Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 RJ 950/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 RJ 359/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16. Mai 2000 sowie der Bescheid der Beklagten vom 8. Juli 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 1998 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auch vom 1. Juli 1998 bis 31. Januar 2002 zu bezahlen
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in der Zeit vom 01.07.1998 bis 31.01.2002.
Der am 1955 geborene Kläger hat von 1971 bis 1974 eine Lehre als Automechaniker absolviert, jedoch keinen Abschluss gemacht und war von 1974 bis 1975 als Tankwart in Ausbildung. Anschließend war er als Lagerarbeiter, Kraftfahrer, Bauhelfer bis 1995 tätig. Mit Bescheid vom 12.02.1998 gewährte die Beklagte Erwerbsun- fähigkeitsrente auf Zeit vom 01.08.1995 bis 30.06.1998.
Zugrunde lagen die Gesundheitsstörungen: 1. chronische Knochenentzündung linker Unterschenkel, Muskelschwäche linkes Bein, Beugeeinschränkung linkes Knie. Zustand nach Knochenspahnentnahme 4/97, Schienbeinbruch 5/97 mit komplikativem Verlauf und mehrfachen Operationen. 2. Neigung zu Schulterbeschwerden links nach erfolgreich operierter habitueller Schulterluxation 4/97. 3. Alkoholkrankheit trocken seit 4/97. Leberschaden, Fettstoffwechselstörung. 4. Schwerhörigkeit mit Ohrgeräusch rechts seit Schädelbasisbruch 1972. Bei der Untersuchung im November 1997 ging die Beklagte davon aus, dass abgewartet werden müsse, ob die chronische Osteomyelitis tatsächlich abgeheilt ist bzw. abheilen wird.
Am 23.03.1998 beantragte der Kläger die Weitergewährung der Rente. Die Beklagte zog die Unterlagen des Klinikums K. bei und veranlasste eine Untersuchung durch den Orthopäden Dr.D. und den Internisten Dr.R ... Dr.D. kam zum Ergebnis, dass auf orthopädischem Fachgebiet für leichte Arbeiten ohne Überkopfarbeit, ohne schweres Heben und Tragen von Lasten und ohne Arbeiten in gebückter Vorneigehaltung wieder ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestehe. Auf internem Fachgebiet bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen ohne Einschränkung, stellte Dr.R. fest. Der Weitergewährungsantrag wurde von der Beklagten mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 08.07.1998 abgelehnt.
Der Widerspruch vom 28.07.1998 wurde damit begründet, seit der ersten Antragstellung sei keine Besserung in den gesundheitlichen Gegebenheiten eingetreten, es komme immer wieder zu Ausrenkungen am linken Schultergelenk.
Im vorgelegten Attest von Dr.B. wird vor allem über die habituellen Schulterluxationen berichtet. Außerdem wurde beigezogen ein Bericht des Klinikus K. vom 06.08.1997, diese Unterlagen wurden ausgewertet durch Dr.G. , die keine Veranlassung sah, bei wesentlich unveränderte Befundlage von der bisherigen Beurteilung abzuweichen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Mit der Klage vom 27.11.1998 verfolgt der Kläger die Gewährung der Erwerbsunfähigkeitsrente über den 30.06.1998 hinaus weiter. Begründet wurde dies mit der bereits siebenmal erfolgten Auskugelung der Schulter, auch eine Schulteroperation habe keinen Erfolg gebracht.
Das Sozialgericht holte Befundberichte bei den behandelten Ärzten Dr.S. , Dr.B. und im Klinikum U. ein.
Zum gerichtlichen Sachverständigen wurde der Chefarzt der H. Klinik Prof.Dr.M. bestellt. Dieser hat im Gutachten vom 25.08.1999 folgende Diagnosen gestellt: 1. Einschränkung der Belastungs- und Bewegungsfähigkeit der linken Schulter nach zweimaliger Schulteroperation wegen rezidivierender Schulterausrenkungen. Weiter bestehende Luxationsneigung. 2. Belastungsschwäche linkes Bein nach Unterschenkelbruch, p.o. Knocheneiterung des Unterschenkels und mehrfachen operativen Eingriffen. Außerhalb seines Fachgebiets stellte er eine Alkohlkrankheit, ein generalisiertes Krampfleiden und eine Taubheit des rechten Ohrs nach Schädelbasisbruch fest. Hinzugekommen sei das generalisierte, alkoholinduzierte Krampfleiden und zwischenzeitlich sei eine erneute Operation im Bereich der linken Schulter erfolgt. Die Beweglichkeit im linken Schultergelenk habe sich deutlich verschlechtert. Unzumutbar seien Schwerarbeit und mittelschwere Arbeiten, sowie längere Anmarschwege zur Arbeit als 2000 Meter. Der Kläger sollte nicht im Gehen und in Zwangshaltung arbeiten oder Arbeiten mit häufigen Heben und Tragen verrichten, ohne dass mechanische Hilfsmittel zur Verfügung stehen. Nicht zumutbar seien häufiges Bücken sowie Treppen- und Leitersteigen sowie Arbeiten die über Kopfhöhe durchgeführt werden müssen. Auch Arbeiten mit Gefährdung an laufenden Maschinen seien wegen der Luxationsneigung nicht mehr möglich. Nicht durchgeführt werden sollten Arbeiten unter Einwirkung von Kälte, Hitze oder starken Temperaturschwankungen. Dieses Leistungsbild bestehe seit Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit am 01.07.1999. Vollschichtig waren leichte Arbeiten zwischen dem 01.07.1998 und dem 20.01.1999, dem Behandlungsbeginn im Uniklinikum U. möglich. Wegen der Alkoholkrankheit und des Krampfleidens sollte ein zusätzliches nervenärztliches Gutachten erstellt werden.
