Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KA 386/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 154/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 16/01 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 12.09.2000 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit von Honorarkürzungen aufgrund einer Fallzahlzuwachsbegrenzung in den Quartalen I/1998 bis IV/1998.
Der Kläger ist Arzt für Chirurgie und in B ...niedergelassen. Seit dem Quartal IV/1991 ist er zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Der Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten in der in den streitigen Quartalen gültigen Fassung enthielt zur Fallzahlzuuachsbegrenzung die folgende Regelung:
4 Fallzahlzuwachsbegrenzung
Primär- und Ersatzkassen
(1) Überschreitet der prozentuale Zuwachs der budgetrelevanten Behandlungsfälle einer Arztgruppe den prozentualen Zuwachs der Gesamtvergütung im selben Zeitraum, gilt für die Fallzahl dieser Arztgruppe eine Zuwachsbegrenzung. Überschreitet unter dieser Voraussetzung der absolute Zuwachs der budgetrelevanten Fälle des einzelnen Arztes den zulässigen Vergleichswert sei ner Arztgruppe, werden die Budgets nach § 3 und § 4 mit einem individuellen Verteilungspunktwert vergütet. Er errechnet sich aus der Multiplikation des Verteilungspunktwertes nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 mit dem Anteil der zulässigen Fallzahl an der tatsächlichen Fallzahl. Dabei werden Unterschreitungen der Budgets nach § 3 und § 4 berücksichtigt. In gleicher Weise wird der individuelle Verteilungspunktwert für die restlichen Leistungen festgesetzt. Die Hausärztliche Grundvergütung und Leistungen nach § 9 sind davon ausgenommen.
2) Vergleichswerte für die Fallzahlzuwachsbegrenzung sind die budgetrelevanten Behandlungsfälle der Arzt gruppe sowie die Gesamtvergütung aus den entsprechenden Quartalen des Jahres 1995.
(3) Ärzte, deren Leistungen nach Abs. 1 quotiert werden, haben Anspruch auf (anteilige) Aufhebung der Kürzungsmaßnahme, wenn sie im Verlauf der folgenden 3 Quartale die Grenzwerte ihrer Arztgruppe entsprechend unterschreiten.
(4) Bei Überschreitungen des zulässigen Fallzahlzuwachses aufgrund von Praxisschließungen, können die Verwaltungsstellen eine angemessene Korrektur der Fallzahlzuwachsbegrenzung vornehmen.
(5) Die Fallzahlzuwachsbegrenzung gilt nicht für Ärzte, die weniger als 12 Quartale abgerechnet haben.
(6) Die nach den Absätzen 3 und 5 notwendigen Beträge sind aus der Gesamtvergütung des jeweils folgenden Quartals zu entnehmen.
(7) Der Vorstand erläßt - auch zur Schaffung weiterer Ausnahmen - Durchführungsbestimmungen.
In den dazu vom Vorstand erlassenen Durchführungsbestimmungen sind weitere Sonderregelungen enthalten, die die Fallzahlzuwachsbegrenzung gemäß § 10 HVM abmildern bzw. ausschließen. So wird etwa hinsichtlich der Quotierungsgrenze nach § 10 Abs. 1 Satz 3 HVM ein unterer Grenzwert von 85 % des Punktwertes für die Praxis- und Zusatzbudgets bestimmt; eine Berücksichtigung von Ausfalltagen in den entsprechenden Vergleichsquartalen vorgeschrieben sowie eine spezielle Prüfung für Praxen festgelegt, deren Status sich gegenüber dem Vergleichsquartal geändert hat.
Aufgrund der Bestimmung in § 10 HVM nahm die Beklagte mit Bescheiden vom 09.07.1998, 08.10.1998, 07.01.1999 und 08.04.1999 wegen einer Überschreitung der jeweils zulässigen Fallzahl eine individuelle Festsetzung des Punktwertes für den Kläger vor und kürzte sein Honorar insgesamt um 23.259,59 DM (I/1998: 4.523,15; II/1998: 8.352,04; III/1998: 6.062,82; IV/1998:4321,58).
Mit seinen Widersprüchen hat der Kläger im wesentlichen vorgetragen, dass er mit seinen Fallzahlen im Durchschnitt der chirurgischen Praxen liege, so dass von einer Ausweitung seiner ärztlichen Tätigkeit nicht gesprochen werden könne. Ein Arzt, dessen Fallzahlen im Vergleichsquartal und im Abrechnungsquartal über einstimmen, erhalte ein höheres Honorar (für die gleiche Leistungen) als der Arzt, der seine Fallzahl im Zeitraum 1995 bis 1998 dem Arztgruppendurchschnitt angenähert habe. Darin sehe er einen Verstoß gegen den Grundsatz, dass ärztliche Leistungen prinzipiell gleichmäßig zu Vergüten seien. Darüber hinaus sei auch eine Ungleichbehandlung offensichtlich, da sogenannte Anfängerpraxen der Fallzahlzuwachsbegrenzung nicht unterliegen. Im übrigen sei der Anstieg seiner Fallzahlen auf die Qualität seiner ärztlichen Tätigkeit sowie darauf zurückzuführen, dass es bei zwei Praxen in seiner Nachbarschaft zu Praxisübergaben gekommen sei. Diese Praxen seien nunmehr nicht mehr allgemeinchirurgisch, sondern überwiegend phlebologisch bzw. chirurgischarthroskopisch tätig. Auch dadurch sei es zu einem Anstieg der Patientenzahlen gekommen.
