Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 KR 8692/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 1937/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.01.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Kostenerstattung für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Schmerzklinik A ...
Der 1940 geborene Kläger ist als Rentner bei der Beklagten krankenversichert. Er ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 60.
Im Jahr 2008 absolvierte der Kläger eine dreimonatige stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Schmerzklinik A. zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (vom 22.07.2008 bis 25.10.2008). Im Entlassungsbericht sind als Hauptdiagnosen akuter Herpes Zoster und postzosterische Neuralgie, Lumboischialgie, chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp mit Irritation der perikraniellen Muskelgruppen, generalisiertes Zervikalsyndrom, Arthralgie nach Gelenkersatz rechter Großzeh, Chronifizierungsstadium Grad III (Mainzer Stadieneinteilung) genannt. Insgesamt habe sich ein zufriedenstellender Therapieverlauf gezeigt. Erschwerend sei während des stationären Aufenthalts ein Herpes Zoster mit Neuralgie aufgetreten. Auch hier habe sich jedoch eine deutliche Beschwerdebesserung ergeben. Eine Weiterführung der diesbezüglichen Therapiemaßnahmen werde empfohlen. Weiter werde eine intermittierende und bedarfsadaptierte Fortführung physiotherapeutischer Maßnahmen empfohlen. Vorrangig sollten jedoch die erlernten Übungen selbständig und regelmäßig weitergeführt werden. Die Medikation sollte fortgeführt werden. Bei erneuter Beschwerdeverstärkung bestünde Bereitschaft, den Kläger jederzeit wieder stationär aufzunehmen, insbesondere vor dem Hintergrund einer ansonsten zu befürchtenden weiteren Chronifizierung der Beschwerdesymptomatik mit konsekutiver Einschränkung des Bewegungsumfangs, der Eigenkompetenz sowie letztendlich auch der Lebensqualität. In der Therapieempfehlung an den behandelnden Arzt heißt es, eine weitere schmerztherapeutische Betreuung sei notwendig. Soweit im ambulanten Behandlungsbereich die Beschwerden nicht hinreichend gebessert werden könnten, wäre eine stationäre schmerztherapeutische Betreuung zur Beschwerdelinderung anzuraten.
Am 01.04.2009 reichte der Kläger bei der Beklagten die ärztliche Verordnung für eine erneute medizinische Rehabilitationsmaßnahme sowie u.a. ärztliche Atteste des Schmerztherapeuten P. und des Internisten Dr. B. ein. In der Verordnung, ausgestellt von Dr. B., werden als rehabilitationsrelevante Schädigungen massive Schmerzen durch Neuralgien des Herpes Zoster V 1 rechts sowie massive Myotendinosen im Nacken-Schulter- und im LWS-Bereich angegeben. Die erneute Rehabilitationsmaßnahme vor Ablauf der gesetzlichen Wartefrist von vier Jahren wird damit begründet, dass eine erhebliche Verschlimmerung des Krankheitsbildes durch Zosterneuralgien eingetreten sei. Es bestünde die Gefahr der weiteren Chronifizierung bei bereits bestehendem Schweregrad III des chronischen Schmerzsyndroms. Wesentliche Eigeninitiative des Klägers liege vor. Die Behandlung in der A.-Klinik habe zu einer nachhaltigen Besserung des Krankheitsbildes geführt. Die früheren ambulanten Behandlungsversuche über niedergelassene Schmerztherapeuten, neurologische Mitbehandlung, einschließlich umfangreicher antidepressiver Medikation und ambulanter Physiotherapie hätten keine nachhaltige Wirkung gezeigt. Der Schmerztherapeut P. bestätigte in seinem Attest vom 23.03.2009, dass die Therapien bislang nicht zu einer durchgreifenden Besserung geführt hätten. Im Attest vom 10.12.2008 empfiehlt Dr. B. eine erneute stationäre Behandlung.
Nach Befragung des MDK lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 09.04.2009 ab. Zwingende medizinische Gründe für eine erneute stationäre Rehabilitationsmaßnahme vor Ablauf der Wartefrist lägen nicht vor. Nach den vorliegenden Unterlagen seien weder ein neues Ereignis und noch eine massive Verschlechterung aufgetreten. Laut MDK werde dringend zu einer psychotherapeutischen Behandlung geraten.
Hiergegen legte der Kläger am 20.04.2009 Widerspruch ein. Zur Begründung ließ er vortragen, die letzte Maßnahme in der Klinik A. sei mehrfach verlängert worden. Der letzte Verlängerungsantrag sei von der Beklagten abgelehnt worden. Der Verlängerungsgrund, der aufgetretene Herpes Zoster, sei im damaligen MDK-Gutachten nicht erwähnt worden. Die einzige Behandlung des Herpes Zoster, die wirklich geholfen habe, sei in der Schmerzklinik erfolgt. Die Behandlung beim Schmerztherapeuten P. helfe nicht. Auch das Legen eines Schmerzkatheters habe keine Besserung gebracht. Eine Psychotherapie könne nicht helfen.
Die Beklagte holte daraufhin beim MDK ein sozialmedizinisches Gutachten ein. Im Gutachten von Dr. M.-J. vom 10.06.2009 wird ausgeführt, schon vor der letzten Rehabilitationsmaßnahme sei eine fachpsychiatrische Mitbehandlung empfohlen worden. Nun sei festzustellen, dass nach der dreimonatigen Rehabilitationsmaßnahme keine anhaltende Besserung eingetreten sei. Dieser Umstand lasse nicht erwarten, dass eine nochmalige Reha-Maßnahme nun einen durchschlagenden Effekt bringen könne. Unverändert sei der psychogene Anteil bislang therapeutisch nicht fokussiert worden. Die ambulante Schmerztherapie sei durch eine fachpsychiatrische Mitbetreuung bzw. Psychotherapie zu ergänzen. Bei in der Vergangenheit allenfalls kurzfristig eingetretenen Behandlungserfolgen bestehe kein ausreichendes Rehabilitationspotential, das eine Wiederholung der Maßnahme bereits nach 7 Monaten notwendig erscheinen lasse.
Der Kläger trug daraufhin ergänzend vor, ihm sei empfohlen worden, die intensive Schmerztherapie in den Vordergrund zu stellen. Aufgrund des Dauerschmerzes bestünden Konzentrationsschwierigkeiten, wodurch eine Gesprächstherapie erschwert werde. Kurzfristig würden physiotherapeutische Übungen, autogenes Training (mit Abstrichen wegen der Konzentrationsdefizite), ausgedehnte Spaziergänge, progressive Relaxation und Entspannungsübungen helfen. Die letzte Rehabilitationsmaßnahme sei durch den in der letzten Phase neu aufgetretenen Herpes Zoster erschwert gewesen. Wäre dies nicht der Fall gewesen, wäre die Maßnahme erfolgreich gewesen. Der Herpes Zoster könne zudem nur unter stationären Bedingungen behandelt werden.
In einem weiteren MDK-Gutachten (Dr. M.-J. vom 14.08.2009) wird daraufhin ausgeführt, eine ambulante Versorgung von Schmerzpatienten sei sichergestellt. Eine Bescheinigung des behandelnden Schmerztherapeuten, dass eine adäquate Behandlung im ambulanten Bereich nicht möglich sei, liege nicht vor. Darüber hinaus bestünde die Möglichkeit der Vorstellung in einer Schmerzambulanz einer Klinik, um hier ein therapeutisches Gesamtkonzept mit psychiatrischer/psychotherapeutischer Mitbehandlung zu verwirklichen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.2009 wies die Beklagte sodann den Widerspruch zurück. Die Voraussetzungen für eine vorzeitige Rehabilitationsmaßnahme lägen nicht vor. Eine solche Maßnahme sei nicht dringend erforderlich. Dies ergebe sich aus den MDK-Gutachten. Es sei empfohlen worden, die ambulante Schmerztherapie fortzusetzen und durch eine fachpsychiatrische Mitbetreuung bzw. Psychotherapie zu ergänzen. Außerdem habe der Gutachter die Vorstellung in der Schmerzambulanz einer Klinik empfohlen, sofern die Interventionen des behandelnden Schmerztherapeuten als unzureichend angesehen würden.