Zum weiteren Gutachter wurde der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.F. bestellt. Dieser hat am 20.01.2000 ein Gutachten gefertigt und als Gesundheitsstörungen leichte traumatische Teilläsion des Nervus saphenus nach Operation und Osteo- myelitis, Alkoholismus mit alkoholreduziertem Anfallsleiden diagnostiziert. Er bezeichnete die im Rentenverfahren gestellten Diagnosen als zutreffend, aber ergänzungsbedürftig. Der Kläger sei durch die neuropsychiatrischen Ausfälle im Erwerbsleben behindert und könne keine Tätigkeiten auf Gerüsten, Leitern und an laufenden Maschinen ausüben. Leichte Arbeiten, wie sie im Gutachten der H. Klinik beschrieben seien, seien aber aus seiner Sicht vollschichtig möglich.
Mit Urteil vom 16.05.2000 wies das Sozialgericht die Klage ab und führte zur Begründung aus, dass nach den Gutachten von Dr.F. und von Prof.Dr.M. noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestehe und da der Kläger als ungelernter Arbeiter einzustufen sei, müsse er sich auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisen lassen, so dass es der Benennung einer spezifischen Verweisungstätigkeit nicht bedürfe, denn es lägen weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor.
Die Berufung vom 19.06.2000 gegen das am 22.05.2000 zur Post gegebene Urteil begründete der Klägerbevollmächtigte mit der mehrfachen Ausrenkung des Schultergelenks, die bisher nicht ausreichend behandelt werden konnte, und der Bedrohung der Leistungsfähigkeit durch die mit Wahrscheinlichkeit wiederkommende Knochenmarksentzündung im Bereich des oberen Unterschenkels. Es stünde eine weitere Operation bevor. Auch die nun festgestellte Alkoholkrankheit habe ihren Ursprung in der Unterschenkeloperation und der damit verbundenen langanhaltenden Knochenmarkseiterung. Aufgrund dieser Gesundheitsstörungen sei der Kläger nicht mehr in der Lage, vollschichtig zu arbeiten. Die Gutachter hätten dies bisher nicht ausreichend gewürdigt.
Die Anfrage beim letzten Arbeitgeber ergab, dass der Kläger dort vom 16.11.1989 bis 31.03.1997 als Baufachwerker beschäftigt war; der Arbeitgeber hat hierfür eine Anlernzeit von ca. fünf Monaten für erforderlich gehalten, entlohnt wurde der Kläger nach Tariflohngruppe VI/1 des TV für das Baugewerbe.
Zum gerichtlichen Sachverständigen wurde der Orthopäde Dr.K. bestellt.
Dieser stellte im Gutachten vom 13.04.2001 folgende Gesundheitsstörungen fest: 1. Fortgeschrittener LWS-Verschleiß mit Bandscheibenschäden und Gefügestörung 2. Funktionsminderung des linken Armes bei Schulterinstabilität und Aufbraucherscheinungen. 3. Beginnender Hüftgelenksverschleiß beidseits mit Sehnenreizungen. 4. Beginnender Kniegelenksverschleiß links nach kniegelenksnahem Unterschenkelbruch und Knocheneiterung. 5. Sprunggelenksverschleiß links. Aufgrund der orthopädischen Gesundheitsstörungen sei der Kläger vermindert belastbar und in seiner beruflichen Leistungsbreite eingeschränkt. Da aber radikulär-neurologische Ausfälle im Bereich der Wirbelsäule nicht zu objektivieren waren, sei die Belastbarkeit des Achsenorgans zwar gemindert, die Aktivität des Krankheitsprozesses sei bei derzeit fehlender körperliche Be- lastung aber als gering einzustufen. Aufgrund der mehrfachen Luxationen der linken Schulter sei insgesamt eine deutliche Minderbelastbarkeit des linken Armes gegeben. Es bestehe nur geringgradige Atrophie der Armmuskulatur und das aufgrund der Operation noch liegende Osteosynthesematerial sei reizlos eingeheilt. Nicht eingeschränkt sei die Beweglichkeit der Hüftgelenke. Eine zusätzliche Beeiträchtigung der Steh- und Gehleistung sei dadurch nicht gegeben. Die Geh- und Stehleistung sei aber durch die Aufbrauchserscheinungen am Kniegelenk reduziert. Keine zusätzliche Beeinträchtigung der Steh- und Gehleistung ergebe sich aus den Aufbraucherscheinungen am oberen Sprunggelenk. Der Kläger könne noch eine vollschichtige Tätigkeit ausüben, wenn dabei nicht das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg erforderlich sei oder Arbeiten in Rumpfbeugehaltung oder in Haltungskonstanz wie z.B. am Fließband abverlangt werden. Manuelle Tätigkeiten oder Überkopfarbeiten seien mit dem linken Arm nicht mehr zu verrichten, auch an laufenden Maschinen sollte der Kläger nicht arbeiten, wobei es nicht statthaft sei, von einer vollständigen Bewegungsunfähigkeit durch die Schulterluxation auszugehen. Auch auf Leitern und Gerüsten könne der Kläger nicht arbeiten, außerdem sei eine überwiegend stehende und gehende Beschäftigung nicht möglich. Überwiegend sitzend könne der Kläger aber beschäftigt werden. Unter Berücksichtigung der vorgelegten berufskundlichen Gutachten sei der Kläger noch in der Lage, als einfacher Pförtner zu arbeiten. Bei einer Beschäftigung als Warenaufmacher wäre darauf zu achten, dass Zwangshaltung vermieden wird und kein Hantieren mit schweren Gegenständen oder überkopf mit dem linken Arm erforderlich sei. Eine praktische Einarmigkeit sei trotz der Funktionsminderung der linken Schulter aber nicht anzunehmen. Die linke Hand sei durchaus als Beihand oder Haltehand einzusetzen, soweit Überkopfbewegungen vermieden werden können. Die Einholung eines psychiatrischen Gutachten stellte Dr.K. in das Ermessen des Gerichts.
