Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 9 RA 2806/95
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 RA 4/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. November 1998 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist Anerkennung von Beitragszeiten streitig.
Der 1916 in K/Polen geborene Kläger ist als Jude Verfolgter des Nationalsozialismus im Sinne des § 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG). Nach seinen Angaben im Verwaltungsverfahren absolvierte er von 1933 bis 1936 in K eine Lehre als Schäftemacher und Taschner und war dort anschließend als Geselle und von 1937 an als Selbständiger bis zum Beginn der Verfolgung beschäftigt. Mit Beginn der Verfolgung kam er in das dortige Ghetto und anschließend in die Konzentrationslager B, A, S und D, bis er am 1. Mai 1945 befreit wurde. Vom 15. Juli 1945 bis zum 20. April 1946 war er in P/Landkreis Lwohnhaft, wo er am 2. Januar 1946 die Lederarbeiterin ER, geborene P, heiratete. Vom 2. April 1946 bis zum 3. Mai 1949 war das Ehepaar in L, ABstr. 407 gemeldet. Nach Angaben der Stadt L- Gewerbeamt – bestand für E R ein Lederwaren und Damentascheneinzelhandel in L, nähere Angaben zu An- und Abmeldung fehlen. Seit April 1949 lebt der Kläger in Israel, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.
In einem beim Bayerischen Landesentschädigungsamt geführten Entschädigungsverfahren hat der Kläger im Jahr 1959 (unter Vorlage eines entsprechenden Attests vom 15. Oktober 1957) angegeben, er sei im Jahre 1946 mehrere Monate in stationärer Krankenhausbehandlung im Krankenhaus des Displaced Persons (DP)-Lager Lbehandelt worden und bis einschließlich 1948 arbeitsunfähig gewesen. Im Verlauf des Verfahrens hat er gegenüber Gutachtern angegeben, im Jahre 1946 2 Monate stationär im Krankenhaus behandelt worden zu sein und anschließend als Lehrer für Ledergalanterie-Fabrikation in der ORT-Schule im DP-Lager L tätig gewesen zu sein (Angaben vom 4. November 1960).
Am 31. Dezember 1990 beantragte der Kläger bei der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz unter Anerkennung von Beitragszeiten u.a. vom 1. Dezember 1945 bis zum 31. März 1949 die Gewährung von Altersruhegeld. Er gab dazu an, in dieser Zeit in der ORT-Schule des DP-Lagers Lals Instrukteur für Ledergalanterie gegen Entgelt abhängig versicherungspflichtig beschäftigt gewesen zu sein (vgl. auch die entsprechenden Angaben im Sprachprüfungsprotokoll vom 27. Oktober 1993) und legte dazu eine im März 1948 ausgestellte Bestätigung der Schulleitung, wonach er im Monat Februar als Instruktor tätig gewesen sei, eine im Juli 1947 ausgestellte Vollmacht der Schulleitung für den Ankauf von Nähmaschinen für die Schule und einen Ausweis vor, wonach er im Juli 1947 Instrukteur für die ORT-Schule war. Die LVA Rheinprovinz lehnte die Anerkennung von Beitragszeiten vom 1. Dezember 1945 bis zum 31. März 1949 zunächst ab (Bescheid vom 18. Mai 1993), hob diesen Bescheid auf Widerspruch des Klägers hin mit Bescheid vom 10. Januar 1994 mangels eigener Zuständigkeit auf und gab den Vorgang an die Beklagte ab. Nach Auswertung der beigezogenen Entschädigungsakte und erfolglos gebliebenen Anfragen wegen der behaupteten Beitragszeiten bei der Stadtverwaltung L,der AOK L, der Landesversicherungsanstalt Oberbayern, dem Amt für Verteidigungslasten K und der AOK M lehnte die Beklagte die geltend gemachten Zeiten vom 1. Dezember 1945 bis zum 31. März 1949 als Beitragszeiten ab (Bescheid vom 21. Juni 1994). Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger eine Bescheinigung der ORT-Schule vom 31. März 1948 vor, wonach er vom 15. Mai 1947 bis zum 1. März 1948 der Instrukteur des Ledergalanterie-Kursus gewesen sei. Der Widerspruch bleib ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 17. März 1995).
