Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 21 SO 29/13 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 8 SO 35/13 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Leistungserbringung außerhalb des örtlichen Einzugsbereichs eines Pflegedienstes
1. Ein Pflegedienst bedarf zur Erbringung von Leistungen der Hilfe zur Pflege außerhalb seines im Versorgungsvertrag festgelegten örtlichen Einzugsbereichs (§ 72 Abs. 3 Satz 3 SGB XI) einer Vereinbarung mit dem Sozialhilfeträger nach § 75 Abs. 3 SGB XII; eine solche Vereinbarung ist nicht nach § 75 Abs. 5 SGB XII entbehrlich.
2. Der im Versorgungsvertrag festgelegte örtliche Einzugsbereich eines Pflegedienstes ist seit der Neufassung von § 72 Abs. 3 Satz 3 SGB XI durch das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz vom 28.05.2008 (BGBl. I S. 874) in jeder Hinsicht verbindlich. Die zur alten Fassung von § 72 Abs. 3 Satz 3 SGB XI ergangene Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 24.05.2006 – B 3 P 1/05 R – juris RdNr. 15 ff.) ist überholt.
3. Die Erbringung von Leistungen der Hilfe zur Pflege durch einen Pflegedienst, mit dem eine Vereinbarung weder nach § 75 Abs. 3 SGB XII besteht noch nach § 75 Abs. 5 SGB XII entbehrlich ist, kommt nach § 75 Abs. 4 SGB XII nur in Betracht, wenn der Pflegedienst ein verpflichtendes Leistungsangebot gegenüber dem
Sozialhilfeträger abgegeben hat.
1. Ein Pflegedienst bedarf zur Erbringung von Leistungen der Hilfe zur Pflege außerhalb seines im Versorgungsvertrag festgelegten örtlichen Einzugsbereichs (§ 72 Abs. 3 Satz 3 SGB XI) einer Vereinbarung mit dem Sozialhilfeträger nach § 75 Abs. 3 SGB XII; eine solche Vereinbarung ist nicht nach § 75 Abs. 5 SGB XII entbehrlich.
2. Der im Versorgungsvertrag festgelegte örtliche Einzugsbereich eines Pflegedienstes ist seit der Neufassung von § 72 Abs. 3 Satz 3 SGB XI durch das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz vom 28.05.2008 (BGBl. I S. 874) in jeder Hinsicht verbindlich. Die zur alten Fassung von § 72 Abs. 3 Satz 3 SGB XI ergangene Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 24.05.2006 – B 3 P 1/05 R – juris RdNr. 15 ff.) ist überholt.
3. Die Erbringung von Leistungen der Hilfe zur Pflege durch einen Pflegedienst, mit dem eine Vereinbarung weder nach § 75 Abs. 3 SGB XII besteht noch nach § 75 Abs. 5 SGB XII entbehrlich ist, kommt nach § 75 Abs. 4 SGB XII nur in Betracht, wenn der Pflegedienst ein verpflichtendes Leistungsangebot gegenüber dem
Sozialhilfeträger abgegeben hat.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 28. März 2013 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu
erstatten.
III. Dem Beschwerdeführer wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ab Antragstellung bewilligt und Rechtsanwalt A H , D , beigeordnet.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Höhe der dem Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf.) zustehenden Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Der 1960 geborene und bei der Bahn-BKK krankenversicherte Bf. erlitt 2007 einen Herzinfarkt und liegt seitdem infolge eines hypoxischen Hirnschadens im Wachkoma. Er leidet unter einer spastischen Tetraparese, einer Blasen- und Darminkontinenz, einer Dysphagie mit Notwendigkeit der Sondenernährung sowie einer Atemantriebsstörung mit Apnoepausen. Nach den Feststellungen des Medizinischen Dienstes des Bundeseisenbahnvermögens (MD-BEV) bedarf der Bf. täglich rund um die Uhr, auch nachts, bei allen grundpflegerischen Verrichtungen umfassender Hilfeleistungen (Gutachten vom 17.10.2011: 317 Minuten; Gutachten vom 29.12.2012: 407 Minuten).
Nachdem der Bf. seit Januar 2008 zunächst in einem Pflegeheim untergebracht war, erfolgt seine Pflege seit April 2011 zu Hause, das im Kreisgebiet des Beschwerdegegners (Bg.) liegt. Dort bewohnt der Bf. mit seiner Lebensgefährtin und Betreuerin eine Eigentumswohnung; darüber hinaus verfügen sie über kein nennenswertes Vermögen. Sie beziehen Einkommen, das aus Erwerbsunfähigkeitsrenten, betrieblicher Zusatzversorgung, Einnahmen aus Verpachtung und bis Juni 2012 bei der Lebensgefährtin aus Arbeitslosengeld I bestand.