Während die Beklagte unter Hinweis auf eine Stellungnahme von Dr.N. der Begutachtung durch Dr.K. zustimmte und eine erneute nervenärtzliche Begutachtung im Hinblick auf das Gutachten von Dr.F. vom Januar 2000 nicht für erforderlich hielt, trug der Klägerbevollmächtigte vor, dass die Luxation insbesondere bei Überkopfarbeiten auftrete, aber nicht überwiegend. Vielmehr reiche bereits eine kleine Bewegung gleich welcher Art aus um derartige Luxationen auszulösen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum die forgeschrittenen LWS-Verschleißerscheinungen keine weiteren Leistungseinschränkungen bedingen. Entgegen den Ausführungen des Gutachters sei es zu keiner Stabilisierung des Gelenks nach den Operationen gekommen. Die Gesundheitsstörungen seien chronifiziert und stünden einer tatsächlichen Erwerbstätigkeit unter arbeitsmarktüblichen Bedingungen entgegen. Der Gutachter setze sich in Widerspruch zu seinen eigenen Ausführungen wenn er trotz der Schulterluxationen eine praktische Einarmigkeit verneine. Da der Kläger weder lang stehen noch sitzen könne, komme auch der angesprochene Beruf als Pförtner nicht in Betracht. Das Hantieren mit beiden Händen sei ihm nicht möglich. Praktisch gebe es keine Tätigkeit, bei der die Gesundheitsstörungen des Kläger ausreichend berücksichtigt würden. Es wurde ein weiteres berufskundliches Gutachten zur Tätigkeit eines Telefonisten und zur Einhändigkeit übersandt.
Aufgrund des Vortrags in der mündlichen Verhandlung vom 30.01. 2002, der Kläger betreibe erneut Alkoholabusus und es träten verstärkt wieder Anfälle auf, wurde die mündliche Verhandlung vertagt und ein Entlassungsbericht der Saaletalklinik vom Oktober 2001 beigezogen. Mit einer erneuten nervenärztlichen Begutachtung wurde Dr.P. beauftragt. Diese hat im Gutachten vom 04.02.2003 folgende Gesundheitsstörungen diagnostiziert: 1. Alkohol- und Nikotinabhängigkeit (anamnestisch mit Leberschaden und alkoholinduziertem Anfallsleiden). 2. Erhebliche Funktionsbeeinträchtigung des Bewegungsapparates, vor allem im Bereich der LWS, der linken oberen und unteren Extremität. 3. Hörminderung rechts. 4. Bronchitisneigung, arterielle Durchblutungsstörung. Dr.P. kam zu dem Ergebnis, dass diese Gesundheitsstörungen seit 01.07.1998 vorlägen und gegenüber den Vorgutachten keine Besserung erkennbar sei. Nicht berücksichtigt sei bisher bei der Beurteilung die ungünstige Interaktion der Gesundheitsstörungen. Ein seelisch absolut stabiler und belastbarer Proband wäre gerade noch in der Lage, die körperlichen Einschränkungen soweit zu überwinden, dass er eine entsprechende Tätigkeit regelmäßig sechs bis acht Stunden ausüben könnte, dies gelte jedoch nicht für den Kläger aufgrund der willentlich alleine nicht ausreichend überwindbaren Suchterkrankung. Der Kläger sei deshalb über den 01.07.1998 hinaus nicht in der Lage gewesen, regelmäßig einer Erwerbstätigkeit auf dem Arbeitsmarkt unter üblichen Bedingungen nachzugehen, ohne seine Gesundheit zu gefährden.
Die Beklagte erklärte sich im Schriftsatz vom 07.03.2003 bereit, das Vorliegen verminderter Erwerbsfähigkeit beim Kläger ab Januar 2002 anzuerkennen. Bezüglich der Divergenz der ärztlichen Einschätzung für den Zeitraum 1998 bis 2002 wurde beantragt, Dr.P. ergänzend zu befragen. Die Beklagte stützte sich dabei auf die Ausführungen von Dr.N. vom 28.02.2003. Die gerichtliche Sachverständige Dr.P. hat in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 11.03.2003 an ihrer Einschätzung festgehalten und nochmals die aus ihrer Sicht durchgehende Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit des Klägers begründet. Auch zwischen Juli 1998 und Dezember 2001 sei eine geregelte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt regelmäßig für drei Stunden oder mehr nicht möglich gewesen.
In der mündlichen Verhandlung vom 25.06.2003 gab die Beklagte ein Teilanerkenntnis dahingegehend ab, dass beim Kläger das Vorliegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab Januar 2002 anerkannt wurde. Dieses Anerkenntnis wurde vom Kläger angenommen.
Er beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16.05.2000 und den Bescheid der Beklagten vom 08.07.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger auch für die Zeit vom 01.07.1998 bis 31.01.2002 Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Augsburg und des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig und erweist sich als begründet, soweit über das Teilanerkenntnis der Beklagten hinaus die Rentengewährung in der Zeit vom 01.07.1998 bis 31.01.2002 im Streit steht. Auf die Berufung des Klägers sind deshalb das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16.05.2000 sowie der Bescheid der Beklagten vom 08.07.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auch vom 01.07.1998 bis 31.01.2000 zu bezahlen.
