Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 12 AL 199/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 AL 31/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Arbeitslosenhilfe ab 27.10.2001. Dabei ist insbesondere streitig, ob die wegen Ablehnung der Arbeitslosenhilfe entstehenden Kosten für eine freiwillige Versicherung zur Kranken- und Pflegeversicherung vom anzurechnenden Einkommen abzusetzen sind.
Die 1959 geborene Klägerin bezog aufgrund eines am 01.11.2000 entstandenen Anspruchs bis zu dessen Erschöpfung am 26.10.2001 Arbeitslosengeld. Nach ihren Angaben im Antrag auf Arbeitslosenhilfe erzielte sie gemeinsam mit ihrem Ehemann im Kalenderjahr 2000 Zinseinnahmen von XXXXXX DM. Ihr Ehemann erzielte ausweislich einer Bescheinigung des Landesamtes für Besoldung und Versorgung O vom 08.10.2001 in den Monaten August - Oktober 2001 ein gleichbleibendes Bruttoarbeitsentgelt von XXXXXXXX DM entsprechend XXXXXXXX DM netto.
Mit Bescheid vom 07.11.2001 und Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2002 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe gestützt auf §§ 190 Abs. 1 Nr. 5, 193 Abs. 1 und 194 SGB III im wesentlichen mit der Begründung ab, die Klägerin sei aufgrund des anzurechnenden Einkommens ihres Ehemannes sowie eigenen Einkommens nicht bedürftig. Die Klägerin und ihr Ehemann hätten im Kalenderjahr 2000 über gemeinsame Zinseinnahmen von XXXXXX DM verfügt. Auf jeden entfalle daraufhin ein Anteil von XXXXX DM. Dies entspreche einem Monatsbetrag von XXXX DM, der zu berücksichtigen sei. Das Einkommen ihres Ehemannes sei gemäß § 194 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB III zu berücksichtigen. Dieser habe ein festes Arbeitseinkommen von monatlich XXXXXXXX DM, entsprechend netto XXXXXXXX DM. Auf seiner Lohnsteuerkarte sei Lohnsteuerklasse IV eingetragen. Daraus ergäbe sich für das Kalenderjahr 2001 fiktiv eine monatliche Arbeitslosenhilfe von XXXXXXXX DM, die den Mindestfreibetrag nach dem EStG (XXXXXXXX DM) übersteige und als Freibetrag zu berücksichtigen sei. Dieser Freibetrag erhöhe sich noch um 53 % der monatlichen Zinseinkünfte, also XXXX DM, woraus sich ein Gesamtfreibetrag von XXXXXXXX DM ergäbe. Abzuziehen seien die im § 194 Abs. 2 SGB III genannten Aufwendungen nämlich:
XXXXXX DM Freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung des Ehemannes
XXXX DM Unfallversicherung
XXXX DM Lebensversicherung XXXX DM private Haftpflichtversicherung
XXXXX DM Kfz-Haftpflicht und Kaskoversicherung
XXXXX DM Hausratversicherung
XXXXX DM Gebäudeversicherung
XXXXXX DM =========
Insgesamt ergäbe sich folgende Berechnung:
XXXXXXXX DM gesamte Nettoeinkünfte (Arbeitseinkommen, Zinsen)
- XXXXXX DM Versicherungen
- XXXXX DM Fahrkosten
- XXXXX DM Verpflegungsmehraufwand
- XXXXXXXX DM hypothetische Arbeitslosenhilfe
- XXXXXX DM Pauschbetrag aus Erwerbsbezügen
Darauf ergäbe sich ein Anrechnungsbetrag von XXXXXX DM aus den Einkünften des Ehemannes der Klägerin zuzüglich XXXX DM Zinseinkünfte der Klägerin, so dass insgesamt XXXXXXXX DM anzurechnen seien. Einkommen der Klägerin aus ihrer selbständigen Tätigkeit werde wegen übersteigender Ausgaben nicht berücksichtigt. Eine Saldierung mit dem anzurechnenden Einkommen des Ehemannes finde nicht statt. Bewerbungskosten der Klägerin könnten nach § 194 Abs. 2 S. 2 SGB III nicht berücksichtigt werden. Ebenfalls nicht zu berücksichtigen seien die Kosten für ihre private Kranken- und Pflegeversicherung (XXXXXX DM Krankenversicherung und XXXXX DM Pflegeversicherung monatlich ab 27.10.2001). Grundsätzlich seien zwar die privaten Aufwendungen der Klägerin für ihre Kranken- und Pflegeversicherung vom Einkommen des Ehemannes abzuziehen. Hierdurch entstünde jedoch Bedürftigkeit im Sinne der Arbeitslosenhilfe, so dass diese Versicherungen nicht erforderlich wären und somit nicht aus Aufwendung berücksichtigt werden könnten.