Seit dem 17.10.2011 wird der Bf. vom beigeladenen Pflegedienst betreut. Mit der Beigeladenen schloss der Bf. am 20.09.2011 einen Pflegeleistungsvertrag über Intensivpflege und Heimbeatmung (hinsichtlich des Vertragsinhalts wird auf Bl. 148ff. der Verwaltungsakten des Bg. Bezug genommen). Seitdem erbringt die Beigeladene für die Bahn-BKK Leistungen der häuslichen Krankenpflege zu einem Stundensatz von 28,50 EUR (laut Einzelvereinbarung vom 20.02.2012 im Umfang von 21 Stunden und 21 Minuten täglich – vgl. Bl. 94ff. der Gerichtsakten –; eine Anpassung des Umfangs an das Pflegegutachten vom 29.12.2012 kam nicht zustande – vgl. das Vertragsangebot der Bahn-BKK auf Bl. 103ff. der Gerichtsakten). Ferner erbringt die Beigeladene zulasten der Bahn-BKK-Pflegekasse Pflegesachleistungen nach der Pflegestufe III – Härtefall – in Höhe von monatlich 1.918,00 EUR.
Hinsichtlich des von der Pflegeversicherung nicht abgedeckten Hilfebedarfs beantragte der Bf. beim Bg. Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII. Mit Bescheid vom 30.03.2012 gab der Bg. dem Antrag für die Zeit vom 17.10.2011 bis 12.01.2012 statt und gewährte Leistungen in Höhe von insgesamt 2.220,00 EUR; bei der Berechnung der Leistungen legte der Bg. einen grundpflegerischen Hilfebedarf von täglich 317 Minuten sowie einen Stundensatz von 28,50 EUR zugrunde und zog davon Pflegeversicherungsleistungen von monatlich 1.918,00 EUR ab. Für die Zeit ab dem 13.01.2012 lehnte der Bg. die Leistungsgewährung unter Hinweis auf vorrangig einzusetzendes Einkommen des Bf. und seiner Lebensgefährtin ab. Dem widersprach die Lebensgefährtin und Betreuerin des Bf. und bat um Neuberechnung ab 24.05.2012, da sich von da an ihre Einkommensverhältnisse wesentlich änderten. Außerdem brachte der Prozessbevollmächtigte des Bf. vor, dass der beigeladene Pflegedienst die Pflege anhand von Leistungskomplexen abrechnen müsse und der Sozialhilfeträger den sich hieraus ergebenden, von der Pflegeversicherung nicht abgedeckten Betrag übernehmen müsse. Mit Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 24.01.2013 gewährte der Bg. dem Bf. Leistungen der Hilfe zur Pflege auch für die Zeit nach dem 13.01.2012, nämlich • bis zum 30.06.2012 in Höhe von 29,47 EUR monatlich bei 30 Tagen im Monat und 105,00 EUR bei 31 Tagen im Monat, • bis zum 31.12.2012 in Höhe von 42,50 EUR monatlich bei 30 Tagen im Monat und 118,03 EUR bei 31 Tagen im Monat und • seit dem 01.01.2013 in Höhe von 69,67 EUR monatlich bei 30 Tagen im Monat und 145,20 EUR bei 31 Tagen im Monat. Im Übrigen wies der Bg. den Widerspruch als unbegründet zurück. Hiergegen hat der Bf. vor dem Sozialgericht Leipzig (SG) am 28.02.2013 Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist (Az.: S 21 SO 38/13).
Bereits am 06.02.2013 hat der Bf. vor dem SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel beantragt, den Bg. zu verpflichten, ihm einstweilen Leistungen der Hilfe zur Pflege in Höhe von monatlich 3.500,00 EUR zu leisten und für vergangenen Zeiträume ein Darlehen in Höhe von 30.622,34 EUR zur Freistellung von Verbindlichkeiten gegenüber dem beigeladenen Pflegedienst zu gewähren. Dies hat das SG abgelehnt (Beschluss vom 28.03.2013). Gegen den am 28.03.2013 zugestellten Beschluss hat der Bf. am 08.04.2013 Beschwerde eingelegt.
Dem Senat haben die Verwaltungsakten des Bg. und die Gerichtsakten vorgelegen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das SG den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung abgelehnt.
1. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, sofern ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu sind gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sowohl der durch die Anordnung zu sichernde, im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung ergehen und dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung der Hauptsache gesichert werden soll (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen der Rechte des Antragstellers, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr beseitigt werden können, und will sich das Gericht in solchen Fällen an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren, muss die Sach- und Rechtslage ggf. abschließend geprüft werden.
2. Ein für den Erlass der begehrten einstweiligen Regelungsanordnung erforderlicher Anordnungsanspruch liegt nicht vor. Der Bf. hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen der Hilfe zur Pflege über die bereits vom Bg. bewilligten Leistungen hinaus.