Der Kläger ist erwerbsunfähig im Sinne von § 44 Abs.2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGV VI; gültig bis 31.12.2000, vorliegend aber noch anwendbar in Hinblick auf die im Jahre 1998 erfolgte Antragstellung), denn er ist wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außer Stande, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich ein Siebtel der Bezugsgröße übersteigt. Dabei ist aufgrund des aus medizinischen Gründen auf weniger als acht Stunden gesunkenen Leistungsvermögens nicht entscheidend, ob der Kläger Facharbeiter oder oberer Angelernter war und sich auf sozial zumutbare andere Tätigkeiten verweisen lassen muss. Der Senat ist überzeugt, dass die gerichtliche Sachverständige Dr.P. das Leistungsvermögen des Klägers zutreffend bewertet hat. Die gerichtliche Sachverständige hat sich mit allen Vorbefunden auseinander gesetzt und in überzeugender Weise dargelegt, aus welchen Gründen das Leistungsvermögen des Klägers in der von ihr vorgenommenen Weise einzuschätzen ist. Sie ist dabei gerade auf die Vorgutachten eingegangen und hat sich mit allen vorgebrachten Argumenten, insbesondere auch mit den Einwendungen der Beklagten in der ergänzenden Stellungnahme auseinander gesetzt. Die Begründung der Sachverständigen ist überzeugend und widerspruchsfrei, besonders da sie sich ein persönliches Bild vom Kläger aufgrund der Untersuchung machen konnte und alle Unterlagen, insbesondere auch die Vorgutachten, zur Verfügung standen. Die Sachverständige hat sich sehr ausführlich mit der Krankheitsgeschichte beschäftigt und auseinandergesetzt und hat dabei auch alle die Gesichtspunkte berücksichtigt, die von der Beklagten als Einwendungen gegen die Leistungsbeurteilung vorgebracht wurden. Dass die Gutachterin dabei auch über länger zurückliegende Zeiträume zu befinden hatte, liegt in der Natur der Sache und ist nicht zu beanstanden. Gerade in Hinblick auf die Suchterkrankung ist der Verlauf der Erkrankung für die Beurteilung von besonderer Bedeutung und es obliegt auch dem Sachverständigen im sozialgerichtlichen Verfahren, das Ineinandergreifen der verschiedenen ärztlichen Fachgebiete darzustellen und seiner Beurteilung zu Grunde zu legen. Darüber hinaus ist Dr.P. eine erfahrene, mit dem Gebiet der Sozialmedizin bestens vertraute Ärztin, die entsprechend ihrem Auftrag die abschließende Beurteilung herbeizuführen hatte. Dies ist ihr im Gutachten und der ergänzenden Stellungnahme zur Überzeugung des Senats in vollem Umfang gelungen.
Die Gutachterin weist zu Recht darauf hin, dass in keinem der Vorgutachten das Zusammenspiel der Gesundheitsstörungen beschrieben wird. Vielmehr wurden auf jedem Fachgebiet bisher die Leistungsstörungen isoliert betrachtet. Die Gutachterin ist dann auf jede einzelne Leistungseinschränkung eingegangen und hat dargestellt, warum diese im Zusammenwirken mit den Einschränkungen aus psychiatrischer Sicht auch eine wettbewerbsfähige Tätigkeit als Pförtner oder Telefonist ausschließen. Sie stellt gut begründet dar, warum die vorhandene Leistungsfähigkeit infolge der Summierung der erheblichen orthopädischen und psychiatrischen Auffälligkeiten eingeschränkt ist. Die Einwendungen von Dr.S. in der Stellungnahme vom 26.05.2003 überzeugen hingegen nicht, da nicht begründet wurde, warum zwar ein Leistungsfall im Januar 2002 anzunehmen sei, der Gutachterin jedoch nicht gefolgt werden kann, dass es eine Summierung mehrerer Behinderungen sei, die zur Leistungseinschränkung führe. Der Hinweis, dass Dr.F. als früher begutachtender Nervenarzt zu einem anderen Ergebnis kommt, geht nicht ausreichend darauf ein, dass hier das Zusammenspiel mehrerer Gesundheitsstörungen zu beurteilen ist. Es ist für den Senat nachvollziehbar, wenn Dr.P. die von Dr.F. im Gutachten vom 20.01.2000 erhobenen Befunde als kurz gehalten bezeichnet, denn sie weist zu Recht darauf hin, dass der psychopathologische Befund lediglich sechseinhalb Zeilen umfasse und auch die Sucht und allgemeine Anamnese knapp dargestellt ist. Darüber hinaus wird aus dem Gutachten Dr.F. deutlich, dass dieser vor Allem auf die günstige Prognose bezüglich des medikamentös zu beherrschenden Anfallsleidens abgestellt hat und der Kläger zum Zeitpunkt der Untersuchung bei Dr.F. angegeben hat, keinen Alkohol mehr zu trinken. Damit gewinnt aber der Verlauf der Alkoholkrankheit eine Bedeutung, wie sie im Gutachten von Dr.F. nicht berücksichtigt wurde. Dr.P. dagegen zeigt auf, dass in den Folgegutachten, so zum Beispiel bei Dr.K. , bereits wieder Alkoholkonsum angegeben wurde und somit von den Vorgutachtern nicht geprüft wurde, ob die Phasen des übermäßigen Alkoholkonsums längere Zeit unterbrochen wurden. Sie betont, dass beim Gutachten Dr.F. im Vordergrund stand, dass der Gesundheitszustand sich vorübergehend stabilisiert zu haben schien, dass aber bereits nach kurzer Zeit die Besserung mit einem Resultat einer längerfristigen Belastbarkeit wieder in Frage zu stellen ist. Die Gesamtbeurteilung führt deshalb zu dem von Dr.P. gezogenen Schluss, dass beim Kläger bereits ab dem Ende der Rentengewährung kein vollschichtiges Leistungsvermögen auf Dauer eingetreten ist, so dass die Beklagte zu verpflichten war, dem Kläger auch in der Zeit vom 01.07.1998 bis 31.01.2002 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu bezahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Gründe, gemäß § 160 Abs.1 und 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in der Zeit vom 01.07.1998 bis 31.01.2002.
