L 20 RJ 680/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 RJ 803/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 RJ 680/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.10.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der am 1954 geborene Kläger hat nach seinen Angaben den Beruf eines Großhandelskaufmanns erlernt (Prüfung 1974). Nach Ableistung seines Wehrdienstes bis Februar 1976 war er arbeitslos und hat dann als Lagerist, zuletzt als Reinigungskraft gearbeitet. Seit März 1995 bestand Arbeitsunfähigkeit.

Am 14.07.1995 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte ließ ihn untersuchen durch den Sozialmediziner Dr.B. , der im Gutachten vom 07.11.1995 zu dem Ergebnis kam, dass der Kläger derzeit nur in der Lage sei, leichte Tätigkeiten allgemeiner Art im Umfang von zweistündig bis unter halbschichtig zu verrichten. Die Einschätzung gelte zunächst für die Dauer von 1 1/2 Jahren; bei Einhaltung von Alkoholabstinenz könne mit einer Besserung gerechnet werden. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 07.12.1995 ab. Der Kläger sei zwar vorübergehend erwerbsunfähig für die Zeit vom 11.03.1995 bis 28.02.1997; er habe auch die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren erfüllt, nicht jedoch die weiteren versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung. Im maßgeblichen Zeitraum vom 11.12.1989 bis 10.03.1995 seien nur 24 Monate an Pflichtbeiträgen vorhanden, nicht jedoch die erforderlichen 36 Monate. Auch sei in der Zeit vom 01.01.1984 bis 31.12.1993 nicht jeder Kalendermonat mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, den die Beklagte mit Bescheid vom 07.08.1997 zurückwies. Beim Kläger sei nach ärztlichen Erkenntnissen vom Tag des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit am 11.03.1995 an Erwerbsunfähigkeit anzunehmen; Anhaltspunkte für einen wesentlich früheren Eintritt der Erwerbsunfähigkeit ergäben sich allerdings nicht.

Dagegen hat der Kläger am 12.09.1997 Klage beim SG Nürnberg erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, seine Leistungsminderung und Erwerbsunfähigkeit sei bereits vor 1993 eingetreten. Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des Allgemeinarztes Dr.V. mit dessen kompletten ärztlichen Unterlagen zum Verfahren beigenommen; des Weiteren ein psychiatrisches Gutachten von Prof. Dr.B. vom 03.06.1993, erstellt im Zusammenhang mit einer am 28.01.1992 vom Kläger begangenen Straftat. Von der medizinischen Klinik I mit Poliklinik der Universität E. wurden Berichte über stationäre Behandlungen in den Jahren 1995, 1996 und 1999 übersandt. Das Bezirkskrankenhaus E. - Klinik für Psychiatrie - hat die Krankenunterlagen über stationäre Behandlungen des Klägers ab 07.07.1993 übermittelt. Weiter hat das SG die Akten des Arbeitsamtes E. zum Verfahren beigenommen. Auf Veranlassung des SG erstattete der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.H. das Gutachten vom 28.04.2001 mit einem psychodiagnostischen Zusatzgutachten von Dr.L. vom 26.04.2001. Als Diagnosen wurden genannt: Alkoholabhängigkeit, peripheres Nervenleiden infolge Diabetes (diabetische Polyneuropathie), Diabetes mellitus, Leberleiden (iS einer Leberzirrhose).

Der ärztliche Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger noch leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten in überwiegend sitzender Haltung und gelegentlichem Gehen und Stehen, wie auch in wechselnder Körperhaltung in Vollschicht verrichten könne. Vermieden werden müssten Tätigkeiten mit Kontakt zu Alkohol, unter hohem Zeitdruck, in Wechsel- und Nachtschicht. Hinsichtlich der beschriebenen Leistungsfähigkeit finde sich ein ähnlicher Zustand seit etwa 1990. Die von Dr.B. im Antragsverfahren abgegebene Leistungsbeurteilung habe sich auf den damals deutlich reduzierten Ernährungs-, Allgemein- und Kräftezustand des Klägers gegründet. Schon damals sei eine Besserung bei Alkoholabstinenz erwartet worden; dieser Umstand sei mittlerweile eingetreten. Der Internist und Arbeitsmediziner Dr.K. erstattete im Auftrag des SG das weitere Gutachten vom 06.08.2001. Auch Dr.K. kam zu dem Ergebnis, dass sich seit der Untersuchung bei Dr.B. unter langfristiger Alkoholabstinenz sowohl bezüglich der Magengeschwürsdiathese als auch hinsichtlich des toxischen Leberleidens eine wesentliche Besserung ergeben habe. Der Sachverständige hielt den Kläger für fähig, zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes eine vollschichtige Erwerbstätigkeit auszuüben. Dies gelte zumindest für leichte körperliche Arbeiten, mittelschwere Arbeiten seien bis unter halbschichtig zumutbar. Mit Urteil vom 16.10.2001 hat das SG die auf Gewährung von Rente wegen EU, hilfsweise wegen BU gerichtete Klage abgewiesen. Der Kläger sei zumindest seit 01.08.1999 wieder in Vollschicht leistungsfähig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Laut Feststellungen des ärztlichen Sachverständigen Dr.K. sei der Diabetes mellitus seit Juli 1999 langfristig stabil eingestellt. Mit dem Sachverständigen Dr.H. sei davon auszugehen, dass in den Jahren 1994 bis 1995, verglichen mit dem jetzt aktuellen Befund, ein wesentlich schlechterer Gesundheitszustand beim Kläger vorgelegen habe. Für das SG habe sich daraus der Schluss ergeben, dass der Kläger vom Zeitpunkt der ab 11.03.1995 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit bis 31.07.1999 nicht in der Lage gewesen sei, zumindest leichte körperliche Arbeiten zu den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten. Ein Leistungsfall der Erwerbsminderung, der vor dem 11.03.1995 eingetreten sei, könne jedoch nicht angenommen werden. Unter Zugrundelegung eines am 11.03.1995 eingetretenen Leistungsfalles der Erwerbsunfähigkeit lägen jedoch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 44 Abs 1 SGB VI (in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung) nicht vor. Der Kläger habe nach den zutreffenden Feststellungen der Beklagten im maßgeblichen Zeitraum nicht die erforderliche Anzahl von Pflichtbeiträgen, nämlich 36 Monate, geleistet.