Denn die Übernahme einer höhere Vergütung für die vom beigeladenen Pflegedienst erbrachten grundpflegerischen Leistungen, die aus deren leistungskomplexbezogenen statt zeitbasierten Abrechnung durch die Beigeladene resultiert, könnte der Bf. nur verlangen, wenn der Bg. dem beigeladenem Leistungserbringer aus § 75 Abs. 3 bis 5 SGB XII hierauf verpflichtet wäre (vgl. hierzu Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 22.03.2012 – B 8 SO 1/11 R – juris RdNrn. 17f.; Flint in Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 75 RdNr. 7; Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, § 75 RdNrn. 99, 104). Dies ist nicht der Fall.
a) Nach § 75 SGB XII ist der Träger der Sozialhilfe zur Übernahme der Vergütung für die Leistung zunächst nur verpflichtet, wenn die Leistung von einer Einrichtung bzw. einem Dienst (Absatz 1 Satz 2) erbracht wird und mit deren bzw. dessen Träger oder seinem Verband eine Vereinbarung über Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen (Leistungsvereinbarung), die Vergütung, die sich aus Pauschalen und Beträgen für einzelne Leistungsbereiche zusammensetzt (Vergütungsvereinbarung) und die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen (Prüfungsvereinbarung) besteht (Absatz 3). Eine solche Vereinbarung besteht zwischen Bg. und beigeladenem Pflegedienst nicht.
Eine solche Vereinbarung ist auch nicht nach § 75 Abs. 5 SGB XII entbehrlich. Denn danach richten sich bei zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 72 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) Art, Inhalt, Umfang und Vergütung der ambulanten Pflegeleistungen nach den Vorschriften des Achten Kapitels des SGB XI. Der beigeladene Pflegedienst ist zwar aufgrund des mit den Landesverbänden der Pflegekassen geschlossenen "Versorgungsvertrages für ambulante Pflege" vom 23.03.2004 eine zugelassene Pflegeeinrichtung im Sinne des § 72 SGB XI. Jedoch gehört das Kreisgebiet des Bg. nicht zu dem in diesem Versorgungsvertrag gemäß § 72 Abs. 3 Satz 3 SGB XI festgelegten Einzugsbereich der Beigeladenen; denn dieser umfasst nach § 4 Abs. 1 des Versorgungsvertrages nur die Altkreise Mittweida und Freiberg. Die zur alten Fassung des § 72 Abs. 3 Satz 3 SGB XI ergangene Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 24.05.2006 – B 3 P 1/05 R – juris RdNr. 15 ff.), auf die sich der Bf. bezieht, ist durch die Neufassung dieser Vorschrift mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz (PflegeWEG) vom 28.05.2008 (BGBl. I S. 874) überholt; seither ist der Einzugsbereich für einen zugelassenen Pflegedienst in jeder Hinsicht verbindlich (Wahl in jurisPK-SGB XI, § 72 RdNr. 45). Dies bedarf hier allerdings keiner weiteren Vertiefung, denn nach dem ebenfalls durch das PflegeWEG eingeführten § 89 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 SGB XI gilt eine Vergütungsvereinbarung mit einem zugelassenen Pflegedienst nur für den nach § 72 Abs. 3 Satz 3 SGB XI vereinbarten Einzugsbereich, soweit nichts ausdrücklich etwas Abweichendes vereinbart wird. Die von der Beigeladenen geschlossene "Vereinbarung gemäß § 89 SGB XI über die Vergütung ambulanter Leistungen" vom 14.09.2012 bzw. 27.09.2012 enthält keine abweichende Vereinbarung über ihren Geltungsbereich; sie gilt daher nur für das Gebiet der Altkreise Mittweida und Freiberg. Folglich gibt es für das Kreisgebiet des Bg. keine Vergütungsvereinbarung nach § 89 SGB XI mit dem beigeladenen Pflegedienst, an die der Bg. gemäß § 75 Abs. 5 SGB XII gebunden sein könnte. Es kann daher dahinstehen, ob eine Vergütungsvereinbarung nach § 89 SGB XI auch dann gegen den Bg. wirkt, wenn sie nicht im Einvernehmen mit ihm getroffen wurde und werden musste (ausdrücklich offen gelassen vom BSG, Urteil vom 22.03.2012 – B 8 SO 1/11 R – RdNr. 18; dafür mit gewichtigen Argumenten: Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, § 75 RdNr. 75; Münder in LPK-SGB XII, § 75 RdNr. 42; Neumann in Hauck/Noftz, SGB XII, § 75 RdNr. 46; Möller, SGb 2006, 20, 21; Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, § 75 RdNr. 63; a.A. Flint in Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 75 RdNr. 53; Rabe in Fichtner/Wenzel, SGB XII, § 75 RdNr. 31).
b) Es kommt auch keine Leistungsverpflichtung nach dem Absatz 4 des § 75 SGB XII in Betracht. Denn danach darf der Träger der Sozialhilfe Leistungen durch eine Einrichtung bzw. einen Dienst, mit der bzw. dem keine Vereinbarung nach Absatz 3 besteht (und diese nicht nach Absatz 5 entbehrlich ist) nur erbringen, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalls geboten ist und sofern der Träger der Einrichtung bzw. des Dienstes ein Leistungsangebot vorgelegt hat, das die Voraussetzung des § 76 SGB XII erfüllt, und sich schriftlich verpflichtet, Leistungen entsprechend diesem Angebot zu erbringen. Zwar mag es hier so liegen, dass es nach den Besonderheiten des Einzelfalles geboten ist, die Leistungen durch die Beigeladene zu erbringen, weil kein zugelassener oder mit dem Bg. vertragsgebundener Pflegedienst in der Lage ist, die für den Bf. erforderliche Leistung zu erbringen (vgl. hierzu: Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, § 75 RdNrn. 61ff., insb. 63). Hier fehlt es aber an der Vorlage eines verpflichtenden Leistungsangebotes der Beigeladenen. Ein solches ist weder vom SG festgestellt noch auf die Verfügung des Senats vom 27.09.2013 von der Beigeladenen vorgelegt worden.