Am 21.12.2009 hat der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und zur Begründung ausführen lassen, die während der Rehabilitationsmaßnahme durchgeführte tägliche Nervenblockade werde in der ambulanten Schmerztherapie nicht bezahlt. Nur diese Therapie habe dem Kläger aber geholfen und auf die Herpes-Zoster-Erkrankung eingewirkt. Bis Januar 2009 sei er bei dem Schmerztherapeuten Dr. F. in Behandlung gewesen. Zwischen Februar 2009 und Mai 2009 sei er insgesamt 19 Mal bei Dr. P. schmerztherapeutisch behandelt worden. Nach Aussage von Dr. P. hätten die Therapien nicht zu einer durchgreifenden Besserung geführt. Im Anschluss habe der Kläger eine achtwöchige, selbst finanzierte Kur in U. durchgeführt. Mittlerweile befinde er sich in Behandlung bei einem Nervenarzt. Außerdem habe er die Schmerzambulanz in Sch. aufgesucht.
Vom 18.01.2010 bis 21.02.2010 absolvierte der Kläger die begehrte stationäre Rehabilitationsmaßnahe in der Schmerzklinik A ... Die Klinik stellte dem Kläger hierfür insgesamt 3.924,28 EUR in Rechnung. Ausweislich des vom Kläger vorgelegten Abschlussberichts vom 01.03.2010 wurde eine intensive therapeutische Lokalanästhesie (TLA) in Form von seriellen Blockaden der das Kranium versorgenden Nerven und der paravertebralen Muskulatur im Bereich von HWS und LWS 2mal täglich durchgeführt, die Herpes-Zoster-Läsionen habe man 1-2mal täglich, auch an den Wochenenden, unterspritzt. Auch habe eine schmerztherapieorientierte Psychotherapie in Gruppen und Einzelsitzungen stattgefunden.
Das SG hat die Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen befragt.
Dr. H., Neurologe und Psychiater, gab im März 2010 an, der Kläger befinde sich seit November 2009 in seiner Behandlung. Seither sei er drei Mal in seiner Sprechstunde gewesen. Er habe eine Somatisierungsstörung mit chronischem Schmerzsyndrom und eine psychovegetative Störung festgestellt. Es bestünde der Verdacht eines abhängigen Medikamentengebrauchs. Bei den Vorstellungen im Dezember 2009 und Januar 2010 habe sich jeweils eine Linderung der Schmerzen gezeigt. Zugleich seien jedoch unerträgliche Nebenwirkungen aufgetreten, die zu einem Absetzen des Medikaments gezwungen hätten. Eine vorzeitige stationäre Rehabilitationsmaßnahme sei erforderlich gewesen, da die vielfältigen ambulanten Behandlungsversuche ohne Effekt geblieben seien oder wegen gravierender Nebenwirkungen hätten abgebrochen werden müssen. Als einzige erfolgversprechende Maßnahme habe nur noch die stationäre interdisziplinäre Schmerzbehandlung zur Verfügung gestanden.
Dr. B., Anästhesist der Schmerzklink A., gab im April 2010 an, nachdem die ambulant möglichen Therapiemaßnahmen am Wohnort des Klägers von schmerztherapeutischer Seite ausgeschöpft gewesen seien, sei eine stationäre spezielle Schmerztherapiemaßnahme unumgänglich gewesen. Es seien eine intensive hochfrequente, zwei Mal tägliche therapeutische Lokalanästhesie und ein intensives physikalisches Therapieprogramm durchgeführt worden. Bei Abwarten bis zum Ablauf von vier Jahren wäre einerseits eine absolut vermeidbare Chronifizierung der vorliegenden Beschwerdesymptomatik eingetreten und andererseits eine ebenso vermeidbare Schmerzverstärkung. Auch der Entwicklung einer depressiven Verstimmung wäre Vorschub geleistet worden. Die Verlängerung der Maßnahme über die Zeit von drei Wochen hinaus sei notwendig geworden, um die sich bereits auf gutem Wege befindlichen Therapiemaßnahmen zu einem möglichst optimalen Ende zu führen. Letztendlich bestätige die erzielte Beschwerdebesserung die erforderliche Notwendigkeit einer Verlängerung.
Dr. B., Internist, teilte im April 2010 mit, Anfang 2010 hätten weiterhin massive postzosterische Neuralgien im Kopfbereich bestanden. Unverändert habe der Kläger zudem über die bekannten Beschwerden im Wirbelsäulenbereich geklagt. Eine ambulante Behandlung oder eine ambulante Rehabilitation im Wohnort des Klägers sei nicht ausreichend gewesen. Zahlreiche Therapieversuche seien unternommen worden. Die stationäre Behandlung in der A.-Klinik im Jahr 2008 habe dagegen zu einer wesentlichen Besserung geführt. Hätte der Kläger bis zum Ablauf von vier Jahren gewartet, wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit eine weitere Chronifizierung des Schmerzsyndroms eingetreten.
Der Orthopäde Dr. K. gab im Mai 2010 an, dass sich der Kläger von April bis November 2009 in seiner Behandlung befunden habe. Ob eine vorzeitige Rehabilitationsmaßnahme erforderlich gewesen sei, könne er nicht beurteilen. Bei postzosterischen Neuralgien seien ambulante Rehabilitationsmaßnahmen kontraindiziert. Erfahrungsgemäß würden Reha-Einrichtungen die Patienten sofort wieder in die akute ambulante Behandlung entlassen. Die ambulante Behandlung sei möglich, aber uneffektiver als eine stationäre Behandlung in einer speziellen Schmerzklinik, wie der A.-Klinik. Eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme sei im Januar 2010 dringend erforderlich gewesen. Ob eine vorzeitige Reha-Maßnahme vor Ablauf von vier Jahren seit 2008 erforderlich gewesen sei, könne er nicht einschätzen, da er den Kläger zuletzt im November 2009 gesehen habe.
Dr. E., Urologe des Klägers, gab im Juni 2010 an, dass aus urologischer Sicht keine Rehabilitationsmaßnahme erforderlich gewesen sei.
Für den MDK hat Dr. M.-J. unter dem 14.07.2010 zu den eingeholten Arztauskünften Stellung genommen. Die Notwendigkeit der selbstbeschafften Rehabilitationsmaßnahme könne nicht bestätigt werden. Es sei zwar ein Behandlungserfolg zu verzeichnen. Dieser hätte aber ebenso durch andere und sozialmedizinisch vorrangige Maßnahmen (Behandlung in der Schmerzambulanz einer Klinik, Einleitung einer ambulanten Psychotherapie bei diagnostisch vom behandelnden Facharzt bestätigter Somatisierungsstörung mit chronischem Schmerzsyndrom und psychovegetativen Störungen) erreicht werden können.
Der Kläger hat daraufhin ausführen lassen, die täglichen Nervenblockaden, die bei der Reha-Maßnahme durchgeführt worden seien, seien das einzige wirksame Mittel bei Herpes Zoster. Ambulant könnten die Nervenblockaden nur zwei Mal wöchentlich injiziert werden. Nach Angaben der Ärzte sei eine tägliche Injektion im ambulanten Bereich finanziell nicht mehr möglich. In der mündlichen Verhandlung beim SG hat der Kläger auf Befragung des Gerichts u.a. angegeben, dass er seit ca. 10 Jahren physikalische Therapie mache. Vor der Rehabilitation habe er ein Mal die Psychotherapeutin K. aufgesucht. Sie habe ihm gesagt, dass eine Therapie wegen des Tinnitus keinen Sinn mache. Er habe auch ein Mal die Sprechstunde in der Schmerzambulanz der R.-M.-Klinik aufgesucht. Dort werde aber keine Neuraltherapie angeboten. Außerdem gebe es dort Wartezeiten von drei bis vier Monaten. Er habe sich dann beim Schmerztherapeuten Dr. W. angemeldet. Dort sei er seit Juni 2011 in Behandlung.