Der am 1955 geborene Kläger hat von 1971 bis 1974 eine Lehre als Automechaniker absolviert, jedoch keinen Abschluss gemacht und war von 1974 bis 1975 als Tankwart in Ausbildung. Anschließend war er als Lagerarbeiter, Kraftfahrer, Bauhelfer bis 1995 tätig. Mit Bescheid vom 12.02.1998 gewährte die Beklagte Erwerbsun- fähigkeitsrente auf Zeit vom 01.08.1995 bis 30.06.1998.
Zugrunde lagen die Gesundheitsstörungen: 1. chronische Knochenentzündung linker Unterschenkel, Muskelschwäche linkes Bein, Beugeeinschränkung linkes Knie. Zustand nach Knochenspahnentnahme 4/97, Schienbeinbruch 5/97 mit komplikativem Verlauf und mehrfachen Operationen. 2. Neigung zu Schulterbeschwerden links nach erfolgreich operierter habitueller Schulterluxation 4/97. 3. Alkoholkrankheit trocken seit 4/97. Leberschaden, Fettstoffwechselstörung. 4. Schwerhörigkeit mit Ohrgeräusch rechts seit Schädelbasisbruch 1972. Bei der Untersuchung im November 1997 ging die Beklagte davon aus, dass abgewartet werden müsse, ob die chronische Osteomyelitis tatsächlich abgeheilt ist bzw. abheilen wird.
Am 23.03.1998 beantragte der Kläger die Weitergewährung der Rente. Die Beklagte zog die Unterlagen des Klinikums K. bei und veranlasste eine Untersuchung durch den Orthopäden Dr.D. und den Internisten Dr.R ... Dr.D. kam zum Ergebnis, dass auf orthopädischem Fachgebiet für leichte Arbeiten ohne Überkopfarbeit, ohne schweres Heben und Tragen von Lasten und ohne Arbeiten in gebückter Vorneigehaltung wieder ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestehe. Auf internem Fachgebiet bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen ohne Einschränkung, stellte Dr.R. fest. Der Weitergewährungsantrag wurde von der Beklagten mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 08.07.1998 abgelehnt.
Der Widerspruch vom 28.07.1998 wurde damit begründet, seit der ersten Antragstellung sei keine Besserung in den gesundheitlichen Gegebenheiten eingetreten, es komme immer wieder zu Ausrenkungen am linken Schultergelenk.
Im vorgelegten Attest von Dr.B. wird vor allem über die habituellen Schulterluxationen berichtet. Außerdem wurde beigezogen ein Bericht des Klinikus K. vom 06.08.1997, diese Unterlagen wurden ausgewertet durch Dr.G. , die keine Veranlassung sah, bei wesentlich unveränderte Befundlage von der bisherigen Beurteilung abzuweichen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Mit der Klage vom 27.11.1998 verfolgt der Kläger die Gewährung der Erwerbsunfähigkeitsrente über den 30.06.1998 hinaus weiter. Begründet wurde dies mit der bereits siebenmal erfolgten Auskugelung der Schulter, auch eine Schulteroperation habe keinen Erfolg gebracht.
Das Sozialgericht holte Befundberichte bei den behandelten Ärzten Dr.S. , Dr.B. und im Klinikum U. ein.
Zum gerichtlichen Sachverständigen wurde der Chefarzt der H. Klinik Prof.Dr.M. bestellt. Dieser hat im Gutachten vom 25.08.1999 folgende Diagnosen gestellt: 1. Einschränkung der Belastungs- und Bewegungsfähigkeit der linken Schulter nach zweimaliger Schulteroperation wegen rezidivierender Schulterausrenkungen. Weiter bestehende Luxationsneigung. 2. Belastungsschwäche linkes Bein nach Unterschenkelbruch, p.o. Knocheneiterung des Unterschenkels und mehrfachen operativen Eingriffen. Außerhalb seines Fachgebiets stellte er eine Alkohlkrankheit, ein generalisiertes Krampfleiden und eine Taubheit des rechten Ohrs nach Schädelbasisbruch fest. Hinzugekommen sei das generalisierte, alkoholinduzierte Krampfleiden und zwischenzeitlich sei eine erneute Operation im Bereich der linken Schulter erfolgt. Die Beweglichkeit im linken Schultergelenk habe sich deutlich verschlechtert. Unzumutbar seien Schwerarbeit und mittelschwere Arbeiten, sowie längere Anmarschwege zur Arbeit als 2000 Meter. Der Kläger sollte nicht im Gehen und in Zwangshaltung arbeiten oder Arbeiten mit häufigen Heben und Tragen verrichten, ohne dass mechanische Hilfsmittel zur Verfügung stehen. Nicht zumutbar seien häufiges Bücken sowie Treppen- und Leitersteigen sowie Arbeiten die über Kopfhöhe durchgeführt werden müssen. Auch Arbeiten mit Gefährdung an laufenden Maschinen seien wegen der Luxationsneigung nicht mehr möglich. Nicht durchgeführt werden sollten Arbeiten unter Einwirkung von Kälte, Hitze oder starken Temperaturschwankungen. Dieses Leistungsbild bestehe seit Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit am 01.07.1999. Vollschichtig waren leichte Arbeiten zwischen dem 01.07.1998 und dem 20.01.1999, dem Behandlungsbeginn im Uniklinikum U. möglich. Wegen der Alkoholkrankheit und des Krampfleidens sollte ein zusätzliches nervenärztliches Gutachten erstellt werden.
