Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 260/01
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 20/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 25. November 2004 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte Erkrankungen der Halswirbelsäule (HWS) und der Lendenwirbelsäule (LWS) der Klägerin als Berufskrankheiten (BKen) nach den Nummern 2109 und 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) zu entschädigen hat.
Die 1948 geborene Klägerin hat ab 1. April 1963 eine Ausbildung zur Fleischereifachverkäuferin absolviert und war dann bis 30. Juni 1979 in der Metzgerei ihres Vaters tätig. Vom 1. Juli 1979 an betrieb die Klägerin mit ihrem Ehemann einen Schlachtbetrieb. Hier schlachtete sie gemeinsam mit ihrem Ehemann ganztägig Rinder und Schweine im eigenen Schlachthaus und verarbeitete das Fleisch weiter, bevor es an Metzgereien weiterverkauft wurde. Die Klägerin gab an, in dem Betrieb seien wöchentlich sieben bis zehn Rinder und 50 bis 70 Schweine geschlachtet worden. Sie habe täglich 50 Mal und mehr Schweinehälften mit einem Gewicht von 40 bis 60 kg und Rinderviertel mit einem Gewicht von 80 bis 120 kg innerhalb des Schlachthauses und auch zum Transporter getragen. Das Tragen sei vor dem Körper, auf dem Rücken und auf der Schulter eng am Körper erfolgt. Im Sommer habe sie diese Tätigkeit bis zu 70 Stunden und im Winter bis zu 40 Stunden ausgeübt. Dieses Heben und Tragen schwerer Lasten habe den überwiegenden Teil ihrer Arbeit ausgemacht. Ab 26. Februar 1995 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt und nicht mehr in den Beruf zurückgekehrt, ein Arbeitsversuch im August 1995 scheiterte. Am 3. September 1996 stellte die Klägerin bei der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte einen Rentenantrag.
Am 14. August 1998 ging bei der Beklagten ein Antrag der Klägerin auf Anerkennung und Entschädigung ihrer LWS- und HWS-Erkrankung als BKen ein.
Die Beklagte zog eine Reihe von Berichten der behandelnden Ärzte und Kliniken der Klägerin bei. Im Rahmen einer stationären Rehabilitationsbehandlung in der Salinen Klinik Bad Rappenau vom 1. Mai bis zum 29. Mai 1996 wurden folgende Diagnosen gestellt:
- Vertebragenes pseudoradikuläres Cervikalsyndrom bei Fehlstatik und degenerativen Veränderungen
- Vertebragenes pseudoradikuläres Lumbalsyndrom bei Fehlhaltung, degenerativen Veränderungen, Protrusio L4/5
- Coxarthrose re. ) li., Busse Grad I-II
- AC-Gelenkarthrose bds., beginnende Omarthrose bds., Ansatztendinose der Supraspinatussehne re.
Es fand sich eine Druckschmerzhaftigkeit im mittleren und unteren HWS-Bereich bei endgradig schmerzhafter Beweglichkeit. Die Rotation war bds. bis 70°, die Seitneigung bis 30° bds. möglich, der Kinn-Jugulum-Abstand betrug 2/19 cm. Es fand sich ein Hartspann der cervikalen Muskulatur, die Kraft der Nackenstrecker und –beuger war unauffällig. Die untere LWS war diffus klopfschmerzhaft, der Finger-Boden-Abstand betrug 0 cm, das Zeichen nach Schober wurde mit 10/14 cm gemessen, das Zeichen nach Ott 30/31 cm. Die Seitneigung der LWS war bis zu 20° bds. möglich, die Rotation bds. bis zu 40°. Die paravertebrale Muskulatur war – rechtsseitig im Lumbalbereich verstärkt – verkürzt.
Der Orthopäde Dr. C. erstellte für den Rentenversicherungsträger ein Gutachten nach Untersuchung der Klägerin am 14. Februar 1997. Neben den fachfremden Diagnosen eines arteriellen Hypertonus und einer Adipositas stellte dieser folgende Diagnosen:
- Rezidivierende Lumbago mit pseudoradikulärer Ausstrahlung rechts bei leichten degenerativen LWS-Veränderungen (einschließlich altem "Lenden-Scheuer-mann"), Beckenverwringung und ISG-Irritation rechts
- Chronisches Zervikobrachial- und Thorakal-Syndrom bei röntgenologisch leichter Schädigung der Etagen C5 bis C7 ohne Wurzelkompressionszeichen und bei BWS-Fehlstatik
- Tendopathia calcarea rechtes Schultergelenk mit endgradigen Bewegungseinschänkungen (röntgenologisch und sonographisch nachgewiesen)
- Epicondylitis humeroradialis beidseits
- Leichte Heberden-Polyarthrose beider Hände ohne gröbere röntgenologische Veränderungen (bei angeborener Hypoplasie der Metacarpalia IV beidseits, funktionell kompensiert)
- Beginnende Coxarthrose rechts bei mittelgradiger Hüftgelenksdysplasie beidseits
- Leichte Chondropathia patellae beidseits
Dr. C. wertete die Röntgenaufnahmen aus der Salinen Klinik Bad Rappenau aus und stellte hier im Bereich der HWS leichte Bandscheibenverschmälerungen im Bereich der Segmente C5/C6 und ventrale/dorsale Spondylophyten der beiden unteren Etagen fest, im Bereich C6/C7 nur noch andeutungsweise erkennbar. Die Kopfgelenke fanden sich altersentsprechend, die kleinen Wirbelgelenke nur geringgradig degenerativ verändert. Im Bereich der LWS ergaben sich leichte Bandscheibenhöhenminderungen L3 bis L5 mit spondylotischen Kantenreaktionen, überwiegend ventral, mittelgroße Lateralspondylophyten der unteren LWS, insbesondere L4/L5, und mehrere Residuen alter Schmorl’scher Knötchen L2 und L3 als Zeichen für einen abgelaufenen Lenden-Scheuermann. Typische osteochondrotische Veränderungen der Deck- und Grundplatten fanden sich nicht.
