Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 9 KA 175/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 213/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 04.09.2001 abgeändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Beschlusses vom 03.03.1999 verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates neu über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 10.12.1997 zu entscheiden. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über Regresse, die der Beklagte gegen den Kläger in den Quartalen I und II/1996 verhängt hat.
Der Kläger ist als Internist in J niedergelassen und nimmt seit dem Quartal I/1996 an der vertragsärztlichen Versorgung teil.
In den Quartalen I und II/1996 betrug die Fallzahl der Praxis 754 bzw. 693 gegenüber durchschnittlich 1.122 bzw. 1.068 Fällen der Fachgruppe. Der Rentneranteil betrug 40 % bzw. 44 % gegenüber einem Fachgruppendurchschnitt von 39 % bzw. 42 %. Die Gesamthonorarabweichung lag bei +102 % bzw. +84 %. Im Quartal I/1996 rechnete der Kläger die Nr. 10 Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM-Ä) (therapeutisches hausärztliches Gespräch) 1.339 mal und die Nr. 60 EBM-Ä (Ganzkörperstatus) 575mal ab. Damit überschritt er den Fachgruppendurchschnitt um 249 % bzw. 406 %. Im Quartal II/1996 rechnete der Kläger die Nr. 11 EBM-Ä (Diagnostik und/oder Behandlung einer psychischen Destabilisierung oder Krankheit durch hausärztliches Gespräch) 119mal und die Nr. 60 EBM-Ä 421mal ab. Das entsprach einer Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um 240 % bzw. 335 %.
Die Entscheidung des Prüfungsausschusses, u.a. wegen der genannten Gebührenziffern Kürzungen zu verhängen (Beschlüsse vom 10.12.1997), griff der Kläger mit dem Widerspruch an und führte aus: Es handele sich um seine ersten Abrechnungsquartale. Alle sich vorstellenden Patienten seien für ihn neu gewesen, zumal er die handschriftliche geführte Kartei seines Vorgängers nicht habe lesen können. Deshalb seien vermehrt Gesprächsleistungen und Ganzkörperuntersuchungen angefallen. Zu berücksichtigen seien weiter die niedrigen Fallzahlen und die Abrechnungsschwierigkeiten, die jeder Anfänger aufgrund unzureichender Ausbildung habe. Mit Beschluss vom 03.03.1999 verhängte der Beklagte im Quartal I/1996 eine Kürzung der Nr. 10 EBM-Ä auf 20 % und der Nr. 60 EBM-Ä auf 40 %, im Quartal II/1996 eine Kürzung der Nr. 11 EBM-Ä auf 40 % und der Nr. 60 EBM-Ä auf 42,5 %. Hierzu bediente er sich des statistischen Fallkostenvergleichs und setzte die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei einer einzelnen Leistungsziffer bei 50 % an. Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers beließ er diesem deutliche Toleranzen, stellte aber eine von ihm so bezeichnete "gewisse Routine" fest und beschloss aus diesem Grund die genannten Kürzungen.
Mit der Klage zum Sozialgericht Dortmund (SG) hat der Kläger sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren vertieft und zusätzlich gerügt, der Beklagte habe sich mit der vom Bundessozialgericht (BSG) anerkannten Praxisbesonderheit der Anfängerpraxis in keiner Weise auseinander gesetzt. Soweit er bei 175 Patienten in beiden Quartalen eine Ganzkörperuntersuchung durchgeführt habe, sei in fast allen Fällen eine Diagnose ergänzt oder ersetzt worden. Immerhin hätten aber 30 % der Ganzkörperuntersuchungen im Quartal II/1996 bei neuen Patienten stattgefunden. Ebenso wenig habe sich der Beklagte mit kompensatorischen Einsparungen befasst, zu denen er - der Kläger - sich bislang nicht habe äußern können, weil ihm keine Statistiken vorgelegt worden seien. Schließlich habe der Beklagte auch den Gesamtfallwert bzw. Restfallwert nach Kürzung in beiden Quartalen nicht reflektiert.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten aus der Sitzung vom 03.03.1999 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu über den Widerspruch des Klägers zu bescheiden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat darauf hingewiesen, dass die Fachgruppe des Klägers Nr. 60 EBM-Ä nach Inkrafttreten des EBM-Ä 1996 deutlich häufiger angesetzt habe. Trotzdem habe der Kläger den Fachgruppendurchschnitt noch deutlich überschritten. Das lasse sich mit einer Anfängerpraxis nicht mehr erklären. Unabhängig davon, ob Einsparungen bei Arzneimittelverordnungen oder veranlassten physikalisch-medizinischen Leistungen vorlägen, fehle es jedenfalls an einem vom Kläger darzulegenden ursächlichen Zusammenhang zu den beanstandeten Leistungsüberschreitungen. Schließlich liege auch der Restfallwert im Bereich deutlicher Überschreitungen, obwohl dort budgetierte Leistungen unberücksichtigt blieben.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 04.09.2001). Der Beklagte habe bei den Leistungen nach Nrn. 10, 11, 60 EBM-Ä rechtsfehlerfrei die Methode des statistischen Einzelleistungsvergleichs angewandt. Er habe der Praxisbesonderheit der Anlaufpraxis Rechnung getragen, auch wenn der Begriff nicht gefallen sei. Aufgrund dessen habe er dem Kläger Restüberhänge belassen, innerhalb derer die erforderlichen Mehrleistungen hätten erbracht werden können. Beurteilungs- oder Begründungsfehler seien nicht feststellbar, zumal angesichts der maßvollen Honorarkürzungen nur schwerwiegende Mängel erheblichen Ausmaßes beanstandet werden könnten. Die vom Kläger geforderte Reflexion des Gesamtfallwertes führe nicht weiter, weil trotz unterdurchschnittlicher Fallzahlen eine erhebliche Gesamthonorarabweichung in beiden Streitquartalen festzustellen sei.
