Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 289/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 317/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Kläges gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 24.05.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Wirbelsäulenleiden des Klägers als Berufskrankheit (BK) anzuerkennen und zu entschädigen ist.
Der am 1936 geborene Kläger war bis Juli 1960 vor allem als Bauhelfer tätig. Anschließend arbeitete er als Fußbodenleger bis Oktober 1965 und als Schnapsbrenner auf einem landwirtschaftlichen Gut bis Juni 1974. Von 1974 bis August 1989 ging er einer Beschäftigung als Schweißer bei der Firma R. , Behälterbau, D. nach. Hier musste er bei der Installation von Heizöltanks auf Baustellen Montagearbeiten ausführen, Teile und Werkzeuge in den Keller tragen, Bleche zusammensetzen und verschweißen sowie LKW fahren. Vom 15.02.1988 bis 05.08.1989 war er wegen Lumbago- und Bandscheibenoperation links arbeitsunfähig krank. Ab 15.03.1990 übte er den Beruf eines Lageristen und Werkstattleiters bei der Firma H. , B. aus (ua Bestückung von Regalen, Ausgabe von Werkteilen). Arbeitsunfähig krank war er ab 08.05.1995, arbeitslos gemeldet seit 01.04.1996. Von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) bezieht er seit 07.08.1996 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer. Bereits 1956 hatte er erstmals Wirbelsäulenbeschwerden (Brustwirbelsäule , Lendenwirbelsäule ), insbesondere rezidivierende Rückenbeschwerden.
Am 18.03.1996 zeigte die AOK Bayern - Geschäftsstelle Ochsenfurt - der Beklagten an, bei dem Versicherten liege uU eine BK nach Nr 2108 bis 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) vor. Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte die medizinischen Unterlagen der Neurochirugischen Klinik und Poliklinik der Universität W. (lumbale Bandscheibenoperation in Höhe L 5/S 1 links im März 1988), die Schwerbehindertenakte des Versorgungsamtes Würzburg (darin Befundberichte der Allgemeinärzte Dr.K.S. vom 09.03.1989, Dr.H.-J. S. vom 14.11.1995, des Orthopäden Dr.W.P. vom 08.12.1995 und versorgungsärztliches Gutachten des Dr.Z. vom 06.09.1989), einen Arztbericht des Juliusspitals W. - Med.Klinik - vom 19.09.1995 (mit Hinweis auf degeneratives Wirbelsäulensyndrom, pseudoradikuläres HWS-Syndrom sowie Zustand nach Bandscheibenoperation 1988), einen Befundbericht des Dr.P. vom 28.06.1996, die medizinischen Unterlagen der BfA (darin Gutachten des Chirurgen Dr.K.H. vom 15.11.1995) sowie die einschlägigen Röntgen- und CT-Aufnahmen zum Verfahren bei. Außerdem führte der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 19.11.1996 aus, der Kläger habe ca 15 Jahre als Schweißer gearbeitet und in der überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten schwere Teile mit Gewichten von mehr als 20 kg getragen habe. Die relevante Belastungszeit habe zwischen 5 bis 9 Minuten pro Arbeitstag gelegen. Tätigkeiten in Rumpfbeugehaltung von mehr als 90° seien nicht ausgeführt worden. Eine Gefährdung der Wirbelsäule iS der BK Nr 2108 habe nicht vorgelegen. Während der Tätigkeit als Lagerist habe er keine wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten iS der BK Nr 2108 wahrgenommen. Der Beratungsarzt der Beklagten, Dr.S. , gab in seiner Stellungnahme vom 10.12.1996 an, die Erkrankung sei nicht durch langjährige berufliche Einwirkung auf HWS und LWS bedingt.
Mit Bescheid vom 25.03.1997 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen einer BK nach Nrn 2108 ff ab. Zur Begründung führte sie an, der Kläger habe letztmals am 12.02.1988 die gefährdende Tätigkeit als Schweißer ausgeübt, als Lagerist sei er nicht wesentlich belastet gewesen. Eine BK könne nach der 2. Verordnung zur Änderung der BKVO nicht anerkannt werden, wenn der Versicherungsfall vor dem 01.04.1988 eingetreten sei. Ab diesem Zeitpunkt habe als Lagerist eine Wirbelsäulenbelastung aber nicht mehr bestanden (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 23.07.1997).