Die Beklagte holte ein orthopädisches Zusammenhangsgutachten nach Aktenlage bei den Dres. D. und E. vom 28. April 1999 ein. Diese werteten insbesondere Röntgenaufnahmen vom 4. April 1995 (LWS und Becken), vom 24. Mai 1995 (HWS und LWS), vom 20. Februar 1997 (HWS und Brustwirbelsäule –BWS-) und vom 15. September 1997 (LWS und Becken) aus und kamen zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin im Bereich der LWS zwar im Segment L4/L5 eine bandscheibenbedingte Erkrankung bestehe, dass aber belastungsadaptive Reaktionen fehlten und deshalb ein belastungskonformes Schadensbild im Sinne der BK 2108 nicht bestätigt werden könne. Selbst im Segment L4/L5, wo eine Verschmälerung des Bandscheibenraumes auf eine Bandscheibenerkrankung hinweise, entspreche die Ausprägung der spondylotischen Kantenausziehungen allenfalls dem Alter der Klägerin. Die Osteochondrose betraf ebenfalls überwiegend das Segment L4/L5, die anderen Etagen ließen noch keine oder allenfalls angedeutete Reaktionen erkennen. Man hätte aber in allen Lendenwirbeln dem Alter deutlich vorauseilende umformende spondylotische und osteochondrotische Veränderungen finden müssen, um von belastungsadaptiven Reaktionen zu sprechen. Zudem weise das am stärksten belastete Segment L5/S1 keine relevanten Reaktionen auf, was ebenfalls gegen einen beruflichen Zusammenhang spreche. Die HWS dagegen weise lediglich altersübliche degenerative Veränderungen auf, weshalb eine Anerkennungsempfehlung zur BK 2109 nicht in Frage komme.
Der Landesgewerbearzt empfahl in seiner Stellungnahme vom 15. Juni 1999 eine weitere Begutachtung, da er unterschiedliche Bewertungen der Röntgenbefunde im Gutachten der Dres. D. und E. gegenüber dem Gutachten von Dr. C. und dem Entlassungsbericht der Salinen Klinik in Bad Rappenau sah.
Die Beklagte nahm daraufhin arbeitstechnische Ermittlungen auf und forderte zunächst von der Klägerin Geschäftsunterlagen zur Überprüfung ihrer Angaben zu den Hebe- und Tragebelastungen an. Die Klägerin legte exemplarische Ein- und Verkaufsbelege des Schlachtbetriebes ihres Ehemannes für den Monat Mai 1982 vor. Die Beklagte ließ die Unterlagen durch ihren Technischen Aufsichtsdienst (TAD) auswerten, der unter dem 20. Dezember 1999 ausführte, die angegebenen Schlachtmengen würden nicht erreicht. In dem von der Klägerin exemplarisch ausgewählten Monat Mai 1982 seien nur 77 Schweine, 11 Rinder und ein Kalb geschlachtet worden. Es sei auch mit Nutzvieh gehandelt worden, das ohne Tragebelastung transportiert werde. Es errechne sich eine Last von 440 kg pro Arbeitstag, wobei die Aufteilung der Tragelast unter den Eheleuten nicht zu ermitteln sei.
Die Beklagte holte hierzu sowie unter Vorlage der relevanten Röntgenbilder eine weitere Stellungnahme des Landesgewerbearztes ein (vom 28. Februar 2000), der nunmehr zu dem Ergebnis kam, eine Anerkennung einer BK 2108 oder 2109 könne nicht empfohlen werden, da nach den Ermittlungen des TAD eine BK-relevante Exposition nicht gegeben sei und zudem die vorgelegten Röntgenbilder die Beurteilung der Dres. D. und E. bestätige.
Hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. März 2000 die Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung der Klägerin als BK ab. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen lägen nicht vor. Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen ergebe sich zudem kein hinreichend begründeter Verdacht, dass aus medizinischer Sicht eine beruflich verursachte bandscheibenbedingte Wirbelsäulenerkrankung vorliege.
Den hiergegen am 5. April 2000 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. März 2001 zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 3. April 2001 Klage vor dem Sozialgericht Marburg (SG).
