Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 U 138/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 32/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 10.01. 2001 aufgehoben. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 23.08.1999 in Gestalt des Bescheides vom 20.12.1999 und des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2000 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Gewährung von Verletztenrente nach einem Arbeitsunfall.
Die 1937 geborene Klägerin erlitt in ihrer Tätigkeit als Frisörmeisterin am 04.05.1993 einen Treppensturz, bei dem sie sich im Wesentlichen eine Absprengung an der oberen Vorderkante des fünften Brustwirbelkörpers zuzog. Dies wurde jedoch erst am 20.08.1993 festgestellt. Arbeitsunfähigkeitszeiten wurden nicht geltend gemacht oder festgestellt.
Nach Beiziehung der laufenden Behandlungsberichte holte die Beklagte ein Gutachten des Orthopäden Dr.D. vom 26.07.1999 ein. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, bei dem Unfall sei es zu einem ventralen Kantenabbruch des fünften Brustwirbelkörpers gekommen. Derzeit seien Unfallfolgen nicht mehr feststellbar. Der fünfte Brustwirbelkörper mit seinem ventralen Kantenabbruch sei knöchern ohne wirksamen Achsenknick stabil und fest verheilt. Unfallunabhängig bestünden eine erhebliche Osteoporose, eine rheumatoide Arthritis, eine keilförmige Deformierung des sechsten und siebten Brustwirbelkörpers und eine ventrale Spondylose D 5, D 6, D 7. Die MdE betrage ab 05.05. 1993 bis 31.08.1993 20 v.H. und von da ab 10 v.H.
Mit Bescheid vom 23.08.1999 stellte die Beklagte einen Rentenanspruch nach einer MdE um 20 v.H. für die Zeit vom 05.05. bis 31.08.1993 fest, verweigerte aber die Auszahlung, da der Anspruch verjährt sei. Mit ihrem Widerspruch wandte sich die Klägerin sowohl gegen die Einschätzung der MdE, als auch die zeitliche Begrenzung der Rentenfeststellung und die Verweigerung der Auszahlung wegen Verjährung.
Mit dem Teilabhilfebescheid vom 20.12.1999 verfügte die Beklagte die Auszahlung der festgestellten Rente und wies mit Widerspruchsbescheid vom 02.03.2000 den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück.
Im anschließenden Klageverfahren hat die Klägerin Rente nach einer MdE um 20 v.H. über den 31.08.1993 hinaus beantragt.
Das Sozialgericht hat ein Gutachten von dem Orthopäden und Chirurgen Dr.S. vom 25.09.2000 eingeholt. Der Sachverständige führt zum Röntgenbefund des Dr.D. aus, auf der Seitaufnahme der Brustwirbelsäule bestehe ein Kyphosewinkel bei BWK 5 mit 37 Grad und eine Höhenminderung der Vorderkante. Der Kompressionswinkel BWK 5 betrage 13 Grad. Bedingt durch die Kompressionsfraktur BWK 5 werde ein vermehrter Kyphosewinkel der BWS verursacht. Die von Dr.D. geschilderte vermehrte keilförmige Deformierung der Wirbelkörper BWK 6 und 7 könnten auf dieser Seitaufnahme nicht bestätigt werden, lediglich die geringe Osteoporose. Nach Schoenberger/Mehrtens/Valentin handle es sich hier um eine Wirbelsäulenverletzung Typ A 0 (S.438). Jedoch sei durch die Höhenminderung der Vorderkante und des Wirbelkörpers eine Verstärkung der Kyphose der Brustwirbelsäule eingetreten. Bei vorbestehenden Veränderungen der Wirbelsäule könne die Kompensationsfähigkeit herabgesetzt sein. Dies korreliere auch mit den über Jahre angegebenen Beschwerden der Patientin. Keilbildungen von Wirbelkörperfrakturen führten außerdem zur Dehnung von Bändern, die wiederum Beschwerden verursachten. Solche Beschwerden ließen erst nach, wenn eine knöcherne Verfestigung mit Nachbarwirbeln eingetreten sei. Dies sei bei der Klägerin nicht nachweisbar. Dass die Beschwerden nur auf die anderen orthopädischen Erkrankungen zurückzuführen seien, könne nicht eindeutig bejaht werden. Der Sachverständige schließt sich der Beurteilung der MdE mit 20 v.H. an, da die Kyphose der Brustwirbelsäule durch die Kompressionsfraktur des fünften Brustwirbelkörpers verstärkt worden sei und durchaus die entsprechenden Beschwerden - insbesondere durch Tätigkeiten in vornübergeneigter Körperhaltung (Friseurberuf, normale tägliche Verrichtungen) - verstärkt würden. Somit seien die Folgen des Arbeitsunfalles schwerer zu bewerten als bei einem Gesunden und auch die MdE höher anzusetzen.