Hiergegen hat der Kläger Klage zum SG Würzburg erhoben und beantragt, die LWS-Erkrankung als BK nach Nrn 2108 bis 2110 der Anlage 1 zur BKVO zu entschädigen und Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 vH zu gewähren. Er hat vorgetragen, dass er als Lagerist bei der Fa. H. ab März 1990 erneut gefährdende Tätigkeiten ausgeübt und regelmäßig Lasten bis zu einem Gewicht von 50 kg bewegt habe.
Das SG hat Arbeitgeberanfragen bei den Firmen R. vom 04.01.1999 und H. vom 07.01.1999 eingeholt. Bei letzterer sei die Tätigkeit mit dem Einräumen von Regalen, Entnehmen von Waren aus Regalen und Kommissionieren, Warenausgabe sowie Fahrten mit Bus oder LKW verbunden gewesen. Dabei habe der Kläger bestimmte Gegenstände (Flanschen, Rohrbögen, Rohre, Elektroden sowie Säcke) 9 mal täglich mit Gewichten zwischen 10 und 25 kg über kürzere Entfernungen tragen müssen. Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung seien nicht angefallen.
Mit Urteil vom 24.05.2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, dass die Tätigkeiten bei den Firmen R. und H. nicht die Voraussetzungen der Nr 2108 erfüllten. Dies ergebe sich aus der vom TAD der Beklagten erstellten Gefährdungsanalyse sowie den Auskünften der früheren Arbeitgeber des Klägers. Nach dem zur Beurteilung arbeitstechnischer Voraussetzungen angewandten Verfahren von Hartung/Dupuis sei die erforderliche Tagesbelastungsdosis durch Hebe- und Tragetätigkeiten in beiden Firmen nicht erreicht worden. Umso mehr gelte dies für das von der Bau BG verwendete Mainz-Dortmunder-Dosismodell, das noch höhere Anforderungen an das Vorliegen einer genügenden beruflichen Position stelle. Aber selbst wenn eine wirbelsäulenbelastende Belastung unterstellt werde, scheitere der Anspruch des Klägers an Art 2 Abs 2 der 2. Änderungsverordnung zur BKVO vom 18.12.1992. Der Kläger habe seine Tätigkeit bei der Firma R. faktisch am 15.02.1988 aufgegeben. Zu diesen Zeitpunkt sei eine Schädigung der LWS bereits manifest geworden. Er sei also nicht nach dem 31.03.1988 zur Aufgabe der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit gezwungen worden. Nach dem Februar 1988 habe er eine wirbelsäulengefährdende Tätigkeit nicht mehr aufgenommen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und vorgetragen, die Angaben seiner früheren Arbeitgeber bzgl der arbeitstechnischen Voraussetzungen seien unrichtig. Er könne zwei Zeugen hinsichtlich der Tätigkeiten bei den Firmen R. und H. benennen. Hierzu hat er mit Schreiben vom 04.09.2000 genauere Angaben über seine Arbeitsbelastung bei beiden Firmen vorgelegt. Im Übrigen seien seine Ansprüche auch nicht wegen der sogenannten Stichtagsregelung zurückzuweisen. Eine endgültige Aufgabe der wirbelsäulengefährdenden Tätigkeit habe nicht schon am 15.02.1988, sondern erst später stattgefunden.
Auf Veranlassung des Senats hat der TAD der Beklagten nochmals am 14.12.2000 Stellung genommen und ausgeführt, dass dieser bei der Firma H. zwar schwere Teile mit Gewichten zwischen 15 und 50 Kg gehoben habe. An der überwiegenden Anzahl der Arbeitstage sei aber die nach dem Mainz-Dortmunder-Dosis-Modell geforderte Mindestbelastungsdosis von 5500 Nh nicht erreicht worden. Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung habe er nicht ausgeführt. Eine Gefährdung der LWS iS der BK Nr 2108 habe nicht vorgelegen.
Der Senat hat noch die Schwerbehindertenakte des Amtes für Versorgung und Familienförderung Würzburg sowie die Rentenakte der BfA beigezogen. Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Würzburg vom 24.05.2000 sowie des Bescheides vom 25.03.1997 idF des Widerspruchsbescheides vom 23.07.1997 zu verurteilen, seine Wirbelsäulenerkrankung als BK nach Nr 2108 der Anlage 1 zur BKVO anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Würzburg vom 24.05.2000 zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird ergänzend auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, die Schwerbehindertenakte des Amtes für Versorgung und Familienförderung Würzburg sowie die Rentenakte der BfA Berlin Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet.
Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung einer BK nach § 551 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm Nr 2108 der Anl 1 zur BKVO sowie § 6 Abs 2 BKVO - und nur die Anerkennung nach dieser Nr ist vom Kläger beantragt - hat.
