S 21 R 21/11

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
SG Lübeck (SHS)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
21
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 21 R 21/11
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
./.
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist ein Zinsanspruch.

Der am 1927 geborene Kläger lebt in den USA. Er stellte bei der Beklagten am 30. Juni 2003 formlos und ohne Unterschrift per FAX einen Antrag auf eine "Ghettorente", da er in einem Ghetto gearbeitet habe. Die Beklagte forderte vom Kläger mit einem zweisprachigen Vordruck den Antragsvordruck für Versichertenrente, eine Lebens- und Staatsangehörigkeitsbescheinigung und eine Zahlungserklärung an. Die entsprechenden Vordrucke waren beigefügt. Eine Rücksendung erfolgte nicht. Die Beklagte zog Unterlagen der Claims Conference und die Entschädigungsakten der Bezirksregierung Düsseldorf bei und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 27. Januar 2005 ab. Die Wartezeit sei nicht erfüllt. Bei der Arbeit im Ghetto habe es sich um Zwangsarbeit gehandelt.

Am 2. Juni 2010 beantragte der Kläger die Überprüfung des ablehnenden Rentenbescheides und übersandte am 24. September 2010 eine Lebens- und Staatsangehörigkeits-bescheinigung und eine Zahlungserklärung. Die Beklagte gewährte dem Kläger darauf hin mit Bescheid vom 13. Oktober 2010 Regelaltersrente ab 1. Januar 2005 in Höhe von monatlich EUR 154,10. Die Nachzahlung für die Zeit vom 1. März 2005 bis 30. September 2010 betrug EUR 10.498,10.

Dagegen erhob der Kläger am 25. Oktober 2010 Widerspruch. Dieser richte sich gegen den Rentenbeginn. Das Widerspruchsverfahren könne wegen bereits anhängiger Musterver-fahren ruhend gestellt werden. Gleichzeitig werde beanstandet, dass keine Zinsen gezahlt worden seien.

Das Widerspruchsverfahren hinsichtlich des Rentenbeginns wurde ruhend gestellt. Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2010 als unbegründet zurück. Die Verzinsung beginne frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrages beim zuständigen Leistungsträger. Der vollständige Antrag habe erst mit der Zusendung der Lebensbescheinigung und der Zahlungserklärung am 24. September 2010 vorgelegen. Ein Zinsanspruch bestehe daher nicht.

Dagegen hat der Kläger am 11. Januar 2011 beim Sozialgericht Lübeck Klage erhoben. Ein Leistungsantrag habe vor Erteilung des Bescheides vom 27. Januar 2005 vollständig vorgelegen. Bei Überprüfungsanträgen sei immer der ursprünglich gestellte Antrag maßgebend. Eine aktuelle Lebensbescheinigung und eine Zahlungserklärung seien für einen vollständigen Leistungsantrag nicht erforderlich.

Der Kläger beantragt nach Aktenlage,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13. Oktober 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2010 zu verurteilen, die im Rentenbescheid vom 13. Oktober 2010 ausgewiesene Nachzahlung für die Zeit vom 1. März 2005 bis 30. September 2010 zu verzinsen und dem Kläger den noch zu ermittelnden Zinsbetrag auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide. Ein vollständiger Leistungsantrag liege nach der Rechtsprechung des BSG erst vor, wenn unter Verwendung des jeweiligen Antragsformulars die für die Feststellung und Zahlung der Geldleistung maßgebenden Fragen beantwortet, erforderliche Unterlagen beigefügt sind und wenn das Formular unterschrieben ist.

Das Gericht hat die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen und zusammen mit der Prozessakte zum Gegenstand der Entscheidungsfindung gemacht. Es hat die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gem. § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vor der Entscheidung gehört worden.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 13. Oktober 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2010 ist hinsichtlich der nicht vorgenommenen Verzinsung der Nachzahlung rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verzinsung der an ihn gezahlten Rentennachzahlung gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). Nach dieser Vorschrift sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen (Abs. 1). Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger bzw. beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung. (Abs. 2). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

Bei der im Streit stehenden Altersrente handelt es sich nach § 115 Abs. 1 Satz 1 SGB VI um eine Leistung, die nur auf Antrag gewährt wird. Damit richtet sich die Verzinsung nach § 44 Abs. 1 und 2 erster Halbsatz SGB I, weshalb die Verzinsung sechs Kalendermonate nach vollständigem Eingang des Leistungsantrages beginnt. Vorliegend ist der vollständige Leistungsantrag erst mit Eingang der Lebens- und Staatsangehörigkeitsbescheinigung am 24. September 2010 gestellt worden. Die Verzinsung hätte daher erst ab 1. April 2011 beginnen können. Zu diesem Zeitpunkt war die Nachzahlung jedoch bereits ausgezahlt worden.

Für den Eingang des vollständigen Leistungsantrages im Sinne der genannten Regelung ist nicht auf den formlosen Rentenantrag vom 30. Juni 2003 abzustellen. Denn dieser Antrag war nicht vollständig. Ein vollständiger Leistungsantrag liegt vor, wenn der Antragsteller alle Tatsachen angegeben hat, die er angeben muss und auch angeben kann und die den Leistungsträger in die Lage versetzen, die Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen (Rolfs, Hauck/Noftz, SGB I, K § 44 Rdnr. 22). Überspannte Anforderungen dürfen hierbei naturgemäß unter der Geltung des Grundsatzes der Amtsermittlung nicht gestellt werden, insbesondere sind weder Rechtsausführungen noch ein substantiierter Vortrag im Sinne des Zivilprozessrechtes vom Antragsteller zu verlangen (Wagner, jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, § 44 SGB I, Rdnr. 27). Der Leistungsträger hat dem Anspruchsteller mitzuteilen, welche Urkunden dieser vorlegen muss. Erst wenn der Antragsteller einem derartigen (berechtigten) Begehren nachkommt, ist der Antrag vollständig gestellt (Wagner, a. a. O.). Damit stellt derjenige einen vollständigen Leistungsantrag, der seinen Mitwirkungspflichten nach § 60 SGB I vollumfänglich nachkommt (Wagner, a. a. O.). Dazu gehört es nach § 60 Nr. 3 SGB I auch, auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen.

Der Kläger erfüllte - wie die Beklagte zu Recht anführt - mit dem formlosen Leistungsantrag vom 30. Juni 2003 seine Mitwirkungspflichten nicht. Zu Recht forderte die Beklagte beim Kläger die unterschriebenen Antragsvordrucke und eine Lebens- und Staatsangehörigkeits-bescheinigung an. Denn zu den Mindestanforderungen einer vollständigen Rentenantragstellung gehört es, dass der Antrag vom Versicherten oder einer ordnungsgemäß bevollmächtigten Person unterschrieben ist. Darüber hinaus war die Beklagte berechtigt, sich vor Auszahlung einer Rente die Identität und die Staatsangehörigkeit des Klägers durch die geforderte amtliche Bescheinigung bestätigen zu lassen. Erst mit dem am 2. Juni 2010 durch seine Bevollmächtigte gestellten Überprüfungsantrag und die am 24. September 2010 übersandte Lebens- und Staatsangehörigkeitsbescheinigung ist der Kläger seinen Mitwirkungspflichten nach § 60 SGB I vollumfänglich nachgekommen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

gez. Richterin am Sozialgericht
Rechtskraft
Aus
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