Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 208 KR 412/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 192/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Berliner Apotheker, der Arzneimittel an gesetzlich Krankenversicherte abgibt, muss die bundesmantelvertraglich vereinbarten Erläuterungen zur Vordruckvereinbarung kennen.
Er darf daher Arzneimittel zu Lasten der Krankenkassen grundsätzlich nur abgeben, wenn alle auf der Arzneimittelverordnung enthaltenen Arztnummern identisch sind.
Er darf daher Arzneimittel zu Lasten der Krankenkassen grundsätzlich nur abgeben, wenn alle auf der Arzneimittelverordnung enthaltenen Arztnummern identisch sind.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 2011 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Vergütungsansprüche des Klägers.
Der Kläger betreibt seit 1993 die "G Apotheke" in der Kstraße im Berliner Stadtteil S. Er nimmt aufgrund seiner Teilnahmeerklärung nach § 2 Abs. 3 des zwischen den Primärkassen und dem "Berliner Apotheker-Verein Apotheker-Verband Berlin (BAV) e.V." geschlossenen Arzneimittelversorgungsvertrags Berlin (AVB)sowie aufgrund seines Beitritt zu dem nach § 129 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zwischen den (früheren) Spitzenverbänden der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband abgeschlossenen Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung (RV) an der Versorgung gesetzlich Versicherter teil.
Am 9. Mai 2008 wurde in der Apotheke des Klägers eine gefälschte Arzneimittelverordnung für die zur Behandlung HIV-Infizierter zugelassenen Arzneimittel Kaletra und Truvada vorgelegt. Eine Mitarbeiterin des Klägers gab die Arzneimittel an den Kunden heraus. Die Arzneimittelverordnung trug am unteren Rand die vorgedruckte Arztnummer 7210665Y sowie darüber den Arztstempel der ärztlichen Berufsausübungsgemeinschaft S und D mit der Arztnummer 7281740. Diese Arztnummer findet sich auch in dem entsprechenden Feld des für die vertragsärztliche Versorgung vorgesehenen, hier verwendeten Verordnungsvordrucks. Ausgestellt wurde das Rezept nach den aufgedruckten Angaben am 5. Mai 2008 für den am 1970 geborenen M S, Bstraße , B. Ferner enthält die Verordnung den Namen der Krankenkasse (AOK Berlin), die Krankenkassen- bzw. die Versichertennummer sowie die Gültigkeitsdauer der Krankenversichertenkarte. Der Kläger berechnete der Beklagten für diese Arzneimittel einen Betrag in Höhe von 1.603,96 Euro, welchen diese zunächst beglich. Nachdem sie die Fälschung der Arzneimittelverordnung erkannte hatte – ein Versicherter mit dem o.g. Namen bzw. der o.g. Versichertennummer existiert nicht –, nahm sie eine Rückbelastung in Höhe von 1.599,36 Euro durch Verrechnung mit den Ansprüchen aus laufenden Arzneimittelverordnungen vor (sogenannte Retaxierung).
Am 13. Mai 2008 wurde in der Apotheke des Klägers eine vom selben Tag stammende und in der gleichen Weise gefälschte Arzneimittelverordnung vorgelegt. In diesem Fall gab eine andere Mitarbeiterin des Klägers die Arzneimittel an den Kunden heraus. Hinsichtlich der weiteren Daten stimmte auch diese gefälschte Verordnung mit der oben genannten Verordnung vom 5. Mai 2008 überein. Den vom Kläger in Rechnung gestellten und von der Beklagten zunächst beglichenen Betrag in Höhe von 1.588,82 Euro retaxierte die Beklagte, nachdem sie die Fälschung erkannt hatte.
Am 14. Mai 2008 wiederholte sich dieser Vorfall, allerdings weist die gefälschte Arzneimittelverordnung nunmehr das Ausstellungsdatum 13. Mai 2008 sowie den Versichertennamen B.B. – im Übrigen von der Beklagten nachträglich geschwärzt – bei ansonsten identischen Angaben aus. Der in Rechnung gestellte und zunächst beglichene Betrag belief sich auf 1.588,82 Euro, während die Beklagte eine Retaxierung nur in Höhe von 1.584,22 Euro vornahm.
Nachdem die mit Schreiben vom 18. Dezember 2008 und 26. Januar 2009 geltend gemachten Einwände des Klägers gegen die Retaxierungen erfolglos verliefen, erhob er am 5. März 2009 Klage. Diese wies das Sozialgericht mit Urteil vom 27. Mai 2011 mit folgender Begründung ab: Bei der Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, welche er nach § 4 Abs. 7 AVB hätte walten lassen müssen, hätte der Kläger oder ein bei ihm beschäftigter Mitarbeiter die unstreitig vorhandene Fälschung erkennen müssen. Für den Kläger habe zunächst die Verpflichtung bestanden, die ordnungsgemäße Ausstellung der Verordnung gemäß § 4 Abs. 2 AVB, somit auch die Vertragsarztnummer, zu überprüfen und dies nicht lediglich schematisch. Dass eine Arzneimittelverordnung alle in § 4 Abs. 2 AVB vorgesehene Merkmale enthalte, schließe eine für den Apotheker erkennbare Fälschung im Übrigen nicht aus. Die fehlende Übereinstimmung der Arztnummer auf dem Verordnungsvordruck einerseits mit der durch den Arzt aufgedruckten und im Arztstempel enthaltenen Arztnummer andererseits sei nach Auffassung der Kammer ein charakteristisches Fälschungsmerkmal, welche dem Kläger unter Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte bekannt sein müssen. Es sei als gerichtsbekannt anzusehen und zudem durch telefonische Nachfrage bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin bestätigt und konkretisiert worden, dass die Verordnungsvordrucke des Musters 16 (für Arzneimittel) von den Vertragsärzten bei einer Druckerei bestellt und diesen dann zugeschickt würden, wobei im unteren rechten Bereich des Vordrucks die Arztnummer des jeweiligen Vertragsarztes schon aufgedruckt sei. Die durch die Druckerei aufgedruckte Arztnummer erfolge zusätzlich zu der zweiten durch den Laser- oder Nadeldrucker der Praxis aufgedruckten und zu der im Praxisstempel enthaltenen. Es müsse dem Kläger als langjährig tätigem Pharmazeut bekannt gewesen sein, dass es sich bei dem Abgleich der Arztnummern um ein wirkungsvolles Mittel handele, Fälschungen zu entdecken, da die Vertragsärzte die Rezepte ausschließlich mit der eigenen Arztnummer bedruckt erhielten. Sollte der Kläger über diese Kenntnis nicht verfügt haben, handelte es sich um eine besondere, in seiner Person liegende Nachlässigkeit, die den Vorwurf der Fahrlässigkeit nicht entfallen lasse. Hätten der Kläger oder seine Mitarbeiter bei der gebotenen Kontrolle der Arzneimittelverordnung die unterschiedlichen Arztnummern verglichen, wären sie nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet gewesen, bis zur Klärung der Unstimmigkeit die Abgabe des verordneten Arzneimittels zu verweigern. Gegebenenfalls sei es möglich, mit dem verordnenden Arzt telefonisch Rücksprache zu halten. Der Einwand des Klägers, die Verwendung unterschiedlicher Arztnummern auf dem Arztvordruck einerseits und dem Stempelaufdruck andererseits sei nicht unüblich, überzeuge nicht. In Gemeinschaftspraxen werde von den Ärzten eine gemeinsame Arztnummer verwendet. In Praxisgemeinschaften erhalte zwar jeder Arzt seine eigene Arztnummer, die auch auf dem von jedem Arzt gesondert zu bestellenden Vordrucken abgedruckt sei. Dass es gerade in größeren Praxisgemeinschaften aufgrund von Versehen zur Verwendung eines Vordrucks des Kollegen komme und damit eine Übereinstimmung der Arztnummern nicht mehr gegeben sei, möge vorkommen. Dies sei jedoch als Ausnahmefall anzusehen und nicht üblich. Zumindest werde damit die fehlende Übereinstimmung der Arztnummern als Fälschungsmerkmal nicht widerlegt. Die vom Kläger als weitere Gegenbeispiele eingereichten Arzneimittelverordnungen stellten – wie von der Beklagten dargelegt – überwiegend sogenannte Sonderverordnungen dar. Diese würden von der KV Berlin direkt an die Ärzte abgegeben und erhielten die aufgedruckte Nummer 7212345. Diese Vordrucke würden, wie eine telefonische Nachfrage der Vorsitzenden bei der KV Berlin gegeben habe, bei dieser vorrätig gehalten und an neugegründete Praxen, die noch keine Vordrucke bestellt hätten oder bei denen die Bestellung noch nicht angekommen sei, persönlich ausgegeben. Diese Möglichkeit stehe auch anderen Praxen offen, wenn es Probleme mit der Lieferung der Vordrucke gebe. Daneben sind keine weiteren Fälle denkbar, die bei ordnungsgemäßer Verwendung und Ausfüllung der Vordrucke zu einer Abweichung der Arztnummern innerhalb eines Vordrucks führten.