Ein verpflichtendes Leistungsangebot des beigeladenen Pflegedienstes ist auch nicht entbehrlich. Zwar kann § 75 Abs. 4 SGB XII dazu führen, dass der Sozialhilfeträger die von einem Dienst in Rechnung gestellten Kosten auch ohne eine Vereinbarung übernehmen muss (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.12.2007 – L 23 B 249/07 SO ER – juris RdNr. 44). Denn nach Maßgabe des § 75 Abs. 4 SGB XII kann gerade auf eine generelle Vereinbarung oder eine Vereinbarung im Einzelfall verzichtet werden (Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, § 75 RdNr. 33). Doch muss den Anforderungen des § 75 Abs. 4 SGB XII Genüge getan werden und der Dienst ein verpflichtendes Leistungsangebot abgegeben haben; es ist nur unschädlich, dass der Sozialhilfeträger dieses Angebot nicht angenommen hat und deswegen keine Vereinbarung zustande gekommen ist (vgl. Schellhorn a.a.O. RdNr. 35; Jaritz, Sozialrecht aktuell 2012, 105, 116).
Im Übrigen gibt der zwischen dem Bf. und der Beigeladenen geschlossene "Pflegeleistungsvertrag über Intensivpflege und Heimbeatmung" 20.09.2011 nichts dafür her, dass die Beigeladene gegenüber dem Bf. zur leistungskomplexbezogenen Abrechnung der grundpflegerischen Leistungen berechtigt wäre. Dort heißt es – soweit hier von Interesse: "Vergütungsregelung und Abrechnung mit Sozialleistungsträgern 1. Der Pflegedienst berechnet für die erbrachten Leistungen, die mit den Kranken- und Pflegekassen bzw. Sozialhilfeträgern ausgehandelten Entgelte, entsprechend des gültigen Entgeltverzeichnisses und der Einzelvereinbarung. Vergütungsregelung und Abrechnung mit dem Leistungsnehmer 1. Werden Leistungen erbracht, deren Kosten nicht seitens der Kranken- oder Pflegekassen oder des Sozialhilfeträgers übernommen werden, oder die keine Kassenleistungen sind, oder die über die Höchstgrenzen hinausgehen, die der Leistungsnehmer jedoch in Anspruch nimmt, sind vom Leistungsnehmer selbst zu zahlen. Soweit diese nicht schon Vertragsbestandteil sind (wie z.B. das Servicepaket), ist der Leistungsnehmer umfassend zu beraten und es muss dazu eine gesonderte Vereinbarung mit dem Leistungsnehmer getroffen werden aus der Art und Kosten der Leistungen ersichtlich sind. " Letztlich verweist der Pflegevertrag – der gesetzlichen Vorgabe in § 120 Abs. 3 SGB XI entsprechend – auf die mit den Sozialleistungsträgern geschlossenen Vergütungsvereinbarungen. Diese lassen aber eine leistungskomplexbezogene Abrechnung schon deshalb nicht zu, weil – wie bereits ausgeführt wurde – die von der Beigeladenen geschlossene "Vereinbarung gemäß § 89 SGB XI über die Vergütung ambulanter Leistungen" vom 14.09.2012 bzw. 27.09.2012 nicht für das Kreisgebiet des Bg. gilt. Hinzu kommt, dass der Pflegevertrag in seinen "Vergütungsregelungen" auch auf die zwischen der Beigeladenen und der Bahn-BKK geschlossenen "Einzelvereinbarung" vom 20.02.2012 Bezug nimmt. Denn Gegenstand des Pflegevertrages zwischen Bf. und Beigeladener ist nicht allein die Grundpflege, sondern auch die häusliche Krankenpflege. Hinsichtlich letzterer ergibt sich aus den zitierten Bestimmungen des Pflegevertrages, dass die Leistungen auch im Verhältnis zum Bf. nicht anders als gegenüber seiner Krankenkasse abgerechnet werden dürfen. Diese Abrechnung richtet sich gemäß § 8 der "Einzelvereinbarung" nach den vom BSG in dessen Urteil vom 17.06.2010 (B 3 KR 7/09 R – juris) entwickelten Maßstäben. Da diese Maßstäbe der Abgrenzung zwischen häuslicher Krankenpflege und Grundpflege dienen, kann sich die Beigeladene redlicherweise nicht darauf berufen, dass die "Einzelvereinbarung" nur mit der Bahn-BKK und nicht auch mit der Bahn-BKK-Pflegekasse geschlossen wurde. Vielmehr spricht alles dafür, dass auch die grundpflegerischen Leistungen entsprechend – mithin zeitbasiert – abgerechnet werden müssen.
