L 6 U 4765/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 508/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 4765/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 21. September 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt 3/4 der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, welche gesundheitlichen Folgen der Arbeitsunfall des Klägers vom 06.08.2008 hatte.

Der 1986 geborene Kläger verunglückte bei seiner beruflichen Tätigkeit als Werkzeugmechaniker am 06.08.2008, als er auf der öligen Schräge des Maschinenbodens einer großen Fräsmaschine mit den Füßen wegrutschte und aus ca. 50 cm Höhe ungebremst und unkontrolliert mit dem tiefen Rücken auf eine kantige Abschluss-Metallschiene stürzte, die ihrerseits ca. 70 cm über dem Hallenboden unter der Eingangstür der Fräsmaschine angebracht war (vgl. Lichtbilder). Bei dem Sturz kam es zu einer massiven Überstreckung im Kreuz, der Kläger schlug auch mit dem Oberkörper auf den Hallenboden auf und rollte dann bäuchlings ab, wodurch er sich zusätzlich das linke obere Sprunggelenk außenseitig prellte. Er verspürte zunächst kein Gefühl mehr in den Beinen, hatte dann starke Schmerzen im tiefen Rücken und im rechten Bein. Das Gefühl in den Beinen kam nach ca. 7 bis 8 Minuten wieder, er konnte aber nicht mehr alleine aufstehen. Er wurde dann mit dem Rettungswagen in das Kreiskrankenhaus S. transportiert. 16 Tage nach dem Unfall konnte in der Magnetresonanztomographie (MRT) der Lendenwirbelsäule (LWS) ein breitbasiger medianbetonter subligamentärer Prolaps L4/5 gesichert werden. Wegen des Unfalls war der Kläger bis zum 03.02.2009 arbeitsunfähig erkrankt und wurde danach zum Qualitätsfachmann zu Lasten des Jobcenters umgeschult.

Bei der Untersuchung am Unfalltag durch Durchgangsarzt Dr. B. bestand ein deutlicher Klopf- bzw. Druckschmerz am unteren Brustwirbelsäulenübergang zur LWS sowie leicht paravertebral links am Übergang der Brustwirbelsäule (BWS) zur LWS. Sichtbare äußere Verletzungszeichen oder sichtbare Hämatome konnte Dr. B. ebenso wenig feststellen wie Gefühlsstörungen oder Ausstrahlungen. In seinem Bericht diagnostizierte Dr. B. aufgrund des Röntgenbefundes den Verdacht auf LWK-1-Quersatzfraktur links, OSG-Distorsion links und HWS-Distorsion 1. Grades. Dr. B. führte weiter aus, es bestehe ein leichtes Ziehen links paravertebral bei Drehung nach rechts ohne Gefühlsstörung, im linken Unterschenkel leichte Hypästhesien. Der Kläger wurde sodann stationär bis zum 09.08.2008 behandelt, wobei zusätzlich noch eine Unterschenkelprellung mit Verdacht auf leichte Peronaeus-Prellung links ohne bedeutsames funktionelles Defizit behandelt wurde. Im Verlauf der Behandlung konnte der Kläger unter Schmerztherapie zunehmend mobilisiert werden. Bei der Entlassung zeigte er sich deutlich beschwerdereduziert und bis auf eine Hypästhesie am lateralen Unterschenkel links ohne neurologische Auffälligkeiten (Bericht vom 09.08.2008). Auf Veranlassung von Dr. B. wurde am 22.08.2008 die LWS kernspintomographisch untersucht (Wirbelkörper und Querfortsätze der LWS ohne Fraktur, chronischer Bandscheibenschaden mit mäßiggradiger Protrusio und kleinen Retrospondylophythen im Segment L4/5 und hierdurch Neuroforamina gering verschmälert, unmittelbar paravertebral oder in der Psoasmuskulatur keine Einblutung [radiologischer Befundbericht Dr. W. vom 23.08.2008]).

Vom 29.09.2008 bis zum 27.10.2008 durchlief der Kläger eine stationäre Rehabilitation in der Reha-Klinik Bad S ... Dort stellte der Kläger sich bei der Aufnahme mit Druckschmerzangabe über dem Lendenwirbelkörper 1 linksseitig und geringem Druckschmerz über der Lumbosakralregion vor. Die Zeichen nach Lasègue und Bragard waren negativ, Paresen bestanden nicht. Geklagt wurde eine Hypästhesie am linken Unterschenkel, entsprechend dem L5-Dermatom (Aufnahmebericht Reha-Klinik Bad S. vom 01.10.2008). Bei der Entlassung war das Zeichen nach Lasègue rechts negativ sowie links endgradig positiv bei Schmerzangabe im oberen LWS-Bereich linksbetont (Entlassungsbericht vom 23.10.2008).

Nach Abschluss der Heilbehandlung stellte er sich erneut bei Dr. B. vor (deutliche Schmerzbesserung, keine Rückenschmerzen mehr bei ausbleibender Belastung, noch bestehende Taubheit medial an der linken Wade [leichtgradige Peroneusläsion], Bericht vom 30.10.2008).

Im Rahmen einer Wiedereingliederung ab dem 03.11.2008 kam es am 11.11.2008 zu akut einschießendem lumbalen Schmerz, weshalb die Wiedereingliederung wieder abgebrochen wurde (Zwischenbericht Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T. [BG-Klinik], Prof. Dr. W. vom 21.11.2008). Wegen persistierender lumbaler Schmerzen links bei negativem Lasègue-Zeichen wurde am 21.11.2008 die LWS nochmals kernspintomographisch untersucht, was eine Protrusion im Segment S4/5 L5/S1 mit Einengung beider Neuroforamina ergab (Bericht Prof. Dr. W. vom 21.11.2008).

Mit Schreiben vom 04.12.2008 bestätigte die zuständige Krankenkasse, die AOK B.-O., dass seit der erstmaligen Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung am 02.09.2002 keinerlei Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen Rückenerkrankungen vorlägen. Auch der Allgemeinarzt H. bestätigte mit Attest vom 05.12.2008, dass der sich bei ihm seit September 2004 in kontinuierlicher hausärztlicher Behandlung befindende Kläger nie über Rückenschmerzen oder Beschwerden geklagt habe.

