L 11 KA 69/00

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 26 KA 367/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 69/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 86/00 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 11.04.2000 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 8) und des Beklagten auch für das Berufungsverfahren zu tragen. Die Revision wird zugelassen

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Ermächtigung des Beigeladenen zu 8) für die Zeit vom 10.11.1998 bis 31.03.2000.

Der Beigeladene zu 8) ist Oberarzt an der Frauenklinik des Knappschaftskrankenhauses in Dortmund. Der Zulassungsausschuss lehnte seinen Antrag auf Ermächtigung zur Teilnahme der vertragsärztlichen Versorgung zur Durchführung von ambulanten Chemotherapien im August 1997 ab. Die beantragte Ermächtigung sei nicht erforderlich, weil in Dortmund mehrere niedergelassene Ärzte im gynäkologischen Bereich in ausreichendem Maße onkologische Therapien durchführten. Darüberhinaus stelle eine hämatologisch/onkologische Gemeinschaftspraxis die Versorgung sicher. Zur Begründung seines Widerspruchs trug der Beigeladene zu 8) vor, die von den niedergelassenen Gynäkologen durchgeführten onkologischen Therapien bestünden in erster Linie aus hormonellen Therapien. Es sei ihm kein einziger Gynäkologe im Dortmunder Osten bekannt, der ambulant Chemotherapien durchführe. Neun namentliche benannte Gynäkologen aus benachbarten Stadtteilen befürworteten die Durchführung von ambulanten Chemotherapien an der Frauenklinik des Knappschaftskrankenhauses. Auch am St. Josef-Hospital und an den Städtischen Kliniken Dortmund würden ambulante Chemotherapien in den jeweiligen Frauenkliniken durchgeführt. Im Interesse der Patientinnen sei es wichtig, dass die Chemotherapie an einem Krankenhaus durchgeführt werde, um im Fall von Komplikationen eine so fortige Behandlung einleiten zu können.

Mit Beschluss vom 10.11.1998 hob der Beklagte den Beschluss des Zulassungsausschusses auf und ermächtigte den Beigeladenen zu 8) für die Zeit vom 10.11.1998 bis 31.03.2000 zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Dabei wurde die Ermächtigung auf die Durchführung ambulanter Chemotherapien bei gynäkologischen Tumorerkrankungen auf Überweisung von niedergelassenen Vertragsärzten beschränkt. Der Beklagte bejahte einen Bedarf an der Durchführung von ambulanten Chemotherapien durch den Beigeladenen zu 8). In einem Parallelverfahren hätten die Fachärzte für Innere Medizin Privatdozent Dr. L ... und Dr. L ... bei ihrer Anhörung durch den Beklagten bekundet, dass sie in ihrer Gemeinschaftspraxis für Hämatologie und Onkologie in D.die onkologische Therapie auch in Fällen durchführen, in denen die Tumorerkrankungen aus dem gynäkologischen Bereich stammten. Bei insgesamt 765 Fällen im Quartal 1998 hätten sie 80 Mammakarzinome onkologisch behandelt. Der Sprecher des Berufsverbandes der Gynäkologen in Dortmund, Dr. M ..., sei zwar der Ansicht, dass bei gynäkologischen Erkrankungen eine erforderliche onkologische Therapie möglichst in einem Krankenhaus durchgeführt werden solle, in dem die Patientin zuvor behandelt worden sei. Das werde jedoch nicht immer möglich sein. Es stehe damit fest, dass die aktive onkologische Therapie auch bei Erkrankungen aus dem gynäkologischen Bereich von internistischen Onkologen erbracht werden könne. Es bestehe jedoch ein genereller Bedarf für die Ermächtigung des Beigeladenen zu 8), weil dem niedergelassenen Vertragsarzt die Möglichkeit der Wahl eingeräumt werden müsse, ob er einen onkologisch tätigen Gynäkologen oder einen internistischen Onkologen mit der weiteren Behandlung seiner Patientin betrauen wolle. Wie die Anhörung von Dr. M ... gezeigt habe, deckten die niedergelassenen Gynäkologen mit einer Onkologiegenehmigung in Dortmund den Bedarf nicht ab.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Klage. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Ermöglichung der Auswahl unter mehreren Ärzten keine Ermächtigung rechtfertige. Eine Ermächtigung komme nur in Betracht, wenn die niedergelassenen Vertragsärzte die für eine ausreichende Versorgung in quantitativer oder qualitativer Hinsicht benötigen Leistungen nicht anböten. Eine solche Versorgungslücke bestehe jedoch nicht, wie der Beklagte selbst unter Hinweis auf die Gemeinschaftspraxis Lathan/Lipke feststelle. Der internistische Onkologe sei als Generalist für alle onkologischen Fragestellungen und damit auch für solche aus dem gynäkologischen Bereich zuständig.