Gegen dieses ihm am 8. Juni 2011 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 1. Juli 2011, zu deren Begründung er vorbringt: Er sei gemäß § 4 Abs. 2 AVB lediglich vertraglich verpflichtet zu prüfen, ob die Verordnung die Vertragsnummern (gemeint wohl: Vertragsarztnummern)enthalte. Eine Verpflichtung, die Vertragsnummern auf Übereinstimmung zu überprüfen, lasse sich aus dem AVB nicht ableiten. § 4 Abs. 7 AVB würde den Apotheker vor den Nachteilen, die sich aus einem gut gefälschten Rezept ergeben könnten, schützen und berücksichtige gerade, dass er im täglichen Geschäftsbetrieb nur eine Prüfung nach § 4 Abs. 2 AVB vornehmen könne. § 4 Abs. 7 AVB enthalte keinen höheren Sorgfaltsmaßstab als Abs. 2 dieser Regelung. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei die Abweichung von aufgedruckter und im Arztstempel enthaltener Arztnummer tatsächlich üblich. Nachdem er für das Problem sensibilisiert worden sei, habe er festgestellt, dass allein in seiner Apotheke wöchentlich fünf bis sechs Rezepte mit differierenden Arztnummern eingereicht würden. Das Gericht verwechsle insoweit die Frage des rechtlichen Dürfens mit dem tatsächlichen Können. Letztlich argumentierten Sozialgericht und Beklagte mit der Auffassung, dass nicht sein könne, was nicht sein dürfe. Im Übrigen führe nicht allein die Abweichung der Arztnummern dazu, dass er schon deshalb von einer Fälschung auszugehen habe. Hinzukommen müssten, wie auch von anderen Sozialgerichten gefordert, weitere Indizien, die hier jedoch fehlten. Er führe eine Schwerpunktapotheke im Bereich der HIV-Arzneimittel und gebe die hier betroffenen Arzneimittel täglich mehrmals aus. Aus deren hohen Preis folge daher kein besonders hoher Sorgfaltsmaßstab für den Apotheker.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.772,40 Euro nebst 5 Prozent Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor: Bereits der Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung vom 17. Januar 2008 mache das Vorliegen eines Vergütungsanspruches von der Belieferung einer "ordnungsgemäßen vertragsärztlichen Verordnung" abhängig. An einer solchen mangele es hier. Die vom Kläger behauptete Unterscheidung einer rein formalen Prüfpflicht nach § 4 Abs. 2 AVB und einer angeblich nicht geforderten Prüfung auf Echtheit nach § 4 Abs. 7 AVB sei bei praxisnaher Betrachtung akademisch, um nicht zu sagen "weltfremd". Bei einer solchen Unterscheidung wäre auch ein Karton im Bierdeckelformat, sofern er denn die Eintragung nach § 4 Abs. 2 AVB aufwiese, als Grundlage eines Zahlungsanspruches geeignet. Dass in Apothekerkreisen das Fälschungspotential bei HIV-Medikamenten als bekannt vorausgesetzt werden könne, belege auch ein Artikel aus der Apothekerzeitung vom 11. Juli 2011. Da der Kläger im vorliegenden Verfahren einen Zahlungsanspruch verfolge, sei er gehalten, die für ihn günstigen Tatsachen zu beweisen. Er habe bis heute nicht ansatzweise vorgetragen, aus welchen Tatsachen er den Schluss gezogen habe, dass die ihm vorliegende Verordnung Gültigkeit beanspruche. Sie – die Beklagte – verfüge über keine spezifischen Kenntnisse darüber, in welcher Form und in welchem Inhalt Apotheker über Vorgaben informiert seien, die primär die Vertragsärzte beträfen (wie zum Beispiel die Vordruckvereinbarung). Solche Kenntnisse würden von ihr "ganz einfach vorausgesetzt". Da sie über kein eigenes Zulassungssystem verfüge, müsse sie die zur ordnungsgemäßen Erfüllung vertraglicher Pflichten notwendigen branchentypischen Kenntnisse notwendigerweise voraussetzen. Auch in einschlägigen Standardlehrbüchern werde das "Muster 16 Rezept" sowie die Bedeutung übereinstimmender Arztnummern thematisiert. Im Übrigen werde in den Ausbildungsapotheken auch erklärt, wie eine Rezeptfälschung zu erkennen sei. Die von ihr bereits beglichenen Forderungen des Klägers über 1.599,36 Euro sowie 1.584,22 Euro habe sie gegen die Rechnung mit der Nummer 81112265-30100 aus dem Abrechnungsmonat November 2008 und die Forderung über 811,46 Euro und 777,36 Euro mit demselben Betrag aus der Rechnung mit der Nummer 90112265-30100 aus dem Abrechnungsmonat Januar 2009 verrechnet.
Der Senat hat Ausdrucke der im Urteil des Sozialgerichts zitierten, zwischenzeitlich aber nicht mehr zugänglichen Seiten aus den Internetauftritten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sowie der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) beigezogen und ergänzende Auskünfte der KBV sowie der KV Berlin eingeholt. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes im Einzelnen, sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Denn der Kläger hat keinen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte aufgrund der o.g. Arzneimittelverordnungen vom Mai 2008.
I) Dem Kläger stehen – dies ist unstreitig – aufgrund der von ihm an Versicherte der Beklagten abgegebenen Arzneimittel Vergütungsansprüche i.H.v. 4.772,40 Euro zu, die er unter den Rechnungsnummern 81112265-30100 (Abrechnungsmonat November 2008) und 90112265- 30100 (Abrechnungsmonat Januar 2009) geltend gemacht hat. Diese Zahlungsansprüche sind durch die von der Beklagten vorgenommenen Aufrechnungen erloschen (§ 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog). Der Beklagten standen insoweit Gegenforderungen i.H.v. 1.599,36 Euro, 1.584,22 Euro, 811,46 Euro und 777,36 Euro zu (hierzu unter 1.), mit denen sie wirksam aufgerechnet hat (hierzu unter 2.).
1) Die von der Beklagten geltend gemachten Rückforderungsbegehren basieren auf dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Dieses aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Rechtsinstitut setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind. Ein öffentliches Rechtsverhältnis liegt hier vor, da auch schon für die Zeit vor der Neufassung des § 69 SGB V zum 1. Januar 2000 die Abrechnungsbeziehungen zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer öffentlich-rechtlich geprägt waren. Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs gelten ähnliche Grundsätze wie im bürgerlichen Recht der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812ff BGB), dem der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch zumindest insoweit vergleichbar ist, als beide Ansprüche als Ausdruck eines althergebrachten Rechtsgrundsatzes dem Ausgleich rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen dienen. Allerdings ist auch im Zivilrecht nicht ausdrücklich geregelt, wann eine Bereicherung ungerechtfertigt ist. Es lässt sich deshalb keine einheitliche Formel für das Vorliegen oder Fehlen eines die Vermögensverschiebung rechtfertigenden Grundes aufstellen. Allgemein anerkannt ist jedoch, dass Leistungen zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit, die in Wirklichkeit nicht besteht, grundsätzlich zurückgefordert werden können (BSGE 93, 137; Senat, Urteil vom 28. Juli 2010 – L 9 KR 244/06 –, juris; jeweils m.w.N.).