Ab dem 09.12.2008 wurde in der BG-Klinik eine komplexstationäre Rehabilitation durchgeführt. Am 19.12.2008 wurde der Kläger durch Prof. Dr. St. neurologisch untersucht, der eine Wurzelreizung L4 links mit subjektiven Beschwerden ohne motorische Beeinträchtigung beschrieb (Bericht vom 22.12.2008). Am 09.01.2009 wurde der Kläger mit den Diagnosen einer Prellung der oberen LWS mit persistierenden Schmerzbeschwerden und sensiblen Störungen am medialen Unterschenkel und dorsomedialen Fuß links bei Zustand nach Unterschenkelprellung entlassen (Entlassungsbericht vom 14.01.2009). Zusammenfassend führten die behandelnden Ärzte im Entlassungsbericht aus, bei dem Kläger bestehe ausweislich des MRT vom 21.11.2008 ein Bandscheibenvorfall der LWS L4/5 nach paramedian rechts mit Kontakt zum Neuroforamen sowie ein kleiner Bandscheibenprolaps L4/S1. Der hinsichtlich der Beurteilung des Spinalkanals am 11.12.2008 durchgeführten Computertomographie der LWS entnahmen die Ärzte morphologisch keinen Nachweis einer frischen dislozierten Fraktur der LWS bei Steilstellung. Es ergab sich nach deren Ansicht auch kein Nachweis einer höhergradigen Spinalkanaleinengung oder neuroforaminaler Einengung, insbesondere im Bereich L4/5. Nach interdisziplinärer Schmerztherapie, vor allem nach Modifikation der eingenommenen Analgetika, habe sich eine deutliche Besserung der Schmerzsymptomatik gezeigt. Bei dem Sturz vom 06.08.2008 habe es sich um eine vorübergehende Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens (Bandscheibenvorfall L4/5) gehandelt. Man empfehle daher nach Abschluss der stationären Behandlung am 09.01.2009 den Therapieabschluss zu Lasten der Berufsgenossenschaft [BG].

Die Computertomographie (CT) vom 26.01.2009 zeigte morphologisch keinen Nachweis frischer, dislozierter Frakturen der LWS bei Steilstellung (Bl. 168 V-Akte).

Am 06.02.2009 erfolgte eine Nachuntersuchung durch Dr. B. (Behandlung der LWS, Bandscheibenvorfall L4 rechts, Bandscheibenvorfall L5 [Bericht vom 13.02.2009]). Bei der Untersuchung durch Dr. B. zeigte sich ein deutlicher Druck- und Klopfschmerz über TH12/L5 sowie ein deutlicher Druck- und Klopfschmerz über der IS-Fuge beidseits. Die Seitwärtsbewegung der LWS war in beiden Richtungen deutlich eingeschränkt, wobei sich die distale LWS nicht mitbewegte. Das Lasèguesche Zeichen war beidseits ab 40 Grad positiv. Im Dermatom L5/S1 zeigte sich eine Hyposensibilität am linken Bein und am linken Oberschenkel lateral ohne motorische Ausfälle an beiden Beinen.

Am 09.02.2009 wurde erneut eine Kernspintomographie der LWS des Klägers durchgeführt, die einen dorso-medianen Diskusprolaps (bei leichter Spinalstenose) im Segment L4/5 zeigte, wodurch eine Irritation der Wurzeln von L5 ausgelöst sein könne. Desweiteren lag eine dorso-mediane Bandscheibenprotrusion bei L5/S1 ohne wesentlichen Kompressionseffekt vor und es bestand keine Befundänderung zu der Voruntersuchung vom November 2008 sowie weiter kein Nachweis von Traumafolgen (Bericht Radiologe Dr. H. vom 10.02.2009).

In der von der Beklagten eingeholten fachärztlichen Stellungnahme vom 11.02.2009 führte der Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. Sch. aus, in Auswertung der radiologischen Diagnostik vom 06.08.2008 könne er einen Bruch eines Querfortsatzes nicht erkennen. Weder eine Frakturlinie noch eine Dislokation komme zur Darstellung. Die MRT-Bilder vom 22.08.2008 zeigten keine frischen traumaassoziierten Veränderungen. Sowohl das Flüssigkeitssignal der knöchernen Strukturen als auch die Weichteilstrukturen seien regelgerecht. Eine frische knöcherne Verletzung könne daher seines Erachtens auf der Basis des MRT-Befundes definitiv ausgeschlossen werden, also auch ein frischer Bruch des Querfortsatzes L1 links. Auffälligkeiten fänden sich im Bereich der Bandscheiben L4/5. Dort finde sich eine Höhenminderung sowie eine Reduktion des Flüssigkeitssignals bei einer Vorwölbung der Bandscheibe (Prolaps). Es handele sich hierbei eindeutig um ein degeneratives Schadensbild. Dafür spreche die Höhenreduktion und die Wasserarmut der Bandscheibe, was auf eine längerdauernde Entstehung hinweise. Entscheidend sei, dass kernspintomographisch keine, wenn auch minimale knöcherne Verletzung oder Bandverletzungen in vom Bandscheibenvorfall betroffenen Segment erkennbar seien. Somit müsse bei fehlenden Begleitverletzungen die innere Ursache, also die Schadensanlage als wesentlich gewertet werden. Darüber hinaus könne der geschilderte Hergang kaum als geeignet bewertet werden, zumal sich bei der klinischen Untersuchung keine äußeren Verletzungszeichen wie Hämatom oder Prellmarke hätten nachweisen lassen. Somit sei von einer unfallunabhängig bestehenden degenerativen Erkrankung der Bandscheibe im Segment L4/5 auszugehen. Er stimme zwar mit der Beurteilung der BG-Klinik in T. überein, gehe jedoch nicht davon aus, dass von einer vorübergehenden Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens ausgegangen werden dürfe.

Demgegenüber führte der behandelnde Chirurg Dr. B. mit Bericht vom 14.03.2009 aus, er sei der Ansicht, dass der Unfall mit hoher Wahrscheinlichkeit die Bandscheibenvorfälle verursacht habe. Alternativ komme noch in Frage, dass der Unfall zu einer richtungsweisenden Verschlimmerung eines vorbestehenden, stummen Schadens geführt habe. Zur Begründung führte er aus, nicht nur der Patient habe ihm gegenüber angegeben, vorher nie Rückenschmerzen gehabt zu haben oder deswegen in Behandlung gewesen zu sein, dies werde auch vom behandelnden Arzt wie dem Vorerkrankungsverzeichnis bestätigt.