Gegen dieses Urteil richtet sich die am 07.12.2001 beim Bayer. Landessozialgericht eingegangene Berufung des Klägers. Dieser hat mitgeteilt, dass er seit 27.07.1998 erneut stationär im Bezirkskrankenhaus E. untergebracht sei. Auf Anforderung des Gerichts hat diese Klinik den Bericht vom 27.08.2002 übersandt. Aufgrund einer erneuten Straftat am 26.01.1998 sei der Kläger gemäß § 63 StGB im Maßregelvollzug untergebracht. Ein Antrag des Klägers, ihm für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, ist mit Beschluss vom 28.01.2003 abgelehnt worden, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des SG Nürnberg vom 16.10.2001 und den Bescheid der Beklagten vom 07.12.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.08.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab frühestmöglichen Zeitpunkt Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakte des SG Nürnberg sowie die Schwerbehinderten-Akte des Versorgungsamtes Nürnberg (GdB = 80 lt. Bescheid vom 30.08.1995) vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 SGG) und auch im Übrigen zulässig.

Das Rechtsmittel des Klägers erweist sich als nicht begründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger derzeit nicht berufs- oder erwerbsunfähig ist und dass er während seiner vorübergehenden Erwerbsunfähigkeit (vom 11.03.1995 bis längstens 31.07.1999) die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung nicht erfüllt hat. Er hat im maßgeblichen Zeitraum vom 11.12.1989 bis 10.03.1995 weder die erforderliche Anzahl von Pflichtbeiträgen geleistet (lediglich 24 Monate Pflichtbeiträge) noch erfüllt er die Bedingungen der Übergangsregelung des § 241 Abs 2 SGB VI (durchgehende Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten vom 01.01.1984 an bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung). Insbesondere hinsichtlich des angenommenen Eintritts der Erwerbsunfähigkeit zum 11.03.1995 (Beginn der Arbeitsunfähigkeit) stimmt der Senat mit den Ausführungen des SG überein. Der Kläger hatte zwar am 28.01.1992 eine erste schwere Straftat begangen, hat aber nach Verbüßung der Strafhaft ab August 1994 wieder versicherungspflichtig gearbeitet und zwar mit Unterbrechungen bis März 1995. Die ärztlichen Sachverständigen Dr.K. und auch Dr.H. haben in ihren Gutachten keinen Zweifel daran gelassen, dass der Kläger zur Zeit der Begutachtung im Jahre 2001 wieder als vollschichtig erwerbsfähig anzusehen war. Das gesundheitliche Befinden des Klägers hatte sich zur Zeit der Rentenantragstellung im Jahre 1995 wesentlich schlechter dargestellt; insbesondere von Dr.K. wurde jedoch eine entscheidende Besserung in der Leistungsfähigkeit ab August 1999 dokumentiert im Zusammenhang mit einer verbesserten Therapie des Diabetes mellitus. Die übrigen zahlreich vorhandenen ärztlichen Unterlagen und Gutachten erlauben keine andere Einschätzung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers als vom SG angenommen. Der Senat sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist, § 153 Abs 2 SGG.

Bezogen auf den derzeitigen gesundheitlichen Zustand des Klägers ist zu berücksichtigen, dass dieser seit Juli 1998 bis August 2002 (und darüber hinaus) im Maßregelvollzug untergebracht war. Eine Verschlechterung im Gesamtbefinden des Klägers seit der Begutachtung durch Dr.K. und Dr.H. lässt sich aus dem Bericht des Bezirkskrankenhauses E. vom 27.08.2002 nicht herleiten. Unabhängig davon würde ein neuer Eintritt eines Leistungsfalles der Erwerbsminderung (nach der angefochtenen Entscheidung des SG vom 16.10.2001) an den fehlenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung nichts ändern, da der Versicherungsverlauf des Klägers am 10.09.1996 endet (zuletzt Pflichtbeiträge aus Sozialleistung).

Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten, § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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