Das anzurechnende Einkommen übersteige den Leistungssatz. Der Klägerin stünde Arbeitslosenhilfe nach einem Bemessungsentgelt von XXXXXXXX DM wöchentlich zu. Ausgehend von Steuerklasse IV und damit Leistungsgruppe A ergäbe sich daraus im Kalenderjahr 2001 eine wöchentliche Arbeitslosenhilfe von XXXXXX DM, die unter dem zu berücksichtigen Einkommen von XXXXXX DM liege.
Zur Begründung ihrer am 16.08.2001 erhobenen Klage vertritt die Klägerin die Auffassung, die Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung müssten vom anzurechnenden Einkommen abgezogen werden. Geschehe dies, liege Bedürftigkeit vor.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.11.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2002 zu verurteilen, ihr ab 20.10.2001 Arbeitslosenhilfe zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide aus den im Widerspruchsbescheid genannten Gründen für rechtmäßig. Die am 27.10.2001 anfallenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung der Klägerin könnten nicht vom Einkommen des Ehegatten abgezogen werden. Diese Kosten entstünden allein nur durch die Ablehnung des Antrags auf Arbeitslosenhilfe. Sie fielen wieder weg, sobald Arbeitslosenhilfe gezahlt werde. Maßgeblich für die Beurteilung der Bedürftigkeit seien aber die wirtschaftlichen Verhältnisse im Falle der Zahlung von Arbeitslosenhilfe. Wollte man diese freiwilligen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung berücksichtigen, ergäbe sich auf der Grundlage der nach § 232 a SGB V vorzunehmenden Berechnung ein wöchentlicher Beitragssatz zur Krankenversicherung in Höhe von XXXXX DM und zur Pflegeversicherung in Höhe von XXXX DM. Im übrigen stünden dann wöchentliche Leistungen über XXXXX DM zu.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Prozessakten und der die Klägerin betreffenden Leistungsakten der Beklagten. Diese Akten haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Zu Recht hat die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab 27.10.2001 abgelehnt.
Das Gericht nimmt zunächst Bezug auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid, insbesondere die dort vorgenommene Berechnung des anzurechnenden Einkommens und der abzusetzenden Beträge
Zum Kernpunkt des Streites zwischen den Beteiligten, nämlich der Frage ob die von der Klägerin ab 27.10.2001 gezahlten Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung von den Einkünften gemäß § 194 Abs. 2 Ziff. 2 SGB III in Abzug zu bringen sind, wird wie folgt ergänzend ausgeführt.
Nach Überzeugung des Gerichtes können diese Aufwendungen, die allein durch den Wegfall der Bedürftigkeit entstehen, nicht in Abzug gebracht werden. Zu dieser Problematik liegt - soweit erkennbar - noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor. In der Kommentarliteratur setzt sich Epsen in Gagel, SGB III, Kommentar, § 194 RdNr. 59 - 62, mit dieser Problematik auseinander. Da mit wegfallender Bedürftigkeit auch das Tatbestandsmerkmal des § 190 Abs. 1 Nr. 5 SGB III und damit die Versicherungspflicht auch aufgrund Arbeitslosenhilfebezug wegfalle, müsse sich der Arbeitslose zur Aufrechterhaltung seiner sozialen Sicherung freiwillig weiter versichern und die hierfür nötigen Beiträge selbst tragen (aaO RdNr. 60). Epsen vertritt hier die Auffassung, dass diese Beiträge problemlos unter § 194 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB III fielen. Es spiele keine Rolle, dass sie zu dem Zeitpunkt, in welchem die Bedürftigkeitsprüfung stattfinde, unter Umständen noch nicht geschuldet würden (aaO). Wenn allerdings die entsprechenden Absetzungen zum berücksichtigenden Einkommen vorgenommen würden, würde im hier betrachteten Grenzbereich die Bedürftigkeitsgrenze wieder nach unten überschritten, so dass nunmehr die Aufwendungen nicht mehr anfielen. Damit wäre Bedürftigkeit und folglich ein Arbeitslosenhilfebezug zu verneinen, so dass die sekundäre Sozialversicherung entfalle. Dann bestünde aber wieder die Notwendigkeit der freiwilligen Versicherung mit den anfallenden und abzusetzenden Beiträgen, die wiederum