus. Die sonstigen mit Teil-GdB von 10 bewerteten Funktionsbeeinträchtigungen führen auch vorliegend nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB. Der Gesamt GdB von 50 ist entsprechend dem als Teilanerkenntnis auszulegenden Antrag des Beklagtenbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, die Berufung zurückzuweisen, soweit sie über das Vergleichsangebot hinausgeht, ab 01.01.2013 (Zeitpunkt im Vergleichsvorschlag des Beklagten) festzustellen. Dies ist durch die Erklärung des Sitzungsvertreters des Beklagten unstreitig geworden. Zuvor war - wie ausgeführt - eine Verschlimmerung/Erweiterung der phlebologisch/lymphologischen Funktionsbeeinträchtigungen noch nicht festgestellt. Für die Zeit bis zum 01.01.2013 haben der Beklagte und das SG zutreffend einen Gesamt-GdB von 40 zuerkannt. Einen Gesamt-GdB von 60 konnte der Senat auch nicht unter Berücksichtigung der Lungenproblematik sowie der Funktionsbeeinträchtigungen des HWS feststellen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass der Beklagte zwar unmittelbar der mit Vorlage des Gutachtens von Dr. B. eingetretenen wesentlichen Änderung mit seinem Vergleichsangebot Rechnung getragen hatte, ein streiterledigendes (Teil-)Anerkenntnis aber nicht unverzüglich jedenfalls nach Ablehnung des Vergleichsangebots durch die Klägerin abgegeben hat. Der als Teilanerkenntnis auszulegende Antrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung mehrere Monate nach dem Beweisergebnis, das Anlass für das Vergleichsangebot und das Anerkenntnisgewesen ist, ist nicht mehr ohne schuldhaftes Zögern erfolgt. (Entschuldigende) Gründe für das Zuwarten des Beklagten bis zur mündlichen Verhandlung sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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