Mit Urteil vom 17.01.2012 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme. Der Kläger habe die Wartezeit von vier Jahren seit der letzten Rehabilitationsmaßnahme nicht eingehalten. Dringende medizinische Gründe hätten hierfür nicht vorgelegen. Zwar habe die Kammer keinen Zweifel daran, dass die Erkrankungen des Klägers, insbesondere die chronische Schmerzerkrankung und die Neuralgien, behandlungsbedürftig gewesen seien. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme sei die Kammer jedoch davon überzeugt, dass zur Behandlung dieser Gesundheitsstörungen eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme nicht dringend erforderlich gewesen sei. Denn der Kläger habe die Möglichkeiten einer ambulanten Behandlung nicht ausgeschöpft. Dies ergebe sich aus den Gutachten des MDK und den Zeugenaussagen der Ärzte. Die für die Erkrankungen des Klägers gegebenen ambulanten Behandlungsmöglichkeiten habe er überwiegend nicht ausgeschöpft. Er habe sich in erster Linie in regelmäßiger hausärztlicher Behandlung befunden. In größeren Abständen habe er seinen Orthopäden aufgesucht. Eine psychiatrische Behandlung habe er erst im November 2009 aufgenommen und lediglich dreimalig durchgeführt, obwohl nach der Zeugenaussage des Psychiaters eine Schmerzlinderung eingetreten sei. Außerdem habe der Kläger vor der Rehabilitationsmaßnahme eine regelmäßige schmerztherapeutische Behandlung nicht wahrgenommen, weil er auf der Suche nach einem neuen Therapeuten gewesen sei. Eine Psychotherapie sei angezeigt gewesen, habe der Kläger aber nicht begonnen. Nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie über die Therapie neuropathischer Schmerzen sei die Psychotherapie ein zentraler Bestandteil der multimodalen Therapie chronischer neuropathischer Schmerzen. Die Einlassung des Klägers, eine Psychotherapie könne aufgrund des Tinnitus nicht durchgeführt werden, sei für die Kammer vor dem Hintergrund einer möglichen Einzeltherapie nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der Kläger keine kontinuierliche Behandlung in der schmerztherapeutischen Ambulanz eines Krankenhauses durchgeführt habe. Solche klinischen Ambulanzen seien für den Kläger erreichbar (z.B. K.-O.-Krankenhaus St., Universitätsklinikum T.). Dort könne ein umfassendes mehrdimensionales Schmerztherapieprogramm auch ambulant durchgeführt werden. Aus Sicht der Kammer sei ein solches Therapieprogramm aufgrund des Verdachts auf einen abhängigen Medikamentengebrauch dringend erforderlich gewesen. Der Kläger habe damit die ambulanten Behandlungsoptionen nicht ausgeschöpft. Allein der Umstand, dass die behandelnden Ärzte eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme befürworteten, könne die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme nicht begründen. Dies entbinde nicht vom Versuch, ambulante Maßnahmen in Wohnortnähe zunächst umfassend auszuschöpfen. Dies gelte erst Recht im Falle einer vorzeitigen Inanspruchnahme einer Rehabilitationsmaßnahme. Auch wenn die Herpes-Zoster-Erkrankung während der Reha-Maßnahme im Jahr 2008 erstmals aufgetreten sein sollte, ergebe sich daraus nicht die Notwendigkeit einer vorzeitigen Wiederholung der Rehabilitation, solange noch ambulante Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden.
Am 09.05.2012 hat der Kläger gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 13.04.2012 zugestellte Urteil Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Zur Begründung hat er vortragen lassen, eine Psychotherapie sei bei Entlassung aus der Rehabilitation im Jahr 2008 nicht empfohlen worden. Die Beklagte stelle immer weitere Anforderungen. Dem Schreiben vom 23.06.2009 sei zu entnehmen, dass die momentan laufende Therapie durch eine fachpsychiatrische Mitbetreuung/Psychotherapie zu ergänzen sei. Im Schreiben vom 25.08.2009 würden keine konkreten Therapiemöglichkeiten aufgezeigt. Erst im Widerspruchsbescheid vom 20.11.2009 werde auf eine Vorstellung in der Schmerzambulanz einer Klinik hingewiesen. Bei der Maßnahme im Jahr 2008 hätten chronische Kopfschmerzen, Rückenschmerzen und Schulterschmerzen im Vordergrund gestanden. Die Rehabilitation im Jahr 2010 sei wegen postzosterischer Neuralgien erfolgt. In der vom SG genannten Leitlinie würden in erster Linie medikamentöse Therapien genannt, die beim Kläger durchgeführt worden seien. Im Rahmen der nichtmedikamentösen Therapien würde auf interventionelle Verfahren, TENS, SCS, psychotherapeutische Intervention, physikalische Therapie und Ergotherapie sowie neurochirurgische Verfahren – als ultima ratio – hingewiesen. Der Kläger habe sich ein TENS-Gerät beschafft und angewendet. Eine psychotherapeutische Intervention sei von den Ärzten der Schmerzklinik A. im Jahr 2008 nicht für erforderlich gehalten worden. Ohne dementsprechende Hinweise habe der Kläger nicht davon ausgehen müssen, dass derartige Maßnahmen in Anspruch genommen werden müssten. Auch auf eine Behandlung in einer Schmerzambulanz sei er von seinen Ärzten nicht hingewiesen worden. Zudem wären die von der Reha-Klinik zwei Mal täglich durchgeführten Unterspritzungen der Herpes-Zoster-Läsionen im ambulanten Setting nicht möglich gewesen. Derartige Therapien würden von den schmerztherapeutischen Ambulanzen der Krankenhäuser auch nicht angeboten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.01.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 09.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten der vom 18.01.2010 bis 21.02.2010 in der Schmerzklinik am A. durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme in Höhe von insgesamt 3.924,28 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat sie im Wesentlichen auf ihren bisherigen Vortrag und die Entscheidungsgründe des SG verwiesen.
Ergänzend wurde das MDK-Gutachten von Dr. M.-J. vom 09.09.2013 vorgelegt. Danach wäre im Rahmen einer Behandlung in einer Schmerzambulanz einer Klinik ein umfassendes Therapiekonzept zu realisieren gewesen. Auch die Versorgung an den Wochenenden sei im ambulanten Rahmen nicht insuffizient. Im Einzelfall wäre die Vorstellung in der Notfallambulanz einer Akutklinik möglich gewesen, wenn es am Wochenende zu einer Exazerbation einer Schmerzsymptomatik gekommen wäre. Naturgemäß biete ein ambulantes Behandlungssetting nicht die Möglichkeiten, wie sie im stationären Rahmen vorgehalten werden. Es sei jedoch die notwendige und hinreichende medizinische Versorgungform zu wählen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 09.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der vom 18.01.2010 bis 21.02.2010 in der Schmerzklinik am A. durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch ist § 13 Abs. 3 S. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX). Danach ist der Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gegenüber dem Leistungsberechtigten zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder die Leistung zu Unrecht abgelehnt und der Leistungsberechtigte sie selbst beschafft hat. Der Kostenerstattungsanspruch reicht dabei nicht weiter als der Sachleistungsanspruch. Rechtsgrundlage für den Sachleistungsanspruch ist § 40 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 11 Abs. 2 SGB V. Danach gewährt die Krankenkasse zur Behandlung einer Krankheit oder um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern, eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme, wenn weder eine ambulante Krankenbehandlung noch eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme ausreicht. § 40 Abs. 1 SGB V macht den Anspruch auf ambulante Rehabilitationsleistungen davon abhängig, dass ambulante Krankenbehandlung nicht ausreicht; nach § 40 Abs. 2 SGB V setzt der Anspruch auf stationäre Rehabilitation voraus, dass eine ambulante Leistung nach § 40 Abs. 1 SGB V nicht ausreicht. Nach § 40 Abs. 3 Satz 4 SGB V können Leistungen nach den Abs. 1 und 2 nicht vor Ablauf von vier Jahren nach Durchführung solcher oder ähnlicher Leistungen erbracht werden, deren Kosten aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragen oder bezuschusst worden sind, es sei denn, eine vorzeitige Leistung ist aus medizinischen Gründen dringend erforderlich. Grundsätzlich dürfen mithin ambulante bzw. stationäre Reha-Maßnahmen nicht vor Ablauf von vier Jahren wiederholt werden. Eine Ausnahme von diesem Leistungsintervall ist ausschließlich bei dringender Erforderlichkeit aus medizinischen Gründen zulässig. Das ist der Fall, wenn andernfalls die unmittelbare Gefahr erheblicher gesundheitlicher Nachteile besteht, eine erneute Gewährung ambulanter oder stationärer Reha-Maßnahmen also unaufschiebbar ist (vgl. Noftz in Hauck/Haines, SGB V § 40 Rn. 62, 64). Die Frist beginnt mit dem auf die (frühere) Entlassung aus der Maßnahme folgenden Tag und endet mit Ablauf des diesem entsprechenden Tages (§ 26 Abs. 1 SGB X, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Dies bedeutet vorliegend angesichts der bereits vom 22.07.2008 bis 25.10.2008 von der Beklagten gewährten Reha-Maßnahme, dass vor dem 26.10.2012 nur im genannten Ausnahmefall stationäre Reha-Maßnahmen erbracht werden durften.