Die Beklagte macht zu Recht geltend, sie habe wegen der Abgabe der o.g. Arzneimittel Zahlungen an den Kläger geleistet, obwohl ein Vergütungsanspruch nicht bestanden habe.
2) Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs eines Apothekers gegen eine Krankenkasse wegen der Abgabe eines vertragsärztlich verordneten Arzneimittels an einen ihrer Versicherten ist § 129 SGB V i.V.m. den zu dieser Vorschrift bestehenden ergänzenden Vereinbarungen, nämlich dem – auf Bundesebene geltenden – RV (hier in der Fassung vom 17. Januar 2008) nach § 129 Abs. 2 SGB V sowie dem nach § 129 Abs. 5 Satz 1 SGB V abgeschlossenen AVB, der ausweislich seines § 21 Abs. 1 Satz 1 zum 1. März 2003 in Kraft trat. Der Kläger ist aufgrund seiner Teilnahmeerklärung, die Beklagte als vertragsschließende Krankenkasse nach § 2 Abs. 1 AVB an diesen Landesvertrag gebunden. An den bundesweiten RV ist der Kläger durch seinen Beitritt gemäß § 129 Abs. 3 Nr. 2 SGB V gebunden. Erst hierdurch ist der nicht verbandsangehörige Kläger zur Versorgung Versicherter mit Arzneimitteln im Rahmen der GKV berechtigt (§ 2 Abs. 2 Satz 2 RV; Armbruster, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 129, Rd. 35 m.w.N.).
a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RV kommt ein Vertrag zwischen Krankenkasse und Apotheke für vertragsgegenständliche Produkte durch die Annahme einer ordnungsgemäßen gültigen vertragsärztlichen Verordnung zustande. Ist eine Voraussetzung nach Absatz 1 nicht erfüllt, so besteht kein vertraglicher Zahlungsanspruch gegenüber der Krankenkasse (§ 3 Abs. 2 RV). Stellte man allein hierauf ab, bestünde kein Zahlungsanspruch des Klägers. Denn gefälschte Arzneimittelverordnungen sind nicht "ordnungsgemäß" i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 RV. Allerdings regelt der RV die Voraussetzungen für die Abgabe von Arzneimitteln im Rahmen des GKV nicht abschließend.
b) Entsprechend der gesetzlichen Ermächtigung (§ 129 Abs. 5 Satz 1 SGB V), auf Landesebene ergänzende Verträge zu schließen, sind neben den o.g. Regelungen des RV auch die Teile des AVB anzuwenden, die die Abgabe von Arzneimitteln sowie die Voraussetzungen für einen Zahlungsanspruch des Apothekers und die Retaxierungs- und Beanstandungsmöglichkeiten der Krankenkasse regeln. Hierzu enthält der AVB folgende Bestimmungen:
§ 4 Allgemeine Abgabebestimmungen
(1) Die Belieferung erfolgt aufgrund ordnungsgemäß ausgestellter vertragsärztlicher Verordnung. Es gelten die zwischen den Partnern des Bundesmantelvertrages Ärzte und Zahnärzte nach § 87 SGB V vereinbarten und die amtlichen Verordnungsblätter in der jeweils gültigen Fassung. [ ]
(2) Ordnungsgemäß ausgestellt ist eine vertragsärztliche Verordnung, wenn sie neben dem Mittel folgende Angaben enthält:
a. Bezeichnung der Krankenkasse b. Kassen-Nummer c. Name, Vorname, Geburtsdatum und Anschrift des Versicherten d. Versicherten-Nummer e. Vertragsarzt-Nummer f. Gültigkeitsdatum der Versichertenkarte g. Ausstellungsdatum h. Status des Versicherten (einschließlich der Kennzeichen nach § 267 Abs. 5 Satz 1 SGBV) i. Kennzeichnung der Statusgruppen 6, 8 und 0 sowie des Feldes Begründungspflicht, soweit zutreffend j. Kennzeichnung für Unfall, soweit zutreffend k. Kennzeichnung für Arbeitsunfall, soweit zutreffend 1. Kennzeichnung der Gebührenpflicht bzw. der Gebührenbefreiung, soweit zutreffend m. Kennzeichnung im noctu-Feld, soweit zutreffend n. Unterschrift des Vertragsarztes o. Vertragsarztstempel oder entsprechender Aufdruck
[ ]
(4) Die Angaben gemäß Absatz 2 werden vorn Arzt auf das Verordnungsblatt übertragen; ein Fehlen einzelner Angaben nach Buchstaben a. oder b., c. oder d., e., f. und i. bis m. berechtigt nicht zur Zurückweisung des Verordnungsblattes bei der Abrechnung. Formfehler4 können in Einzelfällen vom Apotheker geheilt werden. Änderungen sind vom Apotheker abzuzeichnen.
Fehlende Angaben nach Buchstaben a. und 1. kann der Apotheker unter Anbringung seines Namenszeichens nachtragen, wenn bei Vorlage des Verordnungsblattes ein Nachweis über die bei der Krankenkasse bestehende Versicherung (z, B. durch die Krankenversichertenkarte) oder über die bestehende Befreiung von der Zuzahlungspflicht (z. B. durch den Befreiungsbescheid) der Krankenkasse erbracht wird. Für die Versichertenzuzahlung gilt im übrigen § 12. Bei fehlenden oder unbestimmten Angaben zur zahlungsverpflichteten Krankenkasse ist die Verordnung erst nach unverzüglicher Heilung durch den Apotheker beziehungsweise den Vertragsarzt von der zuständigen Krankenkasse zu erstatten.
[ ]
(7) Die Krankenkasse ist nicht verpflichtet, Belieferungen aufgrund von gefälschten Verordnungen, gefälschten Verordnungsblättern oder Verordnungen auf missbräuchlich benutzten Verordnungsblättern zu bezahlen, sofern der Apotheker die Fälschung oder den Missbrauch erkannt hat oder hätte erkennen müssen.
(8) Liegen erkennbare Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Verwendung von Verordnungen vor, informiert der Apotheker unverzüglich entweder die zuständige Krankenkasse bzw. deren Verband oder den BAV, der die zuständige Krankenkasse bzw. deren Verband unverzüglich benachrichtigt.
c) Die Ergänzungen zu § 3 RV in § 4 Absätze 1 und 2 AVB lassen nur den Schluss zu, dass sich die Voraussetzungen für einen Zahlungsanspruch aus dem Zusammenspiel dieser Vorschriften ergeben. Insbesondere werden die Anforderungen an eine "ordnungsgemäße" vertragsärztliche Verordnung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 RV durch § 4 Abs. 2 AVB konkretisiert. Ob die Angaben nach § 4 Abs. 2 AVB abschließend regeln, welche Daten eine ordnungsgemäße vertragsärztliche Verordnung aufweisen muss, oder ob wegen des Verweises in § 4 Abs. 1 Satz 2 AVB auf die bundesmantelvertraglichen Regelungen noch weitergehende Anforderungen zu stellen sind, kann dahinstehen. Jedenfalls belegt § 4 Abs. 7 AVB, dass die Unverfälschtheit einer vertragsärztlichen Verordnung nicht zu den tatbestandlichen Voraussetzungen einer vertragsärztlichen Verordnung zählt, sondern die Fälschung bzw. die missbräuchliche Verwendung lediglich als Einwand der Krankenkasse dem Zahlungsanspruch des Apothekers entgegen gehalten werden kann. Hierfür sprechen die Stellung dieser Regelung außerhalb des in § 4 Abs. 2 AVB enthaltenen Katalogs, die Formulierung ("ist nicht verpflichtet") sowie die nur in dieser Regelung enthaltenen subjektiven Merkmale ("erkannt hat oder hätte erkennen müssen").
d) Der Kläger hätte die Fälschung erkennen müssen.
aa) Insbesondere hätte der Kläger schon zum Zeitpunkt der Einreichung der o.g. Arzneimittelverordnungen im Mai 2008 wissen müssen, dass auch die im Vordruck rechts unten enthaltene Arztnummer mit den beiden anderen Arztnummern übereinstimmen muss. Dies ergibt sich aus der landesvertraglich (§ 4 Abs. 1 Satz 2 AVB) vereinbarten Geltung der bundesmantelvertraglichen Regelungen zu den Vordrucken ("Verordnungsblätter").