Das SG holte zunächst auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein fachorthopädisches Gutachten bei Prof. Dr. F. (vom 25. April 2002) ein. Dieser stellte klinisch eine eingeschränkte Entfaltbarkeit der unteren LWS-Abschnitte und der BWS bei MRT-gesichertem Bandscheibenvorfall, eine Adipositas, einen Rundrücken mit nicht ausgleichbarer Verkürzung der großen Brustmuskeln, seitengleich bewegliche Hüft-, Knie- und Sprunggelenke ohne wesentliche Bewegungseinschränkung und ohne radiologisch nachweisbare Arthrosezeichen. Prof. Dr. F. wertete Röntgenaufnahmen aus den Jahren 2000 und 2002 aus und stellte hierbei eine degenerative Veränderung im Bereich der unteren LWS bei L4/L5 und L5/S1 sowie leichte Veränderungen der unteren HWS C5/C6 fest. Der Sachverständige führte hierzu aus, die geforderte berufsbedingte Belastung der Wirbelsäule sei durch die Klägerin erreicht worden, ein Bandscheibenschaden habe gesichert vorgelegen. Eine Wirbelsäulenfunktionsstörung sei vertikal und lumbal klinisch und radiologisch nachweisbar. Nach Wahrscheinlichkeit erscheine keine anlagebedingte Neigung zu einer Veränderung des Wirbelsäulenabschnitts vorzuliegen. Eine übermäßige radiologische und klinische Veränderung an anderen Gelenken sei ebenfalls nicht nachweisbar. Die Frage nach einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer berufsbedingten Veränderung der LWS müsse bejaht werden. Niemand sei in der Lage, eindeutig und unzweifelhaft zwischen belastungsbedingt und anlagebedingt zu unterscheiden. Die Anerkennung der BK 2108 wurde empfohlen. Im Falle der Klägerin handele es sich um ein polysegmentales Krankheitsbild.
Das SG holte anschließend ein fachorthopädisches Gutachten bei Prof. Dr. G. (vom 8. Oktober 2002) ein. Dieser diagnostizierte ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit Betonung der LWS und der HWS, eine Coxarthrose bds., rechts deutlich führend, und eine beidseitige AC-Gelenksarthrose. Er hielt die Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung sowohl als BK 2108 als auch als BK 2109 für gerechtfertigt. Die bei der Klägerin zu findenden Wirbelsäulenveränderungen zeigten einen multisegmentalen Befall, zumindest auf die LWS und die BWS bezogen, wobei die radiologischen Befunde deutlich das zu erwartende altersentsprechende Maß degenerativer Veränderungen überschritten. Im Hinblick auf die HWS finde sich eine ausgeprägte Osteochondrose im Segment C5/C6, wobei die angrenzenden Segmente keine wesentlichen über das altersentsprechende Maß hinausgehenden degenerativen Veränderungen zeigten. In der Gesamtschau seien die radiologischen Veränderungen als durchaus belastungskonform anzusehen. Zu der Beurteilung durch die Dres. D. und E. führte Prof. Dr. G. aus:
"Unserer Einschätzung nach [ ] finden sich deutliche, das altersentsprechende Maß überschreitende Veränderungen an der Lendenwirbelsäule und zwar nicht nur in dem schwer betroffenen Segment L4/L5, sondern auch den darüber liegenden LWS-Abschnitten. Die Einschätzung der Praxis D./E., dass es sich bei dem betroffenen Segment L4/L5 allenfalls um dem Alter der Versicherten entsprechende degenerative Veränderungen handele, kann aus radiologisch-orthopädischer Sicht nicht nachvollzogen werden. Das Argument, dass eine fehlende Beteiligung des Segmentes L5/S1 am Degenerationsprozess gegen eine Anerkennung spricht, kann ebenfalls nicht nachvollzogen werden. Als Begründung hierfür werden Ausführungen zur Biomechanik gemacht. Die Auffassung, dass das Segment L5/S1, welches das am höchsten belastete Segment ist, mit betroffen sein muss, ist eine mechanistische Auffassung des Degenerationsprozesses in der Wirbelsäule. Die praktischen Erfahrungen und auch die Statistik zeigt, dass eben das Segment L4/L5, welches das am zweithäufigsten betroffene Segment ist, unter Umständen zuerst befallen ist, dass also eine Beteiligung des Segmentes L5/S1 nicht per se notwendig sein muss. [ ... ] Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine nur mäßige Beteiligungen des Bandscheibenfaches L5/S1 nicht gegen eine berufliche Verursachung spricht, dass zweitens es sich in diesem Falle nicht um einen altersentsprechenden monosegmentalen Befall (Segment L4/L5) handele, sondern um einen weit über das altersentsprechende Maß hinausgehenden Verschleiß des Segmentes L4/L5 mit Beteiligung und auch hier wieder über das altersentsprechende Maß hinausgehenden, der darüber liegenden Abschnitte der LWS handelt."
Zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen regte der Sachverständige Nachermittlungen an.
Zu diesem Gutachten holte die Beklagte eine Stellungnahme der Dres. D. und E. (vom 31. Juli 2003) ein. Diese führten aus, die Argumentation des Gutachtens von Prof. Dr. G. stütze sich offenkundig in wesentlichen Teilen auf die Befundung von Röntgenaufnahmen der Jahre 2000 und 2002. Selbst wenn diese deutliche degenerative Reaktionen im Sinne der Osteochondrose und Spondylose zeigten, könne es sich Jahre nach Aufgabe der Tätigkeit nicht mehr um belastungsindizierte Reaktionen handeln. Es würde jeglicher wissenschaftlicher Logik widersprechen, dass ohne einwirkende Kräfte eine biologische Reaktion zu erwarten wäre. Eine Spätwirkung von früheren Belastungen gebe es nicht. Zum Zeitpunkt der Tätigkeitsaufgabe sei kein belastungskonformes Schadensbild zu belegen gewesen. Die Anerkennung einer BK 2108 oder 2109 könne weiterhin nicht befürwortet werden.
Hierzu holte das SG eine ergänzende Stellungnahme bei Prof. Dr. G. vom 8. Oktober 2003 ein. Dieser gab an davon auszugehen, dass bereits zum Zeitpunkt der Tätigkeitsaufgabe ein belastungskonformes Schadensbild vorgelegen habe. Es sei durchaus möglich, dass auch Spätwirkungen von beruflichen Belastungen aufträten.