Mit der Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen und weist darauf hin, dass die Formulierung des Beklagten, es sei "ein Anteil unwirtschaftlicher Ansätze" im Hinblick auf eine "gewisse Routine" festzustellen, zu unbestimmt sei. Der Beklagte habe feststellen müssen, welcher Anteil und welche Leistungen unwirtschaftliche Ansätze aufwiesen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält eine Auseinandersetzung mit dem Gesichtspunkt der Anlaufpraxis nicht für geboten, weil dem Kläger großzügige Restüberhänge weit im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses belassen worden seien.
Der Senat hat die Verwaltungsvorgänge des Beklagten beigezogen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Der Kläger hat zwar keinen Berufungsantrag gestellt. Sein Begehren lässt sich aber ohne weiteres aus seinem schriftsätzlichen Vorbringen ableiten. Danach geht es ihm darum, das Urteil des SG abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Beschlusses vom 03.03.1999 zu verpflichten, über seinen Widerspruch gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses neu zu entscheiden.
Die hierauf gerichtete zulässige Berufung ist begründet, soweit der Beklagte die Honoraranforderung des Klägers für die Erhebung des Ganzkörperstatus nach Nr. 60 EBM-Ä im Quartal I/1996 gekürzt hat. Insoweit ist der Beklagte verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates neu über den Widerspruch des Klägers zu entscheiden. Die übrigen Angriffe des Klägers gegen die Entscheidung des Beklagten greifen dagegen (im Ergebnis) nicht durch.
Rechtsgrundlage für Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise ist § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der hier maßgebenden Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes. Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten beurteilt. Nach den hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist die statistische Vergleichsprüfung die Regelprüfmethode (vgl. BSGE 84, 85, 86: SozR 3-2500 § 106 Nr. 55; zuletzt Urt. v. 21.05.2003 - B 6 KA 32/02 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Die Abrechnungswerte des Arztes werden mit denjenigen seiner Fachgruppe oder einer nach verfeinerten Kriterien gebildeten engeren Vergleichsgruppe im selben Quartal verglichen. Ergänzt durch die sog. intellektuelle Betrachtung, bei der medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden, bringt diese Methode typischerweise die umfassendsten Erkenntnisse. Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungsaufwand des Arztes je Fall beim Gesamtfallwert, bei Sparten- oder Einzelleistungswerten in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, d.h. ihn in einem Ausmaß überschreitet, das sich im Regelfall nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur oder in den Behandlungsnotwendigkeiten erklären lässt, hat das die Wirkung eines Anscheinsbeweises der Unwirtschaftlichkeit (BSG, SozR 3-2500 § 106 Nr. 55; SozR 3-2500 § 106 Nr. 57; BSG, Urt. v. 21.05.2003 - a.a.O.).
Die arztbezogene Prüfung nach Durchschnittswerten ist nicht nur hinsichtlich des Gesamtfallwertes zulässig, sondern unter der Voraussetzung einer hinreichenden Vergleichbarkeit gleichermaßen zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit des Ansatzes einzelner Leistungspositionen des EBM-Ä. Es muss sich dabei um Leistungen handeln, die für die betreffende Arztgruppe typisch sind, also von einem größeren Teil der Fachgruppenmitglieder regelmäßig in nennenswerter Zahl erbracht werden und damit eine ausreichende Vergleichsgrundlage abgeben (BSGE 71, 194, 196; BSGE 74, 70,71; BSG, SozR 3-2500 § 106 Nr. 55). Der Beklagte hat im Rahmen seines Beurteilungsspielraums angenommen, dass diese Voraussetzungen bei den Leistungen nach Nrn. 10, 11 und 60 EBM-Ä erfüllt sind. Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen, zumal die Ziffern ausweislich der für das Quartal I/1996 vorliegenden Frequenztabelle von jeweils über 90 % der Ärzte in der Fachgruppe des Klägers in zwischen 5 % (bei Nr. 11 EBM-Ä) und 51 % der Fälle (bei Nr. 10 EBM-Ä) angesetzt worden sind.