(1) Nach den bundesmantelvertraglichen Regelungen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Bundesmantelvertrag Ärzte – BMV-Ä – bzw. § 6 Abs. 1 Satz 1 Ersatzkassenvertrag-Ärzte – EKV-Ä –) werden Abrechnungs- und Verordnungsvordrucke sowie Vordrucke für schriftliche Informationen als verbindliche Muster in der Vordruckvereinbarung (Anlage 2) festgelegt. Dies wiederholend bestimmt Ziffer 1.1 der für beide Kassenbereiche einheitlichen Anlage 2 – diese ist Bestandteil der Bundesmantelverträge (§ 1 Abs. 2 BMV-Ä / § 1 Abs. 5 EKV-Ä) –, dass im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung die als Bestandteil (Anlagen) dieser Vereinbarung beigefügten Muster zu verwenden sind, sofern sich aus dieser Vereinbarung nichts anderes ergibt. In diesem Rahmen stellt Muster 16 (Ziffer 2.1.6 der Anlage 2) das Arzneiverordnungsblatt dar.
Die "bundesmantelvertraglichen Regelungen zu den Vordrucken" gehen aber noch darüber hinaus. Denn Gegenstand der Vordruckvereinbarung sind auch die Erläuterungen zur Ausstellung der Vordrucke (§ 34 Abs. 1 Satz 2 BMV-Ä bzw. § 6 Abs. 1 Satz 2 EKV-Ä). Demzufolge sind beim Ausfüllen der Vordrucke die von der KBV im Einvernehmen mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen herausgegebenen Erläuterungen zu beachten (Ziffer 1.2.1. der Anlage 2).
(2) Ziffer 1 der Erläuterungen zu Muster 16 lautete seit 1991: "Das Muster 16 enthält zum Zwecke der maschinellen Rezepterfassung auf dem rechten Rand der Vorderseite die Arztnummer. Aus diesem Grund darf der Kassenarzt/ Vertragsarzt nur Arzneiverordnungsblätter mit seiner Arztnummer verwenden. Die aushilfsweise Weitergabe des durch die Arztnummer gekennzeichneten Vordrucks an einen anderen Kassenarzt/Vertragsarzt ist nicht statthaft."
Spätestens seit Juli 1999 und auch noch im Mai 2008 regelte diese Ziffer: Der Vertragsarzt darf nur Arzneiverordnungsblätter mit seiner Arztnummer verwenden. Eine aushilfsweise Weitergabe des durch die Arztnummer gekennzeichneten Vordrucks an einen anderen Vertragsarzt ist nicht statthaft.
(3) Aufgrund der seit 1991 maßgeblichen Erläuterung (Ziffer 1 zu Muster 16) musste der Kläger daher wissen, dass auf jedem Vordruck für eine Arzneimittelverordnung bereits die Arztnummer aufgedruckt ist. Dass dieser Grund für die Verpflichtung jedes Vertragsarztes, bei der Verordnung von Arzneimitteln nur Vordrucke mit seiner Arztnummer zu verwenden, später nicht mehr genannt wird, ändert an der Wissenszurechnung nichts. Jedenfalls musste dem Kläger lange vor 2008 bekannt sein, dass wegen dieser Verpflichtung der Vertragsärzte die im Vordruck rechts (unten) enthaltene Arztnummer grundsätzlich nicht von der in der Arztpraxis eingetragenen bzw. im Vertragsarztstempel enthaltenen abweichen durfte.
(4) Ob der Kläger die Bedeutung der vorgedruckten Arztnummer tatsächlich kannte, ist unerheblich. Die in § 4 Abs. 2 AVB enthaltene Anordnung, dass die bundesmantelvertraglichen Verordnungsblätter "gelten", macht nur Sinn, wenn auch die Kenntnis der hierzu erlassenen Regelungen bei jedem Apotheker als bekannt vorausgesetzt werden kann. Ob und wie sich der einzelne Apotheker diese Kenntnis verschafft, bleibt dann ihm überlassen. Apotheker, die aufgrund einer Verbandsmitgliedschaft dem AVB unterworfen sind, mögen dies durch regelmäßige Informationen ihres Verbandes (z.B. in einer Mitgliederzeitschrift) erfahren. Nicht organisierte Apotheker, zu denen offenkundig der Kläger zählt, sind demgegenüber gehalten, sich die erforderlichen Kenntnisse selbst zu verschaffen.
(5) Allerdings ist nach der vom Senat eingeholten Stellungnahme der KV Berlin davon auszugehen, dass zwar typischerweise jeder Vertragsarzt seine Vordrucke für Arzneimittelverordnungen unter Angabe seiner Arztnummer (bzw. – seit dem 1. Juli 2008 – seiner Betriebsstättennummer gemäß § 37a Abs. 1 BMV-Ä bzw. § 22a Abs. 1 EKV-Ä) beim Paul Albrechts Verlag bestellt. In Ausnahmesituationen – bei Lieferengpässen des Verlags, wenn die Vertragsarztpraxis abgebrannt oder anderweitig zerstört ist oder bei Praxisaufnahme – kann der Vertragsarzt jedoch bei der KV Berlin einen Satz Arzneimittelverordnungsblätter mit einer Sonderkodierung (mehrere Nullen) in der Kodierleiste erhalten. Dass in diesen – offensichtlich auf der Ebene der Bundesmantelverträge nicht geregelten – Ausnahmefällen eine Divergenz zwischen der aufgedruckten und den beiden anderen Arztnummern auftreten kann, ändert an dem oben gefundenen Ergebnis nichts. Denn nach dem, was er hätte wissen müssen – nur dies ist maßgebend –, wäre der Kläger in Unkenntnis der Sonderkodierungen ggf. auch in den Fällen einer ausnahmsweise zulässigen Divergenz nicht zur Abgabe der verordneten Arzneimittel verpflichtet gewesen, sondern hätte zunächst, etwa durch eine telefonische Rücksprache mit dem ausstellenden Vertragsarzt, dessen Urheberschaft klären müssen.
bb) Aufgrund dieses Kennenmüssens war der Kläger verpflichtet, bei jeder vertragsärztlichen Arzneimittelverordnung sämtliche darin enthaltenen Arztnummern auf Identität abzugleichen. Dies haben der Kläger bzw. seine Mitarbeiter, deren Unwissenheit bzw. Nachlässigkeit er sich zurechnen lassen muss, offensichtlich versäumt. Legt man die Kenntnis der o.g. bundesmantelvertraglichen Regelungen zugrunde, hätten dem Kläger die abweichenden Arztnummern und somit die naheliegende Möglichkeit einer Fälschung auffallen müssen.
Soweit der Kläger aus § 4 Abs. 7 AVB einen Schutz des Apothekers vor guten Fälschungen ableitet, entspricht dies sicherlich den Regelungsabsichten der Vertragsparteien. Seine darüber hinaus gehenden Schlussfolgerungen überzeugen indes nicht. Käme dieser vertraglichen Bestimmung keine über § 4 Abs. 2 AVB hinausreichende Bedeutung zu, wäre sie überflüssig. Sinn macht § 4 Abs. 7 AVB nur, wenn diese Regelung eine Prüfpflicht des Apothekers begründet, die sich auf weitere als die in § 4 Abs. 2 AVB genannten Angaben und Umstände erstreckt.