Mit Bescheiden vom 21.10.1998, 10.02.1999, 14.04.1999 und 18.08.1999 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers zurück und führte zur Begründung im wesentlichen aus, in den streitigen Quartalen seien die Voraussetzungen für die Anwendung der Bestimmungen über die Fallzahlzuwachsbegrenzung gemäß § 10 HVM gegeben. Die Fallzahlsteigerung beim Kläger könne auch nicht durch die Praxisschließungen in seiner Umgebung erklärt werden. Beide Praxen seien im vierten Quartal 1997 übernommen worden und die Fallzahlen der neuen Praxisinhaber lägen erheblich über denen ihrer Vorgänger.
Mit der Klage hat der Kläger im wesentlichen folgendes vorgetragen:
Durch den Wechsel in den beiden benachbarten chirurgischen Praxen sei auch eine Veränderung des jeweiligen Praxisschwerpunktes die ser Praxen eingetreten, so dass hinsichtlich der allgemein-chirurgischen Tätigkeit seine Praxis nunmehr einen größeren Zulaufhätte. Im übrigen habe sich das Praxisumfeld verändert, denn es seien Betriebe, Behörden etc. hinzugekommen.
Als Ermächtigungsgrundlage scheide § 85 Abs. 4 Satz 4 SGB V (übermäßige Ausdehnung) aus; vielmehr komme nur die Ermächtigungsgrundlage aus § 85 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 SGB V in Betracht. Dabei sei jedoch der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit zu berücksichtigen. Diesen verletze die Beklagte. Der Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung werde dadurch verletzt, dass die Behandlung einzelner Patienten nicht vergütet werde. Zwar sei die Beschränkung der Wettbewerbschancen für den einzelnen Arzt im Rahmen der Gestaltungsfreiheit der Beklagten unter Berücksichtigung der generellen Ziele des HVM (gerechte Verteilung einer begrenzten Gesamtvergütung) im Grundsatz hinzunehmen, jedoch dürfe dies nicht dazu führen, dass ein Arzt über Jahre hinweg praktisch auf seinem Niveau von 1995 plus einer entsprechenden Steigerungsrate festgeschrieben werde, ohne dass die tatsächlichen Umstände in der Entwicklung der Praxis Berücksichtigung fänden. Die Rechtswidrigkeit der Fallzahlzuwachsbegrenzungsregelungen im HVM der Beklagten ergebe sich auch daraus, dass nur eine Härteklausel für Ausnahmefälle (Praxisschließung) im HVM vorgesehen sei und es lediglich im Ermessen des Vorstandes stehe, Durchführungsbestimmungen mit weiteren Ausnahmetatbeständen zu erlassen. Gerade aber die in seinem Falle vorliegenden Besonderheiten seien nicht aufgrund einer Härtefallgeneralklausel im HVM berücksichtigungsfähig. Durch die im Rahmen der Fallzahl zuwachsbegrenzung einbehaltenen Honorare sei er auch in eine finanziell existenzbedrohende Situation geraten. Letztlich stelle die Fallzahlzuwachsbegrenzung auch einen Verstoß gegen die freie Arztwahl des Patienten dar und greife durch die Einschränkung der freien Arztwahl in den freien Wettbewerb zwischen den niedergelassenen Ärzten ein.
Der Kläger hat beantragt,
die Honorarbescheide der Beklagten für die Quartale I/1998 bis IV/1998 in der Fassung der Widerspruchsbescheid vom 21.10.1998, vom 10.02.1999 vom 14.04.1999 und vom 18.08.1999 insoweit aufzuheben, als mit ihnen eine Fallzahlzuwachsbegrenzung beschlossen worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die Ausführungen in den angefochtenen Widerspruchsbescheiden verwiesen.
Mit Urteil vom 12.09.2000 hat das Sozialgericht Dortmund die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die Honorarbescheide für die streitigen Quartale seien rechtmäßig, es bestünden keine rechtlichen Hindernisse für die Anwendung der Fallzahlzuwachsbegrenzungsregelung. Zwar werde durch diese Regelung die Berufsausübung der Ärzte beschränkt, dies führe aber nicht zur Rechtswidrigkeit der Regelung wegen Unvereinbarkeit mit Art. 12 Grundgesetz (GG), da die Fallzahlzuwachsbegrenzung eine flankierende Maßnahme zur Stützung des Punktwertes durch Einführung der Praxisbudgets sei. Die Fallzahlzuwachsbegrenzungsregelung verstoße auch nicht gegen den Grundsatz der leistungsgerechten Honorarverteilung und bewirke auch keine Wettbewerbsverzerrung in nerhalb der jeweiligen Arztgruppe. Rechtliche Bedenken könnten zwar bestehen, wenn durch die Fallzahlzuwachsbregenzung Praxen mit geringer Fallzahl eine Steigerung zum durchschnittlichen Honorar der Fachgruppe verwehrt würde; dies treffe jedoch für den Kläger nicht zu, da er im Referenzquartal 1995 keine unterdurchschnittliche Fallzahl aufwies. Es sei auch nicht zutreffend, dass Ärzte, die die zulässige Fallzahlzuwachsbegrenzung überschritten, in soweit keine Vergütung erhielten. Bei diesen Ärzten wurden nur die Punktwerte in einem bestimmten Maße quotiert. Das Fehlen von Härtefallklauseln sei nicht zu beanstanden, da die Beklagte in den Durchführungsbestimmungen in ausreichendem Maße Ausnahmeregelungen geschaffen habe.
Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und im wesentlichen auf sein erstinstanzliches Sachvortrag verwiesen. Ergänzend hat er angeführt, dass er im Jahre 1998 ständig mehrere Altenheime umfassend medizinisch betreut habe. Viele der Altenheimpatienten hätten zur medizinischen Versorgung regelmäßig von ihmbesucht werden müssen, so dass auch dadurch eine Erhöhung der Fallzahlen in den streitbefangenen Quartalen eingetreten sei.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Beklagte erklärt, sie werde unter Abänderung der angefochtenen Bescheide und Widerspruchsbescheide den Kläger für die streitigen Quartale die (Altenheim)-Behandlungsfälle nachvergüten, wie es sich aus der Anlage vom 12.02.2001 ergebe.
Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen und darüber hinaus beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 12.09.2000 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung der bisher angefochtenen Bescheide in der Fassung vom heutigen Tage zu verurteilen, an den Kläger weitere 11.655,66 DM Honorar für die Quartale I/1998 bis IV/1998 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und hat nochmals zu Notwendigkeit einer Fallzahlzuwachsbegrenzung bei Einführung von Praxisbudgets vorgetragen.
Die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten des Sozialgerichts Dortmund - S 14 KA 76/99 ER - haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf den Inhalt dieser Akten und den der Streitakten wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, da die Honorarbescheide der Beklagten rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 SGG beeinträchtigen.
Die von der Beklagten vorgenommenen Honorarkürzungen durch die an gefochtenen Bescheide in der Fassung vom 14.02.2001 sind rechtmäßig, denn sie entsprechen - unstreitig - den in § 10 HVM kodifizierten Voraussetzungen.
Die in § 10 HVM vorgenommene Regelung zur Fallzahlzuwachsbegrenzung verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht.
Der Senat hält es in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-2500 § 85 Nr. 28) für mit den aus § 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V abzuleitenden Gebot der leistungsproportionalen Honorarverteilung vereinbar, im HVM ein Verteilungskonzept anzulegen, das zur Stabilisierung der Punktwerte Honorarbegrenzungsregelungen vornimmt, statt bei einer Honorierung aller abgerechneten Punkte einen (stark) schwankenden Punktwert akzeptiert.
Zwar hat der Senat in seiner Entscheidung vom 06.09.2000 (L 11 KA 42/00) eine im HVM der dort beklagten Kassenärztlichen Vereinigung vorgenommene reine Fallzahlbegrenzung zur Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung (§ 85 Abs. 4 Satz 4 SGB V) in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG (Soz-R 3.2500 § 85 Nr. 23) für unzulässig erachtet, jedoch hat der Senat dabei ausdrücklich darauf abgestellt, dass es sich bei der dort streitigen HVM-Regelung um eine solche zur Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung handelte.
Bei der von der Beklagten in § 10 HVM vorgenommenen Fallzahlzuwachsbegrenzungsregelung handelt es sich jedoch nicht um eine Regelung zur Vermeidung einer übermäßigen Ausdehnung, sondern um eine (von mehreren) Maßnahme zur gerechten Honorarverteilung bei bestehenden Praxis- und Zusatzbudgets. Dies wird auch vom Kläger nicht bezweifelt, denn er führt ausdrücklich in seiner Klagebe gründung aus, dass Ermächtigungsgrundlage für diese HVM-Regelung allein § 85 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 SGB V sein könne. Da bei geltender Budgetierung die ausdrücklich mit der Einführung der Praxis- und Zusatzbudgets gewollte Punktwertstabilität zumindest dann gefährdet ist, wenn die Fallzahlen nicht unerheblich steigen, hält es der Senat für sachgerecht, wenn eine Kassenärztliche Vereinigung zur Stützung dieses vom Gesetzgeber angestrebten Ziels Maßnahmen zur Begrenzung des Fallzahlzuwachses im HVM festlegt.
Bei der in § 10 HVM vorgenommenen Quotierungsregelung handelt es sich zwar um eine (reine) Begrenzung der Fallzahlsteigerung, die jedoch vom Anknüpfungspunkt her sachlich gerechtfertigt und durch den HVM sowie die Durchführungsbestimmungen des Vorstandes moderat "abgefedert" wird.
Zwar hat der erkennende Senat in der obengenannten Entscheidung vom 06.09.2000 dazu geneigt, auch die Einführung einer reinen Fallzahlbegrenzung zur Unterstützung der Budgetierung für unzulässig anzusehen. Es hat dabei jedoch - aufgrund der dort streitigen HVM-Regelung - auch nicht berücksichtigen können, dass bei einer entsprechenden Ausgestaltung mit Ausnahme- und Härtefallregelungen eine dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit entsprechende Gestaltungsmöglichkeit besteht.