Hiergegen hat die Beklagte mit einem Gutachten des Dr.D. Einwendungen erhoben. Dr.D. führt aus, ein wirksamer Achsenknick im Bereich der Fraktur BWK 5 sei kernspintomographisch auf den Schichtaufnahmen und auf den diversen Übersichtsaufnahmen nicht nachweisbar. Dr.S. habe die Tatsache der stehenden Aufnahme der Brustwirbelsäule in seine Überlegungen nicht miteinbezogen. Auch eine vermehrte unfallbedingte Kyphose sei nicht nachweisbar. Die hochthorakale Kyphose der Versicherten sei bedingt u.a. durch die keilförmige Deformierung des fünften und sechsten Brustwirbelkörpers unfallunabhängig (Scheuermann sche Veränderungen). Eine Bandscheibenbeteiligung zwischen viertem und fünftem Brustwirbelkörper sei nicht nachweisbar. Entsprechend Schoenberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage 1998 (Dr.S. hatte eine frühere Auflage benutzt) werde der isolierte Wirbelkörperbruch ohne Bandscheibenbeteiligung mit einer MdE unter 10 v.H. eingeschätzt. Dr.S. setze GdB mit MdE gleich. Die Einschätzung des GdB für die gesamte Wirbelsäule sei keinesfalls mit der MdE der Verletzung des fünften Brustwirbelkörpers gleichzusetzen.
Hierzu hat Dr.S. in einem Gutachten vom 04.12.2000 Stellung genommen. Die neuere Ausgabe des Schoenberger/Mehrtens/Valentin weise bei der MdE bei Verletzungen der Wirbelkörper gleiche Prozentzahlen auf. Er habe keine Einschätzungen nach dem Schwerbehindertengesetz vorgenommen und neben Schoenberger/Mehrtens/Valentin auch die neueste Ausgabe der Unfallbegutachtung Mehrhoff/ Muhr herangezogen. Dr.D. erhalte bei seinen Röntgenaufnahmen einen Kyphosewinkel von 25 Grad, er selbst erhalte einen Winkel von 37 Grad, also nicht mehr im Normbereich. Somit bestehe eine statisch wirksame Achsenabweichung, die eine MdE von 20 % beinhalte. Dass eine Bandscheibenbeteiligung nicht bestehe, sei nicht so sicher, da ein Kompressionswinkel von 13 Grad bestehe. Eine Bandscheibenbeteiligung könnte nur durch ein MRT sicher ausgeschlossen werden. Die hoch thorakale Kyphose als Folge einer Scheuermann schen Erkrankung anzusehen, halte er nicht für korrekt. Es handle sich vielmehr um eine anatomische Variante. Dass die traumatische Abknickung der Wirbelsäule eine weitere funktionelle Einbuße bewirke, werde aus den geklagten Beschwerden der Patientin klar. Da sie das Friseurhandwerk betreibe, habe sie dauernde Tätigkeiten im Stehen mit vornübergeneigter Körperhaltung durchzuführen. Um genauere Aussagen zu erhalten, schlage er ein MRT der Brustwirbelsäule vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 10.01.2001 hat das Sozialgericht Augsburg die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, über den 31.08.1993 hinaus Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. Es hat sich dabei auf das Gutachten des Dr.S. gestützt. Die Einwendungen des Dr.D. hätten nicht überzeugt.