Das hiergegen angerufene Sozialgericht (SG) Berlin hat im Wege der Rechtshilfe die Ehefrau des Klägers als Zeugin zu den behaupteten Beitragszeiten vernommen und deren bei der LVA Rheinprovinz geführte Versichertenakte beigezogen. Wegen der Einzelheiten der Aussage vom 26. März 1998 wird auf Blatt 70 bis 74 der sozialgerichtlichen Akte Bezug genommen. Es hat die Klage mit Urteil vom 18. November 1998 abgewiesen. Eine Glaubhaftmachung der Beitragszeiten nach § 10 Versicherungsunterlagen-Verordnung (VuVO), die vorliegend noch Anwendung finde, sei nicht gelungen. Dabei gehe die Kammer davon aus, dass der Kläger nach der im Widerspruchsverfahren vorlegten Bescheinigung zumindest vom 15. Mai 1947 bis zum 1. März 1948 als Instrukteur tätig gewesen sei, was auch die Zeugin bestätigt habe. Hinsichtlich der zeitlichen Angaben der Zeugin habe die Kammer allerdings Bedenken, da nur ein wesentlich kürzerer Zeitraum bescheinigt worden sei. Jedenfalls sei die Beitragsentrichtung für den gesamten geltend gemachten Zeitraum nicht überwiegend wahrscheinlich. Zunächst habe für DPs in Bayern erst mit Inkrafttreten der Verordnung Nr. 53 betreffend die Sozialversicherungspflicht der verschleppten Personen vom 4. März 1946 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1946, 187) zum 1. April 1946 überhaupt Versicherungspflicht bestanden. Aber auch für die Zeit danach bestünden erhebliche Bedenken an der Entrichtung von Beiträgen zur Sozialversicherung. Die Zeugin habe hierzu keine genauen Angaben machen können und bei den von der Beklagten angeschriebenen Behörden hätten weitergehende Unterlagen nicht ermittelt werden können. Weder aus der Zeugenaussage noch aus der vorlegten Bescheinigung sei schließlich zu ersehen, dass der Kläger dort angestellt und nicht nur als selbständiger Lehrer tätig gewesen sei. Bei selbständiger Tätigkeit habe zwar nach § 4 Nr. 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) vom 28. Mai 1924 Versicherungspflicht bestanden, der Kläger wäre aber selbst für den Kauf von Beitragsmarken verantwortlich gewesen. Dass er dies getan habe, habe er nicht vorgetragen, es ergäben sich hierfür auch keine Hinweise. Schließlich sei der Kläger ausweislich der vorgelegten Visitenkarte auch selbständig tätig gewesen sei, so dass auch eine geringfügige Tätigkeit als Lehrer in Betracht komme. Somit seien keine Beitragszeiten als glaubhaft gemacht anzuerkennen.
Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner Berufung, die er auf den Zeitraum vom 1. Juni 1947 bis zum 15. Februar 1948 beschränkt hat.
Der Senat hat nach Anfragen an die Stadt L und die Verwaltungsgemeinschaft P sowie einer erfolglos gebliebenen Anfrage an die AOK Beine Anfrage an das Zentrum für Antisemitismusforschung der T Universität B, Dr. JW, gestellt. Diese hat die Kopie eines am 14. Juli 1947 geschlossenen Vertrages (Nr. 334) zwischen der World Ort Union und dem Kläger vorgelegt, wonach er mit Wirkung vom 1. Juni 1947 als Instrukteur der Ledergalanterieabteilung in der Fachschule in Langestellt und verpflichtet war, mindestens 8 Stunden pro Tag zu unterrichten, und einen ähnlichen Vertrag vom 7. August 1947 (Nr. 393; über 6 Stunden täglich mit Wirkung vom 1. Juli 1947) für die Ehefrau des Klägers. Die Vergütung des Klägers betrug nach dem Vertrag 7 englische Pfund pro Monat, die nach seiner Auswanderung aus Deutschland ausgezahlt werden sollten. Ferner liegt ein Anschreiben der Ort-Schule L an die ORT-Zonenzentrale M vom 30. Juli 1948 vor, wonach die Verträge abgerechnet werden sollten, und ein Schreiben der ORT World Union Paris vom 6. Januar 1949, in dem die Auszahlung an die ehemaligen Instrukteure über New York und Tel Aviv bestätigt wird, und zwar an den Kläger mit 59 Pfund und 10 Schilling und an seine Ehefrau mit 37 Pfund und 10 Schilling.