II) Fehlt es an einem Zahlungsanspruch des Klägers, kann auch der darauf aufbauende Zinsanspruch nicht bestehen.
III) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Vergütungsansprüche des Klägers.
Der Kläger betreibt seit 1993 die "G Apotheke" in der Kstraße im Berliner Stadtteil S. Er nimmt aufgrund seiner Teilnahmeerklärung nach § 2 Abs. 3 des zwischen den Primärkassen und dem "Berliner Apotheker-Verein Apotheker-Verband Berlin (BAV) e.V." geschlossenen Arzneimittelversorgungsvertrags Berlin (AVB)sowie aufgrund seines Beitritt zu dem nach § 129 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zwischen den (früheren) Spitzenverbänden der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband abgeschlossenen Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung (RV) an der Versorgung gesetzlich Versicherter teil.
Am 9. Mai 2008 wurde in der Apotheke des Klägers eine gefälschte Arzneimittelverordnung für die zur Behandlung HIV-Infizierter zugelassenen Arzneimittel Kaletra und Truvada vorgelegt. Eine Mitarbeiterin des Klägers gab die Arzneimittel an den Kunden heraus. Die Arzneimittelverordnung trug am unteren Rand die vorgedruckte Arztnummer 7210665Y sowie darüber den Arztstempel der ärztlichen Berufsausübungsgemeinschaft S und D mit der Arztnummer 7281740. Diese Arztnummer findet sich auch in dem entsprechenden Feld des für die vertragsärztliche Versorgung vorgesehenen, hier verwendeten Verordnungsvordrucks. Ausgestellt wurde das Rezept nach den aufgedruckten Angaben am 5. Mai 2008 für den am 1970 geborenen M S, Bstraße , B. Ferner enthält die Verordnung den Namen der Krankenkasse (AOK Berlin), die Krankenkassen- bzw. die Versichertennummer sowie die Gültigkeitsdauer der Krankenversichertenkarte. Der Kläger berechnete der Beklagten für diese Arzneimittel einen Betrag in Höhe von 1.603,96 Euro, welchen diese zunächst beglich. Nachdem sie die Fälschung der Arzneimittelverordnung erkannte hatte – ein Versicherter mit dem o.g. Namen bzw. der o.g. Versichertennummer existiert nicht –, nahm sie eine Rückbelastung in Höhe von 1.599,36 Euro durch Verrechnung mit den Ansprüchen aus laufenden Arzneimittelverordnungen vor (sogenannte Retaxierung).
Am 13. Mai 2008 wurde in der Apotheke des Klägers eine vom selben Tag stammende und in der gleichen Weise gefälschte Arzneimittelverordnung vorgelegt. In diesem Fall gab eine andere Mitarbeiterin des Klägers die Arzneimittel an den Kunden heraus. Hinsichtlich der weiteren Daten stimmte auch diese gefälschte Verordnung mit der oben genannten Verordnung vom 5. Mai 2008 überein. Den vom Kläger in Rechnung gestellten und von der Beklagten zunächst beglichenen Betrag in Höhe von 1.588,82 Euro retaxierte die Beklagte, nachdem sie die Fälschung erkannt hatte.
Am 14. Mai 2008 wiederholte sich dieser Vorfall, allerdings weist die gefälschte Arzneimittelverordnung nunmehr das Ausstellungsdatum 13. Mai 2008 sowie den Versichertennamen B.B. – im Übrigen von der Beklagten nachträglich geschwärzt – bei ansonsten identischen Angaben aus. Der in Rechnung gestellte und zunächst beglichene Betrag belief sich auf 1.588,82 Euro, während die Beklagte eine Retaxierung nur in Höhe von 1.584,22 Euro vornahm.
Nachdem die mit Schreiben vom 18. Dezember 2008 und 26. Januar 2009 geltend gemachten Einwände des Klägers gegen die Retaxierungen erfolglos verliefen, erhob er am 5. März 2009 Klage. Diese wies das Sozialgericht mit Urteil vom 27. Mai 2011 mit folgender Begründung ab: Bei der Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, welche er nach § 4 Abs. 7 AVB hätte walten lassen müssen, hätte der Kläger oder ein bei ihm beschäftigter Mitarbeiter die unstreitig vorhandene Fälschung erkennen müssen. Für den Kläger habe zunächst die Verpflichtung bestanden, die ordnungsgemäße Ausstellung der Verordnung gemäß § 4 Abs. 2 AVB, somit auch die Vertragsarztnummer, zu überprüfen und dies nicht lediglich schematisch. Dass eine Arzneimittelverordnung alle in § 4 Abs. 2 AVB vorgesehene Merkmale enthalte, schließe eine für den Apotheker erkennbare Fälschung im Übrigen nicht aus. Die fehlende Übereinstimmung der Arztnummer auf dem Verordnungsvordruck einerseits mit der durch den Arzt aufgedruckten und im Arztstempel enthaltenen Arztnummer andererseits sei nach Auffassung der Kammer ein charakteristisches Fälschungsmerkmal, welche dem Kläger unter Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte bekannt sein müssen. Es sei als gerichtsbekannt anzusehen und zudem durch telefonische Nachfrage bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin bestätigt und konkretisiert worden, dass die Verordnungsvordrucke des Musters 16 (für Arzneimittel) von den Vertragsärzten bei einer Druckerei bestellt und diesen dann zugeschickt würden, wobei im unteren rechten Bereich des Vordrucks die Arztnummer des jeweiligen Vertragsarztes schon aufgedruckt sei. Die durch die Druckerei aufgedruckte Arztnummer erfolge zusätzlich zu der zweiten durch den Laser- oder Nadeldrucker der Praxis aufgedruckten und zu der im Praxisstempel enthaltenen. Es müsse dem Kläger als langjährig tätigem Pharmazeut bekannt gewesen sein, dass es sich bei dem Abgleich der Arztnummern um ein wirkungsvolles Mittel handele, Fälschungen zu entdecken, da die Vertragsärzte die Rezepte ausschließlich mit der eigenen Arztnummer bedruckt erhielten. Sollte der Kläger über diese Kenntnis nicht verfügt haben, handelte es sich um eine besondere, in seiner Person liegende Nachlässigkeit, die den Vorwurf der Fahrlässigkeit nicht entfallen lasse. Hätten der Kläger oder seine Mitarbeiter bei der gebotenen Kontrolle der Arzneimittelverordnung die unterschiedlichen Arztnummern verglichen, wären sie nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet gewesen, bis zur Klärung der Unstimmigkeit die Abgabe des verordneten Arzneimittels zu verweigern. Gegebenenfalls sei es möglich, mit dem verordnenden Arzt telefonisch Rücksprache zu halten. Der Einwand des Klägers, die Verwendung unterschiedlicher Arztnummern auf dem Arztvordruck einerseits und dem Stempelaufdruck andererseits sei nicht unüblich, überzeuge nicht. In Gemeinschaftspraxen werde von den Ärzten eine gemeinsame Arztnummer verwendet. In Praxisgemeinschaften erhalte zwar jeder Arzt seine eigene Arztnummer, die auch auf dem von jedem Arzt gesondert zu bestellenden Vordrucken abgedruckt sei. Dass es gerade in größeren Praxisgemeinschaften aufgrund von Versehen zur Verwendung eines Vordrucks des Kollegen komme und damit eine Übereinstimmung der Arztnummern nicht mehr gegeben sei, möge vorkommen. Dies sei jedoch als Ausnahmefall anzusehen und nicht üblich. Zumindest werde damit die fehlende Übereinstimmung der Arztnummern als Fälschungsmerkmal nicht widerlegt. Die vom Kläger als weitere Gegenbeispiele eingereichten Arzneimittelverordnungen stellten – wie von der Beklagten dargelegt – überwiegend sogenannte Sonderverordnungen dar. Diese würden von der KV Berlin direkt an die Ärzte abgegeben und erhielten die aufgedruckte Nummer 7212345. Diese Vordrucke würden, wie eine telefonische Nachfrage der Vorsitzenden bei der KV Berlin gegeben habe, bei dieser vorrätig gehalten und an neugegründete Praxen, die noch keine Vordrucke bestellt hätten oder bei denen die Bestellung noch nicht angekommen sei, persönlich ausgegeben. Diese Möglichkeit stehe auch anderen Praxen offen, wenn es Probleme mit der Lieferung der Vordrucke gebe. Daneben sind keine weiteren Fälle denkbar, die bei ordnungsgemäßer Verwendung und Ausfüllung der Vordrucke zu einer Abweichung der Arztnummern innerhalb eines Vordrucks führten.