Die Beklagte veranlasste eine ausführliche arbeitstechnische Stellungnahme des TAD vom 5. März 2004, der ein Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der BK 2108 bestätigte, bezüglich der BK 2109 jedoch verneinte. Es wurden insoweit drei verschiedene Berechnungen der Hebe- und Tragebelastung vorgenommen, wobei die "worst case"-Berechnung davon ausging, dass die gesamte im Schlachtbetrieb anfallende derartige Belastung die Klägerin betraf, während der Ehemann nicht entsprechend tätig war.
Das SG holte darauf eine weitere ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. G. ein (vom 19. Juli 2004). Dieser ging nun nicht mehr vom Vorliegen der Voraussetzungen der BK 2109 aus, insoweit bestehe Übereinstimmung mit der Befundung der Röntgenbilder der HWS von 1995 und der BWS von 1997 durch die Dres. D. und E ... Am Vorliegen der BK 2108 hielt der Sachverständige dagegen fest. Die LWS betreffend zeige die Beckenübersichtsaufnahme von Februar 1997 eine deutliche Osteochondrose mit Zunahme der spondylophytären Randausziehungen im Segment L4/L5 sowie altersentsprechende Befunde bei L3/L4. Die LWS-Röntgenaufnahme aus dem Jahr 1995 zeige eine Höhenminderung der Bandscheibe im Bereich L4/L5 sowie spondylophytäre Randausziehungen auch bei L5/S1, aber keine dramatischen Befunde. Die Aussage, eine vorzeitige Spondylose müsse bevorzugt an den oberen LWS-Segmenten bzw. an den unteren BWS-Segmenten vorhanden sein, sei rein mechanistisch gedacht und könne so nicht gelten. Auch würde es sich gegenseitig ausschließen, wenn ein multisegmentaler Befall als Indiz für eine konstitutionelle Störung und damit nicht anerkennungsfähig angesehen werde, andererseits aber eine aufsteigende Degeneration bis in den thorakolumbalen Übergangsbereich gefordert werde. Die besonders ausgeprägte degenerative Veränderung im Segment L4/L5, die schon 1997 erkennbar gewesen sei, hänge mit der beruflichen Belastung zusammen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 25. November 2004 abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Anerkennung und Entschädigung einer BK nach der BK-Nr. 2109 scheitere vorliegend bereits am Fehlen der arbeitstechnischen Voraussetzungen. Eine entsprechende Belastung der HWS habe bei der Klägerin ausweislich der Feststellung des TAD nicht vorgelegen. Für eine Anerkennung der BK nach der BK-Nr. 2108 lägen zwar die arbeitstechnischen Voraussetzungen vor, es fehle insoweit aber an den medizinischen Voraussetzungen. Das zu fordernde belastungskonforme Schadensbild zeitnah zur Berufsaufgabe liege nicht vor. Das SG folgte den Feststellungen der Dres. D. und E ... Der Schwerpunkt der Veränderungen habe immer im Segment L4/L5 gelegen. Noch fünf Jahre nach der Berufsaufgabe sei in der Auswertung der Röntgenaufnahmen aus dem Jahr 2000 durch Prof. Dr. G. der Befund im Segment L5/S1 als altersentsprechend bezeichnet worden. Es habe sich also nicht um einen von oben nach unten hin zunehmenden vorzeitigen degenerativen Befund aller LWS-Abschnitte gehandelt. Auch Prof. Dr. G. habe zugestanden, dass zeitnah zur Berufsaufgabe auch im Segment L3/L4 ein altersentsprechender Befund vorgelegen habe. Zu den Segmenten L1/L2 und L2/L3 fänden sich für diesen Zeitpunkt keine Angaben über vorauseilende Veränderungen. Zudem lägen – nachdem die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK 2109 nicht festgestellt werden könnten – deutliche degenerative Veränderungen auch in belastungsfernen Wirbelsäulenabschnitten vor. Weder Prof. Dr. F. noch Prof. Dr. G. hätten sich mit den geforderten Kriterien hinreichend auseinandergesetzt. Entgegen der Annahme des Prof. Dr. G. könne eine berufliche Verursachung nicht schon dann angenommen werden, wenn konkurrierende außerberufliche und/oder anlagebedingte innere Ursachen nicht zu identifizieren seien, da auch in der beruflich nicht belasteten Allgemeinbevölkerung Lendenbandscheibenschäden weit verbreitet seien.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 26. Januar 2005 zugestellte Urteil am 11. Februar 2005 Berufung eingelegt.
Die Klägerin ist der Auffassung, die bei ihr bestehenden Wirbelsäulenbeschwerden seien auf die beruflichen Belastungen während ihrer Tätigkeit als Metzgerin zurückzuführen. Sie bezieht sich hierbei insbesondere auf die Gutachten des Prof. Dr. F. und des Prof. Dr. G. Im Übrigen ließe auch das Gutachten des vom Senat beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. H. keine endgültige Festlegung zu. Zudem habe Prof. Dr. H. gegenüber der Klägerin bestätigt, dass die Beschwerden allesamt von der Arbeit kämen. Außerdem bestünden mittlerweile psychische Probleme, die auf die schmerzhafte Wirbelsäulenerkrankung zurückzuführen seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 25. November 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8. März 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. März 2001 zu verurteilen, ihre Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit nach den Nrn. 2108 und 2109 der Anlage zur BKV anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für rechtmäßig und sieht diese durch das Gutachten von Prof. Dr. H. bestätigt.