Der Senat vermochte sich in Würdigung der aktenkundigen Befunde und ärztlichen Äußerungen nicht davon zu überzeugen, dass beim Kläger stationäre Reha-Leistungen unaufschiebbar waren, d.h. andernfalls die unmittelbare Gefahr erheblicher gesundheitlicher Nachteile bestand. Es ist schon nicht belegt, dass die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden und diese nicht ausreichend waren. Der Senat schließt sich der Beweiswürdigung des SG an und nimmt auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist ergänzend auszuführen:
Mit seinem Argument, er sei auf alternative ambulante Therapiemöglichkeiten nicht hingewiesen worden, kann der Kläger nicht durchdringen. Bereits im Ausgangsbescheid vom 09.04.2009 hat die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass keine Notwendigkeit für eine vorzeitige Reha-Maßnahme bestünde und den Kläger unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des MDK auf eine psychotherapeutische Behandlung verwiesen. Im Widerspruchsbescheid vom 20.11.2009 wiederholte die Beklagte ihre Ausführungen und zeigte dem Kläger Behandlungsoptionen in Form einer ambulanten Schmerztherapie mit fachpsychiatrischer Mitbetreuung bzw. Psychotherapie sowie die Vorstellung in der Schmerzambulanz einer Klinik auf. Beide Bescheide erreichten den Kläger hinreichend lange Zeit vor dem Antritt der streitgegenständlichen Reha-Maßnahme im Januar 2010.
Soweit der Kläger auf die vom SG zitierte Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie über die Therapie neuropathischer Schmerzen (2008) hinweist, ist zwar zutreffend, dass dort vorrangig medikamentöse Therapien diskutiert werden. Die Psychotherapie wird jedoch ebenfalls aufgeführt und als "zentraler Bestandteil" einer multimodalen Therapie chronischer neuropathischer Schmerzen benannt. Darüber hinaus ist nicht erkennbar, dass hinsichtlich der neuropatischen Schmerzen, die nach den eigenen Angaben des Klägers Anlass für die Reha-Maßnahme im Jahr 2010 waren, sämtliche (ambulant durchführbare) medikamentöse Therapieoptionen beim Kläger (ggf. versuchsweise) ausgeschöpft waren. Nach Angaben der Reha-Klinik trat die Akuterkrankung Herpes Zoster während des Aufenthalts im Jahr 2008 auf. Zurückgeblieben sind sog. postzosterische Neuralgien. Nach der Rehabilitation befand sich der Kläger nach seinen eigenen Angaben aber nur noch bis Mai 2009 in Behandlung bei einem Schmerztherapeuten, zunächst bei Dr. F. sodann bei Dr. P ... Unmittelbar vor der streitgegenständlichen Maßnahme fand keine schmerztherapeutische Behandlung mehr statt. Den Psychiater Dr. H. suchte der Kläger erstmals im November 2009 und insgesamt nur drei Mal auf. Auch seinen Orthopäden suchte der Kläger nur in größeren Abständen auf, zuletzt im November 2009. Im Wesentlichen befand er sich in hausärztlicher Behandlung. Ein Ausschöpfen der ambulanten Therapieoptionen bezogen auf die postzosterischen Neuralgien kann vor diesem Hintergrund nicht angenommen werden.
Ob die von der Reha-Einrichtung angewandte interventionelle Therapie möglicherweise nicht (oder jedenfalls nicht in dem Umfang) im ambulanten Behandlungsbereich möglich gewesen wäre, kann offen bleiben. Allein entscheidend ist, dass es anerkannte ambulante Therapieoptionen gab, die vor einer vorzeitigen Rehabilitationsmaßahme ausgeschöpft sein mussten. Dass es solche Optionen gab, hat der MDK in seinen Gutachten für den Senat schlüssig und nachvollziehbar dargelegt. Der Kläger kann deshalb auch nicht mit seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung beim SG durchdringen, wonach die von ihm einmalig aufgesuchte Schmerzambulanz angegeben haben soll, die von der Reha-Klinik beim ersten Aufenthalt angewandte Therapiemethode werde nicht angeboten. Dem Kläger war es zumutbar, zunächst andere, ambulant angebotene Therapien in Anspruch zu nehmen. Ihm war es außerdem zumutbar, sich auf die vorgetragene Wartezeit von drei Monaten einzulassen, nachdem er sich seit Mai 2009 ohnehin nicht (mehr) in schmerztherapeutischer Behandlung befand.
Die Aussagen der behandelnden Ärzte überzeugen den Senat vor diesem Hintergrund nicht. Der Nervenarzt Dr. H. hatte den Kläger lediglich dreimalig gesehen und zwei Medikamente ausgetestet, die zwar zu einer Linderung der Schmerzen aber zu unerträglichen Nebenwirkungen führten. Er schließt aus den "vielfältigen vorangegangenen ambulanten Behandlungsversuchen", dass eine erneute Reha-Maßnahme dringend erforderlich gewesen sei. In Bezug auf die neuropathischen Schmerzen waren die ambulanten Therapieoptionen jedoch noch nicht ausgeschöpft. Insoweit unterliegt auch Dr. B. von der A.-Klinik einer Fehleinschätzung. Es kann entgegen Dr. B. auch nicht davon ausgegangen werden, dass allein stationäre Maßnahmen erfolgversprechend waren, nachdem nicht einmal ambulante Therapien in nennenswertem Umfang vor der streitgegenständlichen Maßnahme stattfanden. Der Verweis auf die in der Vergangenheit, vor der Reha-Maßnahme im Jahr 2008, stattgehabten Therapieversuche verbietet sich, da die (für die streitgegenständliche Maßnahme maßgeblichen) neuropatischen Schmerzen erst in Folge der Herpes Zoster Erkrankung im Jahr 2008 aufgetreten waren. Die Aussage des Orthopäden des Klägers, Dr. K., ist schließlich nicht schlüssig und in sich widersprüchlich. Einerseits erklärt er, die stationäre Maßnahme sei dringend erforderlich gewesen, andererseits lehnt er es ab einzuschätzen, ob eine vorzeitige Rehabilitation erforderlich war, weil der Kläger zuletzt im November 2009 bei ihm in Behandlung gewesen sei. Im Übrigen liefert er auch keine Begründung für die angenommene Dringlichkeit. Insgesamt überzeugen die Aussagen der behandelnden Ärzte den Senat daher nicht.