Gegen dieses ihm am 8. Juni 2011 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 1. Juli 2011, zu deren Begründung er vorbringt: Er sei gemäß § 4 Abs. 2 AVB lediglich vertraglich verpflichtet zu prüfen, ob die Verordnung die Vertragsnummern (gemeint wohl: Vertragsarztnummern)enthalte. Eine Verpflichtung, die Vertragsnummern auf Übereinstimmung zu überprüfen, lasse sich aus dem AVB nicht ableiten. § 4 Abs. 7 AVB würde den Apotheker vor den Nachteilen, die sich aus einem gut gefälschten Rezept ergeben könnten, schützen und berücksichtige gerade, dass er im täglichen Geschäftsbetrieb nur eine Prüfung nach § 4 Abs. 2 AVB vornehmen könne. § 4 Abs. 7 AVB enthalte keinen höheren Sorgfaltsmaßstab als Abs. 2 dieser Regelung. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei die Abweichung von aufgedruckter und im Arztstempel enthaltener Arztnummer tatsächlich üblich. Nachdem er für das Problem sensibilisiert worden sei, habe er festgestellt, dass allein in seiner Apotheke wöchentlich fünf bis sechs Rezepte mit differierenden Arztnummern eingereicht würden. Das Gericht verwechsle insoweit die Frage des rechtlichen Dürfens mit dem tatsächlichen Können. Letztlich argumentierten Sozialgericht und Beklagte mit der Auffassung, dass nicht sein könne, was nicht sein dürfe. Im Übrigen führe nicht allein die Abweichung der Arztnummern dazu, dass er schon deshalb von einer Fälschung auszugehen habe. Hinzukommen müssten, wie auch von anderen Sozialgerichten gefordert, weitere Indizien, die hier jedoch fehlten. Er führe eine Schwerpunktapotheke im Bereich der HIV-Arzneimittel und gebe die hier betroffenen Arzneimittel täglich mehrmals aus. Aus deren hohen Preis folge daher kein besonders hoher Sorgfaltsmaßstab für den Apotheker.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.772,40 Euro nebst 5 Prozent Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor: Bereits der Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung vom 17. Januar 2008 mache das Vorliegen eines Vergütungsanspruches von der Belieferung einer "ordnungsgemäßen vertragsärztlichen Verordnung" abhängig. An einer solchen mangele es hier. Die vom Kläger behauptete Unterscheidung einer rein formalen Prüfpflicht nach § 4 Abs. 2 AVB und einer angeblich nicht geforderten Prüfung auf Echtheit nach § 4 Abs. 7 AVB sei bei praxisnaher Betrachtung akademisch, um nicht zu sagen "weltfremd". Bei einer solchen Unterscheidung wäre auch ein Karton im Bierdeckelformat, sofern er denn die Eintragung nach § 4 Abs. 2 AVB aufwiese, als Grundlage eines Zahlungsanspruches geeignet. Dass in Apothekerkreisen das Fälschungspotential bei HIV-Medikamenten als bekannt vorausgesetzt werden könne, belege auch ein Artikel aus der Apothekerzeitung vom 11. Juli 2011. Da der Kläger im vorliegenden Verfahren einen Zahlungsanspruch verfolge, sei er gehalten, die für ihn günstigen Tatsachen zu beweisen. Er habe bis heute nicht ansatzweise vorgetragen, aus welchen Tatsachen er den Schluss gezogen habe, dass die ihm vorliegende Verordnung Gültigkeit beanspruche. Sie – die Beklagte – verfüge über keine spezifischen Kenntnisse darüber, in welcher Form und in welchem Inhalt Apotheker über Vorgaben informiert seien, die primär die Vertragsärzte beträfen (wie zum Beispiel die Vordruckvereinbarung). Solche Kenntnisse würden von ihr "ganz einfach vorausgesetzt". Da sie über kein eigenes Zulassungssystem verfüge, müsse sie die zur ordnungsgemäßen Erfüllung vertraglicher Pflichten notwendigen branchentypischen Kenntnisse notwendigerweise voraussetzen. Auch in einschlägigen Standardlehrbüchern werde das "Muster 16 Rezept" sowie die Bedeutung übereinstimmender Arztnummern thematisiert. Im Übrigen werde in den Ausbildungsapotheken auch erklärt, wie eine Rezeptfälschung zu erkennen sei. Die von ihr bereits beglichenen Forderungen des Klägers über 1.599,36 Euro sowie 1.584,22 Euro habe sie gegen die Rechnung mit der Nummer 81112265-30100 aus dem Abrechnungsmonat November 2008 und die Forderung über 811,46 Euro und 777,36 Euro mit demselben Betrag aus der Rechnung mit der Nummer 90112265-30100 aus dem Abrechnungsmonat Januar 2009 verrechnet.
Der Senat hat Ausdrucke der im Urteil des Sozialgerichts zitierten, zwischenzeitlich aber nicht mehr zugänglichen Seiten aus den Internetauftritten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sowie der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) beigezogen und ergänzende Auskünfte der KBV sowie der KV Berlin eingeholt. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes im Einzelnen, sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Denn der Kläger hat keinen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte aufgrund der o.g. Arzneimittelverordnungen vom Mai 2008.
I) Dem Kläger stehen – dies ist unstreitig – aufgrund der von ihm an Versicherte der Beklagten abgegebenen Arzneimittel Vergütungsansprüche i.H.v. 4.772,40 Euro zu, die er unter den Rechnungsnummern 81112265-30100 (Abrechnungsmonat November 2008) und 90112265- 30100 (Abrechnungsmonat Januar 2009) geltend gemacht hat. Diese Zahlungsansprüche sind durch die von der Beklagten vorgenommenen Aufrechnungen erloschen (§ 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog). Der Beklagten standen insoweit Gegenforderungen i.H.v. 1.599,36 Euro, 1.584,22 Euro, 811,46 Euro und 777,36 Euro zu (hierzu unter 1.), mit denen sie wirksam aufgerechnet hat (hierzu unter 2.).
1) Die von der Beklagten geltend gemachten Rückforderungsbegehren basieren auf dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Dieses aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Rechtsinstitut setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind. Ein öffentliches Rechtsverhältnis liegt hier vor, da auch schon für die Zeit vor der Neufassung des § 69 SGB V zum 1. Januar 2000 die Abrechnungsbeziehungen zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer öffentlich-rechtlich geprägt waren. Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs gelten ähnliche Grundsätze wie im bürgerlichen Recht der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812ff BGB), dem der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch zumindest insoweit vergleichbar ist, als beide Ansprüche als Ausdruck eines althergebrachten Rechtsgrundsatzes dem Ausgleich rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen dienen. Allerdings ist auch im Zivilrecht nicht ausdrücklich geregelt, wann eine Bereicherung ungerechtfertigt ist. Es lässt sich deshalb keine einheitliche Formel für das Vorliegen oder Fehlen eines die Vermögensverschiebung rechtfertigenden Grundes aufstellen. Allgemein anerkannt ist jedoch, dass Leistungen zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit, die in Wirklichkeit nicht besteht, grundsätzlich zurückgefordert werden können (BSGE 93, 137; Senat, Urteil vom 28. Juli 2010 – L 9 KR 244/06 –, juris; jeweils m.w.N.).