Der Kläger ist der Ansicht, dass nach den nunmehr vorliegenden Unterlagen und unter Bezugnahme auf ähnlich gelagerte Verfahren davon ausgegangen werden müsse, dass sowohl ein Gehalt in Mark als auch eine Unterstützung für die Zeit nach der Auswanderung in englischen Pfund gezahlt worden sei. Es müsse als unmöglich angesehen werden, dass Arbeit gegen Vergütung geleistet, von der Vergütung während der Arbeitszeit aber nichts ausgezahlt worden sei, da dann keinerlei Gehalt für den laufenden Lebensunterhalt zur Verfügung gestanden hätte. Das laufend ausgezahlte Gehalt sei sozialversicherungspflichtig gewesen, hiervon seien entsprechend mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Beiträge gezahlt worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. November 1998 und den Bescheid der Beklagten vom21. Juni 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 1995 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, für den Kläger eine glaubhaft gemachte Beitragszeit vom 1. Juni 1947 bis zum 15. Februar 1948 festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend. Selbst aus einem Nachweis des Beschäftigungsverhältnisses lasse sich eine Beitragsentrichtung vor dem Hintergrund der damaligen Verhältnisse nicht ableiten. Die Grundversorgung der DPs sei ohnehin durch die UNRRA in den Lagern sichergestellt gewesen, so dass eine weitergehende Zahlung von Lohn zur Deckung des Lebensunterhalts nicht denknotwendig sei. Die Unterstützung von 7 Pfund pro Monat sei für die Zeit nach der Auswanderung bestimmt gewesen, so dass hier nicht ohne weiteres von der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen ausgegangen werden könne.
Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten (Vers.-Nr. ), die Verwaltungsakten des Landesentschädigungssamtes Bayern (2 Bde. ) sowie die Akten des Sozialgerichts Berlin (S 9 RA 2806/95) vorgelegen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der geltend gemachte Anspruch auf Feststellung glaubhaft gemachter Beitragszeiten richtet sich vorliegend noch nach den Bestimmungen der Versicherungsunterlagen-Verordnung (VuVO) vom 3. März 1960, da der entsprechende Antrag bereits im Jahre 1990 gestellt worden ist (§ 300 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]). Beitragszeiten vom 1. Juni 1947 bis zum 15. Februar 1948 sind nach diesen Vorschriften nicht anrechenbar, weil zumindest die Abführung von Beiträgen in diesem Zeitraum nicht gemäß § 1 Abs. 1 VuVO glaubhaft gemacht ist. Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen , die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (§ 10 Abs. 1 VuVO).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist eine Glaubhaftmachung der streitigen Beitragszeiten nicht gelungen. Zwar sind mit den vorliegenden Unterlagen vertragliche Bindungen des Klägers (und seiner Ehefrau) zur ORT-Schule für die Zeit vom 1. Juni 1947 bis zum 15. Februar 1948 nachgewiesen, wobei dieser spätere Endzeitpunkt angesichts der handschriftlichen Vermerke auf dem Vertragsexemplar und der späteren Zahlung für 8 volle Monate der zutreffende zu sein scheint. Trotz der Bezeichnung im Vertrag ist aber nach wie vor unklar, ob der Kläger ein von Weisungen der ORT-Schule abhängiger Beschäftigter war oder ob er nicht als Selbständiger im Auftrag der ORT-Schule die Ausbildung für Lehrlinge übernommen hat. Der Kläger selbst hat im Laufe des Verfahrens geschildert, die