Schließlich führt der Hinweis des Bf. auf das Urteil des BSG vom 28.02.2013 (B 8 SO 1/12 R – juris) zu keinem ihm günstigeren Ergebnis. Denn die Beigeladene erbringt ihre Pflegeleistungen gerade nicht im Rahmen des Arbeitgebermodells, sondern als selbständige Leistungserbringerin. Stattdessen macht dieses Urteil darauf aufmerksam, dass die in § 91 Abs. 2 SGB XI für die Inanspruchnahme von zugelassenen Pflegediensten ohne Vergütungsvereinbarung angeordnete Beschränkung der Kostenerstattung auf 80 % auch für die Sozialhilfeansprüche gilt (Satz 3 dieser Vorschrift – dazu BSG a.a.O. RdNr. 20).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
4. Dem Bf. war auf seinen Antrag hin PKH zu gewähren, weil er bedürftig im Sinne des § 73a SGG i. V. m. § 115 ZPO ist und bei Antragstellung hinreichende Erfolgsaussichten bestanden. Bei dem nur auf hinreichende Aussichten ausgerichteten Erfolgsmaßstab war zu berücksichtigen, dass hinsichtlich der hier zu entscheidenden schwierigen Rechtsfragen noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt und das auch im Beschwerdeverfahren noch Sachermittlungen zu tätigen waren.
5. Die Entscheidungen können nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Dr. Wahl Salomo Kirchberg
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu
erstatten.
III. Dem Beschwerdeführer wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ab Antragstellung bewilligt und Rechtsanwalt A H , D , beigeordnet.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Höhe der dem Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf.) zustehenden Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Der 1960 geborene und bei der Bahn-BKK krankenversicherte Bf. erlitt 2007 einen Herzinfarkt und liegt seitdem infolge eines hypoxischen Hirnschadens im Wachkoma. Er leidet unter einer spastischen Tetraparese, einer Blasen- und Darminkontinenz, einer Dysphagie mit Notwendigkeit der Sondenernährung sowie einer Atemantriebsstörung mit Apnoepausen. Nach den Feststellungen des Medizinischen Dienstes des Bundeseisenbahnvermögens (MD-BEV) bedarf der Bf. täglich rund um die Uhr, auch nachts, bei allen grundpflegerischen Verrichtungen umfassender Hilfeleistungen (Gutachten vom 17.10.2011: 317 Minuten; Gutachten vom 29.12.2012: 407 Minuten).
Nachdem der Bf. seit Januar 2008 zunächst in einem Pflegeheim untergebracht war, erfolgt seine Pflege seit April 2011 zu Hause, das im Kreisgebiet des Beschwerdegegners (Bg.) liegt. Dort bewohnt der Bf. mit seiner Lebensgefährtin und Betreuerin eine Eigentumswohnung; darüber hinaus verfügen sie über kein nennenswertes Vermögen. Sie beziehen Einkommen, das aus Erwerbsunfähigkeitsrenten, betrieblicher Zusatzversorgung, Einnahmen aus Verpachtung und bis Juni 2012 bei der Lebensgefährtin aus Arbeitslosengeld I bestand.
Seit dem 17.10.2011 wird der Bf. vom beigeladenen Pflegedienst betreut. Mit der Beigeladenen schloss der Bf. am 20.09.2011 einen Pflegeleistungsvertrag über Intensivpflege und Heimbeatmung (hinsichtlich des Vertragsinhalts wird auf Bl. 148ff. der Verwaltungsakten des Bg. Bezug genommen). Seitdem erbringt die Beigeladene für die Bahn-BKK Leistungen der häuslichen Krankenpflege zu einem Stundensatz von 28,50 EUR (laut Einzelvereinbarung vom 20.02.2012 im Umfang von 21 Stunden und 21 Minuten täglich – vgl. Bl. 94ff. der Gerichtsakten –; eine Anpassung des Umfangs an das Pflegegutachten vom 29.12.2012 kam nicht zustande – vgl. das Vertragsangebot der Bahn-BKK auf Bl. 103ff. der Gerichtsakten). Ferner erbringt die Beigeladene zulasten der Bahn-BKK-Pflegekasse Pflegesachleistungen nach der Pflegestufe III – Härtefall – in Höhe von monatlich 1.918,00 EUR.