Die Beklagte macht zu Recht geltend, sie habe wegen der Abgabe der o.g. Arzneimittel Zahlungen an den Kläger geleistet, obwohl ein Vergütungsanspruch nicht bestanden habe.
2) Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs eines Apothekers gegen eine Krankenkasse wegen der Abgabe eines vertragsärztlich verordneten Arzneimittels an einen ihrer Versicherten ist § 129 SGB V i.V.m. den zu dieser Vorschrift bestehenden ergänzenden Vereinbarungen, nämlich dem – auf Bundesebene geltenden – RV (hier in der Fassung vom 17. Januar 2008) nach § 129 Abs. 2 SGB V sowie dem nach § 129 Abs. 5 Satz 1 SGB V abgeschlossenen AVB, der ausweislich seines § 21 Abs. 1 Satz 1 zum 1. März 2003 in Kraft trat. Der Kläger ist aufgrund seiner Teilnahmeerklärung, die Beklagte als vertragsschließende Krankenkasse nach § 2 Abs. 1 AVB an diesen Landesvertrag gebunden. An den bundesweiten RV ist der Kläger durch seinen Beitritt gemäß § 129 Abs. 3 Nr. 2 SGB V gebunden. Erst hierdurch ist der nicht verbandsangehörige Kläger zur Versorgung Versicherter mit Arzneimitteln im Rahmen der GKV berechtigt (§ 2 Abs. 2 Satz 2 RV; Armbruster, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 129, Rd. 35 m.w.N.).
a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RV kommt ein Vertrag zwischen Krankenkasse und Apotheke für vertragsgegenständliche Produkte durch die Annahme einer ordnungsgemäßen gültigen vertragsärztlichen Verordnung zustande. Ist eine Voraussetzung nach Absatz 1 nicht erfüllt, so besteht kein vertraglicher Zahlungsanspruch gegenüber der Krankenkasse (§ 3 Abs. 2 RV). Stellte man allein hierauf ab, bestünde kein Zahlungsanspruch des Klägers. Denn gefälschte Arzneimittelverordnungen sind nicht "ordnungsgemäß" i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 RV. Allerdings regelt der RV die Voraussetzungen für die Abgabe von Arzneimitteln im Rahmen des GKV nicht abschließend.
b) Entsprechend der gesetzlichen Ermächtigung (§ 129 Abs. 5 Satz 1 SGB V), auf Landesebene ergänzende Verträge zu schließen, sind neben den o.g. Regelungen des RV auch die Teile des AVB anzuwenden, die die Abgabe von Arzneimitteln sowie die Voraussetzungen für einen Zahlungsanspruch des Apothekers und die Retaxierungs- und Beanstandungsmöglichkeiten der Krankenkasse regeln. Hierzu enthält der AVB folgende Bestimmungen:
§ 4 Allgemeine Abgabebestimmungen
(1) Die Belieferung erfolgt aufgrund ordnungsgemäß ausgestellter vertragsärztlicher Verordnung. Es gelten die zwischen den Partnern des Bundesmantelvertrages Ärzte und Zahnärzte nach § 87 SGB V vereinbarten und die amtlichen Verordnungsblätter in der jeweils gültigen Fassung. [ ]
(2) Ordnungsgemäß ausgestellt ist eine vertragsärztliche Verordnung, wenn sie neben dem Mittel folgende Angaben enthält:
a. Bezeichnung der Krankenkasse b. Kassen-Nummer c. Name, Vorname, Geburtsdatum und Anschrift des Versicherten d. Versicherten-Nummer e. Vertragsarzt-Nummer f. Gültigkeitsdatum der Versichertenkarte g. Ausstellungsdatum h. Status des Versicherten (einschließlich der Kennzeichen nach § 267 Abs. 5 Satz 1 SGBV) i. Kennzeichnung der Statusgruppen 6, 8 und 0 sowie des Feldes Begründungspflicht, soweit zutreffend j. Kennzeichnung für Unfall, soweit zutreffend k. Kennzeichnung für Arbeitsunfall, soweit zutreffend 1. Kennzeichnung der Gebührenpflicht bzw. der Gebührenbefreiung, soweit zutreffend m. Kennzeichnung im noctu-Feld, soweit zutreffend n. Unterschrift des Vertragsarztes o. Vertragsarztstempel oder entsprechender Aufdruck
[ ]
(4) Die Angaben gemäß Absatz 2 werden vorn Arzt auf das Verordnungsblatt übertragen; ein Fehlen einzelner Angaben nach Buchstaben a. oder b., c. oder d., e., f. und i. bis m. berechtigt nicht zur Zurückweisung des Verordnungsblattes bei der Abrechnung. Formfehler4 können in Einzelfällen vom Apotheker geheilt werden. Änderungen sind vom Apotheker abzuzeichnen.
Fehlende Angaben nach Buchstaben a. und 1. kann der Apotheker unter Anbringung seines Namenszeichens nachtragen, wenn bei Vorlage des Verordnungsblattes ein Nachweis über die bei der Krankenkasse bestehende Versicherung (z, B. durch die Krankenversichertenkarte) oder über die bestehende Befreiung von der Zuzahlungspflicht (z. B. durch den Befreiungsbescheid) der Krankenkasse erbracht wird. Für die Versichertenzuzahlung gilt im übrigen § 12. Bei fehlenden oder unbestimmten Angaben zur zahlungsverpflichteten Krankenkasse ist die Verordnung erst nach unverzüglicher Heilung durch den Apotheker beziehungsweise den Vertragsarzt von der zuständigen Krankenkasse zu erstatten.
[ ]
(7) Die Krankenkasse ist nicht verpflichtet, Belieferungen aufgrund von gefälschten Verordnungen, gefälschten Verordnungsblättern oder Verordnungen auf missbräuchlich benutzten Verordnungsblättern zu bezahlen, sofern der Apotheker die Fälschung oder den Missbrauch erkannt hat oder hätte erkennen müssen.
(8) Liegen erkennbare Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Verwendung von Verordnungen vor, informiert der Apotheker unverzüglich entweder die zuständige Krankenkasse bzw. deren Verband oder den BAV, der die zuständige Krankenkasse bzw. deren Verband unverzüglich benachrichtigt.
c) Die Ergänzungen zu § 3 RV in § 4 Absätze 1 und 2 AVB lassen nur den Schluss zu, dass sich die Voraussetzungen für einen Zahlungsanspruch aus dem Zusammenspiel dieser Vorschriften ergeben. Insbesondere werden die Anforderungen an eine "ordnungsgemäße" vertragsärztliche Verordnung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 RV durch § 4 Abs. 2 AVB konkretisiert. Ob die Angaben nach § 4 Abs. 2 AVB abschließend regeln, welche Daten eine ordnungsgemäße vertragsärztliche Verordnung aufweisen muss, oder ob wegen des Verweises in § 4 Abs. 1 Satz 2 AVB auf die bundesmantelvertraglichen Regelungen noch weitergehende Anforderungen zu stellen sind, kann dahinstehen. Jedenfalls belegt § 4 Abs. 7 AVB, dass die Unverfälschtheit einer vertragsärztlichen Verordnung nicht zu den tatbestandlichen Voraussetzungen einer vertragsärztlichen Verordnung zählt, sondern die Fälschung bzw. die missbräuchliche Verwendung lediglich als Einwand der Krankenkasse dem Zahlungsanspruch des Apothekers entgegen gehalten werden kann. Hierfür sprechen die Stellung dieser Regelung außerhalb des in § 4 Abs. 2 AVB enthaltenen Katalogs, die Formulierung ("ist nicht verpflichtet") sowie die nur in dieser Regelung enthaltenen subjektiven Merkmale ("erkannt hat oder hätte erkennen müssen").
d) Der Kläger hätte die Fälschung erkennen müssen.
aa) Insbesondere hätte der Kläger schon zum Zeitpunkt der Einreichung der o.g. Arzneimittelverordnungen im Mai 2008 wissen müssen, dass auch die im Vordruck rechts unten enthaltene Arztnummer mit den beiden anderen Arztnummern übereinstimmen muss. Dies ergibt sich aus der landesvertraglich (§ 4 Abs. 1 Satz 2 AVB) vereinbarten Geltung der bundesmantelvertraglichen Regelungen zu den Vordrucken ("Verordnungsblätter").