Der Senat hat ein orthopädisches Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. H. vom 9. Februar 2006 eingeholt nach persönlicher Untersuchung der Klägerin. Dieser hat die Röntgenaufnahmen aus den Jahren 1995 bis 2001 sowie im Rahmen der Begutachtung erstellte Röntgenaufnahmen ausgewertet. Hieraus ergab sich eine nach dem 20. Februar 1997 eingetretene deutliche Befundverschlechterung im Bereich L4/5 mit Höhepunkt um das Jahr 2000. Die Verschmälerung der Gelenkspalte habe im Jahre 2001 deutlich zugenommen. Die überbrückende und damit einsteifende Spondylose der unteren BWS finde sich nicht - wie üblicherweise - in der Konkavität, sondern in der Konvexität ausgeprägt und habe seit 1997 kontinuierlich deutlich zugenommen. Insgesamt stellte Prof. Dr. H. folgende radiologische Veränderungen und funktionelle Beeinträchtigungen fest:
"- Halswirbelsäule: Altersentsprechende geringe umformende und verschleißende Veränderungen in der unteren Halswirbelsäule (wie sie sich üblicherweise nach Rückbildung der Bandscheibengefäße zunächst an der Halswirbelsäule langsam fortschreitend ab dem 10. Lebensjahr entwickeln).
- Brustwirbelsäule Leicht S-förmige Einstellung der Brustwirbelsäule mit altersentsprechenden umformenden und verschleißenden Veränderungen in der unteren Brustwirbelsäule innerhalb des Rippenkäfigs. Die Veränderungen entsprechen im Ausprägungsgrad denen der Halswirbelsäule.
- Lendenwirbelsäule I Minimale Vorderkantenspondylose in LW3/4 (die sich seit 1995 nicht geändert hat) und fortschreitende Spondylarthrose (Veränderungen der Wirbelbogengelenke) L5/S1 in Folge anlagebedingter nicht paralleler Ausrichtung (die bei ungefähr 10 % der Menschen zu erwarten ist) ohne auffällige Bandscheibenbeteiligung. Keine belastungsadaptiven Veränderungen an der Lendenwirbelsäule.
- Lendenwirbelsäule II Ausgeprägte verschleißende Veränderungen mit erheblicher fortschreitender Höhenminderung des Zwischenwirbelraumes LW4/5 und seitlich ausladenden umformenden Veränderungen mit deutlicher Befundbeschleunigung zwischen 2000 und 2001. Die Befundsklerosierung in diesem Bereich ab 2000 kann sowohl dem typischen pathophysiologischen Verlauf der Bandscheibendegeneration L4/5 entsprechen, wie sie seit 1995 bekannt ist; die rasche Befundveränderung lässt aber auch an den Ablauf eines entzündlichen Prozesses innerhalb der Bandscheibe - zum Beispiel nach einer Injektion in diesen Bereich - denken."
Prof. Dr. H. hat das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung sowohl in der LWS als auch in der HWS bejaht, sieht insoweit jedoch nicht die Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK 2108 oder BK 2109 gegeben. Der klinische und röntgenologische Befund im Bereich der HWS unterscheide sich in keiner Weise von altersentsprechenden Verläufen. Bekanntlich beginne der Bandscheibenverschleiß des Menschen in der unteren HWS. Insbesondere sprechen die ausgeprägten Befunde in der BWS für eine anlagebedingte Erkrankung und gegen äußere Einflüsse. Als Handhabungsmöglichkeiten zur Bewertung solcher LWS-Erkrankungen stünden mittlerweile die "Medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule. Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe. Trauma und Berufskrankheit 7(2005) 211 bis 252" zur Verfügung. Konkurrierende Ursachen für die Veränderungen im Zwischenwirbelraum L4/5 seien im konkreten Fall nicht festzustellen. Die Veränderungen an der HWS und der BWS, die Reifungsstörung der LWS, die Variation der Stellung der Wirbelbogengelenke stünden wahrscheinlich nicht im Zusammenhang mit den Veränderungen des Zwischenwirbelraumes L4/5. Es fehlten aber jegliche belastungsadaptive Veränderungen, wie sie im Leistungssport regelmäßig anzutreffen seien, und worauf mit umfassenden Ausführungen in den beiden Gutachten von Dr. E., aber auch in den Konsensempfehlungen hingewiesen worden sei. Der nahezu isolierte Befund im Zwischenwirbelraum L4/5 der Klägerin sei deshalb mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht Folge einer langjährigen und regelmäßigen Belastung. Dies ändere nichts daran, dass die Ursache der Bandscheibendegeneration (kein Bandscheibenvorfall) unbekannt sei und vermutlich viele Jahre vor den hier zur Verfügung stehenden ersten Röntgenaufnahmen des Jahres 1995 gelegt worden sei. Die Ursache für Verschleißerscheinungen an den Haltungs- und Bewegungsorganen sei selbst bei den Gliedmaßengelenken in mehr als 50 % der Fälle nicht zu ermitteln, man spreche deshalb von idiopathischer Arthrose, d.h. Arthrose unbekannten Ursprungs. Die Situation der Klägerin komme der "Konstellation B 3" der Konsensusempfehlungen nahe, wenn man nur den LWS-Befund betrachte. Hauptargument gegen eine berufliche Belastung entsprechend den Anforderungen der BK 2108 oder 2109 sei aber die gleichsinnige Entwicklung des einsteifenden Befundes an der BWS.