Die Eignung des statistischen Vergleichs wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass die Vergleichsgruppe insgesamt dem Beklagten zufolge in den Streitquartalen die Abrechnung der Nr. 60 EBM-Ä deutlich gesteigert hat. Das gilt auch dann, wenn diese Steigerung auf einem unwirtschaftlichen Ansatz beruhen sollte. Denn die Annahme oder Vermutung eines wirtschaftlichen Verhaltens der Arztgruppe ist keine positive Voraussetzung einer Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten. Einem Horizontalvergleich ist vielmehr erst dann die Grundlage entzogen, wenn der Vergleich mit dem durchschnittlichen Abrechnungsverhalten der Fachgruppe zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit unergiebig ist (vgl. BSG, SozR 3-2500 § 106 Nr. 55). Dafür bestehen hier aber keine Anhaltspunkte.
Im Ergebnis rechtsfehlerfrei hat der Beklagte angenommen, dass sich das Abrechnungsverhalten des Klägers bei den jetzt noch von Kürzungen betroffenen Leistungen im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses bewegt. Der Beklagte selbst ist davon ausgegangen, die Grenze liege bei einer Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts von 50 %, nachdem die zum 01.01.1996 in Kraft getretenen Neuregelungen des EBM-Ä zu einer Homogenisierung des Abrechnungsverhaltens geführt hätten. Es kann offen bleiben, ob diese Begründung in allen Einzelheiten überzeugt oder ob bei einem Einzelleistungsvergleich nicht wegen der größeren Gefahr von Fehlinterpretationen höhere Grenzwerte in Betracht zu ziehen sind. Denn jedenfalls hätte sich eine Fehlbeurteilung des Beklagten insoweit im Ergebnis nicht ausgewirkt, weil die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis keinesfalls höher anzusetzen ist als bei einer Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um 100 % und der Kläger bei den gekürzten Leistungen Überschreitungen von 240 % bis 406 % aufweist (vgl. BSG, Urt. v. 21.05.2003 - a.a.O. - m.w.N.).
Rechtswidrig ist der Beschluss des Beklagten allerdings, soweit er im Quartal I/1996 einen Regress wegen des überhöhten Ansatzes der Nr. 60 EBM-Ä festgesetzt hat. Denn insoweit genügt er nicht den Begründungsanforderungen, die an eine solche Kürzungsentscheidung zu stellen sind.
Der Kläger hat bereits im Prüfverfahren schlüssig vorgetragen, dass bei ihm im Quartal I/1996 eine Praxisbesonderheit in Gestalt der sog. Anlauf- oder Anfängerpraxis bestanden habe. Insoweit hat die Rechtsprechung unmittelbar nach Aufnahme der Kassenpraxis einen erhöhten Behandlungsbedarf anerkannt, weil ausschließlich neue Patienten zu behandeln seien (vgl. BSGE 62, 24, 31; BSGE 63, 6, 9; BSG, USK 9581). Daran ist festzuhalten, wobei es unerheblich ist, ob die Praxis vollständig neu etabliert wird, oder ob der Arzt sie vom Vorgänger übernommen hat. Im einen wie im anderen Fall sind die Patienten für ihn neu. Es spielt ebenfalls keine Rolle, ob der Vorgänger bereits eine Diagnostik oder Therapie bei diesen Patienten durchgeführt hat und ob die Aufzeichnungen hierüber les- und nachvollziehbar sind. Denn auch derjenige Arzt, der eine gut geführte Praxis mit einwandfreier Dokumentation übernimmt, ist nicht gehalten, die Erkenntnisse seines Vorgängers kritiklos zu übernehmen. Vielmehr wird er sich von den neuen Patienten ein eigenes Bild machen dürfen und nach den Regeln der ärztlichen Kunst auch müssen. Im Hinblick hierauf ist auch nachvollziehbar, dass der Ansatz der Nr. 60 EBM-Ä zumindest im ersten Quartal einer neuen Praxis häufiger anfällt als in einer etablierten Praxis, wie sie innerhalb der Vergleichsgruppe typischerweise anzutreffen ist und deren durchschnittliche Abrechnungswerte daher prägt.
Dem angefochtenen Beschluss ist schon nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Beklagte diese Praxisbesonderheit tatsächlich gesehen und zur Feststellung eines unwirtschaftlichen Behandlungsverhaltens herangezogen hat. Vielmehr lässt seine Begründung auch die Deutung zu, dass er die Praxissituation des Klägers lediglich im Rahmen des Kürzungsermessens berücksichtigt hat. Auch wenn man jedoch mit dem SG annimmt, dass der Beklagte der Praxisbesonderheit "Anlaufpraxis" Rechnung getragen hat, hätte er im Rahmen seiner Begründungspflicht darlegen müssen, bei welchem Anteil "neuer" Patienten zur Sicherung der Diagnose in einer vergleichbaren Anlaufpraxis ein Gesamtkörperstatus erhoben werden muss. Entsprechend hätte er den hierdurch entstehenden Mehraufwand beziffern müssen und erst im Anschluss daran die Frage der Unwirtschaftlichkeit beurteilen dürfen.