Die Berufung des Klägers hat somit keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Kostenerstattung für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Schmerzklinik A ...
Der 1940 geborene Kläger ist als Rentner bei der Beklagten krankenversichert. Er ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 60.
Im Jahr 2008 absolvierte der Kläger eine dreimonatige stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Schmerzklinik A. zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (vom 22.07.2008 bis 25.10.2008). Im Entlassungsbericht sind als Hauptdiagnosen akuter Herpes Zoster und postzosterische Neuralgie, Lumboischialgie, chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp mit Irritation der perikraniellen Muskelgruppen, generalisiertes Zervikalsyndrom, Arthralgie nach Gelenkersatz rechter Großzeh, Chronifizierungsstadium Grad III (Mainzer Stadieneinteilung) genannt. Insgesamt habe sich ein zufriedenstellender Therapieverlauf gezeigt. Erschwerend sei während des stationären Aufenthalts ein Herpes Zoster mit Neuralgie aufgetreten. Auch hier habe sich jedoch eine deutliche Beschwerdebesserung ergeben. Eine Weiterführung der diesbezüglichen Therapiemaßnahmen werde empfohlen. Weiter werde eine intermittierende und bedarfsadaptierte Fortführung physiotherapeutischer Maßnahmen empfohlen. Vorrangig sollten jedoch die erlernten Übungen selbständig und regelmäßig weitergeführt werden. Die Medikation sollte fortgeführt werden. Bei erneuter Beschwerdeverstärkung bestünde Bereitschaft, den Kläger jederzeit wieder stationär aufzunehmen, insbesondere vor dem Hintergrund einer ansonsten zu befürchtenden weiteren Chronifizierung der Beschwerdesymptomatik mit konsekutiver Einschränkung des Bewegungsumfangs, der Eigenkompetenz sowie letztendlich auch der Lebensqualität. In der Therapieempfehlung an den behandelnden Arzt heißt es, eine weitere schmerztherapeutische Betreuung sei notwendig. Soweit im ambulanten Behandlungsbereich die Beschwerden nicht hinreichend gebessert werden könnten, wäre eine stationäre schmerztherapeutische Betreuung zur Beschwerdelinderung anzuraten.
Am 01.04.2009 reichte der Kläger bei der Beklagten die ärztliche Verordnung für eine erneute medizinische Rehabilitationsmaßnahme sowie u.a. ärztliche Atteste des Schmerztherapeuten P. und des Internisten Dr. B. ein. In der Verordnung, ausgestellt von Dr. B., werden als rehabilitationsrelevante Schädigungen massive Schmerzen durch Neuralgien des Herpes Zoster V 1 rechts sowie massive Myotendinosen im Nacken-Schulter- und im LWS-Bereich angegeben. Die erneute Rehabilitationsmaßnahme vor Ablauf der gesetzlichen Wartefrist von vier Jahren wird damit begründet, dass eine erhebliche Verschlimmerung des Krankheitsbildes durch Zosterneuralgien eingetreten sei. Es bestünde die Gefahr der weiteren Chronifizierung bei bereits bestehendem Schweregrad III des chronischen Schmerzsyndroms. Wesentliche Eigeninitiative des Klägers liege vor. Die Behandlung in der A.-Klinik habe zu einer nachhaltigen Besserung des Krankheitsbildes geführt. Die früheren ambulanten Behandlungsversuche über niedergelassene Schmerztherapeuten, neurologische Mitbehandlung, einschließlich umfangreicher antidepressiver Medikation und ambulanter Physiotherapie hätten keine nachhaltige Wirkung gezeigt. Der Schmerztherapeut P. bestätigte in seinem Attest vom 23.03.2009, dass die Therapien bislang nicht zu einer durchgreifenden Besserung geführt hätten. Im Attest vom 10.12.2008 empfiehlt Dr. B. eine erneute stationäre Behandlung.
Nach Befragung des MDK lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 09.04.2009 ab. Zwingende medizinische Gründe für eine erneute stationäre Rehabilitationsmaßnahme vor Ablauf der Wartefrist lägen nicht vor. Nach den vorliegenden Unterlagen seien weder ein neues Ereignis und noch eine massive Verschlechterung aufgetreten. Laut MDK werde dringend zu einer psychotherapeutischen Behandlung geraten.
Hiergegen legte der Kläger am 20.04.2009 Widerspruch ein. Zur Begründung ließ er vortragen, die letzte Maßnahme in der Klinik A. sei mehrfach verlängert worden. Der letzte Verlängerungsantrag sei von der Beklagten abgelehnt worden. Der Verlängerungsgrund, der aufgetretene Herpes Zoster, sei im damaligen MDK-Gutachten nicht erwähnt worden. Die einzige Behandlung des Herpes Zoster, die wirklich geholfen habe, sei in der Schmerzklinik erfolgt. Die Behandlung beim Schmerztherapeuten P. helfe nicht. Auch das Legen eines Schmerzkatheters habe keine Besserung gebracht. Eine Psychotherapie könne nicht helfen.
Die Beklagte holte daraufhin beim MDK ein sozialmedizinisches Gutachten ein. Im Gutachten von Dr. M.-J. vom 10.06.2009 wird ausgeführt, schon vor der letzten Rehabilitationsmaßnahme sei eine fachpsychiatrische Mitbehandlung empfohlen worden. Nun sei festzustellen, dass nach der dreimonatigen Rehabilitationsmaßnahme keine anhaltende Besserung eingetreten sei. Dieser Umstand lasse nicht erwarten, dass eine nochmalige Reha-Maßnahme nun einen durchschlagenden Effekt bringen könne. Unverändert sei der psychogene Anteil bislang therapeutisch nicht fokussiert worden. Die ambulante Schmerztherapie sei durch eine fachpsychiatrische Mitbetreuung bzw. Psychotherapie zu ergänzen. Bei in der Vergangenheit allenfalls kurzfristig eingetretenen Behandlungserfolgen bestehe kein ausreichendes Rehabilitationspotential, das eine Wiederholung der Maßnahme bereits nach 7 Monaten notwendig erscheinen lasse.
Der Kläger trug daraufhin ergänzend vor, ihm sei empfohlen worden, die intensive Schmerztherapie in den Vordergrund zu stellen. Aufgrund des Dauerschmerzes bestünden Konzentrationsschwierigkeiten, wodurch eine Gesprächstherapie erschwert werde. Kurzfristig würden physiotherapeutische Übungen, autogenes Training (mit Abstrichen wegen der Konzentrationsdefizite), ausgedehnte Spaziergänge, progressive Relaxation und Entspannungsübungen helfen. Die letzte Rehabilitationsmaßnahme sei durch den in der letzten Phase neu aufgetretenen Herpes Zoster erschwert gewesen. Wäre dies nicht der Fall gewesen, wäre die Maßnahme erfolgreich gewesen. Der Herpes Zoster könne zudem nur unter stationären Bedingungen behandelt werden.
In einem weiteren MDK-Gutachten (Dr. M.-J. vom 14.08.2009) wird daraufhin ausgeführt, eine ambulante Versorgung von Schmerzpatienten sei sichergestellt. Eine Bescheinigung des behandelnden Schmerztherapeuten, dass eine adäquate Behandlung im ambulanten Bereich nicht möglich sei, liege nicht vor. Darüber hinaus bestünde die Möglichkeit der Vorstellung in einer Schmerzambulanz einer Klinik, um hier ein therapeutisches Gesamtkonzept mit psychiatrischer/psychotherapeutischer Mitbehandlung zu verwirklichen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.2009 wies die Beklagte sodann den Widerspruch zurück. Die Voraussetzungen für eine vorzeitige Rehabilitationsmaßnahme lägen nicht vor. Eine solche Maßnahme sei nicht dringend erforderlich. Dies ergebe sich aus den MDK-Gutachten. Es sei empfohlen worden, die ambulante Schmerztherapie fortzusetzen und durch eine fachpsychiatrische Mitbetreuung bzw. Psychotherapie zu ergänzen. Außerdem habe der Gutachter die Vorstellung in der Schmerzambulanz einer Klinik empfohlen, sofern die Interventionen des behandelnden Schmerztherapeuten als unzureichend angesehen würden.