Hinsichtlich des von der Pflegeversicherung nicht abgedeckten Hilfebedarfs beantragte der Bf. beim Bg. Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII. Mit Bescheid vom 30.03.2012 gab der Bg. dem Antrag für die Zeit vom 17.10.2011 bis 12.01.2012 statt und gewährte Leistungen in Höhe von insgesamt 2.220,00 EUR; bei der Berechnung der Leistungen legte der Bg. einen grundpflegerischen Hilfebedarf von täglich 317 Minuten sowie einen Stundensatz von 28,50 EUR zugrunde und zog davon Pflegeversicherungsleistungen von monatlich 1.918,00 EUR ab. Für die Zeit ab dem 13.01.2012 lehnte der Bg. die Leistungsgewährung unter Hinweis auf vorrangig einzusetzendes Einkommen des Bf. und seiner Lebensgefährtin ab. Dem widersprach die Lebensgefährtin und Betreuerin des Bf. und bat um Neuberechnung ab 24.05.2012, da sich von da an ihre Einkommensverhältnisse wesentlich änderten. Außerdem brachte der Prozessbevollmächtigte des Bf. vor, dass der beigeladene Pflegedienst die Pflege anhand von Leistungskomplexen abrechnen müsse und der Sozialhilfeträger den sich hieraus ergebenden, von der Pflegeversicherung nicht abgedeckten Betrag übernehmen müsse. Mit Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 24.01.2013 gewährte der Bg. dem Bf. Leistungen der Hilfe zur Pflege auch für die Zeit nach dem 13.01.2012, nämlich • bis zum 30.06.2012 in Höhe von 29,47 EUR monatlich bei 30 Tagen im Monat und 105,00 EUR bei 31 Tagen im Monat, • bis zum 31.12.2012 in Höhe von 42,50 EUR monatlich bei 30 Tagen im Monat und 118,03 EUR bei 31 Tagen im Monat und • seit dem 01.01.2013 in Höhe von 69,67 EUR monatlich bei 30 Tagen im Monat und 145,20 EUR bei 31 Tagen im Monat. Im Übrigen wies der Bg. den Widerspruch als unbegründet zurück. Hiergegen hat der Bf. vor dem Sozialgericht Leipzig (SG) am 28.02.2013 Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist (Az.: S 21 SO 38/13).
Bereits am 06.02.2013 hat der Bf. vor dem SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel beantragt, den Bg. zu verpflichten, ihm einstweilen Leistungen der Hilfe zur Pflege in Höhe von monatlich 3.500,00 EUR zu leisten und für vergangenen Zeiträume ein Darlehen in Höhe von 30.622,34 EUR zur Freistellung von Verbindlichkeiten gegenüber dem beigeladenen Pflegedienst zu gewähren. Dies hat das SG abgelehnt (Beschluss vom 28.03.2013). Gegen den am 28.03.2013 zugestellten Beschluss hat der Bf. am 08.04.2013 Beschwerde eingelegt.
Dem Senat haben die Verwaltungsakten des Bg. und die Gerichtsakten vorgelegen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das SG den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung abgelehnt.
1. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, sofern ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu sind gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sowohl der durch die Anordnung zu sichernde, im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung ergehen und dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung der Hauptsache gesichert werden soll (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen der Rechte des Antragstellers, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr beseitigt werden können, und will sich das Gericht in solchen Fällen an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren, muss die Sach- und Rechtslage ggf. abschließend geprüft werden.
2. Ein für den Erlass der begehrten einstweiligen Regelungsanordnung erforderlicher Anordnungsanspruch liegt nicht vor. Der Bf. hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen der Hilfe zur Pflege über die bereits vom Bg. bewilligten Leistungen hinaus.
Denn die Übernahme einer höhere Vergütung für die vom beigeladenen Pflegedienst erbrachten grundpflegerischen Leistungen, die aus deren leistungskomplexbezogenen statt zeitbasierten Abrechnung durch die Beigeladene resultiert, könnte der Bf. nur verlangen, wenn der Bg. dem beigeladenem Leistungserbringer aus § 75 Abs. 3 bis 5 SGB XII hierauf verpflichtet wäre (vgl. hierzu Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 22.03.2012 – B 8 SO 1/11 R – juris RdNrn. 17f.; Flint in Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 75 RdNr. 7; Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, § 75 RdNrn. 99, 104). Dies ist nicht der Fall.
a) Nach § 75 SGB XII ist der Träger der Sozialhilfe zur Übernahme der Vergütung für die Leistung zunächst nur verpflichtet, wenn die Leistung von einer Einrichtung bzw. einem Dienst (Absatz 1 Satz 2) erbracht wird und mit deren bzw. dessen Träger oder seinem Verband eine Vereinbarung über Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen (Leistungsvereinbarung), die Vergütung, die sich aus Pauschalen und Beträgen für einzelne Leistungsbereiche zusammensetzt (Vergütungsvereinbarung) und die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen (Prüfungsvereinbarung) besteht (Absatz 3). Eine solche Vereinbarung besteht zwischen Bg. und beigeladenem Pflegedienst nicht.