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von dem Chirurgen Prof.Dr.S. , der auch ein MRT der Brustwirbelsäule hat durchführen lassen. Der Sachverständige geht davon aus, dass bei der Klägerin ein funktionell wirksamer Vorschaden an der Brustwirbelsäule nicht bestanden habe. Die Aufnahmen vom 04.05.1993 zeigten am fünften Brustwirbelkörper eine kleine, dreieckförmige Absprengung von der oberen Vorderkante des fünften Brustwirbelkörpers. Die Nachbarwirbel, also der vierte und der sechste Brustwirbelkörper wiesen bereits damals degenerative Veränderungen auf. Jetzt fänden sich klinisch und radiologisch eine leichte Höhenminderung des fünften Brustwirbelkörpers, während leichte Verformungen des vierten und sechsten Brustwirbelkörpers nicht im Unfallzusammenhang stünden, sondern als degenerative Veränderungen aufzufassen seien. Die jetzigen Kernspintomogramme ließen Bruchzeichen am vierten und sechsten Brustwirbel nicht erkennen, sie zeigten auch Hämangiomveränderungen am sechsten und elften Brustwirbel und degenerative Veränderungen an der Halswirbelsäule im Segment C 5/6 und an der Lendenwirbelsäule im Segment L 2/3. Es sei also nur ein Teil der Beschwerden im Unfallzusammenhang zu sehen, ein anderer Teil sei auf die degenerativen Veränderungen in allen drei Wirbelsäulenabschnitten zurückzuführen, welche bereits am 04.05. 1993 bestanden hätten, wie man aus den Unfallaufnahmen der Brust- und Lendenwirbelsäule entnehmen könne.
Die MdE ab 31.08.1993 schätzt er auf 10 v.H. Es sei zu berücksichtigen, dass nur der fünfte Brustwirbel unfallmäßig verletzt worden sei und dass es dabei zu einer kleinen dreieckförmigen Absprengung an der vorderen Oberkante des fünften Brustwirbels gekommen sei, während die Hinterkante unverletzt geblieben sei. Eine Einschätzung der MdE mit 10 v.H. halte er für gerechtfertigt, da die unfallbedingte Keilform des fünften Brustwirbels von den degenerativ veränderten Nachbarsegmenten nicht vollständig kompensiert werden könne. Eine Einschätzung der MdE auf 20 v.H. halte er nicht für angezeigt, da nur ein Teil der Schmerzhaftigkeit Unfallfolge sei. Die Kyphose im Bereich des zwölften BWK sei nur verhältnismäßig gering und werde durch die unfallunabhängigen Keilformen der Nachbarwirbel verstärkt, sodass die jetzt bestehende Hohl-Rundrückenbildung nicht ausschließlich im Unfallzusammenhang gesehen werden könne. Eine eingeschränkte Kompensationsfähigkeit der unfallbedingten Verformung des fünften BWK sei in dieser Einschätzung bereits berücksichtigt, die Rentenliteratur nenne für den Kompressionsbruch eines einzelnen Wirbels eine Vergleichszahl von unter 10 v.H. Dr.S. gebe an, dass er seine Einschätzung auf den Beruf der Patientin bezogen habe. Die Einschätzung im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung müsse jedoch ausschließlich den allgemeinen Arbeitsmarkt und nicht den speziellen Beruf des Patienten berücksichtigen. Außerdem sei zu bemängeln, dass kein Achsenknick wegen Unfallfolgen von 37 Grad bestehe. Die röntgenologische Zusatzbegutachtung hat bezüglich der Bandscheiben keine krankhaften Befunde ergeben.
Die Beklagte beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 10.01.2001 aufzuheben und die Klage gegen die Bescheide vom 23.08. und 20.12.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2000 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts Augsburg in dem vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die von der Beklagten form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.
Die Berufung ist auch begründet. Die Entscheidung der Beklagten, der Klägerin wegen der Folgen des Unfalls vom 04.05.1993 keine weitere Verletztenrente zu gewähren, war rechtmäßig.