Zum weiteren Gutachter wurde der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.F. bestellt. Dieser hat am 20.01.2000 ein Gutachten gefertigt und als Gesundheitsstörungen leichte traumatische Teilläsion des Nervus saphenus nach Operation und Osteo- myelitis, Alkoholismus mit alkoholreduziertem Anfallsleiden diagnostiziert. Er bezeichnete die im Rentenverfahren gestellten Diagnosen als zutreffend, aber ergänzungsbedürftig. Der Kläger sei durch die neuropsychiatrischen Ausfälle im Erwerbsleben behindert und könne keine Tätigkeiten auf Gerüsten, Leitern und an laufenden Maschinen ausüben. Leichte Arbeiten, wie sie im Gutachten der H. Klinik beschrieben seien, seien aber aus seiner Sicht vollschichtig möglich.
Mit Urteil vom 16.05.2000 wies das Sozialgericht die Klage ab und führte zur Begründung aus, dass nach den Gutachten von Dr.F. und von Prof.Dr.M. noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestehe und da der Kläger als ungelernter Arbeiter einzustufen sei, müsse er sich auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisen lassen, so dass es der Benennung einer spezifischen Verweisungstätigkeit nicht bedürfe, denn es lägen weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor.
Die Berufung vom 19.06.2000 gegen das am 22.05.2000 zur Post gegebene Urteil begründete der Klägerbevollmächtigte mit der mehrfachen Ausrenkung des Schultergelenks, die bisher nicht ausreichend behandelt werden konnte, und der Bedrohung der Leistungsfähigkeit durch die mit Wahrscheinlichkeit wiederkommende Knochenmarksentzündung im Bereich des oberen Unterschenkels. Es stünde eine weitere Operation bevor. Auch die nun festgestellte Alkoholkrankheit habe ihren Ursprung in der Unterschenkeloperation und der damit verbundenen langanhaltenden Knochenmarkseiterung. Aufgrund dieser Gesundheitsstörungen sei der Kläger nicht mehr in der Lage, vollschichtig zu arbeiten. Die Gutachter hätten dies bisher nicht ausreichend gewürdigt.
Die Anfrage beim letzten Arbeitgeber ergab, dass der Kläger dort vom 16.11.1989 bis 31.03.1997 als Baufachwerker beschäftigt war; der Arbeitgeber hat hierfür eine Anlernzeit von ca. fünf Monaten für erforderlich gehalten, entlohnt wurde der Kläger nach Tariflohngruppe VI/1 des TV für das Baugewerbe.
Zum gerichtlichen Sachverständigen wurde der Orthopäde Dr.K. bestellt.
Dieser stellte im Gutachten vom 13.04.2001 folgende Gesundheitsstörungen fest: 1. Fortgeschrittener LWS-Verschleiß mit Bandscheibenschäden und Gefügestörung 2. Funktionsminderung des linken Armes bei Schulterinstabilität und Aufbraucherscheinungen. 3. Beginnender Hüftgelenksverschleiß beidseits mit Sehnenreizungen. 4. Beginnender Kniegelenksverschleiß links nach kniegelenksnahem Unterschenkelbruch und Knocheneiterung. 5. Sprunggelenksverschleiß links. Aufgrund der orthopädischen Gesundheitsstörungen sei der Kläger vermindert belastbar und in seiner beruflichen Leistungsbreite eingeschränkt. Da aber radikulär-neurologische Ausfälle im Bereich der Wirbelsäule nicht zu objektivieren waren, sei die Belastbarkeit des Achsenorgans zwar gemindert, die Aktivität des Krankheitsprozesses sei bei derzeit fehlender körperliche Be- lastung aber als gering einzustufen. Aufgrund der mehrfachen Luxationen der linken Schulter sei insgesamt eine deutliche Minderbelastbarkeit des linken Armes gegeben. Es bestehe nur geringgradige Atrophie der Armmuskulatur und das aufgrund der Operation noch liegende Osteosynthesematerial sei reizlos eingeheilt. Nicht eingeschränkt sei die Beweglichkeit der Hüftgelenke. Eine zusätzliche Beeiträchtigung der Steh- und Gehleistung sei dadurch nicht gegeben. Die Geh- und Stehleistung sei aber durch die Aufbrauchserscheinungen am Kniegelenk reduziert. Keine zusätzliche Beeinträchtigung der Steh- und Gehleistung ergebe sich aus den Aufbraucherscheinungen am oberen Sprunggelenk. Der Kläger könne noch eine vollschichtige Tätigkeit ausüben, wenn dabei nicht das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg erforderlich sei oder Arbeiten in Rumpfbeugehaltung oder in Haltungskonstanz wie z.B. am Fließband abverlangt werden. Manuelle Tätigkeiten oder Überkopfarbeiten seien mit dem linken Arm nicht mehr zu verrichten, auch an laufenden Maschinen sollte der Kläger nicht arbeiten, wobei es nicht statthaft sei, von einer vollständigen Bewegungsunfähigkeit durch die Schulterluxation auszugehen. Auch auf Leitern und Gerüsten könne der Kläger nicht arbeiten, außerdem sei eine überwiegend stehende und gehende Beschäftigung nicht möglich. Überwiegend sitzend könne der Kläger aber beschäftigt werden. Unter Berücksichtigung der vorgelegten berufskundlichen Gutachten sei der Kläger noch in der Lage, als einfacher Pförtner zu arbeiten. Bei einer Beschäftigung als Warenaufmacher wäre darauf zu achten, dass Zwangshaltung vermieden wird und kein Hantieren mit schweren Gegenständen oder überkopf mit dem linken Arm erforderlich sei. Eine praktische Einarmigkeit sei trotz der Funktionsminderung der linken Schulter aber nicht anzunehmen. Die linke Hand sei durchaus als Beihand oder Haltehand einzusetzen, soweit Überkopfbewegungen vermieden werden können. Die Einholung eines psychiatrischen Gutachten stellte Dr.K. in das Ermessen des Gerichts.