Am 21.12.2009 hat der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und zur Begründung ausführen lassen, die während der Rehabilitationsmaßnahme durchgeführte tägliche Nervenblockade werde in der ambulanten Schmerztherapie nicht bezahlt. Nur diese Therapie habe dem Kläger aber geholfen und auf die Herpes-Zoster-Erkrankung eingewirkt. Bis Januar 2009 sei er bei dem Schmerztherapeuten Dr. F. in Behandlung gewesen. Zwischen Februar 2009 und Mai 2009 sei er insgesamt 19 Mal bei Dr. P. schmerztherapeutisch behandelt worden. Nach Aussage von Dr. P. hätten die Therapien nicht zu einer durchgreifenden Besserung geführt. Im Anschluss habe der Kläger eine achtwöchige, selbst finanzierte Kur in U. durchgeführt. Mittlerweile befinde er sich in Behandlung bei einem Nervenarzt. Außerdem habe er die Schmerzambulanz in Sch. aufgesucht.
Vom 18.01.2010 bis 21.02.2010 absolvierte der Kläger die begehrte stationäre Rehabilitationsmaßnahe in der Schmerzklinik A ... Die Klinik stellte dem Kläger hierfür insgesamt 3.924,28 EUR in Rechnung. Ausweislich des vom Kläger vorgelegten Abschlussberichts vom 01.03.2010 wurde eine intensive therapeutische Lokalanästhesie (TLA) in Form von seriellen Blockaden der das Kranium versorgenden Nerven und der paravertebralen Muskulatur im Bereich von HWS und LWS 2mal täglich durchgeführt, die Herpes-Zoster-Läsionen habe man 1-2mal täglich, auch an den Wochenenden, unterspritzt. Auch habe eine schmerztherapieorientierte Psychotherapie in Gruppen und Einzelsitzungen stattgefunden.
Das SG hat die Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen befragt.
Dr. H., Neurologe und Psychiater, gab im März 2010 an, der Kläger befinde sich seit November 2009 in seiner Behandlung. Seither sei er drei Mal in seiner Sprechstunde gewesen. Er habe eine Somatisierungsstörung mit chronischem Schmerzsyndrom und eine psychovegetative Störung festgestellt. Es bestünde der Verdacht eines abhängigen Medikamentengebrauchs. Bei den Vorstellungen im Dezember 2009 und Januar 2010 habe sich jeweils eine Linderung der Schmerzen gezeigt. Zugleich seien jedoch unerträgliche Nebenwirkungen aufgetreten, die zu einem Absetzen des Medikaments gezwungen hätten. Eine vorzeitige stationäre Rehabilitationsmaßnahme sei erforderlich gewesen, da die vielfältigen ambulanten Behandlungsversuche ohne Effekt geblieben seien oder wegen gravierender Nebenwirkungen hätten abgebrochen werden müssen. Als einzige erfolgversprechende Maßnahme habe nur noch die stationäre interdisziplinäre Schmerzbehandlung zur Verfügung gestanden.
Dr. B., Anästhesist der Schmerzklink A., gab im April 2010 an, nachdem die ambulant möglichen Therapiemaßnahmen am Wohnort des Klägers von schmerztherapeutischer Seite ausgeschöpft gewesen seien, sei eine stationäre spezielle Schmerztherapiemaßnahme unumgänglich gewesen. Es seien eine intensive hochfrequente, zwei Mal tägliche therapeutische Lokalanästhesie und ein intensives physikalisches Therapieprogramm durchgeführt worden. Bei Abwarten bis zum Ablauf von vier Jahren wäre einerseits eine absolut vermeidbare Chronifizierung der vorliegenden Beschwerdesymptomatik eingetreten und andererseits eine ebenso vermeidbare Schmerzverstärkung. Auch der Entwicklung einer depressiven Verstimmung wäre Vorschub geleistet worden. Die Verlängerung der Maßnahme über die Zeit von drei Wochen hinaus sei notwendig geworden, um die sich bereits auf gutem Wege befindlichen Therapiemaßnahmen zu einem möglichst optimalen Ende zu führen. Letztendlich bestätige die erzielte Beschwerdebesserung die erforderliche Notwendigkeit einer Verlängerung.
Dr. B., Internist, teilte im April 2010 mit, Anfang 2010 hätten weiterhin massive postzosterische Neuralgien im Kopfbereich bestanden. Unverändert habe der Kläger zudem über die bekannten Beschwerden im Wirbelsäulenbereich geklagt. Eine ambulante Behandlung oder eine ambulante Rehabilitation im Wohnort des Klägers sei nicht ausreichend gewesen. Zahlreiche Therapieversuche seien unternommen worden. Die stationäre Behandlung in der A.-Klinik im Jahr 2008 habe dagegen zu einer wesentlichen Besserung geführt. Hätte der Kläger bis zum Ablauf von vier Jahren gewartet, wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit eine weitere Chronifizierung des Schmerzsyndroms eingetreten.
Der Orthopäde Dr. K. gab im Mai 2010 an, dass sich der Kläger von April bis November 2009 in seiner Behandlung befunden habe. Ob eine vorzeitige Rehabilitationsmaßnahme erforderlich gewesen sei, könne er nicht beurteilen. Bei postzosterischen Neuralgien seien ambulante Rehabilitationsmaßnahmen kontraindiziert. Erfahrungsgemäß würden Reha-Einrichtungen die Patienten sofort wieder in die akute ambulante Behandlung entlassen. Die ambulante Behandlung sei möglich, aber uneffektiver als eine stationäre Behandlung in einer speziellen Schmerzklinik, wie der A.-Klinik. Eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme sei im Januar 2010 dringend erforderlich gewesen. Ob eine vorzeitige Reha-Maßnahme vor Ablauf von vier Jahren seit 2008 erforderlich gewesen sei, könne er nicht einschätzen, da er den Kläger zuletzt im November 2009 gesehen habe.
Dr. E., Urologe des Klägers, gab im Juni 2010 an, dass aus urologischer Sicht keine Rehabilitationsmaßnahme erforderlich gewesen sei.
Für den MDK hat Dr. M.-J. unter dem 14.07.2010 zu den eingeholten Arztauskünften Stellung genommen. Die Notwendigkeit der selbstbeschafften Rehabilitationsmaßnahme könne nicht bestätigt werden. Es sei zwar ein Behandlungserfolg zu verzeichnen. Dieser hätte aber ebenso durch andere und sozialmedizinisch vorrangige Maßnahmen (Behandlung in der Schmerzambulanz einer Klinik, Einleitung einer ambulanten Psychotherapie bei diagnostisch vom behandelnden Facharzt bestätigter Somatisierungsstörung mit chronischem Schmerzsyndrom und psychovegetativen Störungen) erreicht werden können.
Der Kläger hat daraufhin ausführen lassen, die täglichen Nervenblockaden, die bei der Reha-Maßnahme durchgeführt worden seien, seien das einzige wirksame Mittel bei Herpes Zoster. Ambulant könnten die Nervenblockaden nur zwei Mal wöchentlich injiziert werden. Nach Angaben der Ärzte sei eine tägliche Injektion im ambulanten Bereich finanziell nicht mehr möglich. In der mündlichen Verhandlung beim SG hat der Kläger auf Befragung des Gerichts u.a. angegeben, dass er seit ca. 10 Jahren physikalische Therapie mache. Vor der Rehabilitation habe er ein Mal die Psychotherapeutin K. aufgesucht. Sie habe ihm gesagt, dass eine Therapie wegen des Tinnitus keinen Sinn mache. Er habe auch ein Mal die Sprechstunde in der Schmerzambulanz der R.-M.-Klinik aufgesucht. Dort werde aber keine Neuraltherapie angeboten. Außerdem gebe es dort Wartezeiten von drei bis vier Monaten. Er habe sich dann beim Schmerztherapeuten Dr. W. angemeldet. Dort sei er seit Juni 2011 in Behandlung.