Eine solche Vereinbarung ist auch nicht nach § 75 Abs. 5 SGB XII entbehrlich. Denn danach richten sich bei zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 72 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) Art, Inhalt, Umfang und Vergütung der ambulanten Pflegeleistungen nach den Vorschriften des Achten Kapitels des SGB XI. Der beigeladene Pflegedienst ist zwar aufgrund des mit den Landesverbänden der Pflegekassen geschlossenen "Versorgungsvertrages für ambulante Pflege" vom 23.03.2004 eine zugelassene Pflegeeinrichtung im Sinne des § 72 SGB XI. Jedoch gehört das Kreisgebiet des Bg. nicht zu dem in diesem Versorgungsvertrag gemäß § 72 Abs. 3 Satz 3 SGB XI festgelegten Einzugsbereich der Beigeladenen; denn dieser umfasst nach § 4 Abs. 1 des Versorgungsvertrages nur die Altkreise Mittweida und Freiberg. Die zur alten Fassung des § 72 Abs. 3 Satz 3 SGB XI ergangene Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 24.05.2006 – B 3 P 1/05 R – juris RdNr. 15 ff.), auf die sich der Bf. bezieht, ist durch die Neufassung dieser Vorschrift mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz (PflegeWEG) vom 28.05.2008 (BGBl. I S. 874) überholt; seither ist der Einzugsbereich für einen zugelassenen Pflegedienst in jeder Hinsicht verbindlich (Wahl in jurisPK-SGB XI, § 72 RdNr. 45). Dies bedarf hier allerdings keiner weiteren Vertiefung, denn nach dem ebenfalls durch das PflegeWEG eingeführten § 89 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 SGB XI gilt eine Vergütungsvereinbarung mit einem zugelassenen Pflegedienst nur für den nach § 72 Abs. 3 Satz 3 SGB XI vereinbarten Einzugsbereich, soweit nichts ausdrücklich etwas Abweichendes vereinbart wird. Die von der Beigeladenen geschlossene "Vereinbarung gemäß § 89 SGB XI über die Vergütung ambulanter Leistungen" vom 14.09.2012 bzw. 27.09.2012 enthält keine abweichende Vereinbarung über ihren Geltungsbereich; sie gilt daher nur für das Gebiet der Altkreise Mittweida und Freiberg. Folglich gibt es für das Kreisgebiet des Bg. keine Vergütungsvereinbarung nach § 89 SGB XI mit dem beigeladenen Pflegedienst, an die der Bg. gemäß § 75 Abs. 5 SGB XII gebunden sein könnte. Es kann daher dahinstehen, ob eine Vergütungsvereinbarung nach § 89 SGB XI auch dann gegen den Bg. wirkt, wenn sie nicht im Einvernehmen mit ihm getroffen wurde und werden musste (ausdrücklich offen gelassen vom BSG, Urteil vom 22.03.2012 – B 8 SO 1/11 R – RdNr. 18; dafür mit gewichtigen Argumenten: Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, § 75 RdNr. 75; Münder in LPK-SGB XII, § 75 RdNr. 42; Neumann in Hauck/Noftz, SGB XII, § 75 RdNr. 46; Möller, SGb 2006, 20, 21; Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, § 75 RdNr. 63; a.A. Flint in Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 75 RdNr. 53; Rabe in Fichtner/Wenzel, SGB XII, § 75 RdNr. 31).
b) Es kommt auch keine Leistungsverpflichtung nach dem Absatz 4 des § 75 SGB XII in Betracht. Denn danach darf der Träger der Sozialhilfe Leistungen durch eine Einrichtung bzw. einen Dienst, mit der bzw. dem keine Vereinbarung nach Absatz 3 besteht (und diese nicht nach Absatz 5 entbehrlich ist) nur erbringen, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalls geboten ist und sofern der Träger der Einrichtung bzw. des Dienstes ein Leistungsangebot vorgelegt hat, das die Voraussetzung des § 76 SGB XII erfüllt, und sich schriftlich verpflichtet, Leistungen entsprechend diesem Angebot zu erbringen. Zwar mag es hier so liegen, dass es nach den Besonderheiten des Einzelfalles geboten ist, die Leistungen durch die Beigeladene zu erbringen, weil kein zugelassener oder mit dem Bg. vertragsgebundener Pflegedienst in der Lage ist, die für den Bf. erforderliche Leistung zu erbringen (vgl. hierzu: Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, § 75 RdNrn. 61ff., insb. 63). Hier fehlt es aber an der Vorlage eines verpflichtenden Leistungsangebotes der Beigeladenen. Ein solches ist weder vom SG festgestellt noch auf die Verfügung des Senats vom 27.09.2013 von der Beigeladenen vorgelegt worden.
Ein verpflichtendes Leistungsangebot des beigeladenen Pflegedienstes ist auch nicht entbehrlich. Zwar kann § 75 Abs. 4 SGB XII dazu führen, dass der Sozialhilfeträger die von einem Dienst in Rechnung gestellten Kosten auch ohne eine Vereinbarung übernehmen muss (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.12.2007 – L 23 B 249/07 SO ER – juris RdNr. 44). Denn nach Maßgabe des § 75 Abs. 4 SGB XII kann gerade auf eine generelle Vereinbarung oder eine Vereinbarung im Einzelfall verzichtet werden (Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, § 75 RdNr. 33). Doch muss den Anforderungen des § 75 Abs. 4 SGB XII Genüge getan werden und der Dienst ein verpflichtendes Leistungsangebot abgegeben haben; es ist nur unschädlich, dass der Sozialhilfeträger dieses Angebot nicht angenommen hat und deswegen keine Vereinbarung zustande gekommen ist (vgl. Schellhorn a.a.O. RdNr. 35; Jaritz, Sozialrecht aktuell 2012, 105, 116).