Lehrlingsausbildung habe zunächst in seinem eigenen Geschäft stattgefunden, erst später habe es einen Raum hierfür in der Kaserne gegeben (eidesstattliche Versicherung vom 13. März 1995), was gegen eine abhängige Beschäftigung spricht. Nach den Angaben in der ersten Instanz (Schriftsatz vom 14. Mai 1996) habe der Unterricht sogar die gesamte Zeit im Geschäft seiner Ehefrau stattgefunden. Er hat ebenfalls geschildert, er habe nur nachmittags (also nicht 8 Stunden täglich) ausgebildet (eidesstattliche Versicherung vom 6. Juni 1999). Jedenfalls ergibt sich nach den vorliegenden Unterlagen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger und seine Ehefrau ein Geschäft für Lederwaren außerhalb des Lagers tatsächlich betrieben haben. Eine Bestätigung der Gewerbeanmeldung liegt vor; der Vortrag des Klägers, er habe die Visitenkarte nur zur Stärkung seines Selbstvertrauens drucken lassen, erscheint wenig glaubhaft. Es ist vielmehr wahrscheinlich, dass der Kläger zwar zur Ausbildung von Lehrlingen in seinem Betrieb (oder später auch in Lehrwerkstätten der ORT-Schule) verpflichtet war, er daneben aber berechtigt war, mit den hergestellten Produkten sein Geschäft zu betreiben und so seinen Unterhalt zu sichern.
Selbst wenn man mit der Bezeichnung im abgeschlossenen Vertrag ("ist mit Wirkung vom ... angestellt worden") von einer abhängigen Beschäftigung ausgehen wollte, ergibt sich nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit, dass hierfür Sozialversicherungsbeiträge tatsächlich gezahlt worden sind. Nach dem Vertrag ist kein laufendes Gehalt gezahlt worden ist, obwohl Angaben zur Vergütung ausdrücklich gemacht worden sind. Die Vergütung erfolgte im Nachhinein und wurde über das Pariser Büro der ORT World Union abgewickelt und über die Büros in New York und Tel Aviv in Pfund Sterling zur Auszahlung gebracht. Es erscheint wenig wahrscheinlich (und wird vom Kläger so auch nicht behauptet), dass von diesen Beträgen vom Ausland aus Sozialversicherungsbeiträge an die zuständigen deutschen Rentenversicherungsträger abgeführt worden sind. Es ergibt sich aber auch kein Anhalt dafür, dass weitere nicht im Vertrag aufgeführte, sozialversicherungspflichtige Entgelte gezahlt worden sind. Zwar kann der Senat dem Kläger dahin folgen, dass er, da die Familie nicht im DP-Lager, sondern zur Untermiete in der Stadt gelebt hat, auch Bargeld zum Unterhalt zur Verfügung haben musste. Er hat aber nicht nachvollziehbar machen können, dass solche Barmittel von der ORT-Schule gezahlt worden sind, zumal der Vertrag auf Zeiten von weniger als einem Jahr beschränkt ist, der Kläger aber auch vorher und nachher außerhalb des Lagers gelebt hat. Die ausdrücklichen vertraglichen Formulierungen sprechen ohnehin gegen diese Annahme. Der Senat geht nach alledem – wie oben ausgeführt- davon aus, dass in erster Linie der von den Eheleuten gemeinsam betriebene Gewerbebetrieb – neben Nahrungsmittelpaketen u.ä. - den Lebensunterhalt der Familie des Klägers ausreichend gesichert hat. Dass der Kläger Rentenversicherungsbeiträge für Selbständige tatsächlich gezahlt hat, ist – wie das SG dargelegt hat – weder vorgetragen noch sonst belegt, insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführliche und zutreffende Begründung des SG (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG])
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist Anerkennung von Beitragszeiten streitig.