Demgegenüber kann sich der Beklagte nicht mit Erfolg auf das Urteil des BSG vom 28.06.2000 (B 6 KA 36/98 R) beziehen. Zwar hat das SG diese Entscheidung dahin verstanden, dass der Begründungsaufwand der Prüfgremien gleichsam entgegengesetzt proportional zum belassenen Restüberhang sinken dürfe. Der Senat entnimmt jedoch der vom BSG gewählten Formulierung "Dabei ist angesichts der vom Beklagten errechneten unwirtschaftlichen Mehrkosten von mehr als 29.000 DM und des andererseits auf nur ca. 11.000 DM festgesetzten Regresses zu berücksichtigen, dass dieser niedrigere Betrag lediglich im Falle von Mängeln erheblichen Ausmaßes beanstandet werden könnte" nicht zu entnehmen, dass großzügigere Überhänge den Begründungsaufwand reduzieren. Vielmehr können bei einer großzügigen Festsetzung des Regresses selbst nur solche Mängel nur Aufhebung des Beschlusses führen, die sich quantitativ erheblich auswirken. Voraussetzung ist aber immer, dass wenigstens die "unwirtschaftlichen Mehrkosten" nachvollziehbar errechnet worden sind. Daran fehlt es hier jedoch gerade.
Anders verhält es sich hingegen für das Quartal II/1996. Im zweiten Quartal einer übernommenen Praxis kann nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass jeder Patient für den Arzt neu ist. Dementsprechend hat der Kläger selbst eingeräumt, bei einem hohen Teil aller Patienten die Nr. 60 EBM-Ä in beiden Quartalen angesetzt zu haben. Inwieweit dies zur Gewinnung neuer diagnostischer Erkenntnisse erforderlich gewesen sein sollte, hätte er demgemäß im Rahmen seiner Darlegungslast erläutern müssen. Da er hiervon keinen Gebrauch gemacht hat, konnte sich der Beklagte darauf beschränken, den überhöhten Ansatz der Nr. 60 EBM-Ä im Sinne einer Anlaufschwierigkeit zu werten und dieser im Rahmen seines Ermessens durch Belassen großzügiger Toleranzen Rechnung zu tragen.
Ein Zusammenhang zwischen der Anlaufpraxis des Klägers und dem erhöhten Ansatz der Leistungen nach Nrn. 10 und 11 EBM-Ä ist in beiden Streitquartalen nicht zu erkennen. Nr. 10 EBM-Ä, das therapeutische hausärztliche Gespräch zu komplexen erkrankungsbedingten Patientenproblemen, und Nr. 11 EBM-Ä, die Diagnostik einer psychischen Destabilisierung, fallen bei einer Anlaufpraxis nicht notwendig häufiger an als bei einer bereits etablierten Praxis. Vielmehr handelt es sich, wie das BSG bereits zu Nr. 10 Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen ausgeführt hat (BSGE 71, 194; 74, 70), um Leistungen, die nur bei bestimmten Krankheitszuständen anfallen, in Bezug auf Nr. 10 EBM-Ä vor allem bei chronisch kranken oder multimorbiden Patienten, hinsichtlich Nr. 11 EBM-Ä bei Patienten mit psychischen oder psychosomatischen Erkrankungen. Dass in seiner Praxis ein entsprechendes Patientengut in erhöhtem Maße aufgetreten wäre, hat der Kläger weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren schlüssig dargelegt. Der bloße Hinweis, bei neuen Patienten seien typischerweise mehr Gesprächsleistungen zu erbringen, reicht hierfür nicht aus.
Die im Vergleich zur Vergleichsgruppe niedrigere Fallzahl des Klägers rechtfertigt nicht die Annahme einer Praxisbesonderheit. Niedrigere Fallzahlen können sich beim statistischen Vergleich nur insoweit auswirken, als sie dessen Aussagekraft beeinträchtigen. Das ist jedoch aus den bereits dargelegten Gründen bei den hier betroffenen Leistungen nicht der Fall.
Kompensatorische Einsparungen sind nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht dargelegt worden. Das Fehlen entsprechender statistischer Erhebungen hat den Kläger seiner entsprechenden Darlegungslast nicht vollständig enthoben. Vielmehr hätte es ihm gegebenenfalls z.B. ohne weiteres möglich sein müssen, anhand repräsentativer Einzelfälle kompensatorische Einsparungen - etwa im Bereich der verordneten oder veranlassten Leistungen - aufgrund der in erhöhtem Umfang erbrachten Leistungen vorzutragen. Da er hiervon keinen Gebrauch gemacht hat, führt der Umstand, dass der Beklagte seinerseits keine entsprechenden statistischen Feststellungen getroffen hat, nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses.
Soweit der Beschluss sich danach als rechtmäßig erweist, ändert sich hieran auch nichts aufgrund des Hinweises, der Beklagte habe den Gesamt- bzw. Restfallwert reflektieren müssen. Jedenfalls bei - wie hier - deutlich im Bereich des Missverhältnisses liegenden Überschreitungen bei Einzelleistungen hindert auch ein unauffälliger Gesamt- bzw. Restfallwert nicht die Feststellung der Unwirtschaftlichkeit.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum 01.01.2002 geltenden Fassung. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht ersichtlich.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über Regresse, die der Beklagte gegen den Kläger in den Quartalen I und II/1996 verhängt hat.