Der Anspruch richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, da die geltend gemachte BK vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 01.01.1997 eingetreten wäre (Art 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII).
Nach § 547 RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt des Arbeitsunfalles nach Maßgabe der folgenden Vorschriften Leistungen, insbesondere Verletztenrente. Als Arbeitsunfall gilt nach § 551 Abs 1 RVO auch eine BK. BKen sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung bezeichnet und die sich ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit zugezogen hat. Eine solche Bezeichnung nimmt die BKVO mit den sogenannten Listenkrankheiten vor. Nach Nr 2108 der Anlage 1 zur BKVO gelten als BKen bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS, die durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung hervorgerufen worden sind. Diese Erkrankungen müssen jeweils zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Die Feststellung der vorgenannten BK setzt also voraus, dass zum einen die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK in der Person des Versicherten erfüllt sein müssen, zum anderen das typische Krankheitsbild dieser BK vorliegen muss und dieses iS der unfallrechtlichen Kausalitätslehre mit Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist (vgl Ricke, Kasseler Kommentar, § 9 SGB VII RdNr 11; Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung, Bd 3 - Stand 1997 - § 9 SGB VII RdNr 21 ff). § 6 Abs 2 BKVO bestimmt dabei über die rein medizinischen Voraussetzungen hinaus unter anderem, dass bei einem Versicherten, der beim Inkrafttreten der Verordnung an einer Krankheit leidet, die erst aufgrund dieser Verordnung als BK iS des § 551 Abs 1 RVO anerkannt werden kann, die Krankheit auf Antrag als BK erst dann anzuerkennen ist, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.03.1988 eingetreten ist. Aufgrund dieser begrenzten Rückwirkungsklausel werden solche Versicherungsfälle, die vor dem Stichtag eingetreten sind, von dem Versicherungsschutz sowohl nach § 551 Abs 1 als auch nach § 551 Abs 2 RVO ausgeschlossen (BSG vom 25.08.1994, SozR 3-2200 § 551 RVO Nr 6). Die zeitliche Begrenzung auf einen Stichtag ist verfassungsgemäß (BVerfG vom 09.10.2000, SozR 3-2200 § 551 RVO Nr 15).
Der Versicherungsfall der BK ist eingetreten, wenn alle Tatbestandsmerkmale des § 551 Abs 1 RVO iVm mit der betreffenden Nummer der Anlage zur BKVO erfüllt sind. Voraussetzung für den Eintritt des Versicherungsfalles sind daher: Krankheiten im medizinischen Sinne, Vorliegen der Tatbestandsmerkmale der BK-Liste, Verursachung durch versicherte Tätigkeit und Erfüllung besonderer versicherungsrechtlicher Merkmale.
Nach Auffassung des Senats liegen zweifelsohne Krankheiten im medizinischen Sinne, dh bandscheibenbedingte Erkankungen der LWS vor. Der Kläger hatte 1988 einen Bandscheibenvorfall L5/S1 links sowie eine Bandscheibenprotrusion L4/5 beidseits erlitten. Der Bandscheibenvorfall wurde am 11.03.1988 einer Operation unterzogen. Die Beschwerden und Funktionsbehinderungen des Klägers bestanden weiterhin, so dass 1995 im Gutachten des Dr.H. vom 15.11.1995 neben dem Zustand nach Bandscheibenvorfall L5/S1 und Nukleotomie weiter von einem chronischen Lumbalsyndrom mit radikulärer Symptomatik L5/S1 links ausgegangen wurde.
Das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr 2108 kann nach Auffassung des Senats aber dahingestellt bleiben. Es fehlt nämlich bereits am zeitgerechten Vorliegen des Tatbestandsmerkmals des Zwangs zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten.
Dieses Tatbestandsmerkmal setzt in der Regel voraus, dass die Tätigkeit, die zu der Erkrankung geführt hat, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden soll und der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich aufgegeben hat. Eine Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit kann aus medizinischer Sicht also nicht verantwortet werden. Dies ist im Wege einer nachträglichen objektiven Betrachtungsweise festzustellen (BSG vom 05.05.1998, SozR 3-2200 § 551 RVO Nr 11; Mehrtens-Perlebach, BKVO, § 9 SGB VII, Anm 27.2).