Die Klägerin hat beantragt,

die Rechtswidrigkeit des Beschlusses des Beklagten vom 10.11.1998 festzustellen.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 1) bis 3), 6) bis 8) haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 11.04.2000 die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe zu Recht einen qualitativen Bedarf für die Ermächtigung des Beigeladenen zu 8) angenommen. Die Ermächtigung eines Gynäkologen sei erforderlich, um speziellen gynäkologischen Aspekten bei onkologischen Erkrankungen Rechnung zu tragen. Ein Bedarf bestehe auch insofern, als es um eine zeitlich begrenzte Nachbehandlung nach stationären Aufenthalt gehe.

Dagegen richtet sich Berufung der Klägerin, die sich zur Begründung auf ihr erstinstanzliches Vorbringen bezieht.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 11.04.2000 abzuändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, auch des weiteren Vorbringens der Beteiligten, wird auf die Gerichts akte, die Akte S 26 KA 288/99 ER SG Dortmund sowie die beigezogenen Akten des Beklagten verwiesen. Deren Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Beschluss der Beklagten ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht in ihren Rechten gemäß § 54 Abs. 2 SGG.

Die Voraussetzungen für eine Fortsetzungsfeststellungklage liegen vor. Die Klägerin hat auch nach Erledigung des angefochtenen Verwaltungsaktes durch Zeitablauf ein berechtigtes Interesse an der Feststellung seiner Rechtswidrigkeit gemäß § 131 SGG.

Für die Zeit ab dem 01.04.2000 hat der Beigeladene zu 8) erneut die Erteilung einer Ermächtigung zur Durchführung ambulanter Chemotherapien beantragt, sodaß die Gefahr einer erneuten Ermächtigung besteht.

Der Fortsetzungsfeststellungantrag ist indessen nicht begründet. Gemäß § 116 SGB V i.V. m. § 31 a der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) können Krankenhausärzte mit abgeschlossener Weiterbildung mit Zustimmung des Krankenhausträgers zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt werden. Die Ermächtigung ist danach zu erteilen, soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten ohne die besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Kenntnisse von hierfür geeigneten Krankenhausärzten nicht sichergestellt ist.

Für die Ermittlung des Bedarfs steht den Zulassungsgremien ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung beschränkt sich darauf, festzustellen, ob der Beklagte bei dem angefochtenen Bescheid vom richtigen und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen, die durch die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs ermittelten Grenzen eingehalten und seine Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen des möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaß stäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (vgl. BSG SozR 3-2500 § 116 Nr. 1 unter Hinweis auf BSGE 60, 297, 300; Urteil des Senats vom 21.05.1997 - L 11 Ka 198/96 - m.w.N.). Gemessen hieran ist die angefochtene Entscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat in vertretbarer Weise einen quantitativen Bedarf verneint, aber eine qualitative Versorgungslücke angenommen. Er hat zwar zunächst festgestellt, dass auch dem gynäkologischen Gebiet zuzurechenende onkologische Erkrankungen von internistischen Onkologen behandelt werden können. Das entspricht den Vorschriften in der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe, wonach die chemotherapeutische Behandlung durch internistische Onkologen in diesen Fällen in Zusammenarbeit mit den für das Grundleiden zuständigen Ärzten erfolgt. Die Gemeinschaftspraxis Dres. L .../L ... hat nach ihren eigenen unwidersprochenen Angaben in einem Parallelverfahren auch noch Kapazitäten frei. Der Beklagte hat aber beurteilungsfehlerfrei einen Bedarf im Hinblick darauf bejaht, dass dem niedergelassenen Vertragsarzt unter qualitativen Gesichtspunkten auch die Möglichkeit eingeräumt werden muß, seine Patientinnen an einen Gynäkologen mit onkologischer Zusatzqualifikation zu überweisen. Im Hinblick auf spezielle gynäkologische Fragestellungen bei onkologischen Erkrankungen erscheint es zwar nicht zwingend, aber durchaus sachgerecht, den Gebiets arzt, der sowohl über die spezielle fachbezogene Weiterbildung als auch über spezielle Kenntnisse in der Onkologie verfügt, in die ambulante Versorgung jedenfalls dann einzubeziehen, wenn niedergelassene Gynäkologen nicht oder in nicht ausreichendem Maße ambulante Chemotherapien anbieten. Diese Voraussetzung ist unter den Beteiligten unstreitig. Ohnehin wäre auch bei der Behandlung durch einen internistischen Onkologen ein Gynäkologe hinzuziehen. Es ist nicht beurteilungsfehlerhaft, wenn der Beklagte den Arzt, der die erforderlichen Qualifikationen in seiner Person vereint, zur Teil nahme an der ambulanten Versorgung ermächtigt. Der Beklagte hat sich auch auf einen sachgerechten Gesichtspunkt gestützt, wenn er sich auf die Aussage von Dr. M ... bezieht, dass es wünschenswert sei, dass die onkologische Therapie in dem Krankenhaus erfolgen soll, in dem die Patientin zuvor stationär behandelt worden ist.

Das erscheint gerade bei einer onkologischen Erkrankung durchaus sinnvoll.

Der Senat hat keine Bedenken gegen den Ausspruch der Ermächtigung auf Überweisung durch einen Vertragsarzt, den die Klägerin auch nicht gerügt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Der Senat hat im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG die Revision zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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