Der Kläger ist als Internist in J niedergelassen und nimmt seit dem Quartal I/1996 an der vertragsärztlichen Versorgung teil.
In den Quartalen I und II/1996 betrug die Fallzahl der Praxis 754 bzw. 693 gegenüber durchschnittlich 1.122 bzw. 1.068 Fällen der Fachgruppe. Der Rentneranteil betrug 40 % bzw. 44 % gegenüber einem Fachgruppendurchschnitt von 39 % bzw. 42 %. Die Gesamthonorarabweichung lag bei +102 % bzw. +84 %. Im Quartal I/1996 rechnete der Kläger die Nr. 10 Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM-Ä) (therapeutisches hausärztliches Gespräch) 1.339 mal und die Nr. 60 EBM-Ä (Ganzkörperstatus) 575mal ab. Damit überschritt er den Fachgruppendurchschnitt um 249 % bzw. 406 %. Im Quartal II/1996 rechnete der Kläger die Nr. 11 EBM-Ä (Diagnostik und/oder Behandlung einer psychischen Destabilisierung oder Krankheit durch hausärztliches Gespräch) 119mal und die Nr. 60 EBM-Ä 421mal ab. Das entsprach einer Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um 240 % bzw. 335 %.
Die Entscheidung des Prüfungsausschusses, u.a. wegen der genannten Gebührenziffern Kürzungen zu verhängen (Beschlüsse vom 10.12.1997), griff der Kläger mit dem Widerspruch an und führte aus: Es handele sich um seine ersten Abrechnungsquartale. Alle sich vorstellenden Patienten seien für ihn neu gewesen, zumal er die handschriftliche geführte Kartei seines Vorgängers nicht habe lesen können. Deshalb seien vermehrt Gesprächsleistungen und Ganzkörperuntersuchungen angefallen. Zu berücksichtigen seien weiter die niedrigen Fallzahlen und die Abrechnungsschwierigkeiten, die jeder Anfänger aufgrund unzureichender Ausbildung habe. Mit Beschluss vom 03.03.1999 verhängte der Beklagte im Quartal I/1996 eine Kürzung der Nr. 10 EBM-Ä auf 20 % und der Nr. 60 EBM-Ä auf 40 %, im Quartal II/1996 eine Kürzung der Nr. 11 EBM-Ä auf 40 % und der Nr. 60 EBM-Ä auf 42,5 %. Hierzu bediente er sich des statistischen Fallkostenvergleichs und setzte die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei einer einzelnen Leistungsziffer bei 50 % an. Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers beließ er diesem deutliche Toleranzen, stellte aber eine von ihm so bezeichnete "gewisse Routine" fest und beschloss aus diesem Grund die genannten Kürzungen.
Mit der Klage zum Sozialgericht Dortmund (SG) hat der Kläger sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren vertieft und zusätzlich gerügt, der Beklagte habe sich mit der vom Bundessozialgericht (BSG) anerkannten Praxisbesonderheit der Anfängerpraxis in keiner Weise auseinander gesetzt. Soweit er bei 175 Patienten in beiden Quartalen eine Ganzkörperuntersuchung durchgeführt habe, sei in fast allen Fällen eine Diagnose ergänzt oder ersetzt worden. Immerhin hätten aber 30 % der Ganzkörperuntersuchungen im Quartal II/1996 bei neuen Patienten stattgefunden. Ebenso wenig habe sich der Beklagte mit kompensatorischen Einsparungen befasst, zu denen er - der Kläger - sich bislang nicht habe äußern können, weil ihm keine Statistiken vorgelegt worden seien. Schließlich habe der Beklagte auch den Gesamtfallwert bzw. Restfallwert nach Kürzung in beiden Quartalen nicht reflektiert.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten aus der Sitzung vom 03.03.1999 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu über den Widerspruch des Klägers zu bescheiden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat darauf hingewiesen, dass die Fachgruppe des Klägers Nr. 60 EBM-Ä nach Inkrafttreten des EBM-Ä 1996 deutlich häufiger angesetzt habe. Trotzdem habe der Kläger den Fachgruppendurchschnitt noch deutlich überschritten. Das lasse sich mit einer Anfängerpraxis nicht mehr erklären. Unabhängig davon, ob Einsparungen bei Arzneimittelverordnungen oder veranlassten physikalisch-medizinischen Leistungen vorlägen, fehle es jedenfalls an einem vom Kläger darzulegenden ursächlichen Zusammenhang zu den beanstandeten Leistungsüberschreitungen. Schließlich liege auch der Restfallwert im Bereich deutlicher Überschreitungen, obwohl dort budgetierte Leistungen unberücksichtigt blieben.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 04.09.2001). Der Beklagte habe bei den Leistungen nach Nrn. 10, 11, 60 EBM-Ä rechtsfehlerfrei die Methode des statistischen Einzelleistungsvergleichs angewandt. Er habe der Praxisbesonderheit der Anlaufpraxis Rechnung getragen, auch wenn der Begriff nicht gefallen sei. Aufgrund dessen habe er dem Kläger Restüberhänge belassen, innerhalb derer die erforderlichen Mehrleistungen hätten erbracht werden können. Beurteilungs- oder Begründungsfehler seien nicht feststellbar, zumal angesichts der maßvollen Honorarkürzungen nur schwerwiegende Mängel erheblichen Ausmaßes beanstandet werden könnten. Die vom Kläger geforderte Reflexion des Gesamtfallwertes führe nicht weiter, weil trotz unterdurchschnittlicher Fallzahlen eine erhebliche Gesamthonorarabweichung in beiden Streitquartalen festzustellen sei.