zu Bedürftigkeit führten, dadurch entfiele aber wieder die sekundäre Sozialversicherung usw. (aaO RdNr. 61). Zur Vermeidung eines infiniten Regresses und nach dem Sinn und Zweck des Systems der Bedürftigkeitsermittlung könne es in dieser Situation für die Frage, ob überhaupt noch Bedürftigkeit und damit das Tatbestandsmerkmal des § 190 Abs. 1 Nr. 5 SGB III erfüllt sei, nur darauf ankommen wie sich die Einkommensverhältnisse ohne Arbeitslosenhilfebezug darstellten. Folglich seien dann die angemessenen Beträge für die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung gemäß § 194 Abs. 2 Nr. 2 SGB III abzusetzen (aaO RdNr. 61). Allerdings sei es nicht gerechtfertigt, dem Arbeitslosen, dem als Bezieher von Arbeitslosenhilfe dann die sekundäre Sozialversicherung zu Lasten der Beklagten zu Gute komme und der darum die Beiträge letztlich doch nicht aufzuwenden habe, diese als "fiktive" Aufwendung anzurechnen mit der Folge, dass in Höhe dieses Betrages tatsächlich Arbeitslosenhilfe zu leisten wäre. Eine Lösung dieses Dilemmas dürfte darin liegen, die Anrechnung nach § 194 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB III einmal für die Frage des "ob" von Bedürftigkeit im Sinne von § 190 Abs. 1 Nr. 5 SGB III und der sich daran knüpfenden sekundären Sozialversicherung vorzunehmen und dann noch einmal für die Frage der Höhe der Arbeitslosenhilfe gemäß § 193 Abs. 1 SGB III. Die Höhe der Arbeitslosenhilfe könnte dann trotzdem Null sein. Es ergäbe sich dann die - zugegebenermaßen höchst merkwürdige - Situation eines insoweit gespaltenen Bedürftigkeitsbegriffes und der Anerkennung des Bezuges von Arbeitslosenhilfe als Tatbestandsvoraussetzung von sekundärer Sozialversicherungspflicht und Beitragstragung durch die Beklagte trotz eines Nullbetrages der Arbeitslosenhilfe. Aber die Alternative der Verneinung von Bedürftigkeit sei noch weniger akzeptabel, weil sie unvermeidlich zum oben dargelegten infiniten Regress führen müsse (aaO. RdNr. 62).
Das Gericht folgt dem Lösungsvorschlag von Epsen nicht.
Das Gericht verkennt den gordischen Knoten nicht, der in dem von Epsen zutreffend geschilderten Grenzbereich geknüpft ist und im Wechsel logischer Sekunden zum Wegfall der Bedürftigkeit, Vorliegen von Bedürftigkeit, erneutem Wegfall der Bedürftigkeit und so fort führt. Für das Zerschlagen dieses Knotens mit Hilfe eines gespaltenen Bedürftigkeitsbegriffs sieht das Gericht jedoch keine Rechtsgrundlage. Eine auf Bewilligung von Arbeitslosenhilfe gerichtete Klage wäre bei Leistungshöhe Null abzuweisen. Eine Klage auf Verurteilung zur Entrichtung von Beiträgen wäre bei Leistungshöhe Null abzuweisen, denn auch die Beitraghöhe wäre Null. Eine Klage auf Verurteilung zur Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung wäre nicht gegen die Bundesanstalt zu richten.
Nach Auffassung des Gerichts ist den in § 194 Abs. 2 SGB III genannten abzugsfähigen Aufwendungen gemeinsam, dass sie unabhängig vom Leistungsfall anfallen. In diesem Sinne hat die Beklagte alle nachgewiesenen Aufwendungen berücksichtigt. Dabei sind auch Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung der Klägerin berücksichtigt, die sich aus einer Bescheinigung der C Krankenversicherungs-AG vom 10.12.2001 ergeben, in der Berechnung der Beklagten aber vollständig als Beiträge zur Krankenversicherung des Ehemannes berücksichtigt worden sind.
Die sich als Rechtsfolge aus der Verneinung der Bedürftigkeit ergebenden weiteren Aufwendungen sind von den nach § 194 Abs. 2 SGB III abzusetzenden Aufwendungen abgrenzbar und können nicht berücksichtigt werden. Wenn sie berücksichtigt würden, entfielen sie augenblicklich wieder, denn sie wären dem Grunde nach nicht mehr angemessen. Zu einem "infiniten Regress" kommt es dann nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Arbeitslosenhilfe ab 27.10.2001. Dabei ist insbesondere streitig, ob die wegen Ablehnung der Arbeitslosenhilfe entstehenden Kosten für eine freiwillige Versicherung zur Kranken- und Pflegeversicherung vom anzurechnenden Einkommen abzusetzen sind.