Der Kläger war spätestens ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit am 15.02.1988 aufgrund seiner LWS-Erkrankung gezwungen, alle Tätigkeiten zu unterlassen, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein konnten. Erfolgt nämlich die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit in einem Zeitraum, in dem der Erkrankte arbeitsunfähig ist, so tritt die Tätigkeitsaufgabe am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit ein (BSG vom 05.05.1998 aaO Nr 11). Ab diesem Zeitpunkt war er - einschließlich der Bandscheibenoperation vom 11.03.1988 - bis August 1989 arbeitsunfähig krank, anschließend arbeitslos bis zur Aufnahme des neuen Beschäftigungsverhältnisses am 15.03.1990. Damit hat der Kläger seine von 1974 an ausgeübte Tätigkeit als Schweißer, insbesondere Installateur von Heizöltanks, unter retrospektiver Betrachtungsweise am 15.02.1988 tatsächlich und endgültig aufgegeben - unabhängig davon, ob man die arbeitstechnischen Voraussetzungen als erfüllt ansieht oder nicht.
Demnach war der Versicherungsfall der BK vor dem 01.04.1988 eingetreten. Ein Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung einer Wirbelsäulenerkrankung als BK nach Nr 2108 der Anlage 1 zur BKVO konnte daher bereits aus diesem Grunde nicht entstehen (§ 6 Abs 2 BKVO). Denn nach dieser Vorschrift können Erkrankungen der Wirbelsäule nur dann als BK anerkannt werden, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.03.1988 eingetreten ist. Daran ändert auch nichts, dass der Kläger am 15.03.1990 eine neue Tätigkeit als Lagerist bei der Firma H. aufgenommen und mehr als 6 Jahre ausgeübt hat. Die Aufnahme dieser Tätigkeit hatte nicht die Beseitigung des vorhergehenden Versicherungsfalles zur Folge. Bei bereits bestehendem Versicherungsfall kann ein neuer Versicherungsfall derselben BK nicht mehr eintreten. Im Hinblick auf etwaige Leistungsansprüche wäre allenfalls an eine Verschlimmerung iS einer wesentlichen Änderung nach § 48 SGB X zu denken. Im Gesundheitszustand des Klägers ist jedenfalls seit dem angenommenen Eintritt des ersten Versicherungsfalles (Februar 1988) - abgesehen von der Operation vom 11.03.1988 - eine wesentliche Besserung nicht eingetreten. Der Kläger litt nach der Operation insbesondere in den Jahren 1988/1989 weiterhin an einer lumboischialgieformen Beschwerdesymptomatik mit Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sowie Nerven- und Muskelreizerscheinungen (Arztbericht der Neurochirurgischen Klinik und Poliklinik der Universität W. vom 07.10.1988/ 18.07.1989, Gutachten der Ärztin Z. vom 06.09.1989). Seit Juli 1993 befand er sich bei dem Orthopäden Dr.P. in Behandlung wegen akuter Lumbalsyndrome (Befundbericht vom 28.06.1996). Insbesondere im Gutachten des Dr.H. vom 15.11.1995 wird erneut auf das chronische Lumbalsyndrom mit radikulärer Symptomatik bei L5/S1 links hingewiesen, also dieselbe Position wie bei der Erkrankung im Jahre 1988. Darüber hinaus fehlt es auch an den zusätzlichen arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK. In der Zeit vom März 1990 bis Mai 1995 (Beginn der erneuten Arbeitsunfähigkeit) hat der Kläger keine Tätigkeiten ausgeübt, die die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr 2108 erfüllten, also als wirbelsäulengefährdend zu werten sind. Dies kommt nicht zuletzt in den Angaben des Arbeitgebers H. (Schreiben vom 18.07.1996) zum Ausdruck, der den Kläger im März 1990 in Kenntnis seiner Wirbelsäulenprobleme für leichte Lagerverwaltungstätigkeiten (ohne Belastung der Wirbelsäule) einstellte. Aus den Berichten des TAD vom 19.11.1996/14.12.2000 lässt sich weiter entnehmen, dass der Kläger an der überwiegenden Anzahl der Arbeitstage die nach dem Mainz-Dortmunder-Dosis-Modell erforderliche Tagesbelastungsdosis bei weitem nicht erreicht hat. Auch wurden von ihm keine Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ausgeübt. Die Stellungnahmen des TAD stimmen auch mit den Ausführungen des Klägers vom 04.09.2000 hinsichtlich der Belastung überein. Einer Einvernahme von Zeugen hat es daher nicht bedurft.
Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung einer BK nach Nr 2108 der Anlage 1 zur BKVO. Das Urteil des SG Würzburg vom 24.05.2000 ist nicht zu beanstanden. Die Berufung ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Wirbelsäulenleiden des Klägers als Berufskrankheit (BK) anzuerkennen und zu entschädigen ist.