Mit Bescheid vom 18.03.2009 anerkannte die Beklagte das Ereignis vom 06.08.2008 als Arbeitsunfall und als Folge desselben eine Prellung der LWS sowie des Unterschenkels links, eine Verstauchung des linken oberen Sprunggelenkes und der Halswirbelsäule. Keine Folge des Arbeitsunfalles - weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung - sei ein Bandscheibenvorfall zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbelkörper mit Wurzelreizung L4 ohne motorische Beeinträchtigung. Die Gewährung von Leistungen über den 09.01.2009 hinaus lehnte sie ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, aus den im Verlauf der Behandlung erhobenen radiologischen und kernspintomographischen Befunden würden sich keine HinW. für eine knöcherne Verletzung bzw. einen traumatischen Bandscheibenvorfall ergeben. Darüber hinaus sei der vom Kläger geschilderte Hergang nach allgemein medizinischen Erkenntnissen grundsätzlich nicht geeignet, einen Bandscheibenvorfall zu verursachen. Nach der traumatologischen Literatur sei eine isolierte traumatische Verletzung der Bandscheibe nicht möglich, da der Knochen- und Bandapparat als vorrangige Struktur mitgeschädigt werde. Derartige Begleitverletzungen habe man beim Kläger jedoch nicht feststellen können.

Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger unter Schilderung des Unfallhergangs Widerspruch. Er legte einen Befundbericht des Orthopäden Dr. K. vom 16.06.2009 vor, wonach die ap-Aufsicht der Röntgenaufnahme Anhalt für eine stattgehabte Querfortsatzfraktur L1 links, fraglich auch bei L5 rechts, gebe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.08.2009 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zu dessen Begründung wiederholte die Beklagte im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Bescheid. Ergänzend führte sie aus, dass im MRT vom 23.08.2008 von einem chronischen Bandscheibenschaden gesprochen werde. Dies sei ein Hinweis auf eine anlagebedingte Schädigung. Da das Unfallereignis nach Art und Schwere nicht dazu geeignet gewesen sei, einen isolierten Bandscheibenvorfall zu verursachen, sei selbst der fehlende Nachweis eines Vorschadens für die Entscheidung ohne Relevanz.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 07.09.2009 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben (Az.: S 11 U 2421/09).

Das SG hat zunächst von Amts wegen den Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. K. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt, der die Bandscheibenvorfälle und die darauf beruhenden Beschwerden als unfallfremd bewertet und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) demzufolge nicht gesehen hat. Bei der Untersuchung am 24.02.2010 hat der Kläger vor allem Schmerzen im LWS-Bereich, die über das Gesäß hinauszögen und in die Beine, vor allem das linke, ausstrahlten, beschrieben. Er habe auch Schmerzen beim Husten, längeren Stehen und Hocken. Als Folgen des Unfalls hat Dr. K. eine folgenlos verheilte Prellung in der Lendenwirbelsäule, eine ohne Folgen verheilte Verstauchung des linken oberen Sprunggelenkes, eine Verzerrung der Halswirbelsäule sowie eine folgenlos verheilte Prellung des linken Unterschenkels bezeichnet. Vom Unfall unabhängige Gesundheitsstörungen seien ein chronisch rezidivierendes cervicales, thorakales und lumbales Wirbelsäulen-Syndrom bei lumbalem Bandscheibenvorfall mit L4-Syndrom links bei Bandscheibenvorfall L4/L5. Zur Zusammenhangsfrage hat Dr. K. aufgeführt, aus den vorliegenden MRT-Aufnahmen vom 22.08.2008 sei zu sehen, dass im Segment 4. und 5. Lendenwirbelkörper weder typische Verletzungsfolgen an gelenkigen und ligamentären Strukturen noch knöcherne Verletzungen nachweisbar gewesen seien. In diesem Abschnitt fänden sich jedoch klinische Zeichen der Bandscheibendegeneration. Um einen Zusammenhang festzustellen, müssten jedoch im Einzelfall minimale knöcherne oder Bandverletzungen im betroffenen Segment nachgewiesen werden. Eine isolierte traumatische Bandscheibenruptur sei nach der Fachliteratur dadurch charakterisiert, dass sich der betroffene Zwischenwirbelabschnitt auf Funktionsaufnahmen abnorm weit aufklappen lasse. Dies sei im vorliegenden Fall jedoch nicht dokumentiert. Eine Hypomobilität bei Re- und Inklination im Bereich des Segmentes L4/5 sei nicht festzustellen. Das betroffene Segment LWK 4/5 zeige auch das typische Bild einer degenerativ veränderten Bandscheibe mit Höhenminderung des Zwischenwirbelraumes und einer "Black Disc" als Ausdruck der Strukturveränderung des Nukleus pulposus mit Verlust des Wasserbindungsvermögens der in ihm enthaltenen Knorpel-Kollagenfasern. Bereits zum Zeitpunkt der ersten MRT-Untersuchung ca. 3 Wochen nach dem Unfallereignis seien eindeutig degenerative Veränderungen (sogenannte spondylotische Randkantenausziehungen) als Ausdruck eines bereits seit längerem ablaufenden degenerativen (und offensichtlich klinisch stummen) Prozesses nachweisbar. Es lasse sich daher bei eingehender Auswertung der vorliegenden kernspintomographischen Untersuchungsergebnisse kein Nachweis eines traumatischen Bandscheibenvorfalles im Sinne der Entstehung führen. Der Nachweis einer Verschlimmerung sei begrifflich nicht möglich, da die zu beurteilende Gesundheitsstörung (Bandscheibenvorfall L4/L5) vor Eintritt des Versicherungsfalles sich nicht als klinisch manifester, mit objektivierbaren Veränderungen verbundener Krankheitszustand geäußert habe.