Die streitige Regelung in § 10 HVM der Beklagten beinhaltet keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Sie ist insgesamt sachlich gerechtfertigt, denn sie schließt einerseits eine (angemessene) Steigerung gegenüber den Referenzquartalen des Jahres 1995 nicht völlig aus und enthält im HVM sowie den Durchführungsbestimmungen die notwendigen Härteregelungen (BSG SozR 3-2500 § 84, 28). Die Anknüpfung an das Jahr 1995 ist für die streitigen Quartale nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat durch die Regelung in § 10 HVM einen Fallzahlzuwachs nicht ausgeschlossen, sondern nur begrenzt. Dabei ist hinsichtlich des Umfanges des zulässigen Fallzahlzuwachses auf die entsprechende Steigerung der Gesamtvergütung abgestellt worden. Dieser Anhaltspunkt stellt einen sachlichen Gesichtspunkt dar, da eine Steigerung des arztgruppenbezogenen Budgets (Honorartopfes) auch nur in diesem Maße erfolgen kann. Insofern kann es unter Berücksichtigung des weiteren Gestaltungsspielraumes einer Kassenärztlichen Vereinigung bei der Schaffung von HVM-Normen nicht als sachwidrig angesehen werden, wenn dieser Gesichtspunkt als Kriterium für eine Honorarbegrenzungsregelung aufgegriffen wird. Dies gilt umso mehr, als die von der Beklagten eingeführte Fallzahlzuwachsbegrenzung nur dann zum Tragen kommt, wenn die Fachgruppe insgesamt einen prozentualen Zuwachs an Behandlungsfällen hat, der über der pro zentualen Steigerung der Gesamtvergütung liegt. Soweit die Fachgruppe insgesamt lediglich einen Zuwachs an Behandlungsfällen aufweist, der unter der prozentualen Steigerung der Gesamtvergütung liegt, kann ein einzelner Arzt seine Fallzahl steigern, ohne von der Fallzahlzuwachsbegrenzung betroffen zu sein.
Entgegen der Ansicht des Klägers bewirkt die Regelung in § 10 HVM nicht, dass nicht alle Behandlungsfälle von der Beklagten vergütet werden. Die Fallzahlzuwachsbegrenzung wirkt sich gemäß § 10 HVM lediglich in dem Maße aus, dass eine entsprechende Quotierung des (gestützten) Punktwertes eintritt, wobei jedoch aufgrund der Regelungen in der Durchführungsbestimmungen die Quotierung nicht unter den Grenzwert von 85 % absinken darf. Insofern hat die Beklagte die höchstmögliche Auswirkung der Fallzahlzuwachsbegrenzung moderat gestaltet, um die wirtschaftliche Situation des einzelnen Vertragsarztes bei der Honorarverteilung angemessen zu berücksichtigen.
Im übrigen hat die Beklagte in § 10 HVM sowie den Durchführungsbestimmungen in ausreichendem Maße im Einzelfall möglicherweise auftretende Besonderheiten berücksichtigt. Neben einer Regelung für sogenannte Anfängerpraxen enthält § 10 HVM in Abs. 3 die Regelung, dass eine vorgenommene Quotierung dann (anteilig) aufzuheben ist, wenn im Verlauf der folgenden drei Quartale die Grenzwerte der Arztgruppe entsprechend unterschritten werden. Damit werden Fallzahlschwankungen in einem Quartal aufgefangen. Ebenfalls Berücksichtigung findet ein Fallzahlzuwachs aufgrund von Praxis schließungen im Umfeld der betroffenen Arztpraxis (§ 10 Abs. 4 HVM). Hier haben die Verwaltungsstellen der Beklagten die Möglichkeit, eine angemessene Korrektur der Fallzahlzuwachsbegrenzung vorzunehmen. Letztlich ist noch zu erwähnen, dass in den Durchführungsbestimmungen auch festgelegt worden ist, dass unterschiedliche Ausfalltage in Abrechnungs- und Vergleichsquartalen (etwa wegen Krankheit oder Urlaub) bei der Begrenzung des Fallzahlzuwachses zu berücksichtigen sind.
Der Senat muß nicht entscheiden, ob die gegenüber dem Kläger vorgenommene Honorarkürzung aufgrund der Regelung in § 10 HVM deshalb zu beanstanden sein können, weil weder im HVM noch in den Durch führungsbestimmungen, die in den streitigen Quartalen verbindlich waren, eine Regelung getroffen war, die es einem Vertragsarzt, der im Referenzquartal eine unterdurchschnittliche Fallzahl aufwies, ermöglichte, eine Steigerung bis zum Fachgruppendurchschnitt vorzunehmen. Der Kläger ist insoweit nicht beschwert, weil er in den jeweiligen Vergleichquartalen des Jahres 1995 keine unter dem Fachgruppendurchschnitt liegenden Fallzahl hatte.
Soweit der Kläger auf die Veränderungen im Umfeld seiner Praxis hinweist, ist dies nicht entscheidungserheblich, da diese Veränderungen - wie die Beklagte unbestritten dargelegt hat - vor 1995 eingetreten sind und somit für die im Jahre 1998 eingetretene Fallzahlsteigerung nicht ursächlich sein können.
Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß § 183 und 193 SGG SGG.
Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit von Honorarkürzungen aufgrund einer Fallzahlzuwachsbegrenzung in den Quartalen I/1998 bis IV/1998.
Der Kläger ist Arzt für Chirurgie und in B ...niedergelassen. Seit dem Quartal IV/1991 ist er zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Der Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten in der in den streitigen Quartalen gültigen Fassung enthielt zur Fallzahlzuuachsbegrenzung die folgende Regelung:
4 Fallzahlzuwachsbegrenzung
Primär- und Ersatzkassen
(1) Überschreitet der prozentuale Zuwachs der budgetrelevanten Behandlungsfälle einer Arztgruppe den prozentualen Zuwachs der Gesamtvergütung im selben Zeitraum, gilt für die Fallzahl dieser Arztgruppe eine Zuwachsbegrenzung. Überschreitet unter dieser Voraussetzung der absolute Zuwachs der budgetrelevanten Fälle des einzelnen Arztes den zulässigen Vergleichswert sei ner Arztgruppe, werden die Budgets nach § 3 und § 4 mit einem individuellen Verteilungspunktwert vergütet. Er errechnet sich aus der Multiplikation des Verteilungspunktwertes nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 mit dem Anteil der zulässigen Fallzahl an der tatsächlichen Fallzahl. Dabei werden Unterschreitungen der Budgets nach § 3 und § 4 berücksichtigt. In gleicher Weise wird der individuelle Verteilungspunktwert für die restlichen Leistungen festgesetzt. Die Hausärztliche Grundvergütung und Leistungen nach § 9 sind davon ausgenommen.
2) Vergleichswerte für die Fallzahlzuwachsbegrenzung sind die budgetrelevanten Behandlungsfälle der Arzt gruppe sowie die Gesamtvergütung aus den entsprechenden Quartalen des Jahres 1995.
(3) Ärzte, deren Leistungen nach Abs. 1 quotiert werden, haben Anspruch auf (anteilige) Aufhebung der Kürzungsmaßnahme, wenn sie im Verlauf der folgenden 3 Quartale die Grenzwerte ihrer Arztgruppe entsprechend unterschreiten.
(4) Bei Überschreitungen des zulässigen Fallzahlzuwachses aufgrund von Praxisschließungen, können die Verwaltungsstellen eine angemessene Korrektur der Fallzahlzuwachsbegrenzung vornehmen.
(5) Die Fallzahlzuwachsbegrenzung gilt nicht für Ärzte, die weniger als 12 Quartale abgerechnet haben.
(6) Die nach den Absätzen 3 und 5 notwendigen Beträge sind aus der Gesamtvergütung des jeweils folgenden Quartals zu entnehmen.
(7) Der Vorstand erläßt - auch zur Schaffung weiterer Ausnahmen - Durchführungsbestimmungen.
In den dazu vom Vorstand erlassenen Durchführungsbestimmungen sind weitere Sonderregelungen enthalten, die die Fallzahlzuwachsbegrenzung gemäß § 10 HVM abmildern bzw. ausschließen. So wird etwa hinsichtlich der Quotierungsgrenze nach § 10 Abs. 1 Satz 3 HVM ein unterer Grenzwert von 85 % des Punktwertes für die Praxis- und Zusatzbudgets bestimmt; eine Berücksichtigung von Ausfalltagen in den entsprechenden Vergleichsquartalen vorgeschrieben sowie eine spezielle Prüfung für Praxen festgelegt, deren Status sich gegenüber dem Vergleichsquartal geändert hat.
Aufgrund der Bestimmung in § 10 HVM nahm die Beklagte mit Bescheiden vom 09.07.1998, 08.10.1998, 07.01.1999 und 08.04.1999 wegen einer Überschreitung der jeweils zulässigen Fallzahl eine individuelle Festsetzung des Punktwertes für den Kläger vor und kürzte sein Honorar insgesamt um 23.259,59 DM (I/1998: 4.523,15; II/1998: 8.352,04; III/1998: 6.062,82; IV/1998:4321,58).
Mit seinen Widersprüchen hat der Kläger im wesentlichen vorgetragen, dass er mit seinen Fallzahlen im Durchschnitt der chirurgischen Praxen liege, so dass von einer Ausweitung seiner ärztlichen Tätigkeit nicht gesprochen werden könne. Ein Arzt, dessen Fallzahlen im Vergleichsquartal und im Abrechnungsquartal über einstimmen, erhalte ein höheres Honorar (für die gleiche Leistungen) als der Arzt, der seine Fallzahl im Zeitraum 1995 bis 1998 dem Arztgruppendurchschnitt angenähert habe. Darin sehe er einen Verstoß gegen den Grundsatz, dass ärztliche Leistungen prinzipiell gleichmäßig zu Vergüten seien. Darüber hinaus sei auch eine Ungleichbehandlung offensichtlich, da sogenannte Anfängerpraxen der Fallzahlzuwachsbegrenzung nicht unterliegen. Im übrigen sei der Anstieg seiner Fallzahlen auf die Qualität seiner ärztlichen Tätigkeit sowie darauf zurückzuführen, dass es bei zwei Praxen in seiner Nachbarschaft zu Praxisübergaben gekommen sei. Diese Praxen seien nunmehr nicht mehr allgemeinchirurgisch, sondern überwiegend phlebologisch bzw. chirurgischarthroskopisch tätig. Auch dadurch sei es zu einem Anstieg der Patientenzahlen gekommen.