Der 1916 in K/Polen geborene Kläger ist als Jude Verfolgter des Nationalsozialismus im Sinne des § 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG). Nach seinen Angaben im Verwaltungsverfahren absolvierte er von 1933 bis 1936 in K eine Lehre als Schäftemacher und Taschner und war dort anschließend als Geselle und von 1937 an als Selbständiger bis zum Beginn der Verfolgung beschäftigt. Mit Beginn der Verfolgung kam er in das dortige Ghetto und anschließend in die Konzentrationslager B, A, S und D, bis er am 1. Mai 1945 befreit wurde. Vom 15. Juli 1945 bis zum 20. April 1946 war er in P/Landkreis Lwohnhaft, wo er am 2. Januar 1946 die Lederarbeiterin ER, geborene P, heiratete. Vom 2. April 1946 bis zum 3. Mai 1949 war das Ehepaar in L, ABstr. 407 gemeldet. Nach Angaben der Stadt L- Gewerbeamt – bestand für E R ein Lederwaren und Damentascheneinzelhandel in L, nähere Angaben zu An- und Abmeldung fehlen. Seit April 1949 lebt der Kläger in Israel, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.
In einem beim Bayerischen Landesentschädigungsamt geführten Entschädigungsverfahren hat der Kläger im Jahr 1959 (unter Vorlage eines entsprechenden Attests vom 15. Oktober 1957) angegeben, er sei im Jahre 1946 mehrere Monate in stationärer Krankenhausbehandlung im Krankenhaus des Displaced Persons (DP)-Lager Lbehandelt worden und bis einschließlich 1948 arbeitsunfähig gewesen. Im Verlauf des Verfahrens hat er gegenüber Gutachtern angegeben, im Jahre 1946 2 Monate stationär im Krankenhaus behandelt worden zu sein und anschließend als Lehrer für Ledergalanterie-Fabrikation in der ORT-Schule im DP-Lager L tätig gewesen zu sein (Angaben vom 4. November 1960).
Am 31. Dezember 1990 beantragte der Kläger bei der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz unter Anerkennung von Beitragszeiten u.a. vom 1. Dezember 1945 bis zum 31. März 1949 die Gewährung von Altersruhegeld. Er gab dazu an, in dieser Zeit in der ORT-Schule des DP-Lagers Lals Instrukteur für Ledergalanterie gegen Entgelt abhängig versicherungspflichtig beschäftigt gewesen zu sein (vgl. auch die entsprechenden Angaben im Sprachprüfungsprotokoll vom 27. Oktober 1993) und legte dazu eine im März 1948 ausgestellte Bestätigung der Schulleitung, wonach er im Monat Februar als Instruktor tätig gewesen sei, eine im Juli 1947 ausgestellte Vollmacht der Schulleitung für den Ankauf von Nähmaschinen für die Schule und einen Ausweis vor, wonach er im Juli 1947 Instrukteur für die ORT-Schule war. Die LVA Rheinprovinz lehnte die Anerkennung von Beitragszeiten vom 1. Dezember 1945 bis zum 31. März 1949 zunächst ab (Bescheid vom 18. Mai 1993), hob diesen Bescheid auf Widerspruch des Klägers hin mit Bescheid vom 10. Januar 1994 mangels eigener Zuständigkeit auf und gab den Vorgang an die Beklagte ab. Nach Auswertung der beigezogenen Entschädigungsakte und erfolglos gebliebenen Anfragen wegen der behaupteten Beitragszeiten bei der Stadtverwaltung L,der AOK L, der Landesversicherungsanstalt Oberbayern, dem Amt für Verteidigungslasten K und der AOK M lehnte die Beklagte die geltend gemachten Zeiten vom 1. Dezember 1945 bis zum 31. März 1949 als Beitragszeiten ab (Bescheid vom 21. Juni 1994). Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger eine Bescheinigung der ORT-Schule vom 31. März 1948 vor, wonach er vom 15. Mai 1947 bis zum 1. März 1948 der Instrukteur des Ledergalanterie-Kursus gewesen sei. Der Widerspruch bleib ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 17. März 1995).