Mit Urteil vom 17.01.2012 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme. Der Kläger habe die Wartezeit von vier Jahren seit der letzten Rehabilitationsmaßnahme nicht eingehalten. Dringende medizinische Gründe hätten hierfür nicht vorgelegen. Zwar habe die Kammer keinen Zweifel daran, dass die Erkrankungen des Klägers, insbesondere die chronische Schmerzerkrankung und die Neuralgien, behandlungsbedürftig gewesen seien. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme sei die Kammer jedoch davon überzeugt, dass zur Behandlung dieser Gesundheitsstörungen eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme nicht dringend erforderlich gewesen sei. Denn der Kläger habe die Möglichkeiten einer ambulanten Behandlung nicht ausgeschöpft. Dies ergebe sich aus den Gutachten des MDK und den Zeugenaussagen der Ärzte. Die für die Erkrankungen des Klägers gegebenen ambulanten Behandlungsmöglichkeiten habe er überwiegend nicht ausgeschöpft. Er habe sich in erster Linie in regelmäßiger hausärztlicher Behandlung befunden. In größeren Abständen habe er seinen Orthopäden aufgesucht. Eine psychiatrische Behandlung habe er erst im November 2009 aufgenommen und lediglich dreimalig durchgeführt, obwohl nach der Zeugenaussage des Psychiaters eine Schmerzlinderung eingetreten sei. Außerdem habe der Kläger vor der Rehabilitationsmaßnahme eine regelmäßige schmerztherapeutische Behandlung nicht wahrgenommen, weil er auf der Suche nach einem neuen Therapeuten gewesen sei. Eine Psychotherapie sei angezeigt gewesen, habe der Kläger aber nicht begonnen. Nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie über die Therapie neuropathischer Schmerzen sei die Psychotherapie ein zentraler Bestandteil der multimodalen Therapie chronischer neuropathischer Schmerzen. Die Einlassung des Klägers, eine Psychotherapie könne aufgrund des Tinnitus nicht durchgeführt werden, sei für die Kammer vor dem Hintergrund einer möglichen Einzeltherapie nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der Kläger keine kontinuierliche Behandlung in der schmerztherapeutischen Ambulanz eines Krankenhauses durchgeführt habe. Solche klinischen Ambulanzen seien für den Kläger erreichbar (z.B. K.-O.-Krankenhaus St., Universitätsklinikum T.). Dort könne ein umfassendes mehrdimensionales Schmerztherapieprogramm auch ambulant durchgeführt werden. Aus Sicht der Kammer sei ein solches Therapieprogramm aufgrund des Verdachts auf einen abhängigen Medikamentengebrauch dringend erforderlich gewesen. Der Kläger habe damit die ambulanten Behandlungsoptionen nicht ausgeschöpft. Allein der Umstand, dass die behandelnden Ärzte eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme befürworteten, könne die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme nicht begründen. Dies entbinde nicht vom Versuch, ambulante Maßnahmen in Wohnortnähe zunächst umfassend auszuschöpfen. Dies gelte erst Recht im Falle einer vorzeitigen Inanspruchnahme einer Rehabilitationsmaßnahme. Auch wenn die Herpes-Zoster-Erkrankung während der Reha-Maßnahme im Jahr 2008 erstmals aufgetreten sein sollte, ergebe sich daraus nicht die Notwendigkeit einer vorzeitigen Wiederholung der Rehabilitation, solange noch ambulante Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden.
Am 09.05.2012 hat der Kläger gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 13.04.2012 zugestellte Urteil Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Zur Begründung hat er vortragen lassen, eine Psychotherapie sei bei Entlassung aus der Rehabilitation im Jahr 2008 nicht empfohlen worden. Die Beklagte stelle immer weitere Anforderungen. Dem Schreiben vom 23.06.2009 sei zu entnehmen, dass die momentan laufende Therapie durch eine fachpsychiatrische Mitbetreuung/Psychotherapie zu ergänzen sei. Im Schreiben vom 25.08.2009 würden keine konkreten Therapiemöglichkeiten aufgezeigt. Erst im Widerspruchsbescheid vom 20.11.2009 werde auf eine Vorstellung in der Schmerzambulanz einer Klinik hingewiesen. Bei der Maßnahme im Jahr 2008 hätten chronische Kopfschmerzen, Rückenschmerzen und Schulterschmerzen im Vordergrund gestanden. Die Rehabilitation im Jahr 2010 sei wegen postzosterischer Neuralgien erfolgt. In der vom SG genannten Leitlinie würden in erster Linie medikamentöse Therapien genannt, die beim Kläger durchgeführt worden seien. Im Rahmen der nichtmedikamentösen Therapien würde auf interventionelle Verfahren, TENS, SCS, psychotherapeutische Intervention, physikalische Therapie und Ergotherapie sowie neurochirurgische Verfahren – als ultima ratio – hingewiesen. Der Kläger habe sich ein TENS-Gerät beschafft und angewendet. Eine psychotherapeutische Intervention sei von den Ärzten der Schmerzklinik A. im Jahr 2008 nicht für erforderlich gehalten worden. Ohne dementsprechende Hinweise habe der Kläger nicht davon ausgehen müssen, dass derartige Maßnahmen in Anspruch genommen werden müssten. Auch auf eine Behandlung in einer Schmerzambulanz sei er von seinen Ärzten nicht hingewiesen worden. Zudem wären die von der Reha-Klinik zwei Mal täglich durchgeführten Unterspritzungen der Herpes-Zoster-Läsionen im ambulanten Setting nicht möglich gewesen. Derartige Therapien würden von den schmerztherapeutischen Ambulanzen der Krankenhäuser auch nicht angeboten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.01.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 09.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten der vom 18.01.2010 bis 21.02.2010 in der Schmerzklinik am A. durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme in Höhe von insgesamt 3.924,28 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat sie im Wesentlichen auf ihren bisherigen Vortrag und die Entscheidungsgründe des SG verwiesen.
Ergänzend wurde das MDK-Gutachten von Dr. M.-J. vom 09.09.2013 vorgelegt. Danach wäre im Rahmen einer Behandlung in einer Schmerzambulanz einer Klinik ein umfassendes Therapiekonzept zu realisieren gewesen. Auch die Versorgung an den Wochenenden sei im ambulanten Rahmen nicht insuffizient. Im Einzelfall wäre die Vorstellung in der Notfallambulanz einer Akutklinik möglich gewesen, wenn es am Wochenende zu einer Exazerbation einer Schmerzsymptomatik gekommen wäre. Naturgemäß biete ein ambulantes Behandlungssetting nicht die Möglichkeiten, wie sie im stationären Rahmen vorgehalten werden. Es sei jedoch die notwendige und hinreichende medizinische Versorgungform zu wählen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 09.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der vom 18.01.2010 bis 21.02.2010 in der Schmerzklinik am A. durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch ist § 13 Abs. 3 S. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX). Danach ist der Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gegenüber dem Leistungsberechtigten zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder die Leistung zu Unrecht abgelehnt und der Leistungsberechtigte sie selbst beschafft hat. Der Kostenerstattungsanspruch reicht dabei nicht weiter als der Sachleistungsanspruch. Rechtsgrundlage für den Sachleistungsanspruch ist § 40 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 11 Abs. 2 SGB V. Danach gewährt die Krankenkasse zur Behandlung einer Krankheit oder um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern, eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme, wenn weder eine ambulante Krankenbehandlung noch eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme ausreicht. § 40 Abs. 1 SGB V macht den Anspruch auf ambulante Rehabilitationsleistungen davon abhängig, dass ambulante Krankenbehandlung nicht ausreicht; nach § 40 Abs. 2 SGB V setzt der Anspruch auf stationäre Rehabilitation voraus, dass eine ambulante Leistung nach § 40 Abs. 1 SGB V nicht ausreicht. Nach § 40 Abs. 3 Satz 4 SGB V können Leistungen nach den Abs. 1 und 2 nicht vor Ablauf von vier Jahren nach Durchführung solcher oder ähnlicher Leistungen erbracht werden, deren Kosten aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragen oder bezuschusst worden sind, es sei denn, eine vorzeitige Leistung ist aus medizinischen Gründen dringend erforderlich. Grundsätzlich dürfen mithin ambulante bzw. stationäre Reha-Maßnahmen nicht vor Ablauf von vier Jahren wiederholt werden. Eine Ausnahme von diesem Leistungsintervall ist ausschließlich bei dringender Erforderlichkeit aus medizinischen Gründen zulässig. Das ist der Fall, wenn andernfalls die unmittelbare Gefahr erheblicher gesundheitlicher Nachteile besteht, eine erneute Gewährung ambulanter oder stationärer Reha-Maßnahmen also unaufschiebbar ist (vgl. Noftz in Hauck/Haines, SGB V § 40 Rn. 62, 64). Die Frist beginnt mit dem auf die (frühere) Entlassung aus der Maßnahme folgenden Tag und endet mit Ablauf des diesem entsprechenden Tages (§ 26 Abs. 1 SGB X, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Dies bedeutet vorliegend angesichts der bereits vom 22.07.2008 bis 25.10.2008 von der Beklagten gewährten Reha-Maßnahme, dass vor dem 26.10.2012 nur im genannten Ausnahmefall stationäre Reha-Maßnahmen erbracht werden durften.