(1) Nach den bundesmantelvertraglichen Regelungen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Bundesmantelvertrag Ärzte – BMV-Ä – bzw. § 6 Abs. 1 Satz 1 Ersatzkassenvertrag-Ärzte – EKV-Ä –) werden Abrechnungs- und Verordnungsvordrucke sowie Vordrucke für schriftliche Informationen als verbindliche Muster in der Vordruckvereinbarung (Anlage 2) festgelegt. Dies wiederholend bestimmt Ziffer 1.1 der für beide Kassenbereiche einheitlichen Anlage 2 – diese ist Bestandteil der Bundesmantelverträge (§ 1 Abs. 2 BMV-Ä / § 1 Abs. 5 EKV-Ä) –, dass im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung die als Bestandteil (Anlagen) dieser Vereinbarung beigefügten Muster zu verwenden sind, sofern sich aus dieser Vereinbarung nichts anderes ergibt. In diesem Rahmen stellt Muster 16 (Ziffer 2.1.6 der Anlage 2) das Arzneiverordnungsblatt dar.
Die "bundesmantelvertraglichen Regelungen zu den Vordrucken" gehen aber noch darüber hinaus. Denn Gegenstand der Vordruckvereinbarung sind auch die Erläuterungen zur Ausstellung der Vordrucke (§ 34 Abs. 1 Satz 2 BMV-Ä bzw. § 6 Abs. 1 Satz 2 EKV-Ä). Demzufolge sind beim Ausfüllen der Vordrucke die von der KBV im Einvernehmen mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen herausgegebenen Erläuterungen zu beachten (Ziffer 1.2.1. der Anlage 2).
(2) Ziffer 1 der Erläuterungen zu Muster 16 lautete seit 1991: "Das Muster 16 enthält zum Zwecke der maschinellen Rezepterfassung auf dem rechten Rand der Vorderseite die Arztnummer. Aus diesem Grund darf der Kassenarzt/ Vertragsarzt nur Arzneiverordnungsblätter mit seiner Arztnummer verwenden. Die aushilfsweise Weitergabe des durch die Arztnummer gekennzeichneten Vordrucks an einen anderen Kassenarzt/Vertragsarzt ist nicht statthaft."
Spätestens seit Juli 1999 und auch noch im Mai 2008 regelte diese Ziffer: Der Vertragsarzt darf nur Arzneiverordnungsblätter mit seiner Arztnummer verwenden. Eine aushilfsweise Weitergabe des durch die Arztnummer gekennzeichneten Vordrucks an einen anderen Vertragsarzt ist nicht statthaft.
(3) Aufgrund der seit 1991 maßgeblichen Erläuterung (Ziffer 1 zu Muster 16) musste der Kläger daher wissen, dass auf jedem Vordruck für eine Arzneimittelverordnung bereits die Arztnummer aufgedruckt ist. Dass dieser Grund für die Verpflichtung jedes Vertragsarztes, bei der Verordnung von Arzneimitteln nur Vordrucke mit seiner Arztnummer zu verwenden, später nicht mehr genannt wird, ändert an der Wissenszurechnung nichts. Jedenfalls musste dem Kläger lange vor 2008 bekannt sein, dass wegen dieser Verpflichtung der Vertragsärzte die im Vordruck rechts (unten) enthaltene Arztnummer grundsätzlich nicht von der in der Arztpraxis eingetragenen bzw. im Vertragsarztstempel enthaltenen abweichen durfte.
(4) Ob der Kläger die Bedeutung der vorgedruckten Arztnummer tatsächlich kannte, ist unerheblich. Die in § 4 Abs. 2 AVB enthaltene Anordnung, dass die bundesmantelvertraglichen Verordnungsblätter "gelten", macht nur Sinn, wenn auch die Kenntnis der hierzu erlassenen Regelungen bei jedem Apotheker als bekannt vorausgesetzt werden kann. Ob und wie sich der einzelne Apotheker diese Kenntnis verschafft, bleibt dann ihm überlassen. Apotheker, die aufgrund einer Verbandsmitgliedschaft dem AVB unterworfen sind, mögen dies durch regelmäßige Informationen ihres Verbandes (z.B. in einer Mitgliederzeitschrift) erfahren. Nicht organisierte Apotheker, zu denen offenkundig der Kläger zählt, sind demgegenüber gehalten, sich die erforderlichen Kenntnisse selbst zu verschaffen.
(5) Allerdings ist nach der vom Senat eingeholten Stellungnahme der KV Berlin davon auszugehen, dass zwar typischerweise jeder Vertragsarzt seine Vordrucke für Arzneimittelverordnungen unter Angabe seiner Arztnummer (bzw. – seit dem 1. Juli 2008 – seiner Betriebsstättennummer gemäß § 37a Abs. 1 BMV-Ä bzw. § 22a Abs. 1 EKV-Ä) beim Paul Albrechts Verlag bestellt. In Ausnahmesituationen – bei Lieferengpässen des Verlags, wenn die Vertragsarztpraxis abgebrannt oder anderweitig zerstört ist oder bei Praxisaufnahme – kann der Vertragsarzt jedoch bei der KV Berlin einen Satz Arzneimittelverordnungsblätter mit einer Sonderkodierung (mehrere Nullen) in der Kodierleiste erhalten. Dass in diesen – offensichtlich auf der Ebene der Bundesmantelverträge nicht geregelten – Ausnahmefällen eine Divergenz zwischen der aufgedruckten und den beiden anderen Arztnummern auftreten kann, ändert an dem oben gefundenen Ergebnis nichts. Denn nach dem, was er hätte wissen müssen – nur dies ist maßgebend –, wäre der Kläger in Unkenntnis der Sonderkodierungen ggf. auch in den Fällen einer ausnahmsweise zulässigen Divergenz nicht zur Abgabe der verordneten Arzneimittel verpflichtet gewesen, sondern hätte zunächst, etwa durch eine telefonische Rücksprache mit dem ausstellenden Vertragsarzt, dessen Urheberschaft klären müssen.
bb) Aufgrund dieses Kennenmüssens war der Kläger verpflichtet, bei jeder vertragsärztlichen Arzneimittelverordnung sämtliche darin enthaltenen Arztnummern auf Identität abzugleichen. Dies haben der Kläger bzw. seine Mitarbeiter, deren Unwissenheit bzw. Nachlässigkeit er sich zurechnen lassen muss, offensichtlich versäumt. Legt man die Kenntnis der o.g. bundesmantelvertraglichen Regelungen zugrunde, hätten dem Kläger die abweichenden Arztnummern und somit die naheliegende Möglichkeit einer Fälschung auffallen müssen.
Soweit der Kläger aus § 4 Abs. 7 AVB einen Schutz des Apothekers vor guten Fälschungen ableitet, entspricht dies sicherlich den Regelungsabsichten der Vertragsparteien. Seine darüber hinaus gehenden Schlussfolgerungen überzeugen indes nicht. Käme dieser vertraglichen Bestimmung keine über § 4 Abs. 2 AVB hinausreichende Bedeutung zu, wäre sie überflüssig. Sinn macht § 4 Abs. 7 AVB nur, wenn diese Regelung eine Prüfpflicht des Apothekers begründet, die sich auf weitere als die in § 4 Abs. 2 AVB genannten Angaben und Umstände erstreckt.
II) Fehlt es an einem Zahlungsanspruch des Klägers, kann auch der darauf aufbauende Zinsanspruch nicht bestehen.
III) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
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