Mit Bescheiden vom 21.10.1998, 10.02.1999, 14.04.1999 und 18.08.1999 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers zurück und führte zur Begründung im wesentlichen aus, in den streitigen Quartalen seien die Voraussetzungen für die Anwendung der Bestimmungen über die Fallzahlzuwachsbegrenzung gemäß § 10 HVM gegeben. Die Fallzahlsteigerung beim Kläger könne auch nicht durch die Praxisschließungen in seiner Umgebung erklärt werden. Beide Praxen seien im vierten Quartal 1997 übernommen worden und die Fallzahlen der neuen Praxisinhaber lägen erheblich über denen ihrer Vorgänger.
Mit der Klage hat der Kläger im wesentlichen folgendes vorgetragen:
Durch den Wechsel in den beiden benachbarten chirurgischen Praxen sei auch eine Veränderung des jeweiligen Praxisschwerpunktes die ser Praxen eingetreten, so dass hinsichtlich der allgemein-chirurgischen Tätigkeit seine Praxis nunmehr einen größeren Zulaufhätte. Im übrigen habe sich das Praxisumfeld verändert, denn es seien Betriebe, Behörden etc. hinzugekommen.
Als Ermächtigungsgrundlage scheide § 85 Abs. 4 Satz 4 SGB V (übermäßige Ausdehnung) aus; vielmehr komme nur die Ermächtigungsgrundlage aus § 85 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 SGB V in Betracht. Dabei sei jedoch der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit zu berücksichtigen. Diesen verletze die Beklagte. Der Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung werde dadurch verletzt, dass die Behandlung einzelner Patienten nicht vergütet werde. Zwar sei die Beschränkung der Wettbewerbschancen für den einzelnen Arzt im Rahmen der Gestaltungsfreiheit der Beklagten unter Berücksichtigung der generellen Ziele des HVM (gerechte Verteilung einer begrenzten Gesamtvergütung) im Grundsatz hinzunehmen, jedoch dürfe dies nicht dazu führen, dass ein Arzt über Jahre hinweg praktisch auf seinem Niveau von 1995 plus einer entsprechenden Steigerungsrate festgeschrieben werde, ohne dass die tatsächlichen Umstände in der Entwicklung der Praxis Berücksichtigung fänden. Die Rechtswidrigkeit der Fallzahlzuwachsbegrenzungsregelungen im HVM der Beklagten ergebe sich auch daraus, dass nur eine Härteklausel für Ausnahmefälle (Praxisschließung) im HVM vorgesehen sei und es lediglich im Ermessen des Vorstandes stehe, Durchführungsbestimmungen mit weiteren Ausnahmetatbeständen zu erlassen. Gerade aber die in seinem Falle vorliegenden Besonderheiten seien nicht aufgrund einer Härtefallgeneralklausel im HVM berücksichtigungsfähig. Durch die im Rahmen der Fallzahl zuwachsbegrenzung einbehaltenen Honorare sei er auch in eine finanziell existenzbedrohende Situation geraten. Letztlich stelle die Fallzahlzuwachsbegrenzung auch einen Verstoß gegen die freie Arztwahl des Patienten dar und greife durch die Einschränkung der freien Arztwahl in den freien Wettbewerb zwischen den niedergelassenen Ärzten ein.
Der Kläger hat beantragt,
die Honorarbescheide der Beklagten für die Quartale I/1998 bis IV/1998 in der Fassung der Widerspruchsbescheid vom 21.10.1998, vom 10.02.1999 vom 14.04.1999 und vom 18.08.1999 insoweit aufzuheben, als mit ihnen eine Fallzahlzuwachsbegrenzung beschlossen worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die Ausführungen in den angefochtenen Widerspruchsbescheiden verwiesen.
Mit Urteil vom 12.09.2000 hat das Sozialgericht Dortmund die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die Honorarbescheide für die streitigen Quartale seien rechtmäßig, es bestünden keine rechtlichen Hindernisse für die Anwendung der Fallzahlzuwachsbegrenzungsregelung. Zwar werde durch diese Regelung die Berufsausübung der Ärzte beschränkt, dies führe aber nicht zur Rechtswidrigkeit der Regelung wegen Unvereinbarkeit mit Art. 12 Grundgesetz (GG), da die Fallzahlzuwachsbegrenzung eine flankierende Maßnahme zur Stützung des Punktwertes durch Einführung der Praxisbudgets sei. Die Fallzahlzuwachsbegrenzungsregelung verstoße auch nicht gegen den Grundsatz der leistungsgerechten Honorarverteilung und bewirke auch keine Wettbewerbsverzerrung in nerhalb der jeweiligen Arztgruppe. Rechtliche Bedenken könnten zwar bestehen, wenn durch die Fallzahlzuwachsbregenzung Praxen mit geringer Fallzahl eine Steigerung zum durchschnittlichen Honorar der Fachgruppe verwehrt würde; dies treffe jedoch für den Kläger nicht zu, da er im Referenzquartal 1995 keine unterdurchschnittliche Fallzahl aufwies. Es sei auch nicht zutreffend, dass Ärzte, die die zulässige Fallzahlzuwachsbegrenzung überschritten, in soweit keine Vergütung erhielten. Bei diesen Ärzten wurden nur die Punktwerte in einem bestimmten Maße quotiert. Das Fehlen von Härtefallklauseln sei nicht zu beanstanden, da die Beklagte in den Durchführungsbestimmungen in ausreichendem Maße Ausnahmeregelungen geschaffen habe.
Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und im wesentlichen auf sein erstinstanzliches Sachvortrag verwiesen. Ergänzend hat er angeführt, dass er im Jahre 1998 ständig mehrere Altenheime umfassend medizinisch betreut habe. Viele der Altenheimpatienten hätten zur medizinischen Versorgung regelmäßig von ihmbesucht werden müssen, so dass auch dadurch eine Erhöhung der Fallzahlen in den streitbefangenen Quartalen eingetreten sei.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Beklagte erklärt, sie werde unter Abänderung der angefochtenen Bescheide und Widerspruchsbescheide den Kläger für die streitigen Quartale die (Altenheim)-Behandlungsfälle nachvergüten, wie es sich aus der Anlage vom 12.02.2001 ergebe.
Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen und darüber hinaus beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 12.09.2000 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung der bisher angefochtenen Bescheide in der Fassung vom heutigen Tage zu verurteilen, an den Kläger weitere 11.655,66 DM Honorar für die Quartale I/1998 bis IV/1998 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und hat nochmals zu Notwendigkeit einer Fallzahlzuwachsbegrenzung bei Einführung von Praxisbudgets vorgetragen.
Die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten des Sozialgerichts Dortmund - S 14 KA 76/99 ER - haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf den Inhalt dieser Akten und den der Streitakten wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, da die Honorarbescheide der Beklagten rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 SGG beeinträchtigen.
Die von der Beklagten vorgenommenen Honorarkürzungen durch die an gefochtenen Bescheide in der Fassung vom 14.02.2001 sind rechtmäßig, denn sie entsprechen - unstreitig - den in § 10 HVM kodifizierten Voraussetzungen.
Die in § 10 HVM vorgenommene Regelung zur Fallzahlzuwachsbegrenzung verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht.
Der Senat hält es in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-2500 § 85 Nr. 28) für mit den aus § 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V abzuleitenden Gebot der leistungsproportionalen Honorarverteilung vereinbar, im HVM ein Verteilungskonzept anzulegen, das zur Stabilisierung der Punktwerte Honorarbegrenzungsregelungen vornimmt, statt bei einer Honorierung aller abgerechneten Punkte einen (stark) schwankenden Punktwert akzeptiert.
Zwar hat der Senat in seiner Entscheidung vom 06.09.2000 (L 11 KA 42/00) eine im HVM der dort beklagten Kassenärztlichen Vereinigung vorgenommene reine Fallzahlbegrenzung zur Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung (§ 85 Abs. 4 Satz 4 SGB V) in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG (Soz-R 3.2500 § 85 Nr. 23) für unzulässig erachtet, jedoch hat der Senat dabei ausdrücklich darauf abgestellt, dass es sich bei der dort streitigen HVM-Regelung um eine solche zur Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung handelte.
Bei der von der Beklagten in § 10 HVM vorgenommenen Fallzahlzuwachsbegrenzungsregelung handelt es sich jedoch nicht um eine Regelung zur Vermeidung einer übermäßigen Ausdehnung, sondern um eine (von mehreren) Maßnahme zur gerechten Honorarverteilung bei bestehenden Praxis- und Zusatzbudgets. Dies wird auch vom Kläger nicht bezweifelt, denn er führt ausdrücklich in seiner Klagebe gründung aus, dass Ermächtigungsgrundlage für diese HVM-Regelung allein § 85 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 SGB V sein könne. Da bei geltender Budgetierung die ausdrücklich mit der Einführung der Praxis- und Zusatzbudgets gewollte Punktwertstabilität zumindest dann gefährdet ist, wenn die Fallzahlen nicht unerheblich steigen, hält es der Senat für sachgerecht, wenn eine Kassenärztliche Vereinigung zur Stützung dieses vom Gesetzgeber angestrebten Ziels Maßnahmen zur Begrenzung des Fallzahlzuwachses im HVM festlegt.
Bei der in § 10 HVM vorgenommenen Quotierungsregelung handelt es sich zwar um eine (reine) Begrenzung der Fallzahlsteigerung, die jedoch vom Anknüpfungspunkt her sachlich gerechtfertigt und durch den HVM sowie die Durchführungsbestimmungen des Vorstandes moderat "abgefedert" wird.
Zwar hat der erkennende Senat in der obengenannten Entscheidung vom 06.09.2000 dazu geneigt, auch die Einführung einer reinen Fallzahlbegrenzung zur Unterstützung der Budgetierung für unzulässig anzusehen. Es hat dabei jedoch - aufgrund der dort streitigen HVM-Regelung - auch nicht berücksichtigen können, dass bei einer entsprechenden Ausgestaltung mit Ausnahme- und Härtefallregelungen eine dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit entsprechende Gestaltungsmöglichkeit besteht.