Nachdem der Kläger die fehlende radiologische Sachkunde des Gutachters gerügt hat, hat das SG auf Antrag und Kosten des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Prof. Dr. B. mit der Erstattung eines radiologischen Gutachtens beauftragt, welches dieser wiederum an seinen Mitarbeiter Dr. Sch. (Orthopäde) delegiert hat, der zunächst die fehlenden Bildbefunde gerügt hat, die dann angefordert worden sind. Auf Antrag der Beteiligten hat das SG daraufhin mit Beschluss vom 04.08.2010 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Nach Vorlage des Gutachtens ist das Verfahren am 11.03.2011 fortgesetzt worden (Az.: S 11 U 508/11). Der Sachverständige Prof. Dr. B. hat ausgeführt, dass 16 Tage nach dem Unfallereignis und damit in direktem zeitlichen Zusammenhang eindeutig und medizinisch sicher nicht nur ein degenerativer und damit chronischer Vorschaden im Segment L4/5 mit Ausbildung einer Chondrose und leichter dorsaler Spondylophytenbildung, sondern gleichzeitig ein breitbasiger, rechts paramedianer subligamentärer Bandscheibenvorfall im gleichen Segment verifiziert worden sei. Ein solcher isolierter traumatisch bedingter Bandscheibenvorfall werde nach dem derzeitigen Stand der medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse in aller Regel begleitet durch knöcherne und/oder ligamentär-artikuläre Verletzungen, da eine gesunde Bandscheibe infolge der physiologischen und biomechanischen Gegebenheiten erst nach den knöchernen-ligamentären Strukturen traumatisch geschädigt werde. Bei dem Kläger handele es sich jedoch um eine degenerativ vorgeschädigte Bandscheibe (Diskopathie), welche vor allem in ihrem hinteren Anteil zum Unfallzeitpunkt bereits eine Schädigung gehabt habe. Es sei daher möglich, dass der Bandscheibenvorfall durch den Unfallmechanismus auf Basis der Vorschädigung ausgelöst worden sei, wobei allerdings dem degenerativen Vorschaden dann mindestens eine wesentliche Mitursache an dem Bandscheibenvorfall zukomme. Geeigneter Trauma-Mechanismus sei eine schwere Hyperextension, nämlich der Fall aus großer Höhe mit Stauchung und kombinierten Mechanismen aus Stauchung und Rotation oder Flexion und Rotation, wodurch keine äußeren Verletzungszeichen bewirkt werden müssten. Insoweit sei der Unfallhergang durchaus geeignet, da es zu einer massiven Hyperextension im Bereich der LWS aufgrund der Überhanges gekommen sei und die Initialsymptomatik auch durch vorübergehende Gefühllosigkeit in beiden Beinen und starkem Schmerz im tiefen Rücken geprägt worden sei. Danach seien rasch massive Schmerzen rechts gluteal bis zum Großzehen im rechten Bein (vereinbar mit einer Radikulopathie L5 rechts) aufgetreten. Insoweit müsse auch berücksichtigt werden, dass der Kläger im Bereich des Aufschlagpunktes einen Bluterguss hätte erlitten haben müssen, dieser aber ebenfalls nicht dokumentiert sei. Seines Erachtens müssten die seit dem Unfall bestehenden massiven tiefen Rückenschmerzen (Lumbago) mit diskret wechselnder Hypästhesie am rechten Unterschenkel und lateralen Oberschenkel entsprechend einer variablen Reizung der Nervenwurzeln L4/L5 auf den Unfall zurückgeführt werden. Dies könne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, da vor dem Unfall keine Rücken- oder peripheren Nervenbeschwerden vorgelegen hätten und die Symptomatik direkt zum Zeitpunkt des Unfalls ausgelöst worden sei. Die Symptomatik sei im Wesentlichen durch den posttraumatisch vorliegenden Bandscheibenschaden bedingt, d.h. verursacht.

Der im Anschluss daran nach § 109 SGG beauftragte Sachverständige Prof. Dr. U., Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Klinik Am E., hat aufgrund der Anamnese vom 14.04.2011 ausgeführt, dass bei dem Kläger seit dem Unfall eine chronifizierte Lumboischialgie des Dermatoms L5 bestehe. Den geschilderten Beschwerden liege eine Diskopathie L4/5 mit breitbasigem, rechts paramedianem, subligametären Bandscheibenvorfall zugrunde. Ein Bandscheibenvorfall im Segment L5/S1 könne hingegen ebenso wie eine Fraktur LWK 1 Querfortsatz ausgeschlossen werden. Der Kläger habe den Unfallhergang gleichbleibend und in sich schlüssig berichtet, dies auch bei der Begutachtung wiederholt. Dieser Unfallhergang sei aufgrund der massiven Hyperextension im Bereich der LWS geeignet und der Kläger habe auch eine typische Initialsymptomatik geschildert, die einer Radikulopathie L5 rechts bei einem Bandscheibenvorfall entspreche. Auf der Basis eines degenerativen Bandscheibenschadens müssten keine knöchernen oder Bandverletzungen als Begleitverletzungen vorliegen, denn der Durchbruch des Nucleus pulposus benötige bei vorgeschädigtem Anulus fibrosus weniger Krafteinwirkung als bei einer gesunden Bandscheibe, dem degenerativen Vorschaden komme damit eine wesentliche Mitursache an dem Bandscheibenvorfall zu. Der Unfall habe aus medizinischer Sicht jedenfalls mit Sicherheit aus einem klinisch stummen Bandscheibenschaden einen symptomatischen Bandscheibenschaden gemacht. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger die nächsten Jahre bzw. Jahrzehnte die jetzt geschilderten Beschwerden nicht gehabt hätte. Die Tatsache, dass die Bildgebung einen strukturellen Schaden ergebe, bedeute noch nicht, dass es überhaupt zu Beschwerden kommen müsse oder diese in der Ausprägung beschreibbar seien. Die Krankengeschichte des Klägers sei vom Unfallzeitpunkt bis heute lückenlos dokumentiert. Er leide demnach unter chronischen Schmerzen seit dem Unfall, wobei es sich nicht um eine vorübergehende, sondern um eine richtungsW.nde Verschlimmerung bis heute handele. Der Unfall sei auch nicht als Bagatellereignis zu werten, sondern habe das Gesamtbeschwerdebild richtungsW.nd und damit relevant anhaltend verschlimmert. Er müsse als wesentliche Teilursache der aktuell vorliegenden Gesundheitsstörung angenommen werden. Die MdE sei aufgrund der belastungsabhängigen und rezidivierenden schmerzbedingten Funktionseinschränkung zu staffeln und dauerhaft mit 20 v. H. zu bewerten.