Die Entscheidung über den Rechtsstreit richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, weil der Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 eingetreten ist und zwar nach diesem Zeitpunkt erstmals über den Anspruch auf Rente entschieden wurde, es jedoch bei der Anwendung der Übergangsvorschrift des § 214 Abs.3 SGB VII für das Merkmal der erstmaligen Feststellung über den Anspruch auf eine Rente nicht auf den Feststellungszeitpunkt ankommt, sondern auf den Zeitpunkt des Beginns des materiell- rechtlichen Anspruchs (vgl. Ricke, KassKomm, § 214 SGB VII Rdnr.9; Lauterbach Kommentar zur Unfallversicherung § 214 Rdnr.10).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war die Erwerbsfähigkeit der Klägerin wegen der Folgen des Arbeitsunfalls über den 31.08.1993 hinaus nicht in dem nach § 581 Abs.1 Nr.2 RVO erforderlichen Umfang von wenigstens 1/5 gemindert. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Gutachten des Prof.Dr. S ... Das Gutachten hat eine endgültige Klärung der Verhältnisse erbracht und die die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts stützenden Annahmen des Dr.S. richtiggestellt sowie die Differenzen zwischen ihm und Dr.D. ausgeräumt. Nach der Erstellung neuester Röntgenaufnahmen und eines MRT der Brustwirbelsäule, das bereits der Sachverständige Dr.S. zur Klärung von Zweifeln angeregt hatte, steht nunmehr fest, dass die Verletzung am 5. Brustwirbelkörper zu keinem statisch wirksamen Achsenknick geführt hat und eine unfallbedingte Beeinträchtigung der Bandscheiben nicht vorliegt. Unter diesen Voraussetzungen hat der Sachverständige Prof.Dr.S. unter Bezugnahme auf die von ihm angegebene Rentenliteratur sowie unter Berücksichtigung der durch den nicht unfallbedingten Schaden an der Brustwirbelsäule gegebenen eingeschränkten Kompensationsfähigkeit die MdE mit 10 v.H. bewertet. Die bei der Klägerin wegen der Gesundheitsstörungen an der Wirbelsäule bestehenden Beschwerden und Funktionseinschränkungen dürfen nach dem Sachverständigen Dr.D. und Prof.Dr.S. nur zu einem Teil als unfallbedingt angesehen werden. Insoweit kann dem Sachverständigen Dr.S. , der alle Wirbelsäulenbeschwerden als Beleg für unfallbedingte Funktionseinschränkungen herangezogen hat, nicht gefolgt werden.
Die Berufung war deshalb begründet.
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass die Entscheidung der Beklagten im Ergebnis in vollem Umfang Bestand hatte.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Gewährung von Verletztenrente nach einem Arbeitsunfall.
Die 1937 geborene Klägerin erlitt in ihrer Tätigkeit als Frisörmeisterin am 04.05.1993 einen Treppensturz, bei dem sie sich im Wesentlichen eine Absprengung an der oberen Vorderkante des fünften Brustwirbelkörpers zuzog. Dies wurde jedoch erst am 20.08.1993 festgestellt. Arbeitsunfähigkeitszeiten wurden nicht geltend gemacht oder festgestellt.
Nach Beiziehung der laufenden Behandlungsberichte holte die Beklagte ein Gutachten des Orthopäden Dr.D. vom 26.07.1999 ein. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, bei dem Unfall sei es zu einem ventralen Kantenabbruch des fünften Brustwirbelkörpers gekommen. Derzeit seien Unfallfolgen nicht mehr feststellbar. Der fünfte Brustwirbelkörper mit seinem ventralen Kantenabbruch sei knöchern ohne wirksamen Achsenknick stabil und fest verheilt. Unfallunabhängig bestünden eine erhebliche Osteoporose, eine rheumatoide Arthritis, eine keilförmige Deformierung des sechsten und siebten Brustwirbelkörpers und eine ventrale Spondylose D 5, D 6, D 7. Die MdE betrage ab 05.05. 1993 bis 31.08.1993 20 v.H. und von da ab 10 v.H.
Mit Bescheid vom 23.08.1999 stellte die Beklagte einen Rentenanspruch nach einer MdE um 20 v.H. für die Zeit vom 05.05. bis 31.08.1993 fest, verweigerte aber die Auszahlung, da der Anspruch verjährt sei. Mit ihrem Widerspruch wandte sich die Klägerin sowohl gegen die Einschätzung der MdE, als auch die zeitliche Begrenzung der Rentenfeststellung und die Verweigerung der Auszahlung wegen Verjährung.
Mit dem Teilabhilfebescheid vom 20.12.1999 verfügte die Beklagte die Auszahlung der festgestellten Rente und wies mit Widerspruchsbescheid vom 02.03.2000 den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück.