Die 1959 geborene Klägerin bezog aufgrund eines am 01.11.2000 entstandenen Anspruchs bis zu dessen Erschöpfung am 26.10.2001 Arbeitslosengeld. Nach ihren Angaben im Antrag auf Arbeitslosenhilfe erzielte sie gemeinsam mit ihrem Ehemann im Kalenderjahr 2000 Zinseinnahmen von XXXXXX DM. Ihr Ehemann erzielte ausweislich einer Bescheinigung des Landesamtes für Besoldung und Versorgung O vom 08.10.2001 in den Monaten August - Oktober 2001 ein gleichbleibendes Bruttoarbeitsentgelt von XXXXXXXX DM entsprechend XXXXXXXX DM netto.
Mit Bescheid vom 07.11.2001 und Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2002 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe gestützt auf §§ 190 Abs. 1 Nr. 5, 193 Abs. 1 und 194 SGB III im wesentlichen mit der Begründung ab, die Klägerin sei aufgrund des anzurechnenden Einkommens ihres Ehemannes sowie eigenen Einkommens nicht bedürftig. Die Klägerin und ihr Ehemann hätten im Kalenderjahr 2000 über gemeinsame Zinseinnahmen von XXXXXX DM verfügt. Auf jeden entfalle daraufhin ein Anteil von XXXXX DM. Dies entspreche einem Monatsbetrag von XXXX DM, der zu berücksichtigen sei. Das Einkommen ihres Ehemannes sei gemäß § 194 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB III zu berücksichtigen. Dieser habe ein festes Arbeitseinkommen von monatlich XXXXXXXX DM, entsprechend netto XXXXXXXX DM. Auf seiner Lohnsteuerkarte sei Lohnsteuerklasse IV eingetragen. Daraus ergäbe sich für das Kalenderjahr 2001 fiktiv eine monatliche Arbeitslosenhilfe von XXXXXXXX DM, die den Mindestfreibetrag nach dem EStG (XXXXXXXX DM) übersteige und als Freibetrag zu berücksichtigen sei. Dieser Freibetrag erhöhe sich noch um 53 % der monatlichen Zinseinkünfte, also XXXX DM, woraus sich ein Gesamtfreibetrag von XXXXXXXX DM ergäbe. Abzuziehen seien die im § 194 Abs. 2 SGB III genannten Aufwendungen nämlich:
XXXXXX DM Freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung des Ehemannes
XXXX DM Unfallversicherung
XXXX DM Lebensversicherung XXXX DM private Haftpflichtversicherung
XXXXX DM Kfz-Haftpflicht und Kaskoversicherung
XXXXX DM Hausratversicherung
XXXXX DM Gebäudeversicherung
XXXXXX DM =========
Insgesamt ergäbe sich folgende Berechnung:
XXXXXXXX DM gesamte Nettoeinkünfte (Arbeitseinkommen, Zinsen)
- XXXXXX DM Versicherungen
- XXXXX DM Fahrkosten
- XXXXX DM Verpflegungsmehraufwand
- XXXXXXXX DM hypothetische Arbeitslosenhilfe
- XXXXXX DM Pauschbetrag aus Erwerbsbezügen
Darauf ergäbe sich ein Anrechnungsbetrag von XXXXXX DM aus den Einkünften des Ehemannes der Klägerin zuzüglich XXXX DM Zinseinkünfte der Klägerin, so dass insgesamt XXXXXXXX DM anzurechnen seien. Einkommen der Klägerin aus ihrer selbständigen Tätigkeit werde wegen übersteigender Ausgaben nicht berücksichtigt. Eine Saldierung mit dem anzurechnenden Einkommen des Ehemannes finde nicht statt. Bewerbungskosten der Klägerin könnten nach § 194 Abs. 2 S. 2 SGB III nicht berücksichtigt werden. Ebenfalls nicht zu berücksichtigen seien die Kosten für ihre private Kranken- und Pflegeversicherung (XXXXXX DM Krankenversicherung und XXXXX DM Pflegeversicherung monatlich ab 27.10.2001). Grundsätzlich seien zwar die privaten Aufwendungen der Klägerin für ihre Kranken- und Pflegeversicherung vom Einkommen des Ehemannes abzuziehen. Hierdurch entstünde jedoch Bedürftigkeit im Sinne der Arbeitslosenhilfe, so dass diese Versicherungen nicht erforderlich wären und somit nicht aus Aufwendung berücksichtigt werden könnten.