Mit der Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen und weist darauf hin, dass die Formulierung des Beklagten, es sei "ein Anteil unwirtschaftlicher Ansätze" im Hinblick auf eine "gewisse Routine" festzustellen, zu unbestimmt sei. Der Beklagte habe feststellen müssen, welcher Anteil und welche Leistungen unwirtschaftliche Ansätze aufwiesen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält eine Auseinandersetzung mit dem Gesichtspunkt der Anlaufpraxis nicht für geboten, weil dem Kläger großzügige Restüberhänge weit im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses belassen worden seien.
Der Senat hat die Verwaltungsvorgänge des Beklagten beigezogen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Der Kläger hat zwar keinen Berufungsantrag gestellt. Sein Begehren lässt sich aber ohne weiteres aus seinem schriftsätzlichen Vorbringen ableiten. Danach geht es ihm darum, das Urteil des SG abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Beschlusses vom 03.03.1999 zu verpflichten, über seinen Widerspruch gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses neu zu entscheiden.
Die hierauf gerichtete zulässige Berufung ist begründet, soweit der Beklagte die Honoraranforderung des Klägers für die Erhebung des Ganzkörperstatus nach Nr. 60 EBM-Ä im Quartal I/1996 gekürzt hat. Insoweit ist der Beklagte verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates neu über den Widerspruch des Klägers zu entscheiden. Die übrigen Angriffe des Klägers gegen die Entscheidung des Beklagten greifen dagegen (im Ergebnis) nicht durch.
Rechtsgrundlage für Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise ist § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der hier maßgebenden Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes. Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten beurteilt. Nach den hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist die statistische Vergleichsprüfung die Regelprüfmethode (vgl. BSGE 84, 85, 86: SozR 3-2500 § 106 Nr. 55; zuletzt Urt. v. 21.05.2003 - B 6 KA 32/02 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Die Abrechnungswerte des Arztes werden mit denjenigen seiner Fachgruppe oder einer nach verfeinerten Kriterien gebildeten engeren Vergleichsgruppe im selben Quartal verglichen. Ergänzt durch die sog. intellektuelle Betrachtung, bei der medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden, bringt diese Methode typischerweise die umfassendsten Erkenntnisse. Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungsaufwand des Arztes je Fall beim Gesamtfallwert, bei Sparten- oder Einzelleistungswerten in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, d.h. ihn in einem Ausmaß überschreitet, das sich im Regelfall nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur oder in den Behandlungsnotwendigkeiten erklären lässt, hat das die Wirkung eines Anscheinsbeweises der Unwirtschaftlichkeit (BSG, SozR 3-2500 § 106 Nr. 55; SozR 3-2500 § 106 Nr. 57; BSG, Urt. v. 21.05.2003 - a.a.O.).
Die arztbezogene Prüfung nach Durchschnittswerten ist nicht nur hinsichtlich des Gesamtfallwertes zulässig, sondern unter der Voraussetzung einer hinreichenden Vergleichbarkeit gleichermaßen zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit des Ansatzes einzelner Leistungspositionen des EBM-Ä. Es muss sich dabei um Leistungen handeln, die für die betreffende Arztgruppe typisch sind, also von einem größeren Teil der Fachgruppenmitglieder regelmäßig in nennenswerter Zahl erbracht werden und damit eine ausreichende Vergleichsgrundlage abgeben (BSGE 71, 194, 196; BSGE 74, 70,71; BSG, SozR 3-2500 § 106 Nr. 55). Der Beklagte hat im Rahmen seines Beurteilungsspielraums angenommen, dass diese Voraussetzungen bei den Leistungen nach Nrn. 10, 11 und 60 EBM-Ä erfüllt sind. Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen, zumal die Ziffern ausweislich der für das Quartal I/1996 vorliegenden Frequenztabelle von jeweils über 90 % der Ärzte in der Fachgruppe des Klägers in zwischen 5 % (bei Nr. 11 EBM-Ä) und 51 % der Fälle (bei Nr. 10 EBM-Ä) angesetzt worden sind.