Das hiergegen angerufene Sozialgericht (SG) Berlin hat im Wege der Rechtshilfe die Ehefrau des Klägers als Zeugin zu den behaupteten Beitragszeiten vernommen und deren bei der LVA Rheinprovinz geführte Versichertenakte beigezogen. Wegen der Einzelheiten der Aussage vom 26. März 1998 wird auf Blatt 70 bis 74 der sozialgerichtlichen Akte Bezug genommen. Es hat die Klage mit Urteil vom 18. November 1998 abgewiesen. Eine Glaubhaftmachung der Beitragszeiten nach § 10 Versicherungsunterlagen-Verordnung (VuVO), die vorliegend noch Anwendung finde, sei nicht gelungen. Dabei gehe die Kammer davon aus, dass der Kläger nach der im Widerspruchsverfahren vorlegten Bescheinigung zumindest vom 15. Mai 1947 bis zum 1. März 1948 als Instrukteur tätig gewesen sei, was auch die Zeugin bestätigt habe. Hinsichtlich der zeitlichen Angaben der Zeugin habe die Kammer allerdings Bedenken, da nur ein wesentlich kürzerer Zeitraum bescheinigt worden sei. Jedenfalls sei die Beitragsentrichtung für den gesamten geltend gemachten Zeitraum nicht überwiegend wahrscheinlich. Zunächst habe für DPs in Bayern erst mit Inkrafttreten der Verordnung Nr. 53 betreffend die Sozialversicherungspflicht der verschleppten Personen vom 4. März 1946 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1946, 187) zum 1. April 1946 überhaupt Versicherungspflicht bestanden. Aber auch für die Zeit danach bestünden erhebliche Bedenken an der Entrichtung von Beiträgen zur Sozialversicherung. Die Zeugin habe hierzu keine genauen Angaben machen können und bei den von der Beklagten angeschriebenen Behörden hätten weitergehende Unterlagen nicht ermittelt werden können. Weder aus der Zeugenaussage noch aus der vorlegten Bescheinigung sei schließlich zu ersehen, dass der Kläger dort angestellt und nicht nur als selbständiger Lehrer tätig gewesen sei. Bei selbständiger Tätigkeit habe zwar nach § 4 Nr. 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) vom 28. Mai 1924 Versicherungspflicht bestanden, der Kläger wäre aber selbst für den Kauf von Beitragsmarken verantwortlich gewesen. Dass er dies getan habe, habe er nicht vorgetragen, es ergäben sich hierfür auch keine Hinweise. Schließlich sei der Kläger ausweislich der vorgelegten Visitenkarte auch selbständig tätig gewesen sei, so dass auch eine geringfügige Tätigkeit als Lehrer in Betracht komme. Somit seien keine Beitragszeiten als glaubhaft gemacht anzuerkennen.
Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner Berufung, die er auf den Zeitraum vom 1. Juni 1947 bis zum 15. Februar 1948 beschränkt hat.
Der Senat hat nach Anfragen an die Stadt L und die Verwaltungsgemeinschaft P sowie einer erfolglos gebliebenen Anfrage an die AOK Beine Anfrage an das Zentrum für Antisemitismusforschung der T Universität B, Dr. JW, gestellt. Diese hat die Kopie eines am 14. Juli 1947 geschlossenen Vertrages (Nr. 334) zwischen der World Ort Union und dem Kläger vorgelegt, wonach er mit Wirkung vom 1. Juni 1947 als Instrukteur der Ledergalanterieabteilung in der Fachschule in Langestellt und verpflichtet war, mindestens 8 Stunden pro Tag zu unterrichten, und einen ähnlichen Vertrag vom 7. August 1947 (Nr. 393; über 6 Stunden täglich mit Wirkung vom 1. Juli 1947) für die Ehefrau des Klägers. Die Vergütung des Klägers betrug nach dem Vertrag 7 englische Pfund pro Monat, die nach seiner Auswanderung aus Deutschland ausgezahlt werden sollten. Ferner liegt ein Anschreiben der Ort-Schule L an die ORT-Zonenzentrale M vom 30. Juli 1948 vor, wonach die Verträge abgerechnet werden sollten, und ein Schreiben der ORT World Union Paris vom 6. Januar 1949, in dem die Auszahlung an die ehemaligen Instrukteure über New York und Tel Aviv bestätigt wird, und zwar an den Kläger mit 59 Pfund und 10 Schilling und an seine Ehefrau mit 37 Pfund und 10 Schilling.