Die Klägerin hat beantragt, ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten nach § 109 SGG bei Dr. J. einzuholen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig (§ 143 SGG), jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente aus Anlass einer BK der Nr. 2108 oder der Nr. 2109 der Anlage zur BKV, weil deren Voraussetzungen nicht vorliegen.
BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch –SGB- VII (bis zum Inkrafttreten des SGB VII § 551 Abs. 1 Satz 2 Reichesversicherungsordnung –RVO-) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Nach der BKV gehören zu den BKen auch "bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung" (Nr. 2108) und "bandscheibenbedingte Erkrankungen der HWS durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter" (Nr. 2109), sofern sie jeweils zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Voraussetzung für die Feststellung einer BK nach diesen Listen-Nrn. ist, dass die versicherte Tätigkeit, die arbeitstechnischen Voraussetzungen (schädigende berufliche Einwirkungen) sowie die Erkrankung, für die Entschädigungsleistungen geltend gemacht wird, im Vollbeweis (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) festgestellt werden (BSGE 61, 127; 45, 285, 287). Für die Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen den schädigenden Einwirkungen und den Gesundheitsstörungen genügt dagegen die hinreichende Wahrscheinlichkeit, die bloße Möglichkeit reicht jedoch nicht (vgl. Bundessozialgericht –BSG- in SozR 2200 § 581 Nr. 26). Ein Zusammenhang ist wahrscheinlich, wenn bei der Abwägung der für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen diese so stark überwiegen, dass darauf die Überzeugung der entscheidenden Stelle gegründet werden kann (vgl. BSGE 61, 127, 128; 58, 76, 78). Lassen sich unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht nachweisen, so geht dies nach dem auch im Sozialrecht geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Versicherten, wenn er hieraus eine ihm günstigere Rechtsfolge herleiten will (BSG in SozR 3-2200 § 548 Nrn. 11 und 14; BSGE 58, 76, 79; 43, 110, 111; 41, 297, 300 und 6, 70, 72).
Dem Verordnungstext zur BK-Nr. 2109 können zwar die einzelnen Tatbestandsmerkmale der arbeitstechnischen Voraussetzungen dieser BK (langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter) nicht genau entnommen werden. Insoweit handelt es sich um einen auslegungsbedürftigen und -fähigen unbestimmten Rechtsbegriff, der jedoch noch nicht gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot verstößt (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 1999 - B 2 U 12/98 R - zur gleichgelagerten Problematik bei der BK-Nr. 2108). Unter Berücksichtigung der in den Gesetzesmaterialien (Begründung zur Änderung der BKV, Abschnitt B zu Artikel 1 Nr. 4a) in BR-Drucks. 773/92, S. 9) und in dem vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) herausgegebenen Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK-Nr. 2109 (in Bundesarbeitsblatt 3/1993, S. 53) - im folgenden: Merkblatt zur BK 2109 - genannten arbeitstechnischen Kriterien, hält der Senat zur Bejahung einer beruflichen Exposition im Sinne der BK-Nr. 2109 eine mindestens zehnjährige Tätigkeit mit dem Tragen von Lastgewichten von 50 kg und mehr auf der Schulter für erforderlich. Die Lasten müssen mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten getragen worden sein. Hierbei sieht der Senat eine gewisse Regelmäßigkeit und Häufigkeit nur dann als gegeben an, sofern pro Arbeitsschicht mindestens eine Stunde lang Lasten von 50 kg und mehr auf der Schulter getragen worden sind, und zwar bei gleichzeitig nach vorn und seitwärts erzwungener Kopfhaltung (s. u.a. HLSG, Urteile vom 3. Mai 2005 – L 3 U 71/04 -, 17. April 2004 – L 3 U 780/00 -, 20. August 2003 – L 3 U 450/97 -, 28. Mai 2003 L 3 U 785/00 – , vom 10. Dezember 2003 – L 3 U 981/00 ; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11. November 1998 - L 2 U 883/98 -). Denn nach dem Willen der Verordnungsgeberin (vgl. BR-Drucks. 773/92, S. 8 und 9) sollen von dieser BK nur die Berufsgruppen erfasst werden, bei denen außergewöhnlich hohe Belastungen der Wirbelsäule durch Heben und Tragen von Lasten regelmäßig wiederkehrende Tätigkeitsmerkmale sind. Als hierfür typische Tätigkeiten sind bezüglich der BK-Nr. 2109 die Fleischträger in Schlachthäusern, die Lasten auf der Schulter oder über Kopf unter Zwangshaltung im Bereich der HWS und maximaler Anspannung der Nackenmuskulatur transportieren, sowie als Berufsgruppe mit vergleichbaren Belastungen die Lastenträger, die schwere Säcke auf der Schulter tragen, genannt worden. Der Aufnahme der BK-Nr. 2109 in die BKV lagen die epidemiologischen Studien über das Verhältnis zwischen HWS-Veränderungen und der Tätigkeit von Fleischabträgern von L. Hult von 1954 ("Cervical, dorsal and lumbar spinal syndromes, a field investigation of a non-selected material of 1 200 workers in different occupations with special reference to disc degeneration and so-called muscular rheumatism" in Acta Orthop. Suppl. 