Die Eignung des statistischen Vergleichs wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass die Vergleichsgruppe insgesamt dem Beklagten zufolge in den Streitquartalen die Abrechnung der Nr. 60 EBM-Ä deutlich gesteigert hat. Das gilt auch dann, wenn diese Steigerung auf einem unwirtschaftlichen Ansatz beruhen sollte. Denn die Annahme oder Vermutung eines wirtschaftlichen Verhaltens der Arztgruppe ist keine positive Voraussetzung einer Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten. Einem Horizontalvergleich ist vielmehr erst dann die Grundlage entzogen, wenn der Vergleich mit dem durchschnittlichen Abrechnungsverhalten der Fachgruppe zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit unergiebig ist (vgl. BSG, SozR 3-2500 § 106 Nr. 55). Dafür bestehen hier aber keine Anhaltspunkte.
Im Ergebnis rechtsfehlerfrei hat der Beklagte angenommen, dass sich das Abrechnungsverhalten des Klägers bei den jetzt noch von Kürzungen betroffenen Leistungen im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses bewegt. Der Beklagte selbst ist davon ausgegangen, die Grenze liege bei einer Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts von 50 %, nachdem die zum 01.01.1996 in Kraft getretenen Neuregelungen des EBM-Ä zu einer Homogenisierung des Abrechnungsverhaltens geführt hätten. Es kann offen bleiben, ob diese Begründung in allen Einzelheiten überzeugt oder ob bei einem Einzelleistungsvergleich nicht wegen der größeren Gefahr von Fehlinterpretationen höhere Grenzwerte in Betracht zu ziehen sind. Denn jedenfalls hätte sich eine Fehlbeurteilung des Beklagten insoweit im Ergebnis nicht ausgewirkt, weil die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis keinesfalls höher anzusetzen ist als bei einer Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um 100 % und der Kläger bei den gekürzten Leistungen Überschreitungen von 240 % bis 406 % aufweist (vgl. BSG, Urt. v. 21.05.2003 - a.a.O. - m.w.N.).
Rechtswidrig ist der Beschluss des Beklagten allerdings, soweit er im Quartal I/1996 einen Regress wegen des überhöhten Ansatzes der Nr. 60 EBM-Ä festgesetzt hat. Denn insoweit genügt er nicht den Begründungsanforderungen, die an eine solche Kürzungsentscheidung zu stellen sind.
Der Kläger hat bereits im Prüfverfahren schlüssig vorgetragen, dass bei ihm im Quartal I/1996 eine Praxisbesonderheit in Gestalt der sog. Anlauf- oder Anfängerpraxis bestanden habe. Insoweit hat die Rechtsprechung unmittelbar nach Aufnahme der Kassenpraxis einen erhöhten Behandlungsbedarf anerkannt, weil ausschließlich neue Patienten zu behandeln seien (vgl. BSGE 62, 24, 31; BSGE 63, 6, 9; BSG, USK 9581). Daran ist festzuhalten, wobei es unerheblich ist, ob die Praxis vollständig neu etabliert wird, oder ob der Arzt sie vom Vorgänger übernommen hat. Im einen wie im anderen Fall sind die Patienten für ihn neu. Es spielt ebenfalls keine Rolle, ob der Vorgänger bereits eine Diagnostik oder Therapie bei diesen Patienten durchgeführt hat und ob die Aufzeichnungen hierüber les- und nachvollziehbar sind. Denn auch derjenige Arzt, der eine gut geführte Praxis mit einwandfreier Dokumentation übernimmt, ist nicht gehalten, die Erkenntnisse seines Vorgängers kritiklos zu übernehmen. Vielmehr wird er sich von den neuen Patienten ein eigenes Bild machen dürfen und nach den Regeln der ärztlichen Kunst auch müssen. Im Hinblick hierauf ist auch nachvollziehbar, dass der Ansatz der Nr. 60 EBM-Ä zumindest im ersten Quartal einer neuen Praxis häufiger anfällt als in einer etablierten Praxis, wie sie innerhalb der Vergleichsgruppe typischerweise anzutreffen ist und deren durchschnittliche Abrechnungswerte daher prägt.
Dem angefochtenen Beschluss ist schon nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Beklagte diese Praxisbesonderheit tatsächlich gesehen und zur Feststellung eines unwirtschaftlichen Behandlungsverhaltens herangezogen hat. Vielmehr lässt seine Begründung auch die Deutung zu, dass er die Praxissituation des Klägers lediglich im Rahmen des Kürzungsermessens berücksichtigt hat. Auch wenn man jedoch mit dem SG annimmt, dass der Beklagte der Praxisbesonderheit "Anlaufpraxis" Rechnung getragen hat, hätte er im Rahmen seiner Begründungspflicht darlegen müssen, bei welchem Anteil "neuer" Patienten zur Sicherung der Diagnose in einer vergleichbaren Anlaufpraxis ein Gesamtkörperstatus erhoben werden muss. Entsprechend hätte er den hierdurch entstehenden Mehraufwand beziffern müssen und erst im Anschluss daran die Frage der Unwirtschaftlichkeit beurteilen dürfen.