Die streitige Regelung in § 10 HVM der Beklagten beinhaltet keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Sie ist insgesamt sachlich gerechtfertigt, denn sie schließt einerseits eine (angemessene) Steigerung gegenüber den Referenzquartalen des Jahres 1995 nicht völlig aus und enthält im HVM sowie den Durchführungsbestimmungen die notwendigen Härteregelungen (BSG SozR 3-2500 § 84, 28). Die Anknüpfung an das Jahr 1995 ist für die streitigen Quartale nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat durch die Regelung in § 10 HVM einen Fallzahlzuwachs nicht ausgeschlossen, sondern nur begrenzt. Dabei ist hinsichtlich des Umfanges des zulässigen Fallzahlzuwachses auf die entsprechende Steigerung der Gesamtvergütung abgestellt worden. Dieser Anhaltspunkt stellt einen sachlichen Gesichtspunkt dar, da eine Steigerung des arztgruppenbezogenen Budgets (Honorartopfes) auch nur in diesem Maße erfolgen kann. Insofern kann es unter Berücksichtigung des weiteren Gestaltungsspielraumes einer Kassenärztlichen Vereinigung bei der Schaffung von HVM-Normen nicht als sachwidrig angesehen werden, wenn dieser Gesichtspunkt als Kriterium für eine Honorarbegrenzungsregelung aufgegriffen wird. Dies gilt umso mehr, als die von der Beklagten eingeführte Fallzahlzuwachsbegrenzung nur dann zum Tragen kommt, wenn die Fachgruppe insgesamt einen prozentualen Zuwachs an Behandlungsfällen hat, der über der pro zentualen Steigerung der Gesamtvergütung liegt. Soweit die Fachgruppe insgesamt lediglich einen Zuwachs an Behandlungsfällen aufweist, der unter der prozentualen Steigerung der Gesamtvergütung liegt, kann ein einzelner Arzt seine Fallzahl steigern, ohne von der Fallzahlzuwachsbegrenzung betroffen zu sein.
Entgegen der Ansicht des Klägers bewirkt die Regelung in § 10 HVM nicht, dass nicht alle Behandlungsfälle von der Beklagten vergütet werden. Die Fallzahlzuwachsbegrenzung wirkt sich gemäß § 10 HVM lediglich in dem Maße aus, dass eine entsprechende Quotierung des (gestützten) Punktwertes eintritt, wobei jedoch aufgrund der Regelungen in der Durchführungsbestimmungen die Quotierung nicht unter den Grenzwert von 85 % absinken darf. Insofern hat die Beklagte die höchstmögliche Auswirkung der Fallzahlzuwachsbegrenzung moderat gestaltet, um die wirtschaftliche Situation des einzelnen Vertragsarztes bei der Honorarverteilung angemessen zu berücksichtigen.
Im übrigen hat die Beklagte in § 10 HVM sowie den Durchführungsbestimmungen in ausreichendem Maße im Einzelfall möglicherweise auftretende Besonderheiten berücksichtigt. Neben einer Regelung für sogenannte Anfängerpraxen enthält § 10 HVM in Abs. 3 die Regelung, dass eine vorgenommene Quotierung dann (anteilig) aufzuheben ist, wenn im Verlauf der folgenden drei Quartale die Grenzwerte der Arztgruppe entsprechend unterschritten werden. Damit werden Fallzahlschwankungen in einem Quartal aufgefangen. Ebenfalls Berücksichtigung findet ein Fallzahlzuwachs aufgrund von Praxis schließungen im Umfeld der betroffenen Arztpraxis (§ 10 Abs. 4 HVM). Hier haben die Verwaltungsstellen der Beklagten die Möglichkeit, eine angemessene Korrektur der Fallzahlzuwachsbegrenzung vorzunehmen. Letztlich ist noch zu erwähnen, dass in den Durchführungsbestimmungen auch festgelegt worden ist, dass unterschiedliche Ausfalltage in Abrechnungs- und Vergleichsquartalen (etwa wegen Krankheit oder Urlaub) bei der Begrenzung des Fallzahlzuwachses zu berücksichtigen sind.
Der Senat muß nicht entscheiden, ob die gegenüber dem Kläger vorgenommene Honorarkürzung aufgrund der Regelung in § 10 HVM deshalb zu beanstanden sein können, weil weder im HVM noch in den Durch führungsbestimmungen, die in den streitigen Quartalen verbindlich waren, eine Regelung getroffen war, die es einem Vertragsarzt, der im Referenzquartal eine unterdurchschnittliche Fallzahl aufwies, ermöglichte, eine Steigerung bis zum Fachgruppendurchschnitt vorzunehmen. Der Kläger ist insoweit nicht beschwert, weil er in den jeweiligen Vergleichquartalen des Jahres 1995 keine unter dem Fachgruppendurchschnitt liegenden Fallzahl hatte.
Soweit der Kläger auf die Veränderungen im Umfeld seiner Praxis hinweist, ist dies nicht entscheidungserheblich, da diese Veränderungen - wie die Beklagte unbestritten dargelegt hat - vor 1995 eingetreten sind und somit für die im Jahre 1998 eingetretene Fallzahlsteigerung nicht ursächlich sein können.
Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß § 183 und 193 SGG SGG.
Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 SGG).
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