Im anschließenden Klageverfahren hat die Klägerin Rente nach einer MdE um 20 v.H. über den 31.08.1993 hinaus beantragt.
Das Sozialgericht hat ein Gutachten von dem Orthopäden und Chirurgen Dr.S. vom 25.09.2000 eingeholt. Der Sachverständige führt zum Röntgenbefund des Dr.D. aus, auf der Seitaufnahme der Brustwirbelsäule bestehe ein Kyphosewinkel bei BWK 5 mit 37 Grad und eine Höhenminderung der Vorderkante. Der Kompressionswinkel BWK 5 betrage 13 Grad. Bedingt durch die Kompressionsfraktur BWK 5 werde ein vermehrter Kyphosewinkel der BWS verursacht. Die von Dr.D. geschilderte vermehrte keilförmige Deformierung der Wirbelkörper BWK 6 und 7 könnten auf dieser Seitaufnahme nicht bestätigt werden, lediglich die geringe Osteoporose. Nach Schoenberger/Mehrtens/Valentin handle es sich hier um eine Wirbelsäulenverletzung Typ A 0 (S.438). Jedoch sei durch die Höhenminderung der Vorderkante und des Wirbelkörpers eine Verstärkung der Kyphose der Brustwirbelsäule eingetreten. Bei vorbestehenden Veränderungen der Wirbelsäule könne die Kompensationsfähigkeit herabgesetzt sein. Dies korreliere auch mit den über Jahre angegebenen Beschwerden der Patientin. Keilbildungen von Wirbelkörperfrakturen führten außerdem zur Dehnung von Bändern, die wiederum Beschwerden verursachten. Solche Beschwerden ließen erst nach, wenn eine knöcherne Verfestigung mit Nachbarwirbeln eingetreten sei. Dies sei bei der Klägerin nicht nachweisbar. Dass die Beschwerden nur auf die anderen orthopädischen Erkrankungen zurückzuführen seien, könne nicht eindeutig bejaht werden. Der Sachverständige schließt sich der Beurteilung der MdE mit 20 v.H. an, da die Kyphose der Brustwirbelsäule durch die Kompressionsfraktur des fünften Brustwirbelkörpers verstärkt worden sei und durchaus die entsprechenden Beschwerden - insbesondere durch Tätigkeiten in vornübergeneigter Körperhaltung (Friseurberuf, normale tägliche Verrichtungen) - verstärkt würden. Somit seien die Folgen des Arbeitsunfalles schwerer zu bewerten als bei einem Gesunden und auch die MdE höher anzusetzen.
Hiergegen hat die Beklagte mit einem Gutachten des Dr.D. Einwendungen erhoben. Dr.D. führt aus, ein wirksamer Achsenknick im Bereich der Fraktur BWK 5 sei kernspintomographisch auf den Schichtaufnahmen und auf den diversen Übersichtsaufnahmen nicht nachweisbar. Dr.S. habe die Tatsache der stehenden Aufnahme der Brustwirbelsäule in seine Überlegungen nicht miteinbezogen. Auch eine vermehrte unfallbedingte Kyphose sei nicht nachweisbar. Die hochthorakale Kyphose der Versicherten sei bedingt u.a. durch die keilförmige Deformierung des fünften und sechsten Brustwirbelkörpers unfallunabhängig (Scheuermann sche Veränderungen). Eine Bandscheibenbeteiligung zwischen viertem und fünftem Brustwirbelkörper sei nicht nachweisbar. Entsprechend Schoenberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage 1998 (Dr.S. hatte eine frühere Auflage benutzt) werde der isolierte Wirbelkörperbruch ohne Bandscheibenbeteiligung mit einer MdE unter 10 v.H. eingeschätzt. Dr.S. setze GdB mit MdE gleich. Die Einschätzung des GdB für die gesamte Wirbelsäule sei keinesfalls mit der MdE der Verletzung des fünften Brustwirbelkörpers gleichzusetzen.