Während die Beklagte unter Hinweis auf eine Stellungnahme von Dr.N. der Begutachtung durch Dr.K. zustimmte und eine erneute nervenärtzliche Begutachtung im Hinblick auf das Gutachten von Dr.F. vom Januar 2000 nicht für erforderlich hielt, trug der Klägerbevollmächtigte vor, dass die Luxation insbesondere bei Überkopfarbeiten auftrete, aber nicht überwiegend. Vielmehr reiche bereits eine kleine Bewegung gleich welcher Art aus um derartige Luxationen auszulösen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum die forgeschrittenen LWS-Verschleißerscheinungen keine weiteren Leistungseinschränkungen bedingen. Entgegen den Ausführungen des Gutachters sei es zu keiner Stabilisierung des Gelenks nach den Operationen gekommen. Die Gesundheitsstörungen seien chronifiziert und stünden einer tatsächlichen Erwerbstätigkeit unter arbeitsmarktüblichen Bedingungen entgegen. Der Gutachter setze sich in Widerspruch zu seinen eigenen Ausführungen wenn er trotz der Schulterluxationen eine praktische Einarmigkeit verneine. Da der Kläger weder lang stehen noch sitzen könne, komme auch der angesprochene Beruf als Pförtner nicht in Betracht. Das Hantieren mit beiden Händen sei ihm nicht möglich. Praktisch gebe es keine Tätigkeit, bei der die Gesundheitsstörungen des Kläger ausreichend berücksichtigt würden. Es wurde ein weiteres berufskundliches Gutachten zur Tätigkeit eines Telefonisten und zur Einhändigkeit übersandt.
Aufgrund des Vortrags in der mündlichen Verhandlung vom 30.01. 2002, der Kläger betreibe erneut Alkoholabusus und es träten verstärkt wieder Anfälle auf, wurde die mündliche Verhandlung vertagt und ein Entlassungsbericht der Saaletalklinik vom Oktober 2001 beigezogen. Mit einer erneuten nervenärztlichen Begutachtung wurde Dr.P. beauftragt. Diese hat im Gutachten vom 04.02.2003 folgende Gesundheitsstörungen diagnostiziert: 1. Alkohol- und Nikotinabhängigkeit (anamnestisch mit Leberschaden und alkoholinduziertem Anfallsleiden). 2. Erhebliche Funktionsbeeinträchtigung des Bewegungsapparates, vor allem im Bereich der LWS, der linken oberen und unteren Extremität. 3. Hörminderung rechts. 4. Bronchitisneigung, arterielle Durchblutungsstörung. Dr.P. kam zu dem Ergebnis, dass diese Gesundheitsstörungen seit 01.07.1998 vorlägen und gegenüber den Vorgutachten keine Besserung erkennbar sei. Nicht berücksichtigt sei bisher bei der Beurteilung die ungünstige Interaktion der Gesundheitsstörungen. Ein seelisch absolut stabiler und belastbarer Proband wäre gerade noch in der Lage, die körperlichen Einschränkungen soweit zu überwinden, dass er eine entsprechende Tätigkeit regelmäßig sechs bis acht Stunden ausüben könnte, dies gelte jedoch nicht für den Kläger aufgrund der willentlich alleine nicht ausreichend überwindbaren Suchterkrankung. Der Kläger sei deshalb über den 01.07.1998 hinaus nicht in der Lage gewesen, regelmäßig einer Erwerbstätigkeit auf dem Arbeitsmarkt unter üblichen Bedingungen nachzugehen, ohne seine Gesundheit zu gefährden.
Die Beklagte erklärte sich im Schriftsatz vom 07.03.2003 bereit, das Vorliegen verminderter Erwerbsfähigkeit beim Kläger ab Januar 2002 anzuerkennen. Bezüglich der Divergenz der ärztlichen Einschätzung für den Zeitraum 1998 bis 2002 wurde beantragt, Dr.P. ergänzend zu befragen. Die Beklagte stützte sich dabei auf die Ausführungen von Dr.N. vom 28.02.2003. Die gerichtliche Sachverständige Dr.P. hat in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 11.03.2003 an ihrer Einschätzung festgehalten und nochmals die aus ihrer Sicht durchgehende Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit des Klägers begründet. Auch zwischen Juli 1998 und Dezember 2001 sei eine geregelte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt regelmäßig für drei Stunden oder mehr nicht möglich gewesen.
In der mündlichen Verhandlung vom 25.06.2003 gab die Beklagte ein Teilanerkenntnis dahingegehend ab, dass beim Kläger das Vorliegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab Januar 2002 anerkannt wurde. Dieses Anerkenntnis wurde vom Kläger angenommen.
Er beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16.05.2000 und den Bescheid der Beklagten vom 08.07.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger auch für die Zeit vom 01.07.1998 bis 31.01.2002 Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Augsburg und des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig und erweist sich als begründet, soweit über das Teilanerkenntnis der Beklagten hinaus die Rentengewährung in der Zeit vom 01.07.1998 bis 31.01.2002 im Streit steht. Auf die Berufung des Klägers sind deshalb das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16.05.2000 sowie der Bescheid der Beklagten vom 08.07.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auch vom 01.07.1998 bis 31.01.2000 zu bezahlen.