Demgegenüber kann sich der Beklagte nicht mit Erfolg auf das Urteil des BSG vom 28.06.2000 (B 6 KA 36/98 R) beziehen. Zwar hat das SG diese Entscheidung dahin verstanden, dass der Begründungsaufwand der Prüfgremien gleichsam entgegengesetzt proportional zum belassenen Restüberhang sinken dürfe. Der Senat entnimmt jedoch der vom BSG gewählten Formulierung "Dabei ist angesichts der vom Beklagten errechneten unwirtschaftlichen Mehrkosten von mehr als 29.000 DM und des andererseits auf nur ca. 11.000 DM festgesetzten Regresses zu berücksichtigen, dass dieser niedrigere Betrag lediglich im Falle von Mängeln erheblichen Ausmaßes beanstandet werden könnte" nicht zu entnehmen, dass großzügigere Überhänge den Begründungsaufwand reduzieren. Vielmehr können bei einer großzügigen Festsetzung des Regresses selbst nur solche Mängel nur Aufhebung des Beschlusses führen, die sich quantitativ erheblich auswirken. Voraussetzung ist aber immer, dass wenigstens die "unwirtschaftlichen Mehrkosten" nachvollziehbar errechnet worden sind. Daran fehlt es hier jedoch gerade.
Anders verhält es sich hingegen für das Quartal II/1996. Im zweiten Quartal einer übernommenen Praxis kann nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass jeder Patient für den Arzt neu ist. Dementsprechend hat der Kläger selbst eingeräumt, bei einem hohen Teil aller Patienten die Nr. 60 EBM-Ä in beiden Quartalen angesetzt zu haben. Inwieweit dies zur Gewinnung neuer diagnostischer Erkenntnisse erforderlich gewesen sein sollte, hätte er demgemäß im Rahmen seiner Darlegungslast erläutern müssen. Da er hiervon keinen Gebrauch gemacht hat, konnte sich der Beklagte darauf beschränken, den überhöhten Ansatz der Nr. 60 EBM-Ä im Sinne einer Anlaufschwierigkeit zu werten und dieser im Rahmen seines Ermessens durch Belassen großzügiger Toleranzen Rechnung zu tragen.
Ein Zusammenhang zwischen der Anlaufpraxis des Klägers und dem erhöhten Ansatz der Leistungen nach Nrn. 10 und 11 EBM-Ä ist in beiden Streitquartalen nicht zu erkennen. Nr. 10 EBM-Ä, das therapeutische hausärztliche Gespräch zu komplexen erkrankungsbedingten Patientenproblemen, und Nr. 11 EBM-Ä, die Diagnostik einer psychischen Destabilisierung, fallen bei einer Anlaufpraxis nicht notwendig häufiger an als bei einer bereits etablierten Praxis. Vielmehr handelt es sich, wie das BSG bereits zu Nr. 10 Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen ausgeführt hat (BSGE 71, 194; 74, 70), um Leistungen, die nur bei bestimmten Krankheitszuständen anfallen, in Bezug auf Nr. 10 EBM-Ä vor allem bei chronisch kranken oder multimorbiden Patienten, hinsichtlich Nr. 11 EBM-Ä bei Patienten mit psychischen oder psychosomatischen Erkrankungen. Dass in seiner Praxis ein entsprechendes Patientengut in erhöhtem Maße aufgetreten wäre, hat der Kläger weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren schlüssig dargelegt. Der bloße Hinweis, bei neuen Patienten seien typischerweise mehr Gesprächsleistungen zu erbringen, reicht hierfür nicht aus.
Die im Vergleich zur Vergleichsgruppe niedrigere Fallzahl des Klägers rechtfertigt nicht die Annahme einer Praxisbesonderheit. Niedrigere Fallzahlen können sich beim statistischen Vergleich nur insoweit auswirken, als sie dessen Aussagekraft beeinträchtigen. Das ist jedoch aus den bereits dargelegten Gründen bei den hier betroffenen Leistungen nicht der Fall.
Kompensatorische Einsparungen sind nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht dargelegt worden. Das Fehlen entsprechender statistischer Erhebungen hat den Kläger seiner entsprechenden Darlegungslast nicht vollständig enthoben. Vielmehr hätte es ihm gegebenenfalls z.B. ohne weiteres möglich sein müssen, anhand repräsentativer Einzelfälle kompensatorische Einsparungen - etwa im Bereich der verordneten oder veranlassten Leistungen - aufgrund der in erhöhtem Umfang erbrachten Leistungen vorzutragen. Da er hiervon keinen Gebrauch gemacht hat, führt der Umstand, dass der Beklagte seinerseits keine entsprechenden statistischen Feststellungen getroffen hat, nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses.
Soweit der Beschluss sich danach als rechtmäßig erweist, ändert sich hieran auch nichts aufgrund des Hinweises, der Beklagte habe den Gesamt- bzw. Restfallwert reflektieren müssen. Jedenfalls bei - wie hier - deutlich im Bereich des Missverhältnisses liegenden Überschreitungen bei Einzelleistungen hindert auch ein unauffälliger Gesamt- bzw. Restfallwert nicht die Feststellung der Unwirtschaftlichkeit.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum 01.01.2002 geltenden Fassung. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht ersichtlich.
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