Hierzu hat Dr.S. in einem Gutachten vom 04.12.2000 Stellung genommen. Die neuere Ausgabe des Schoenberger/Mehrtens/Valentin weise bei der MdE bei Verletzungen der Wirbelkörper gleiche Prozentzahlen auf. Er habe keine Einschätzungen nach dem Schwerbehindertengesetz vorgenommen und neben Schoenberger/Mehrtens/Valentin auch die neueste Ausgabe der Unfallbegutachtung Mehrhoff/ Muhr herangezogen. Dr.D. erhalte bei seinen Röntgenaufnahmen einen Kyphosewinkel von 25 Grad, er selbst erhalte einen Winkel von 37 Grad, also nicht mehr im Normbereich. Somit bestehe eine statisch wirksame Achsenabweichung, die eine MdE von 20 % beinhalte. Dass eine Bandscheibenbeteiligung nicht bestehe, sei nicht so sicher, da ein Kompressionswinkel von 13 Grad bestehe. Eine Bandscheibenbeteiligung könnte nur durch ein MRT sicher ausgeschlossen werden. Die hoch thorakale Kyphose als Folge einer Scheuermann schen Erkrankung anzusehen, halte er nicht für korrekt. Es handle sich vielmehr um eine anatomische Variante. Dass die traumatische Abknickung der Wirbelsäule eine weitere funktionelle Einbuße bewirke, werde aus den geklagten Beschwerden der Patientin klar. Da sie das Friseurhandwerk betreibe, habe sie dauernde Tätigkeiten im Stehen mit vornübergeneigter Körperhaltung durchzuführen. Um genauere Aussagen zu erhalten, schlage er ein MRT der Brustwirbelsäule vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 10.01.2001 hat das Sozialgericht Augsburg die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, über den 31.08.1993 hinaus Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. Es hat sich dabei auf das Gutachten des Dr.S. gestützt. Die Einwendungen des Dr.D. hätten nicht überzeugt.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von dem Chirurgen Prof.Dr.S. , der auch ein MRT der Brustwirbelsäule hat durchführen lassen. Der Sachverständige geht davon aus, dass bei der Klägerin ein funktionell wirksamer Vorschaden an der Brustwirbelsäule nicht bestanden habe. Die Aufnahmen vom 04.05.1993 zeigten am fünften Brustwirbelkörper eine kleine, dreieckförmige Absprengung von der oberen Vorderkante des fünften Brustwirbelkörpers. Die Nachbarwirbel, also der vierte und der sechste Brustwirbelkörper wiesen bereits damals degenerative Veränderungen auf. Jetzt fänden sich klinisch und radiologisch eine leichte Höhenminderung des fünften Brustwirbelkörpers, während leichte Verformungen des vierten und sechsten Brustwirbelkörpers nicht im Unfallzusammenhang stünden, sondern als degenerative Veränderungen aufzufassen seien. Die jetzigen Kernspintomogramme ließen Bruchzeichen am vierten und sechsten Brustwirbel nicht erkennen, sie zeigten auch Hämangiomveränderungen am sechsten und elften Brustwirbel und degenerative Veränderungen an der Halswirbelsäule im Segment C 5/6 und an der Lendenwirbelsäule im Segment L 2/3. Es sei also nur ein Teil der Beschwerden im Unfallzusammenhang zu sehen, ein anderer Teil sei auf die degenerativen Veränderungen in allen drei Wirbelsäulenabschnitten zurückzuführen, welche bereits am 04.05. 1993 bestanden hätten, wie man aus den Unfallaufnahmen der Brust- und Lendenwirbelsäule entnehmen könne.