Der Senat vermochte sich in Würdigung der aktenkundigen Befunde und ärztlichen Äußerungen nicht davon zu überzeugen, dass beim Kläger stationäre Reha-Leistungen unaufschiebbar waren, d.h. andernfalls die unmittelbare Gefahr erheblicher gesundheitlicher Nachteile bestand. Es ist schon nicht belegt, dass die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden und diese nicht ausreichend waren. Der Senat schließt sich der Beweiswürdigung des SG an und nimmt auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist ergänzend auszuführen:
Mit seinem Argument, er sei auf alternative ambulante Therapiemöglichkeiten nicht hingewiesen worden, kann der Kläger nicht durchdringen. Bereits im Ausgangsbescheid vom 09.04.2009 hat die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass keine Notwendigkeit für eine vorzeitige Reha-Maßnahme bestünde und den Kläger unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des MDK auf eine psychotherapeutische Behandlung verwiesen. Im Widerspruchsbescheid vom 20.11.2009 wiederholte die Beklagte ihre Ausführungen und zeigte dem Kläger Behandlungsoptionen in Form einer ambulanten Schmerztherapie mit fachpsychiatrischer Mitbetreuung bzw. Psychotherapie sowie die Vorstellung in der Schmerzambulanz einer Klinik auf. Beide Bescheide erreichten den Kläger hinreichend lange Zeit vor dem Antritt der streitgegenständlichen Reha-Maßnahme im Januar 2010.
Soweit der Kläger auf die vom SG zitierte Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie über die Therapie neuropathischer Schmerzen (2008) hinweist, ist zwar zutreffend, dass dort vorrangig medikamentöse Therapien diskutiert werden. Die Psychotherapie wird jedoch ebenfalls aufgeführt und als "zentraler Bestandteil" einer multimodalen Therapie chronischer neuropathischer Schmerzen benannt. Darüber hinaus ist nicht erkennbar, dass hinsichtlich der neuropatischen Schmerzen, die nach den eigenen Angaben des Klägers Anlass für die Reha-Maßnahme im Jahr 2010 waren, sämtliche (ambulant durchführbare) medikamentöse Therapieoptionen beim Kläger (ggf. versuchsweise) ausgeschöpft waren. Nach Angaben der Reha-Klinik trat die Akuterkrankung Herpes Zoster während des Aufenthalts im Jahr 2008 auf. Zurückgeblieben sind sog. postzosterische Neuralgien. Nach der Rehabilitation befand sich der Kläger nach seinen eigenen Angaben aber nur noch bis Mai 2009 in Behandlung bei einem Schmerztherapeuten, zunächst bei Dr. F. sodann bei Dr. P ... Unmittelbar vor der streitgegenständlichen Maßnahme fand keine schmerztherapeutische Behandlung mehr statt. Den Psychiater Dr. H. suchte der Kläger erstmals im November 2009 und insgesamt nur drei Mal auf. Auch seinen Orthopäden suchte der Kläger nur in größeren Abständen auf, zuletzt im November 2009. Im Wesentlichen befand er sich in hausärztlicher Behandlung. Ein Ausschöpfen der ambulanten Therapieoptionen bezogen auf die postzosterischen Neuralgien kann vor diesem Hintergrund nicht angenommen werden.
Ob die von der Reha-Einrichtung angewandte interventionelle Therapie möglicherweise nicht (oder jedenfalls nicht in dem Umfang) im ambulanten Behandlungsbereich möglich gewesen wäre, kann offen bleiben. Allein entscheidend ist, dass es anerkannte ambulante Therapieoptionen gab, die vor einer vorzeitigen Rehabilitationsmaßahme ausgeschöpft sein mussten. Dass es solche Optionen gab, hat der MDK in seinen Gutachten für den Senat schlüssig und nachvollziehbar dargelegt. Der Kläger kann deshalb auch nicht mit seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung beim SG durchdringen, wonach die von ihm einmalig aufgesuchte Schmerzambulanz angegeben haben soll, die von der Reha-Klinik beim ersten Aufenthalt angewandte Therapiemethode werde nicht angeboten. Dem Kläger war es zumutbar, zunächst andere, ambulant angebotene Therapien in Anspruch zu nehmen. Ihm war es außerdem zumutbar, sich auf die vorgetragene Wartezeit von drei Monaten einzulassen, nachdem er sich seit Mai 2009 ohnehin nicht (mehr) in schmerztherapeutischer Behandlung befand.
Die Aussagen der behandelnden Ärzte überzeugen den Senat vor diesem Hintergrund nicht. Der Nervenarzt Dr. H. hatte den Kläger lediglich dreimalig gesehen und zwei Medikamente ausgetestet, die zwar zu einer Linderung der Schmerzen aber zu unerträglichen Nebenwirkungen führten. Er schließt aus den "vielfältigen vorangegangenen ambulanten Behandlungsversuchen", dass eine erneute Reha-Maßnahme dringend erforderlich gewesen sei. In Bezug auf die neuropathischen Schmerzen waren die ambulanten Therapieoptionen jedoch noch nicht ausgeschöpft. Insoweit unterliegt auch Dr. B. von der A.-Klinik einer Fehleinschätzung. Es kann entgegen Dr. B. auch nicht davon ausgegangen werden, dass allein stationäre Maßnahmen erfolgversprechend waren, nachdem nicht einmal ambulante Therapien in nennenswertem Umfang vor der streitgegenständlichen Maßnahme stattfanden. Der Verweis auf die in der Vergangenheit, vor der Reha-Maßnahme im Jahr 2008, stattgehabten Therapieversuche verbietet sich, da die (für die streitgegenständliche Maßnahme maßgeblichen) neuropatischen Schmerzen erst in Folge der Herpes Zoster Erkrankung im Jahr 2008 aufgetreten waren. Die Aussage des Orthopäden des Klägers, Dr. K., ist schließlich nicht schlüssig und in sich widersprüchlich. Einerseits erklärt er, die stationäre Maßnahme sei dringend erforderlich gewesen, andererseits lehnt er es ab einzuschätzen, ob eine vorzeitige Rehabilitation erforderlich war, weil der Kläger zuletzt im November 2009 bei ihm in Behandlung gewesen sei. Im Übrigen liefert er auch keine Begründung für die angenommene Dringlichkeit. Insgesamt überzeugen die Aussagen der behandelnden Ärzte den Senat daher nicht.
Die Berufung des Klägers hat somit keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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