17, 1954) sowie von G. E. und W. Rademacher von 1971 ("Die Bedeutung von Belastung und außergewöhnlicher Haltung für das Entstehen von Verschleißschäden der Halswirbelsäule, dargestellt an einem Kollektiv von Fleischabträgern" in Zeitschrift für die gesamte Hygiene und ihre Grenzgebiete 17 (1971) 11, S. 841 bis 843) zu Grunde (vgl. Merkblatt zur BK 2109 S. 5). Danach war die Arbeit der Fleischabträger durch das Tragen von Tierhälften oder -vierteln von 50 kg und mehr auf dem Kopf bzw. dem Schultergürtel geprägt. Die hierbei nach vorn und seitwärts erzwungene Kopfbeugehaltung und das gleichzeitige maximale Anspannen der Nackenmuskulatur führten zu einer Hyperlordosierung und auch zu einer Verdrehung der HWS. Das im Vergleich zu dem im vom BMA herausgegebenen Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK-Nr. 2108 (in Bundesarbeitsblatt 3/1993, S. 50) genannte höhere Lastgewicht begründet sich mit dem Umstand, dass auf der Schulter bzw. dem Kopf die getragene Last achsennah einwirkt und der Hebelarm, der bei der Belastung der LWS durch Heben und Tragen schwerer Lasten zu berücksichtigen ist, entfällt. Zwar sind zur Frage der Häufigkeit oder zum Zeitanteil der Tragevorgänge je Arbeitsschicht weder den Gesetzesmaterialien noch dem Merkblatt zur BK 2109 konkrete Hinweise zu entnehmen, auch sind nach den Erkenntnissen des Senats bisher keine epidemiologischen Studien bekannt, in denen eine statistisch abgesicherte Korrelation zwischen der Häufigkeit der Tragevorgänge auf der Schulter und einer Erkrankung der HWS aufgestellt wurde. Gleichwohl sieht der Senat es als sachgerecht an, als Mindestkriterium einen täglichen Zeitanteil pro Arbeitsschicht von einer Stunde (netto) für die spezifische Tragetätigkeit zu fordern. Denn nach dem Willen der Verordnungsgeberin sollen von der BK-Nr. 2109 nur Tätigkeiten, die mit einer außergewöhnlich hohen spezifischen Tragebelastung verbunden sind, erfasst werden. Orientiert man sich an den in den Gesetzesmaterialien genannten Berufsgruppen, den vollschichtig als Fleischabträger oder Lastenträger eingesetzten Versicherten, und berücksichtigt man weiterhin, dass die zugrundeliegenden Studien aus den Jahren 1954 und 1971 noch auf Arbeitsbedingungen beruhen, die seit Ende der sechziger Jahre wegen der massiv eingetretenen Mechanisierung des Lastentransportes durch Einführung von Kränen, Lastenaufzügen, Förderbänder, Rohrbahnen, Gabelstapler u.ä. kaum noch anzutreffen sind, so muss die spezifische Tragetätigkeit einen deutlichen Teil der täglichen Arbeitszeit ausmachen, um sie als gefährdend im Sinne der BK-Nr. 2109 ansehen zu können. Schließlich wird auch in den der Einführung der BK-Nr. 2108 zugrundeliegenden epidemiologischen Studien (vgl. Merkblatt zur BK 2108 a.a.O., S. 6) bezüglich der gefährdeten Berufsgruppe der Schwesternhelferinnen als tägliche spezifische Belastungsdauer ein Zeitanteil von ca. 12 % der Arbeitsschicht genannt, der bei einem Acht-Stunden-Arbeitstag ca. 58 Minuten, d.h. etwa einer Stunde, entspricht. Zwar sind die arbeitstechnischen Kriterien zur BK 2108 im Hinblick auf die anders geartete Belastung der LWS durch Hebe- und Tragetätigkeiten nicht direkt auf die BK-Nr. 2109 zu übertragen, bis zum Vorliegen anderer Anhaltspunkte, insbesondere konkreter epidemiologischer Belastungsstudien betreffend die HWS, ist hierin jedoch eine angemessene Orientierungshilfe zu sehen (so auch: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11. November 1998 - L 2 U 883/98 -; SG Gießen, Urteil vom 22. Januar 1997 - S 1 U 509/95 - in Breithaupt 1997, 771, 780).
Die Klägerin leidet zwar an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der HWS, gemessen an den zuvor genannten Kriterien steht zur Überzeugung des Senats jedoch nicht fest, dass diese mit Wahrscheinlichkeit durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter verursacht worden ist, da die von der Klägerin bis Februar 1995 ausgeführten beruflichen Tätigkeiten nicht den tatbestandlichen Voraussetzungen der BK-Nr. 2109 entsprechen. Die diesbezügliche Überzeugung des Senats gründet sich auf alle im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gewonnenen Erkenntnisse (§ 128 SGG), insbesondere die Angaben der Klägerin zu ihren Tragebelastungen und die vorgelegten Unterlagen zu den Schlachtmengen im Mai 1992 und den in der Arbeitsplatzanalyse des TAD der Beklagten vom 5. März 2004 dokumentierten Sachverhalt. Selbst in der "worst case"-Betrachtung, d.h. unter der Voraussetzung, dass sämtliche Tragearbeiten im Betrieb von der Klägerin und nicht von ihrem Ehemann durchgeführt wurden, führt dies zu einer entsprechenden Belastung über nur ca. 39 Minuten pro Arbeitsschicht.