Mit Urteil vom 21.09.2011 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben, als Unfallfolgen "Lumbago mit diskret wechselnder Hypästhesie am rechten Unterschenkel und am lateralen Oberschenkel entsprechend einer variablen Reizung der Nervenwurzel L4/5" festgestellt und die Beklagte verurteilt eine Unfallrente nach einer MdE von 20 v. H. ab dem 03.02.2010 zu gewähren. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, unter Zugrundelegung des bei Dr. B. geschilderten Unfallhergangs sei es zu einer starken, unwillkürlichen Hyperextension der Wirbelsäule durch den Sturz auf die gegenüber dem Boden etwa 70 cm höher liegende Arbeitsplatte und deren Metallkante gekommen, der Kläger sei danach auf den Hallenboden gerollt. Dieser Unfallhergang sei nach den Gutachten von Prof. Dr. B. wie Prof. Dr. U. geeignet, auch Rissbildungen in einer gesunden Bandscheibe zu verursachen, also einen Bandscheibenvorfall auszulösen. Auch die Initialsymptomatik mit vorübergehender Gefühllosigkeit in beiden Beinen über einige Minuten und starken Schmerzen im tiefen Rücken sprächen für einen akuten Bandscheibenvorfall, wobei knöcherne Verletzungen oder Verletzungen der Bänder als Begleiterscheinungen nicht nachgewiesen seien. Dies hätten die Sachverständigen Prof. Dr. B. und Prof. Dr. U. übereinstimmend bestätigt. Insofern könne offenbleiben, ob der Bandscheibenvorfall selbst durch den Unfall verursacht worden wäre, jedenfalls sei es zu einer akuten Symptomatik eines zuvor klinisch stummen Bandscheibenvorfalls gekommen. Dies werde auch durch den radiologischen Befund bestätigt, wonach es durch den Unfall zu lokalen, in der Regel relativ entzündlich bedingten perifokalen Gewebeverdickungen gekommen sei. Die Schmerzen seien damit mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Einengung des Spinalkanals mit Dehnung des hinteren Längsbandes und fokaler zentraler Nervenwurzelirritation zurückzuführen. Dies habe auch Prof. Dr. U. so bestätigt. Als konkurrierende Ursache kämen nur die vorbestehenden degenerativen Veränderungen im Bereich L4/5 in Betracht, während ein vorbestehender Bandscheibenvorfall nicht im Vollbeweis nachgewiesen sei. Diese konkurrierende Ursache trete jedoch in ihrer Bedeutung zurück, da vor dem Unfall keine Behandlungen wegen Rückenschmerzen dokumentiert worden seien. Prof. Dr. B. habe darauf hingewiesen, dass es völlig unklar sei, ob die radiologisch nachgewiesenen Veränderungen jemals klinisch relevant geworden wären, da viele Bandscheibenvorfälle über Jahre hinweg asymptomatisch blieben oder sich gar konsolidierten. Dies habe auch Prof. Dr. U. so bestätigt. Dafür, dass es auch ohne den Unfall durch eine alltägliche Belastung in ähnlicher Zeit zu vergleichbaren klinischen Beschwerden gekommen wäre, spreche nichts. Zur Entschädigung der Unfallfolgen stehe dem Kläger die Gewährung einer Rente zu, wobei für einen Wirbelkörperbruch mit Bandscheibenbeteiligung eine MdE von 10 bis 30 v. H. in Betracht käme. Da der Kläger seit dem Unfall nie schmerzfrei gewesen sei, die maximale Gehzeit 15 bis 20 Minuten betrage und er auch regelmäßig Schmerzmittel einnehme, seinen alten Beruf aufgegeben habe und zum Qualitätssicherer umgeschult werde, sei die MdE-Einschätzung mit 20 v. H. ausreichend und angemessen. Die Beurteilung von Prof. Dr. U. sei hingegen zu hoch.

Gegen das am 07.10.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 02.11.2011 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, eine rechtlich bedeutsame, richtungsweise. Verschlimmerung eines vorbestehenden Schadens komme nur dann in Betracht, wenn dieses Leiden bzw. diese Krankheit bereits vor dem Unfallereignis klinisch manifest geworden sei und somit auch eine Krankheit im Rechtssinne vorgelegen habe. Eine derart vorbestehende Krankheit lasse sich jedoch weder anhand der vorliegenden bildtechnischen Aufnahmen, noch der Angaben des Klägers oder aus dem Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse nachweisen. Damit entfalle auch der Nachweis einer richtungsweisenden Verschlimmerung. Als weitere Ursache für die beim Kläger bestehende Lumbago wäre ferner ein traumatisch bedingter Bandscheibenvorfall zu prüfen. Ein solcher müsste jedoch mit minimalen ligamentären bzw. knöchernen Verletzungen im betroffenen Bandscheibensegment einhergehen, was bei dem Kläger jedoch nicht nachgewiesen sei. Mangels objektiv nachgewiesenen Hämatomen oder Prellmarken im Rückenbereich bestünden ohnehin erhebliche Bedenken hinsichtlich der Intensität des im angefochtenen Urteil angenommenen Geschehensablaufs. Weiterhin sei auf den MRT-Befund vom 22.08.2008 hinzuweisen. Auch dieser spreche für die degenerative Entstehung des Bandscheibenvorfalles L4/L5.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 21. September 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Darüber hinaus hat der Klägervertreter darauf hingewiesen, dass die Weiterleitung der Daten an den Beratungsarzt Dr. Sch. von Seiten der Beklagten ohne das Einverständnis des Klägers erfolgt sei. Daher sei ausweislich einer Stellungnahme des Bundesdatenschutzbeauftragten von der Unverwertbarkeit dieses Gutachtens auszugehen.

Der mit der Rechtssache vorbefasste Senat hat von Amts wegen ein weiteres Gutachten bei dem Arzt für Orthopädie Prof. Dr. H. in Auftrag gegeben. Dieser hat als Unfallhergang einen Sturz rückwärts auf eine Maschinenkante und dann auf den Hallenboden beschrieben. Ausgehend hiervon sei es zu einer direkten Prellung der Rumpfwirbelsäule im thorakolumbalen Übergangsbereich gekommen, die nicht in der Lage sei, eine nicht vorgeschädigte Bandscheibe zum Zerreißen zu bringen. Eine Bandscheibenruptur im Zuge eines Hyperflexionstraumas ohne knöcherne Verletzung sei auch eine ausgesprochene Seltenheit und werde allenfalls bei Hochrasanztraumen in Einzelfällen beschrieben. Der Kläger habe unstreitig an deutlichen degenerativen Schäden L4/L5 gelitten, die offensichtlich zum Unfallzeitpunkt klinisch völlig stumm gewesen seien. Zeitlich verzögert sei es zu einer Wurzelreizsymptomatik L4, teilweise auch L5 bis heute gekommen, die auch ohne den Unfall ausgelöst worden wären. Der Unfall sei lediglich auslösendes Moment für ein deutliches Schmerzbild bei klinisch stummer Degeneration mit zeitlicher Vorverlagerung einer Wurzelreizsymptomatik gewesen. Eine richtungsgebende Verschlimmerung könne ausgeschlossen werden, weil dies ein sofortiges eindeutiges segmentbezogenes sensibles Defizit vorausgesetzt hätte, nämlich eine Reflexabschwächung oder ein motorisches Defizit. Da die bildgebende Diagnostik aber keine traumatische Schädigung und auch keine schwerwiegende intradiskale Massenverschiebung ergebe, sondern die morphologisch deutlichen Veränderungen erst ein halbes Jahr später aufgetreten seien, könne der Unfall nicht als wesentlicher Faktor gewertet werden. Das Unfallgeschehen habe seines Erachtens nur zu einer knöchernen Verletzung im oberen LWS-Bereich geführt. Die bei dem Kläger vorliegende MdE hat Prof. Dr. H. ab dem 10.01.2009 mit 10 v. H. eingeschätzt.