Das anzurechnende Einkommen übersteige den Leistungssatz. Der Klägerin stünde Arbeitslosenhilfe nach einem Bemessungsentgelt von XXXXXXXX DM wöchentlich zu. Ausgehend von Steuerklasse IV und damit Leistungsgruppe A ergäbe sich daraus im Kalenderjahr 2001 eine wöchentliche Arbeitslosenhilfe von XXXXXX DM, die unter dem zu berücksichtigen Einkommen von XXXXXX DM liege.
Zur Begründung ihrer am 16.08.2001 erhobenen Klage vertritt die Klägerin die Auffassung, die Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung müssten vom anzurechnenden Einkommen abgezogen werden. Geschehe dies, liege Bedürftigkeit vor.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.11.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2002 zu verurteilen, ihr ab 20.10.2001 Arbeitslosenhilfe zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide aus den im Widerspruchsbescheid genannten Gründen für rechtmäßig. Die am 27.10.2001 anfallenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung der Klägerin könnten nicht vom Einkommen des Ehegatten abgezogen werden. Diese Kosten entstünden allein nur durch die Ablehnung des Antrags auf Arbeitslosenhilfe. Sie fielen wieder weg, sobald Arbeitslosenhilfe gezahlt werde. Maßgeblich für die Beurteilung der Bedürftigkeit seien aber die wirtschaftlichen Verhältnisse im Falle der Zahlung von Arbeitslosenhilfe. Wollte man diese freiwilligen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung berücksichtigen, ergäbe sich auf der Grundlage der nach § 232 a SGB V vorzunehmenden Berechnung ein wöchentlicher Beitragssatz zur Krankenversicherung in Höhe von XXXXX DM und zur Pflegeversicherung in Höhe von XXXX DM. Im übrigen stünden dann wöchentliche Leistungen über XXXXX DM zu.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Prozessakten und der die Klägerin betreffenden Leistungsakten der Beklagten. Diese Akten haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Zu Recht hat die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab 27.10.2001 abgelehnt.
Das Gericht nimmt zunächst Bezug auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid, insbesondere die dort vorgenommene Berechnung des anzurechnenden Einkommens und der abzusetzenden Beträge
Zum Kernpunkt des Streites zwischen den Beteiligten, nämlich der Frage ob die von der Klägerin ab 27.10.2001 gezahlten Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung von den Einkünften gemäß § 194 Abs. 2 Ziff. 2 SGB III in Abzug zu bringen sind, wird wie folgt ergänzend ausgeführt.
Nach Überzeugung des Gerichtes können diese Aufwendungen, die allein durch den Wegfall der Bedürftigkeit entstehen, nicht in Abzug gebracht werden. Zu dieser Problematik liegt - soweit erkennbar - noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor. In der Kommentarliteratur setzt sich Epsen in Gagel, SGB III, Kommentar, § 194 RdNr. 59 - 62, mit dieser Problematik auseinander. Da mit wegfallender Bedürftigkeit auch das Tatbestandsmerkmal des § 190 Abs. 1 Nr. 5 SGB III und damit die Versicherungspflicht auch aufgrund Arbeitslosenhilfebezug wegfalle, müsse sich der Arbeitslose zur Aufrechterhaltung seiner sozialen Sicherung freiwillig weiter versichern und die hierfür nötigen Beiträge selbst tragen (aaO RdNr. 60). Epsen vertritt hier die Auffassung, dass diese Beiträge problemlos unter § 194 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB III fielen. Es spiele keine Rolle, dass sie zu dem Zeitpunkt, in welchem die Bedürftigkeitsprüfung stattfinde, unter Umständen noch nicht geschuldet würden (aaO). Wenn allerdings die entsprechenden Absetzungen zum berücksichtigenden Einkommen vorgenommen würden, würde im hier betrachteten Grenzbereich die Bedürftigkeitsgrenze wieder nach unten überschritten, so dass nunmehr die Aufwendungen nicht mehr anfielen. Damit wäre Bedürftigkeit und folglich ein Arbeitslosenhilfebezug zu verneinen, so dass die sekundäre Sozialversicherung entfalle. Dann bestünde aber wieder die