Die MdE ab 31.08.1993 schätzt er auf 10 v.H. Es sei zu berücksichtigen, dass nur der fünfte Brustwirbel unfallmäßig verletzt worden sei und dass es dabei zu einer kleinen dreieckförmigen Absprengung an der vorderen Oberkante des fünften Brustwirbels gekommen sei, während die Hinterkante unverletzt geblieben sei. Eine Einschätzung der MdE mit 10 v.H. halte er für gerechtfertigt, da die unfallbedingte Keilform des fünften Brustwirbels von den degenerativ veränderten Nachbarsegmenten nicht vollständig kompensiert werden könne. Eine Einschätzung der MdE auf 20 v.H. halte er nicht für angezeigt, da nur ein Teil der Schmerzhaftigkeit Unfallfolge sei. Die Kyphose im Bereich des zwölften BWK sei nur verhältnismäßig gering und werde durch die unfallunabhängigen Keilformen der Nachbarwirbel verstärkt, sodass die jetzt bestehende Hohl-Rundrückenbildung nicht ausschließlich im Unfallzusammenhang gesehen werden könne. Eine eingeschränkte Kompensationsfähigkeit der unfallbedingten Verformung des fünften BWK sei in dieser Einschätzung bereits berücksichtigt, die Rentenliteratur nenne für den Kompressionsbruch eines einzelnen Wirbels eine Vergleichszahl von unter 10 v.H. Dr.S. gebe an, dass er seine Einschätzung auf den Beruf der Patientin bezogen habe. Die Einschätzung im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung müsse jedoch ausschließlich den allgemeinen Arbeitsmarkt und nicht den speziellen Beruf des Patienten berücksichtigen. Außerdem sei zu bemängeln, dass kein Achsenknick wegen Unfallfolgen von 37 Grad bestehe. Die röntgenologische Zusatzbegutachtung hat bezüglich der Bandscheiben keine krankhaften Befunde ergeben.
Die Beklagte beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 10.01.2001 aufzuheben und die Klage gegen die Bescheide vom 23.08. und 20.12.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2000 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts Augsburg in dem vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die von der Beklagten form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.
Die Berufung ist auch begründet. Die Entscheidung der Beklagten, der Klägerin wegen der Folgen des Unfalls vom 04.05.1993 keine weitere Verletztenrente zu gewähren, war rechtmäßig.
Die Entscheidung über den Rechtsstreit richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, weil der Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 eingetreten ist und zwar nach diesem Zeitpunkt erstmals über den Anspruch auf Rente entschieden wurde, es jedoch bei der Anwendung der Übergangsvorschrift des § 214 Abs.3 SGB VII für das Merkmal der erstmaligen Feststellung über den Anspruch auf eine Rente nicht auf den Feststellungszeitpunkt ankommt, sondern auf den Zeitpunkt des Beginns des materiell- rechtlichen Anspruchs (vgl. Ricke, KassKomm, § 214 SGB VII Rdnr.9; Lauterbach Kommentar zur Unfallversicherung § 214 Rdnr.10).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war die Erwerbsfähigkeit der Klägerin wegen der Folgen des Arbeitsunfalls über den 31.08.1993 hinaus nicht in dem nach § 581 Abs.1 Nr.2 RVO erforderlichen Umfang von wenigstens 1/5 gemindert. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Gutachten des Prof.Dr. S ... Das Gutachten hat eine endgültige Klärung der Verhältnisse erbracht und die die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts stützenden Annahmen des Dr.S. richtiggestellt sowie die Differenzen zwischen ihm und Dr.D. ausgeräumt. Nach der Erstellung neuester Röntgenaufnahmen und eines MRT der Brustwirbelsäule, das bereits der Sachverständige Dr.S. zur Klärung von Zweifeln angeregt hatte, steht nunmehr fest, dass die Verletzung am 5. Brustwirbelkörper zu keinem statisch wirksamen Achsenknick geführt hat und eine unfallbedingte Beeinträchtigung der Bandscheiben nicht vorliegt. Unter diesen Voraussetzungen hat der Sachverständige Prof.Dr.S. unter Bezugnahme auf die von ihm angegebene Rentenliteratur sowie unter Berücksichtigung der durch den nicht unfallbedingten Schaden an der Brustwirbelsäule gegebenen eingeschränkten Kompensationsfähigkeit die MdE mit 10 v.H. bewertet. Die bei der Klägerin wegen der Gesundheitsstörungen an der Wirbelsäule bestehenden Beschwerden und Funktionseinschränkungen dürfen nach dem Sachverständigen Dr.D. und Prof.Dr.S. nur zu einem Teil als unfallbedingt angesehen werden. Insoweit kann dem Sachverständigen Dr.S. , der alle Wirbelsäulenbeschwerden als Beleg für unfallbedingte Funktionseinschränkungen herangezogen hat, nicht gefolgt werden.
Die Berufung war deshalb begründet.
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass die Entscheidung der Beklagten im Ergebnis in vollem Umfang Bestand hatte.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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