Auf die klägerischen Einwendungen gegen das Gutachten hat Prof. Dr. H. ergänzend ausgeführt, dass die unverschobene Fraktur des Querfortsatzes ein direktes Trauma auf die Wirbelsäule belege, aber auch die sicherlich erheblichen Beschwerden erkläre. Es sei durch den Unfall weder zu einem axialen Stauchungs- noch zu einem Distorsionstrauma gekommen, welches allein eine Verletzung ligamentärer Strukturen in Längsrichtung im Bandscheibenraum möglich mache, denn eher breche ein Wirbelkörper als dass eine nicht vorgeschädigte Bandscheibe einreiße. Zunächst sei eine radikuläre Symptomatik unfallnah ausgeschlossen und von einer leichtergradigen Peronaeus-Prellung ausgegangen worden. Eine geringfügige sensible Wurzelreizung könne andererseits nicht ausgeschlossen werden, wobei die LWS funktionell kein bedeutsames Defizit gezeigt habe. Eine Bandscheibenverletzung erfordere eine schwere Stauchungsbelastung mit zusätzlicher Rotationseinwirkung, desweiteren ein sogenanntes Beschleunigungstrauma. Hierzu passe der Unfallhergang nicht. Ein traumatischer Bandscheibenvorfall habe auch ischialgiforme Schmerzbilder, ein positives Lasègue’sches Zeichen, eine Bewegungsunfähigkeit der Rumpfwirbelsäule und evtl. eine reflektorische Streckhaltung zur Folge. Dass der Kläger schmerzbedingt eine aufrechte Position nicht hätte einnehmen können, sei glaubhaft mit der schweren Rückenkontusion mit Abbruch eines Querfortsatzes zu erklären. Die Unterschenkelaußenseite entspreche dem Dermatom S1, die Unterschenkelinnenseite dem Dermatom L5. Somit müsste eine Hypästhesie im Bereich der Unterschenkelaußenseite eher dem Dermatom S1 zugeordnet werden.

Am 27.12.2012 hat der Klägervertreter Prof. Dr. H. als Gutachter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zum 01.01.2013 wurde das Verfahren an den entscheidenden Senat abgegeben. Nach Anhörung von Prof. Dr. H. hat der Senat mit Beschluss vom 15.04.2013 den Antrag des Klägers, Prof. Dr. H. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, zurückgewiesen. Wegen der weiteren Begründung wird auf den genannten Beschluss Bezug genommen.

In der mündlichen Verhandlung vom 21.11.2013 hat der Kläger auf die Rechte aus dem Urteil des Sozialgerichts Konstanz insoweit verzichtet, als die Beklagte auch zur Gewährung einer Unfallrenten verurteilt worden ist.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerecht erhobene Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat in Auswertung der Sachverständigengutachten zu Recht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass bei dem Kläger als Unfallfolge eine Lumbago mit diskret wechselnder Hypästhesie am rechten Unterschenkel und am lateralen Oberschenkel entsprechend einer variablen Reizung der Nervenwurzel L4/5 besteht.

Nachdem der Kläger auf die Rechte aus dem Urteil insoweit verzichtet hat, ist die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Unfallrente nicht mehr Streitgegenstand des Berufungsverfahrens.

Unfallfolgen sind Folgen von Arbeitsunfällen i. S. von § 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), also nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII von Unfällen Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt) ist in der Regel erforder¬lich (BSG, Urteil vom 18.01.2011 - B 2 U 9/10 R - zit. nach Juris), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzu¬rechnen ist (innerer bzw. sach¬licher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis, dem Unfallereignis, geführt hat (Unfallkausalität) und letzteres einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten ver¬ursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Liegt danach ein Arbeitsunfall vor, so bedarf es für die Gewährung von Leistungen des Entstehens von länger andauernden Unfall¬folgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität).

Diese Voraussetzungen sind hier mit Blick auf die vom SG festgestellte Lumbago als Folge des von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls erfüllt.

So hat der Kläger bei dem Sturz auf den Rücken vom 06.08.2008 einen Arbeitsunfall erlitten; dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit. Auch liegen die geltend gemachten Gesundheitsstörungen vor. Eine chronisch rezidivierende Lumboischialgie mit temporärer Irritation der Wurzel L5 wurde sowohl von den Sachverständigen Prof. Dr. B. wie Prof. Dr. U. und zweitinstanzlich von Prof. Dr. H. übereinstimmend erhoben. Schließlich liegt auch die erforderliche haftungsausfüllende Kausalität zwischen dem Gesundheitserstschaden und den geltend gemachten Gesundheitsstörungen vor.

Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteile vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 und 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 44). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt - auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - zit. nach Juris, m. w. N.) - zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.

Eine Ursache, die zwar naturwissenschaftlich kausal, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt allerdings nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen oder besonderen Problemen in der anschließenden Heilbehandlung ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne weiteres zu unterstellen ist (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006 a. a. O., m. w. N.).

Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - wobei eine Ursache allerdings nicht deswegen wesentlich ist, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006 a. a. O., m. w. N.).