Der am 1936 geborene Kläger war bis Juli 1960 vor allem als Bauhelfer tätig. Anschließend arbeitete er als Fußbodenleger bis Oktober 1965 und als Schnapsbrenner auf einem landwirtschaftlichen Gut bis Juni 1974. Von 1974 bis August 1989 ging er einer Beschäftigung als Schweißer bei der Firma R. , Behälterbau, D. nach. Hier musste er bei der Installation von Heizöltanks auf Baustellen Montagearbeiten ausführen, Teile und Werkzeuge in den Keller tragen, Bleche zusammensetzen und verschweißen sowie LKW fahren. Vom 15.02.1988 bis 05.08.1989 war er wegen Lumbago- und Bandscheibenoperation links arbeitsunfähig krank. Ab 15.03.1990 übte er den Beruf eines Lageristen und Werkstattleiters bei der Firma H. , B. aus (ua Bestückung von Regalen, Ausgabe von Werkteilen). Arbeitsunfähig krank war er ab 08.05.1995, arbeitslos gemeldet seit 01.04.1996. Von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) bezieht er seit 07.08.1996 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer. Bereits 1956 hatte er erstmals Wirbelsäulenbeschwerden (Brustwirbelsäule , Lendenwirbelsäule ), insbesondere rezidivierende Rückenbeschwerden.
Am 18.03.1996 zeigte die AOK Bayern - Geschäftsstelle Ochsenfurt - der Beklagten an, bei dem Versicherten liege uU eine BK nach Nr 2108 bis 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) vor. Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte die medizinischen Unterlagen der Neurochirugischen Klinik und Poliklinik der Universität W. (lumbale Bandscheibenoperation in Höhe L 5/S 1 links im März 1988), die Schwerbehindertenakte des Versorgungsamtes Würzburg (darin Befundberichte der Allgemeinärzte Dr.K.S. vom 09.03.1989, Dr.H.-J. S. vom 14.11.1995, des Orthopäden Dr.W.P. vom 08.12.1995 und versorgungsärztliches Gutachten des Dr.Z. vom 06.09.1989), einen Arztbericht des Juliusspitals W. - Med.Klinik - vom 19.09.1995 (mit Hinweis auf degeneratives Wirbelsäulensyndrom, pseudoradikuläres HWS-Syndrom sowie Zustand nach Bandscheibenoperation 1988), einen Befundbericht des Dr.P. vom 28.06.1996, die medizinischen Unterlagen der BfA (darin Gutachten des Chirurgen Dr.K.H. vom 15.11.1995) sowie die einschlägigen Röntgen- und CT-Aufnahmen zum Verfahren bei. Außerdem führte der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 19.11.1996 aus, der Kläger habe ca 15 Jahre als Schweißer gearbeitet und in der überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten schwere Teile mit Gewichten von mehr als 20 kg getragen habe. Die relevante Belastungszeit habe zwischen 5 bis 9 Minuten pro Arbeitstag gelegen. Tätigkeiten in Rumpfbeugehaltung von mehr als 90° seien nicht ausgeführt worden. Eine Gefährdung der Wirbelsäule iS der BK Nr 2108 habe nicht vorgelegen. Während der Tätigkeit als Lagerist habe er keine wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten iS der BK Nr 2108 wahrgenommen. Der Beratungsarzt der Beklagten, Dr.S. , gab in seiner Stellungnahme vom 10.12.1996 an, die Erkrankung sei nicht durch langjährige berufliche Einwirkung auf HWS und LWS bedingt.
Mit Bescheid vom 25.03.1997 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen einer BK nach Nrn 2108 ff ab. Zur Begründung führte sie an, der Kläger habe letztmals am 12.02.1988 die gefährdende Tätigkeit als Schweißer ausgeübt, als Lagerist sei er nicht wesentlich belastet gewesen. Eine BK könne nach der 2. Verordnung zur Änderung der BKVO nicht anerkannt werden, wenn der Versicherungsfall vor dem 01.04.1988 eingetreten sei. Ab diesem Zeitpunkt habe als Lagerist eine Wirbelsäulenbelastung aber nicht mehr bestanden (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 23.07.1997).