Notwendigkeit der freiwilligen Versicherung mit den anfallenden und abzusetzenden Beiträgen, die wiederum zu Bedürftigkeit führten, dadurch entfiele aber wieder die sekundäre Sozialversicherung usw. (aaO RdNr. 61). Zur Vermeidung eines infiniten Regresses und nach dem Sinn und Zweck des Systems der Bedürftigkeitsermittlung könne es in dieser Situation für die Frage, ob überhaupt noch Bedürftigkeit und damit das Tatbestandsmerkmal des § 190 Abs. 1 Nr. 5 SGB III erfüllt sei, nur darauf ankommen wie sich die Einkommensverhältnisse ohne Arbeitslosenhilfebezug darstellten. Folglich seien dann die angemessenen Beträge für die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung gemäß § 194 Abs. 2 Nr. 2 SGB III abzusetzen (aaO RdNr. 61). Allerdings sei es nicht gerechtfertigt, dem Arbeitslosen, dem als Bezieher von Arbeitslosenhilfe dann die sekundäre Sozialversicherung zu Lasten der Beklagten zu Gute komme und der darum die Beiträge letztlich doch nicht aufzuwenden habe, diese als "fiktive" Aufwendung anzurechnen mit der Folge, dass in Höhe dieses Betrages tatsächlich Arbeitslosenhilfe zu leisten wäre. Eine Lösung dieses Dilemmas dürfte darin liegen, die Anrechnung nach § 194 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB III einmal für die Frage des "ob" von Bedürftigkeit im Sinne von § 190 Abs. 1 Nr. 5 SGB III und der sich daran knüpfenden sekundären Sozialversicherung vorzunehmen und dann noch einmal für die Frage der Höhe der Arbeitslosenhilfe gemäß § 193 Abs. 1 SGB III. Die Höhe der Arbeitslosenhilfe könnte dann trotzdem Null sein. Es ergäbe sich dann die - zugegebenermaßen höchst merkwürdige - Situation eines insoweit gespaltenen Bedürftigkeitsbegriffes und der Anerkennung des Bezuges von Arbeitslosenhilfe als Tatbestandsvoraussetzung von sekundärer Sozialversicherungspflicht und Beitragstragung durch die Beklagte trotz eines Nullbetrages der Arbeitslosenhilfe. Aber die Alternative der Verneinung von Bedürftigkeit sei noch weniger akzeptabel, weil sie unvermeidlich zum oben dargelegten infiniten Regress führen müsse (aaO. RdNr. 62).
Das Gericht folgt dem Lösungsvorschlag von Epsen nicht.
Das Gericht verkennt den gordischen Knoten nicht, der in dem von Epsen zutreffend geschilderten Grenzbereich geknüpft ist und im Wechsel logischer Sekunden zum Wegfall der Bedürftigkeit, Vorliegen von Bedürftigkeit, erneutem Wegfall der Bedürftigkeit und so fort führt. Für das Zerschlagen dieses Knotens mit Hilfe eines gespaltenen Bedürftigkeitsbegriffs sieht das Gericht jedoch keine Rechtsgrundlage. Eine auf Bewilligung von Arbeitslosenhilfe gerichtete Klage wäre bei Leistungshöhe Null abzuweisen. Eine Klage auf Verurteilung zur Entrichtung von Beiträgen wäre bei Leistungshöhe Null abzuweisen, denn auch die Beitraghöhe wäre Null. Eine Klage auf Verurteilung zur Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung wäre nicht gegen die Bundesanstalt zu richten.
Nach Auffassung des Gerichts ist den in § 194 Abs. 2 SGB III genannten abzugsfähigen Aufwendungen gemeinsam, dass sie unabhängig vom Leistungsfall anfallen. In diesem Sinne hat die Beklagte alle nachgewiesenen Aufwendungen berücksichtigt. Dabei sind auch Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung der Klägerin berücksichtigt, die sich aus einer Bescheinigung der C Krankenversicherungs-AG vom 10.12.2001 ergeben, in der Berechnung der Beklagten aber vollständig als Beiträge zur Krankenversicherung des Ehemannes berücksichtigt worden sind.
Die sich als Rechtsfolge aus der Verneinung der Bedürftigkeit ergebenden weiteren Aufwendungen sind von den nach § 194 Abs. 2 SGB III abzusetzenden Aufwendungen abgrenzbar und können nicht berücksichtigt werden. Wenn sie berücksichtigt würden, entfielen sie augenblicklich wieder, denn sie wären dem Grunde nach nicht mehr angemessen. Zu einem "infiniten Regress" kommt es dann nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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