Hinsichtlich des Beweismaßstabes genügt für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge - im Unterschied zu den Merkmalen "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschaden", die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für das Gericht feststehen müssen - die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 29/07 R - zit. nach Juris). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991 - 2 RU 31/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

In Anwendung dieser Grundsätze ist die vom SG festgestellte Gesundheitsstörung mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit rechtlich wesentlich auf den Arbeitsunfall vom 06.08.2008 zurückzuführen. Dies hat das SG unter Zugrundelegung dieser Grundsätze in Auswertung der auch für den Senat überzeugenden Sachverständigengutachten von Prof. Dr. U. und Prof. Dr. B. ausführlich begründet dargelegt. Der Senat schließt sich ausdrücklich diesen Darlegungen nach eigener Würdigung an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG ab.

Soweit die Beklagte sich ausdrücklich auf das Gutachten des Dr. Sch. vom 11.02.2009 stützt, so ist dieses, wie in der Stellungnahme des Bundesdatenschutzbeauftragten dargelegt, unverwertbar. Es besteht ein Löschungsanspruch des Klägers gemäß § 84 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), da das Gutachten unter Missachtung der Vorschrift des § 200 Abs. 2 SGB VII erstellt wurde.

Die Ermittlungen im Berufungsverfahren rechtfertigen eine andere Entscheidung nicht. Dabei legt der Senat seiner Entscheidung den Unfallhergang eines ungebremsten Rückwärtssturzes des Klägers in eine überstreckte Position unter Außenrotation auf die linke Körperseite zugrunde. Soweit Prof. Dr. H. bereits das Unfallereignis für die Schädigung als ungeeignet angesehen hat, hat er seiner Einschätzung einen nicht zutreffenden Unfallhergang zugrunde gelegt und dabei vor allem nicht berücksichtigt, dass es nicht nur zu einem direkten ungebremsten Fall auf den Rücken gekommen ist, sondern es durch den Höhenunterschied zum Hallenboden zu einer massiven Überstreckung im Kreuz und auch zu einer Verdrehung gekommen ist. Denn andernfalls wäre die außenseitige Verletzung am linken oberen Sprunggelenk wie auch die im Kreiskrankenhaus S. durchgeführte Diagnostik mit Sonographie des Abdomens, da der Kläger auf dem Bauch zu liegen kam, nicht zu erklären. Das deckt sich auch mit der unverändert konstanten Unfallschilderung des Klägers. Demgegenüber sind die erstinstanzlichen Sachverständigen Prof. Dr. B. und Prof. Dr. U. von einem zutreffenden Unfallhergang ausgegangen und haben unter Berücksichtigung des radiologischen Befundes wie der Krankheitsgeschichte des Klägers zutreffend ausgeführt, dass die degenerativen Veränderungen vor dem Unfall klinisch stumm waren und sie dann erst in der Folgezeit nach dem Unfall schmerzhaft in Erscheinung getreten sind. Das unfallbedingte Auftreten der Schmerzen wurde aus Sicht des Senats unter zutreffender Auswertung des radiologischen Befundes von diesen beiden Sachverständigen schlüssig dargelegt. Denn bereits im MRT am 22.08.2008 war ein breitbasiger Prolaps L4/5 nachweisbar, was der Senat dem Gutachten von Prof. Dr. B. entnimmt, der als Radiologe über ausgeprägtere Sachkunde als Prof. Dr. H. verfügt, der einen solchen erst im Kernspinn vom 09.02.2009 entdecken will. Insoweit kommt es angesichts der multiplen Rückenverletzungen nicht darauf an, ob die Schmerzbilder zunächst jeweils genau einem Dermatom zuzuordnen sind. Der Senat sieht sich insoweit in Übereinstimmung mit der unfallmedizinischen Fachliteratur, wonach der stattgehabte isolierte Wirbelkörperbruch im Gegensatz zu den Ausführungen von Prof. Dr. H. nur uncharakteristische und auch relativ leichte Beschwerden verursacht (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 429), so dass der Unfallschmerz sehr wohl auf die Schmerzen des Bandscheibenvorfalls zurückzuführen ist, der eine starke lokale Schmerzsymptomatik hat, während neurologische Erscheinungen nicht zwangsläufig auftreten müssen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O. S. 438). Insoweit kann der Senat einen Widerspruch zum D-Arztbericht, wie ihn Prof. Dr. H. zu konstruieren sucht, nicht erkennen. Denn der Kläger hat zum einen neben den Verletzungen an der übrigen unteren LWS zumindest nach den Ausführungen von Prof. Dr. H. sogar eine isolierte, nicht verschobene Wirbelfraktur LWK 1 erlitten, die im Übrigen nach seiner Auffassung generell nicht möglich sein soll. Zusätzlich bestanden aufgrund der Außenschenkelverletzung auch überlagernde Schmerzen und Missempfindungen am Bein. Der Kläger wurde zeitnah zum Unfallhergang auch mit starken Schmerzmitteln behandelt, was der Senat dem Entlassungsbericht vom Kreiskrankenhaus S. vom 09.08.2008 entnimmt, wonach er neben den normalen Schmerzmitteln auch Valoron, ein Opiat, erhalten hat. Insoweit wird sich schwerlich festmachen und dem Kläger vorhalten lassen, dass der Schmerz - allein aus Sicht von Prof. Dr. H. - nicht genau lokalisierbar sein soll. Zum anderen haben die erstinstanzlich gehörten Sachverständigen den vom Kläger direkt nach dem Unfallereignis geäußerten Schmerz gerade als typisch eingeordnet. Denn der Kläger litt als Initialsymptomatik an vorübergehender Gefühllosigkeit in beiden Beinen und starkem Schmerz im tiefen Rücken, gefolgt von raschen massiven Schmerzen rechts gluteal bis zum Großzehen im rechten Bein, was mit einem Geschehen in Segmenthöhe L4/5 nach überzeugender Einschätzung von Prof. Dr. U. vereinbar ist.

Der Sachverständige Prof. Dr. U. hat auch für den Senat überzeugend dargelegt, dass die Untersuchungen der letzten Jahre, wie dies auch durch die Gerichtspraxis belegt wird, ergeben haben, dass viele Bandscheibenschäden zwar im MRT sichtbar sind, aber die Betroffenen nicht einschränken oder belasten. Auch nach der unfallversicherungsrechtlichen Literatur bleiben mehr als die Hälfte aller Bandscheibenvorfälle klinisch stumm (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit 8. Aufl. 2010, S. 437). Insoweit ist die durch nichts begründete und rein spekulative Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. H., dass es auch ohne den Unfall zu einer ähnlichen Schmerzsymptomatik gekommen wäre, nicht überzeugend, zumal er selbst - insoweit widersprüchlich - den Unfall als auslösendes Moment für ein deutliches Schmerzbild ansieht. Somit spricht nichts für ein zufälliges zeitliches Zusammentreffen des Unfalls mit dem erstmaligen Auftreten der Beschwerden.