Hiergegen hat der Kläger Klage zum SG Würzburg erhoben und beantragt, die LWS-Erkrankung als BK nach Nrn 2108 bis 2110 der Anlage 1 zur BKVO zu entschädigen und Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 vH zu gewähren. Er hat vorgetragen, dass er als Lagerist bei der Fa. H. ab März 1990 erneut gefährdende Tätigkeiten ausgeübt und regelmäßig Lasten bis zu einem Gewicht von 50 kg bewegt habe.
Das SG hat Arbeitgeberanfragen bei den Firmen R. vom 04.01.1999 und H. vom 07.01.1999 eingeholt. Bei letzterer sei die Tätigkeit mit dem Einräumen von Regalen, Entnehmen von Waren aus Regalen und Kommissionieren, Warenausgabe sowie Fahrten mit Bus oder LKW verbunden gewesen. Dabei habe der Kläger bestimmte Gegenstände (Flanschen, Rohrbögen, Rohre, Elektroden sowie Säcke) 9 mal täglich mit Gewichten zwischen 10 und 25 kg über kürzere Entfernungen tragen müssen. Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung seien nicht angefallen.
Mit Urteil vom 24.05.2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, dass die Tätigkeiten bei den Firmen R. und H. nicht die Voraussetzungen der Nr 2108 erfüllten. Dies ergebe sich aus der vom TAD der Beklagten erstellten Gefährdungsanalyse sowie den Auskünften der früheren Arbeitgeber des Klägers. Nach dem zur Beurteilung arbeitstechnischer Voraussetzungen angewandten Verfahren von Hartung/Dupuis sei die erforderliche Tagesbelastungsdosis durch Hebe- und Tragetätigkeiten in beiden Firmen nicht erreicht worden. Umso mehr gelte dies für das von der Bau BG verwendete Mainz-Dortmunder-Dosismodell, das noch höhere Anforderungen an das Vorliegen einer genügenden beruflichen Position stelle. Aber selbst wenn eine wirbelsäulenbelastende Belastung unterstellt werde, scheitere der Anspruch des Klägers an Art 2 Abs 2 der 2. Änderungsverordnung zur BKVO vom 18.12.1992. Der Kläger habe seine Tätigkeit bei der Firma R. faktisch am 15.02.1988 aufgegeben. Zu diesen Zeitpunkt sei eine Schädigung der LWS bereits manifest geworden. Er sei also nicht nach dem 31.03.1988 zur Aufgabe der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit gezwungen worden. Nach dem Februar 1988 habe er eine wirbelsäulengefährdende Tätigkeit nicht mehr aufgenommen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und vorgetragen, die Angaben seiner früheren Arbeitgeber bzgl der arbeitstechnischen Voraussetzungen seien unrichtig. Er könne zwei Zeugen hinsichtlich der Tätigkeiten bei den Firmen R. und H. benennen. Hierzu hat er mit Schreiben vom 04.09.2000 genauere Angaben über seine Arbeitsbelastung bei beiden Firmen vorgelegt. Im Übrigen seien seine Ansprüche auch nicht wegen der sogenannten Stichtagsregelung zurückzuweisen. Eine endgültige Aufgabe der wirbelsäulengefährdenden Tätigkeit habe nicht schon am 15.02.1988, sondern erst später stattgefunden.
Auf Veranlassung des Senats hat der TAD der Beklagten nochmals am 14.12.2000 Stellung genommen und ausgeführt, dass dieser bei der Firma H. zwar schwere Teile mit Gewichten zwischen 15 und 50 Kg gehoben habe. An der überwiegenden Anzahl der Arbeitstage sei aber die nach dem Mainz-Dortmunder-Dosis-Modell geforderte Mindestbelastungsdosis von 5500 Nh nicht erreicht worden. Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung habe er nicht ausgeführt. Eine Gefährdung der LWS iS der BK Nr 2108 habe nicht vorgelegen.
Der Senat hat noch die Schwerbehindertenakte des Amtes für Versorgung und Familienförderung Würzburg sowie die Rentenakte der BfA beigezogen. Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Würzburg vom 24.05.2000 sowie des Bescheides vom 25.03.1997 idF des Widerspruchsbescheides vom 23.07.1997 zu verurteilen, seine Wirbelsäulenerkrankung als BK nach Nr 2108 der Anlage 1 zur BKVO anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Würzburg vom 24.05.2000 zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird ergänzend auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, die Schwerbehindertenakte des Amtes für Versorgung und Familienförderung Würzburg sowie die Rentenakte der BfA Berlin Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet.
Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung einer BK nach § 551 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm Nr 2108 der Anl 1 zur BKVO sowie § 6 Abs 2 BKVO - und nur die Anerkennung nach dieser Nr ist vom Kläger beantragt - hat.