Der Kläger ist erwerbsunfähig im Sinne von § 44 Abs.2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGV VI; gültig bis 31.12.2000, vorliegend aber noch anwendbar in Hinblick auf die im Jahre 1998 erfolgte Antragstellung), denn er ist wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außer Stande, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich ein Siebtel der Bezugsgröße übersteigt. Dabei ist aufgrund des aus medizinischen Gründen auf weniger als acht Stunden gesunkenen Leistungsvermögens nicht entscheidend, ob der Kläger Facharbeiter oder oberer Angelernter war und sich auf sozial zumutbare andere Tätigkeiten verweisen lassen muss. Der Senat ist überzeugt, dass die gerichtliche Sachverständige Dr.P. das Leistungsvermögen des Klägers zutreffend bewertet hat. Die gerichtliche Sachverständige hat sich mit allen Vorbefunden auseinander gesetzt und in überzeugender Weise dargelegt, aus welchen Gründen das Leistungsvermögen des Klägers in der von ihr vorgenommenen Weise einzuschätzen ist. Sie ist dabei gerade auf die Vorgutachten eingegangen und hat sich mit allen vorgebrachten Argumenten, insbesondere auch mit den Einwendungen der Beklagten in der ergänzenden Stellungnahme auseinander gesetzt. Die Begründung der Sachverständigen ist überzeugend und widerspruchsfrei, besonders da sie sich ein persönliches Bild vom Kläger aufgrund der Untersuchung machen konnte und alle Unterlagen, insbesondere auch die Vorgutachten, zur Verfügung standen. Die Sachverständige hat sich sehr ausführlich mit der Krankheitsgeschichte beschäftigt und auseinandergesetzt und hat dabei auch alle die Gesichtspunkte berücksichtigt, die von der Beklagten als Einwendungen gegen die Leistungsbeurteilung vorgebracht wurden. Dass die Gutachterin dabei auch über länger zurückliegende Zeiträume zu befinden hatte, liegt in der Natur der Sache und ist nicht zu beanstanden. Gerade in Hinblick auf die Suchterkrankung ist der Verlauf der Erkrankung für die Beurteilung von besonderer Bedeutung und es obliegt auch dem Sachverständigen im sozialgerichtlichen Verfahren, das Ineinandergreifen der verschiedenen ärztlichen Fachgebiete darzustellen und seiner Beurteilung zu Grunde zu legen. Darüber hinaus ist Dr.P. eine erfahrene, mit dem Gebiet der Sozialmedizin bestens vertraute Ärztin, die entsprechend ihrem Auftrag die abschließende Beurteilung herbeizuführen hatte. Dies ist ihr im Gutachten und der ergänzenden Stellungnahme zur Überzeugung des Senats in vollem Umfang gelungen.
Die Gutachterin weist zu Recht darauf hin, dass in keinem der Vorgutachten das Zusammenspiel der Gesundheitsstörungen beschrieben wird. Vielmehr wurden auf jedem Fachgebiet bisher die Leistungsstörungen isoliert betrachtet. Die Gutachterin ist dann auf jede einzelne Leistungseinschränkung eingegangen und hat dargestellt, warum diese im Zusammenwirken mit den Einschränkungen aus psychiatrischer Sicht auch eine wettbewerbsfähige Tätigkeit als Pförtner oder Telefonist ausschließen. Sie stellt gut begründet dar, warum die vorhandene Leistungsfähigkeit infolge der Summierung der erheblichen orthopädischen und psychiatrischen Auffälligkeiten eingeschränkt ist. Die Einwendungen von Dr.S. in der Stellungnahme vom 26.05.2003 überzeugen hingegen nicht, da nicht begründet wurde, warum zwar ein Leistungsfall im Januar 2002 anzunehmen sei, der Gutachterin jedoch nicht gefolgt werden kann, dass es eine Summierung mehrerer Behinderungen sei, die zur Leistungseinschränkung führe. Der Hinweis, dass Dr.F. als früher begutachtender Nervenarzt zu einem anderen Ergebnis kommt, geht nicht ausreichend darauf ein, dass hier das Zusammenspiel mehrerer Gesundheitsstörungen zu beurteilen ist. Es ist für den Senat nachvollziehbar, wenn Dr.P. die von Dr.F. im Gutachten vom 20.01.2000 erhobenen Befunde als kurz gehalten bezeichnet, denn sie weist zu Recht darauf hin, dass der psychopathologische Befund lediglich sechseinhalb Zeilen umfasse und auch die Sucht und allgemeine Anamnese knapp dargestellt ist. Darüber hinaus wird aus dem Gutachten Dr.F. deutlich, dass dieser vor Allem auf die günstige Prognose bezüglich des medikamentös zu beherrschenden Anfallsleidens abgestellt hat und der Kläger zum Zeitpunkt der Untersuchung bei Dr.F. angegeben hat, keinen Alkohol mehr zu trinken. Damit gewinnt aber der Verlauf der Alkoholkrankheit eine Bedeutung, wie sie im Gutachten von Dr.F. nicht berücksichtigt wurde. Dr.P. dagegen zeigt auf, dass in den Folgegutachten, so zum Beispiel bei Dr.K. , bereits wieder Alkoholkonsum angegeben wurde und somit von den Vorgutachtern nicht geprüft wurde, ob die Phasen des übermäßigen Alkoholkonsums längere Zeit unterbrochen wurden. Sie betont, dass beim Gutachten Dr.F. im Vordergrund stand, dass der Gesundheitszustand sich vorübergehend stabilisiert zu haben schien, dass aber bereits nach kurzer Zeit die Besserung mit einem Resultat einer längerfristigen Belastbarkeit wieder in Frage zu stellen ist. Die Gesamtbeurteilung führt deshalb zu dem von Dr.P. gezogenen Schluss, dass beim Kläger bereits ab dem Ende der Rentengewährung kein vollschichtiges Leistungsvermögen auf Dauer eingetreten ist, so dass die Beklagte zu verpflichten war, dem Kläger auch in der Zeit vom 01.07.1998 bis 31.01.2002 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu bezahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Gründe, gemäß § 160 Abs.1 und 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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