Der Kläger ist der Ansicht, dass nach den nunmehr vorliegenden Unterlagen und unter Bezugnahme auf ähnlich gelagerte Verfahren davon ausgegangen werden müsse, dass sowohl ein Gehalt in Mark als auch eine Unterstützung für die Zeit nach der Auswanderung in englischen Pfund gezahlt worden sei. Es müsse als unmöglich angesehen werden, dass Arbeit gegen Vergütung geleistet, von der Vergütung während der Arbeitszeit aber nichts ausgezahlt worden sei, da dann keinerlei Gehalt für den laufenden Lebensunterhalt zur Verfügung gestanden hätte. Das laufend ausgezahlte Gehalt sei sozialversicherungspflichtig gewesen, hiervon seien entsprechend mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Beiträge gezahlt worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. November 1998 und den Bescheid der Beklagten vom21. Juni 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 1995 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, für den Kläger eine glaubhaft gemachte Beitragszeit vom 1. Juni 1947 bis zum 15. Februar 1948 festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend. Selbst aus einem Nachweis des Beschäftigungsverhältnisses lasse sich eine Beitragsentrichtung vor dem Hintergrund der damaligen Verhältnisse nicht ableiten. Die Grundversorgung der DPs sei ohnehin durch die UNRRA in den Lagern sichergestellt gewesen, so dass eine weitergehende Zahlung von Lohn zur Deckung des Lebensunterhalts nicht denknotwendig sei. Die Unterstützung von 7 Pfund pro Monat sei für die Zeit nach der Auswanderung bestimmt gewesen, so dass hier nicht ohne weiteres von der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen ausgegangen werden könne.
Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten (Vers.-Nr. ), die Verwaltungsakten des Landesentschädigungssamtes Bayern (2 Bde. ) sowie die Akten des Sozialgerichts Berlin (S 9 RA 2806/95) vorgelegen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der geltend gemachte Anspruch auf Feststellung glaubhaft gemachter Beitragszeiten richtet sich vorliegend noch nach den Bestimmungen der Versicherungsunterlagen-Verordnung (VuVO) vom 3. März 1960, da der entsprechende Antrag bereits im Jahre 1990 gestellt worden ist (§ 300 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]). Beitragszeiten vom 1. Juni 1947 bis zum 15. Februar 1948 sind nach diesen Vorschriften nicht anrechenbar, weil zumindest die Abführung von Beiträgen in diesem Zeitraum nicht gemäß § 1 Abs. 1 VuVO glaubhaft gemacht ist. Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen , die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (§ 10 Abs. 1 VuVO).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist eine Glaubhaftmachung der streitigen Beitragszeiten nicht gelungen. Zwar sind mit den vorliegenden Unterlagen vertragliche Bindungen des Klägers (und seiner Ehefrau) zur ORT-Schule für die Zeit vom 1. Juni 1947 bis zum 15. Februar 1948 nachgewiesen, wobei dieser spätere Endzeitpunkt angesichts der handschriftlichen Vermerke auf dem Vertragsexemplar und der späteren Zahlung für 8 volle Monate der zutreffende zu sein scheint. Trotz der Bezeichnung im Vertrag ist aber nach wie vor unklar, ob der Kläger ein von Weisungen der ORT-Schule abhängiger Beschäftigter war oder ob er nicht als Selbständiger im Auftrag der ORT-Schule die Ausbildung für Lehrlinge übernommen hat. Der Kläger selbst hat im Laufe des Verfahrens geschildert, die