Im Übrigen gibt der zwischen dem Bf. und der Beigeladenen geschlossene "Pflegeleistungsvertrag über Intensivpflege und Heimbeatmung" 20.09.2011 nichts dafür her, dass die Beigeladene gegenüber dem Bf. zur leistungskomplexbezogenen Abrechnung der grundpflegerischen Leistungen berechtigt wäre. Dort heißt es – soweit hier von Interesse: "Vergütungsregelung und Abrechnung mit Sozialleistungsträgern 1. Der Pflegedienst berechnet für die erbrachten Leistungen, die mit den Kranken- und Pflegekassen bzw. Sozialhilfeträgern ausgehandelten Entgelte, entsprechend des gültigen Entgeltverzeichnisses und der Einzelvereinbarung. Vergütungsregelung und Abrechnung mit dem Leistungsnehmer 1. Werden Leistungen erbracht, deren Kosten nicht seitens der Kranken- oder Pflegekassen oder des Sozialhilfeträgers übernommen werden, oder die keine Kassenleistungen sind, oder die über die Höchstgrenzen hinausgehen, die der Leistungsnehmer jedoch in Anspruch nimmt, sind vom Leistungsnehmer selbst zu zahlen. Soweit diese nicht schon Vertragsbestandteil sind (wie z.B. das Servicepaket), ist der Leistungsnehmer umfassend zu beraten und es muss dazu eine gesonderte Vereinbarung mit dem Leistungsnehmer getroffen werden aus der Art und Kosten der Leistungen ersichtlich sind. " Letztlich verweist der Pflegevertrag – der gesetzlichen Vorgabe in § 120 Abs. 3 SGB XI entsprechend – auf die mit den Sozialleistungsträgern geschlossenen Vergütungsvereinbarungen. Diese lassen aber eine leistungskomplexbezogene Abrechnung schon deshalb nicht zu, weil – wie bereits ausgeführt wurde – die von der Beigeladenen geschlossene "Vereinbarung gemäß § 89 SGB XI über die Vergütung ambulanter Leistungen" vom 14.09.2012 bzw. 27.09.2012 nicht für das Kreisgebiet des Bg. gilt. Hinzu kommt, dass der Pflegevertrag in seinen "Vergütungsregelungen" auch auf die zwischen der Beigeladenen und der Bahn-BKK geschlossenen "Einzelvereinbarung" vom 20.02.2012 Bezug nimmt. Denn Gegenstand des Pflegevertrages zwischen Bf. und Beigeladener ist nicht allein die Grundpflege, sondern auch die häusliche Krankenpflege. Hinsichtlich letzterer ergibt sich aus den zitierten Bestimmungen des Pflegevertrages, dass die Leistungen auch im Verhältnis zum Bf. nicht anders als gegenüber seiner Krankenkasse abgerechnet werden dürfen. Diese Abrechnung richtet sich gemäß § 8 der "Einzelvereinbarung" nach den vom BSG in dessen Urteil vom 17.06.2010 (B 3 KR 7/09 R – juris) entwickelten Maßstäben. Da diese Maßstäbe der Abgrenzung zwischen häuslicher Krankenpflege und Grundpflege dienen, kann sich die Beigeladene redlicherweise nicht darauf berufen, dass die "Einzelvereinbarung" nur mit der Bahn-BKK und nicht auch mit der Bahn-BKK-Pflegekasse geschlossen wurde. Vielmehr spricht alles dafür, dass auch die grundpflegerischen Leistungen entsprechend – mithin zeitbasiert – abgerechnet werden müssen.
Schließlich führt der Hinweis des Bf. auf das Urteil des BSG vom 28.02.2013 (B 8 SO 1/12 R – juris) zu keinem ihm günstigeren Ergebnis. Denn die Beigeladene erbringt ihre Pflegeleistungen gerade nicht im Rahmen des Arbeitgebermodells, sondern als selbständige Leistungserbringerin. Stattdessen macht dieses Urteil darauf aufmerksam, dass die in § 91 Abs. 2 SGB XI für die Inanspruchnahme von zugelassenen Pflegediensten ohne Vergütungsvereinbarung angeordnete Beschränkung der Kostenerstattung auf 80 % auch für die Sozialhilfeansprüche gilt (Satz 3 dieser Vorschrift – dazu BSG a.a.O. RdNr. 20).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
4. Dem Bf. war auf seinen Antrag hin PKH zu gewähren, weil er bedürftig im Sinne des § 73a SGG i. V. m. § 115 ZPO ist und bei Antragstellung hinreichende Erfolgsaussichten bestanden. Bei dem nur auf hinreichende Aussichten ausgerichteten Erfolgsmaßstab war zu berücksichtigen, dass hinsichtlich der hier zu entscheidenden schwierigen Rechtsfragen noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt und das auch im Beschwerdeverfahren noch Sachermittlungen zu tätigen waren.
5. Die Entscheidungen können nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Dr. Wahl Salomo Kirchberg
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