Der nach alledem für die in Rede stehenden Beschwerden des Klägers wahrscheinlich kausal gewordene Arbeitsunfall ist neben den degenerativen Veränderungen wahrscheinlich auch wesentliche Ursache für das Auftreten der Beschwerdesymptomatik. Es bestehen - wie oben dargelegt - nach dem Gutachten von Prof. Dr. B. und Prof. Dr. U. keine Anhaltspunkte dafür, dass die Krankheitsanlage, also die degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule, gegenüber dem Unfallereignis von überragender Bedeutung für das Auftreten der Beschwerden war. Denn dafür, dass der Sturz des Klägers lediglich Gelegenheitsursache oder Auslöser der Beschwerdesymptomatik war und mithin jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu der selben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte, spricht nichts. Das hat für den Senat überzeugend bereits Prof. Dr. U. dargelegt, wonach die typischen diskogenen Beschwerden nach dem Unfall erstmals aufgetreten sind und durch den adäquaten Unfallmechanismus daher verursacht und nicht etwa nur verschlimmert worden sind. Für diese Symptomatik war das Unfallereignis daher eine wesentliche Teilursache. Ohne den Unfall hätte der Kläger auch nach zutreffender Einschätzung von Prof. Dr. B. die nächsten Jahre bzw. Jahrzehnte die jetzt geschilderten Beschwerden nicht gehabt.

Insbesondere war nämlich das Unfallereignis selbst, also der ungebremste Sturz des Klägers mit der Lendenwirbelsäule über eine Streckung von 70 cm auf eine Stahlkante kein alltägliches Ereignis. Auch besteht angesichts des Umstands, dass der Kläger seine manuelle Produktionstätigkeit als Werkzeugmechaniker ohne Arbeitsunfähigkeit bis zu dem Unfallereignis beschwerdefrei ausgeübt hat, was der Senat dem Vorerkrankungsverzeichnis wie dem Attest des behandelnden Hausarztes H. entnimmt, keinerlei Anhalt dafür, dass diese Schädigung eine Ausprägung hatte, aufgrund derer jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit zu der Beschwerdesymptomatik geführt hätte (so auch Urteil des Senats vom 21.07.2011 - L 6 U 4073/08). Ist nämlich das Unfallereignis conditio sine qua non der Lumbago mit diskret wechselnder Hypästhesie am rechten Unterschenkel und am lateralen Oberschenkel entsprechend einer variablen Reizung der Nervenwurzel L4/5 gewesen und lässt der medizinische Befund einer vom Unfallversicherungsträger zu beweisenden Vorschädigung objektiv nicht den Schluss auf eine solche Ausprägung zu, dass die Unfalleinwirkung in ihrer Art nicht unersetzlich war, sondern jedes alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Schmerzen verursacht hätte, sind die in der Beweislast des Klägers stehenden anspruchsbegründenden Tatsachen zur Feststellung von Unfallfolgen bewiesen. Tatsachen, die den objektiven medizinischen Befund widerlegen oder im Sinne einer Gelegenheitsursache deutbar machen sollen, stellen rechtsvernichtende Einreden dar, die in der Beweislast der Beklagten stehen, weshalb der Mangel der nicht bewiesenen Tatsache einer nur eine Alltagsbelastung erreichenden Unfalleinwirkung zu Lasten der insoweit beweisbelasteten Beklagten geht (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.07.2011 - L 8 U 197/11 - Juris). Dass es nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H. mit hoher Wahrscheinlichkeit in Zukunft zu Schmerzen gekommen wäre, genügt hierfür nicht. Denn es muss genau dargelegt werden, dass die Beschwerden zu derselben Zeit eingetreten wären, wofür insbesondere unter Berücksichtigung des Lebensalters des Klägers zum Unfallzeitpunkt (22 Jahre) keinerlei Anhalt besteht.

Ob der Bandscheibenvorfall selbst durch den Unfall ausgelöst worden ist, ist vorliegend nicht mehr streitgegenständlich, nachdem das SG eine solche Feststellung nicht getroffen und der Kläger die Entscheidung nicht mit der Berufung angegriffen hat. Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. K. eine Verschlimmerung des vorbestehenden Bandscheibenvorfalls ausgeschlossen hat, weil es vor dem Unfallereignis an einem klinisch manifesten Bandscheibenvorfall fehlte, weist der Senat daher lediglich auf die fehlende Schlüssigkeit dieses Beklagtenvorbringens hin. Denn wäre Dr. K. insoweit zu folgen, als ein klinisch stummer Bandscheibenvorfall mangels Funktionsbeeinträchtigung nicht dem Krankheitsbegriff entspricht und daher das erstmalige Auftreten der Symptomatik keine Verschlimmerung darstellen kann, so wäre mit dem Auftreten der Symptomatik und entsprechender funktioneller Einschränkung dann eben die Krankheit entstanden.

Vorliegend ist die festgestellte Erkrankung indes eine Lumbago, die durch den Unfall i. S. der Entstehung, nicht der Verschlimmerung verursacht worden ist. Insofern ist aus Sicht des Senats allerdings bislang nicht ausreichend berücksichtigt worden, dass noch nicht einmal das Hämatom, welches bei einem derartigen Sturz bei dem möglichen Bruch des Dornfortsatzes LWK 1 auf jeden Fall zu erwarten gewesen wäre, worauf insbesondere der Sachverständige Prof. Dr. B. hingewiesen hat, dokumentiert worden ist. Somit bestehen durchaus begründete Zweifel daran, ob die bei dem Radiologen Dr. W. am 22.08.2008 angefertigten MRT-Aufnahmen überhaupt insoweit aussagekräftig sind, zumal dieser sogar den unstreitig vorliegenden Bandscheibenvorfall übersehen hat, was der Senat ebenfalls seinem Bericht entnimmt. Dem Senat ist aus anderen Verfahren bekannt, dass der fehlende bildgebende Nachweis einer Einblutung nicht zwingend gegen eine solche Veränderung spricht, sondern oftmals in der kernspintomographischen Darstellung nicht geschnitten wird (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 20.09.2012 - L 6 U 192/11).

Nach alledem steht dem Kläger Anspruch auf Feststellung der Unfallfolgen zu. Der Senat hat deswegen die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG beruht.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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