Lehrlingsausbildung habe zunächst in seinem eigenen Geschäft stattgefunden, erst später habe es einen Raum hierfür in der Kaserne gegeben (eidesstattliche Versicherung vom 13. März 1995), was gegen eine abhängige Beschäftigung spricht. Nach den Angaben in der ersten Instanz (Schriftsatz vom 14. Mai 1996) habe der Unterricht sogar die gesamte Zeit im Geschäft seiner Ehefrau stattgefunden. Er hat ebenfalls geschildert, er habe nur nachmittags (also nicht 8 Stunden täglich) ausgebildet (eidesstattliche Versicherung vom 6. Juni 1999). Jedenfalls ergibt sich nach den vorliegenden Unterlagen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger und seine Ehefrau ein Geschäft für Lederwaren außerhalb des Lagers tatsächlich betrieben haben. Eine Bestätigung der Gewerbeanmeldung liegt vor; der Vortrag des Klägers, er habe die Visitenkarte nur zur Stärkung seines Selbstvertrauens drucken lassen, erscheint wenig glaubhaft. Es ist vielmehr wahrscheinlich, dass der Kläger zwar zur Ausbildung von Lehrlingen in seinem Betrieb (oder später auch in Lehrwerkstätten der ORT-Schule) verpflichtet war, er daneben aber berechtigt war, mit den hergestellten Produkten sein Geschäft zu betreiben und so seinen Unterhalt zu sichern.
Selbst wenn man mit der Bezeichnung im abgeschlossenen Vertrag ("ist mit Wirkung vom ... angestellt worden") von einer abhängigen Beschäftigung ausgehen wollte, ergibt sich nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit, dass hierfür Sozialversicherungsbeiträge tatsächlich gezahlt worden sind. Nach dem Vertrag ist kein laufendes Gehalt gezahlt worden ist, obwohl Angaben zur Vergütung ausdrücklich gemacht worden sind. Die Vergütung erfolgte im Nachhinein und wurde über das Pariser Büro der ORT World Union abgewickelt und über die Büros in New York und Tel Aviv in Pfund Sterling zur Auszahlung gebracht. Es erscheint wenig wahrscheinlich (und wird vom Kläger so auch nicht behauptet), dass von diesen Beträgen vom Ausland aus Sozialversicherungsbeiträge an die zuständigen deutschen Rentenversicherungsträger abgeführt worden sind. Es ergibt sich aber auch kein Anhalt dafür, dass weitere nicht im Vertrag aufgeführte, sozialversicherungspflichtige Entgelte gezahlt worden sind. Zwar kann der Senat dem Kläger dahin folgen, dass er, da die Familie nicht im DP-Lager, sondern zur Untermiete in der Stadt gelebt hat, auch Bargeld zum Unterhalt zur Verfügung haben musste. Er hat aber nicht nachvollziehbar machen können, dass solche Barmittel von der ORT-Schule gezahlt worden sind, zumal der Vertrag auf Zeiten von weniger als einem Jahr beschränkt ist, der Kläger aber auch vorher und nachher außerhalb des Lagers gelebt hat. Die ausdrücklichen vertraglichen Formulierungen sprechen ohnehin gegen diese Annahme. Der Senat geht nach alledem – wie oben ausgeführt- davon aus, dass in erster Linie der von den Eheleuten gemeinsam betriebene Gewerbebetrieb – neben Nahrungsmittelpaketen u.ä. - den Lebensunterhalt der Familie des Klägers ausreichend gesichert hat. Dass der Kläger Rentenversicherungsbeiträge für Selbständige tatsächlich gezahlt hat, ist – wie das SG dargelegt hat – weder vorgetragen noch sonst belegt, insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführliche und zutreffende Begründung des SG (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG])
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
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