Der Anspruch richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, da die geltend gemachte BK vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 01.01.1997 eingetreten wäre (Art 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII).
Nach § 547 RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt des Arbeitsunfalles nach Maßgabe der folgenden Vorschriften Leistungen, insbesondere Verletztenrente. Als Arbeitsunfall gilt nach § 551 Abs 1 RVO auch eine BK. BKen sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung bezeichnet und die sich ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit zugezogen hat. Eine solche Bezeichnung nimmt die BKVO mit den sogenannten Listenkrankheiten vor. Nach Nr 2108 der Anlage 1 zur BKVO gelten als BKen bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS, die durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung hervorgerufen worden sind. Diese Erkrankungen müssen jeweils zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Die Feststellung der vorgenannten BK setzt also voraus, dass zum einen die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK in der Person des Versicherten erfüllt sein müssen, zum anderen das typische Krankheitsbild dieser BK vorliegen muss und dieses iS der unfallrechtlichen Kausalitätslehre mit Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist (vgl Ricke, Kasseler Kommentar, § 9 SGB VII RdNr 11; Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung, Bd 3 - Stand 1997 - § 9 SGB VII RdNr 21 ff). § 6 Abs 2 BKVO bestimmt dabei über die rein medizinischen Voraussetzungen hinaus unter anderem, dass bei einem Versicherten, der beim Inkrafttreten der Verordnung an einer Krankheit leidet, die erst aufgrund dieser Verordnung als BK iS des § 551 Abs 1 RVO anerkannt werden kann, die Krankheit auf Antrag als BK erst dann anzuerkennen ist, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.03.1988 eingetreten ist. Aufgrund dieser begrenzten Rückwirkungsklausel werden solche Versicherungsfälle, die vor dem Stichtag eingetreten sind, von dem Versicherungsschutz sowohl nach § 551 Abs 1 als auch nach § 551 Abs 2 RVO ausgeschlossen (BSG vom 25.08.1994, SozR 3-2200 § 551 RVO Nr 6). Die zeitliche Begrenzung auf einen Stichtag ist verfassungsgemäß (BVerfG vom 09.10.2000, SozR 3-2200 § 551 RVO Nr 15).
Der Versicherungsfall der BK ist eingetreten, wenn alle Tatbestandsmerkmale des § 551 Abs 1 RVO iVm mit der betreffenden Nummer der Anlage zur BKVO erfüllt sind. Voraussetzung für den Eintritt des Versicherungsfalles sind daher: Krankheiten im medizinischen Sinne, Vorliegen der Tatbestandsmerkmale der BK-Liste, Verursachung durch versicherte Tätigkeit und Erfüllung besonderer versicherungsrechtlicher Merkmale.
Nach Auffassung des Senats liegen zweifelsohne Krankheiten im medizinischen Sinne, dh bandscheibenbedingte Erkankungen der LWS vor. Der Kläger hatte 1988 einen Bandscheibenvorfall L5/S1 links sowie eine Bandscheibenprotrusion L4/5 beidseits erlitten. Der Bandscheibenvorfall wurde am 11.03.1988 einer Operation unterzogen. Die Beschwerden und Funktionsbehinderungen des Klägers bestanden weiterhin, so dass 1995 im Gutachten des Dr.H. vom 15.11.1995 neben dem Zustand nach Bandscheibenvorfall L5/S1 und Nukleotomie weiter von einem chronischen Lumbalsyndrom mit radikulärer Symptomatik L5/S1 links ausgegangen wurde.
Das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr 2108 kann nach Auffassung des Senats aber dahingestellt bleiben. Es fehlt nämlich bereits am zeitgerechten Vorliegen des Tatbestandsmerkmals des Zwangs zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten.
Dieses Tatbestandsmerkmal setzt in der Regel voraus, dass die Tätigkeit, die zu der Erkrankung geführt hat, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden soll und der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich aufgegeben hat. Eine Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit kann aus medizinischer Sicht also nicht verantwortet werden. Dies ist im Wege einer nachträglichen objektiven Betrachtungsweise festzustellen (BSG vom 05.05.1998, SozR 3-2200 § 551 RVO Nr 11; Mehrtens-Perlebach, BKVO, § 9 SGB VII, Anm 27.2).
Der Kläger war spätestens ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit am 15.02.1988 aufgrund seiner LWS-Erkrankung gezwungen, alle Tätigkeiten zu unterlassen, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein konnten. Erfolgt nämlich die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit in einem Zeitraum, in dem der Erkrankte arbeitsunfähig ist, so tritt die Tätigkeitsaufgabe am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit ein (BSG vom 05.05.1998 aaO Nr 11). Ab diesem Zeitpunkt war er - einschließlich der Bandscheibenoperation vom 11.03.1988 - bis August 1989 arbeitsunfähig krank, anschließend arbeitslos bis zur Aufnahme des neuen Beschäftigungsverhältnisses am 15.03.1990. Damit hat der Kläger seine von 1974 an ausgeübte Tätigkeit als Schweißer, insbesondere Installateur von Heizöltanks, unter retrospektiver Betrachtungsweise am 15.02.1988 tatsächlich und endgültig aufgegeben - unabhängig davon, ob man die arbeitstechnischen Voraussetzungen als erfüllt ansieht oder nicht.
Demnach war der Versicherungsfall der BK vor dem 01.04.1988 eingetreten. Ein Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung einer Wirbelsäulenerkrankung als BK nach Nr 2108 der Anlage 1 zur BKVO konnte daher bereits aus diesem Grunde nicht entstehen (§ 6 Abs 2 BKVO). Denn nach dieser Vorschrift können Erkrankungen der Wirbelsäule nur dann als BK anerkannt werden, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.03.1988 eingetreten ist. Daran ändert auch nichts, dass der Kläger am 15.03.1990 eine neue Tätigkeit als Lagerist bei der Firma H. aufgenommen und mehr als 6 Jahre ausgeübt hat. Die Aufnahme dieser Tätigkeit hatte nicht die Beseitigung des vorhergehenden Versicherungsfalles zur Folge. Bei bereits bestehendem Versicherungsfall kann ein neuer Versicherungsfall derselben BK nicht mehr eintreten. Im Hinblick auf etwaige Leistungsansprüche wäre allenfalls an eine Verschlimmerung iS einer wesentlichen Änderung nach § 48 SGB X zu denken. Im Gesundheitszustand des Klägers ist jedenfalls seit dem angenommenen Eintritt des ersten Versicherungsfalles (Februar 1988) - abgesehen von der Operation vom 11.03.1988 - eine wesentliche Besserung nicht eingetreten. Der Kläger litt nach der Operation insbesondere in den Jahren 1988/1989 weiterhin an einer lumboischialgieformen Beschwerdesymptomatik mit Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sowie Nerven- und Muskelreizerscheinungen (Arztbericht der Neurochirurgischen Klinik und Poliklinik der Universität W. vom 07.10.1988/ 18.07.1989, Gutachten der Ärztin Z. vom 06.09.1989). Seit Juli 1993 befand er sich bei dem Orthopäden Dr.P. in Behandlung wegen akuter Lumbalsyndrome (Befundbericht vom 28.06.1996). Insbesondere im Gutachten des Dr.H. vom 15.11.1995 wird erneut auf das chronische Lumbalsyndrom mit radikulärer Symptomatik bei L5/S1 links hingewiesen, also dieselbe Position wie bei der Erkrankung im Jahre 1988. Darüber hinaus fehlt es auch an den zusätzlichen arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK. In der Zeit vom März 1990 bis Mai 1995 (Beginn der erneuten Arbeitsunfähigkeit) hat der Kläger keine Tätigkeiten ausgeübt, die die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr 2108 erfüllten, also als wirbelsäulengefährdend zu werten sind. Dies kommt nicht zuletzt in den Angaben des Arbeitgebers H. (Schreiben vom 18.07.1996) zum Ausdruck, der den Kläger im März 1990 in Kenntnis seiner Wirbelsäulenprobleme für leichte Lagerverwaltungstätigkeiten (ohne Belastung der Wirbelsäule) einstellte. Aus den Berichten des TAD vom 19.11.1996/14.12.2000 lässt sich weiter entnehmen, dass der Kläger an der überwiegenden Anzahl der Arbeitstage die nach dem Mainz-Dortmunder-Dosis-Modell erforderliche Tagesbelastungsdosis bei weitem nicht erreicht hat. Auch wurden von ihm keine Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ausgeübt. Die Stellungnahmen des TAD stimmen auch mit den Ausführungen des Klägers vom 04.09.2000 hinsichtlich der Belastung überein. Einer Einvernahme von Zeugen hat es daher nicht bedurft.
Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung einer BK nach Nr 2108 der Anlage 1 zur BKVO. Das Urteil des SG Würzburg vom 24.05.2000 ist nicht zu beanstanden. Die Berufung ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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