Nach Feststellung des Sachverständigen Prof. Dr. H. in dessen Gutachten vom 9. Februar 2006 sind zudem auch die medizinischen Voraussetzungen einer BK 2109 nicht gegeben. Im Bereich der HWS finden sich klinisch und röntgenologisch lediglich altersentsprechende Verläufe. In gleicher Ausprägung finden sich zudem altersentsprechende umformende und verschleißende Veränderungen im Bereich der BWS, was zusätzlich für eine anlagebedingte und gegen eine durch äußere Einflüsse bedingte Entwicklung spricht. Dieses Ergebnis hat auch der erstinstanzlich tätige Sachverständige Prof. Dr. G. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19. Juli 2004 bestätigt.
Unstreitig hat die Klägerin dagegen die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK der LWS, BK 2108 der Anlage zur BKV, durch ihre Tätigkeit als Metzgerin vom 1. April 1963 bis 26. Februar 1995 erfüllt und es liegt auch ein bandscheibenbedingtes LWS-Leiden vor. Dies führt jedoch nicht zu der im Sinne des Anscheinsbeweises zu rechtfertigenden Annahme, dass auch von einem wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhang der Erkrankung mit der beruflichen Belastung im Rahmen der medizinischen Zusammenhangsbeurteilung auszugehen wäre (vgl. HLSG, Urteile vom 27. November 2000 – L 3 U 823/97 - und vom 24. Oktober 2001 – L 3 U 408/98 -; BSG, Urteil vom 18. November 1997 – 2 RU 48/96 -). Für die Anerkennung einer LWS-Erkrankung als BK nach BK-Nr. 2108 müssen Art, Ausprägung und Lokalisation des Krankheitsbildes der spezifischen Einwirkung entsprechen. Die bildtechnisch nachweisbaren segmentalen Bandscheibenveränderungen und deren Folgen müssen das altersdurchschnittlich zu erwartende Ausmaß übersteigen, (vgl. Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheiten-Verordnung, Kommentar, Anm. 5.3 zu M 2108).
Die Voraussetzungen einer Anerkennung sind bei der Klägerin nicht erfüllt. Unter Bezugnahme auf die "Medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule. Konsensusempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe. Trauma und Berufskrankheit 3 (2005) 211-252" ist mit Prof. Dr. H. festzustellen, dass es bei der Klägerin an jeglichen belastungsadaptiven Veränderungen fehlt. Es ist lediglich ein nahezu isolierter (monosegmentaler) Befund im Zwischenwirbelraum L4/5 der Klägerin zu erheben. Die Beurteilung dieser Konstellation und das Erfordernis solcher belastungsadaptiver Veränderungen, insbesondere einer so genannten Begleitspondylose, ist in der aktuellen gutachterlichen Diskussion unter den die Konsensusempfehlungen bearbeitenden Sachverständigen umstritten. Nach der Beurteilung von Prof. Dr. H. ist ein monosegmentaler Befund, wie er bei der Klägerin festzustellen ist, mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht Folge einer langjährigen und regelmäßigen Belastung. Letztlich ist die Ursache der hier vorliegenden Bandscheibendegeneration (ohne Bandscheibenvorfall) demnach unbekannt. Mit dieser Einschätzung folgt Prof. Dr. H. der Bewertung der Gruppe der Sachverständigen in der Konsensusgruppe, die im Falle einer entsprechenden Schadenskonstellation einen Ursachenzusammenhang mit einer belastenden Tätigkeit verneinen. Es handelt sich bei der vorliegende Befundsituation um die Konstellation B 3 der Konsensempfehlungen, bezüglich derer letztlich unter den Sachverständigen keine Einigung erzielt werden konnte. Es sprechen jedoch gewichtige Argumente gegen einen Zusammenhang: Zunächst entspricht diese Konstellation der häufigsten Manifestationsform eigenständiger Bandscheibenerkrankungen innerer Ursache an der LWS. Es existieren keinerlei epidemiologische Arbeiten, welche nachweisen, dass bei Schadensbildern, die der Konstellation B 3 entsprechen, bei beruflich Exponierten im Vergleich zur Normalbevölkerung statistisch eine relevante Risikoerhöhung besteht. Die epidemiologische Literatur zu berufsbedingten Bandscheibenerkrankungen bestätigt eine relative Häufung von Chondrosen bei schwerer im Vergleich zu leichter Arbeit an der mittleren und oberen LWS und eine absolute Häufung in den unteren beiden LWS-Segmenten; dies entspricht auch der aus biomechanischer Sicht zu erwartenden Entwicklung, während ein monosegmentaler Befall biomechanisch kaum plausibel ist (vgl. zu alldem Grosser, E., Anmerkungen zu den nicht im Konsens beurteilten Fallkonstellationen, Anhang 1, Trauma und Berufskrankheit 3 (2005), 219 f.). Andere Vertreter (vgl. Seidler, Bolm-Audorff, Anmerkungen zu den nicht im Konsens beurteilten Fallkonstellationen, Anhang 2, Trauma und Berufskrankheit 3 (2005), 221 f.) halten den hohen Stellenwert einer Begleitspondylose für die Beurteilung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS für wissenschaftlich nicht begründbar. Damit ist nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Diskussion ein Zusammenhang eines monosegmentalen Bandscheibenschadens im Bereich der unteren LWS, wie er bei der Klägerin beschrieben ist, zwar nicht auszuschließen, er lässt sich in dieser Konstellation jedoch nicht im erforderlichen Maß wahrscheinlich machen, was im Rahmen der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin geht.
Im Falle der Klägerin kommt nach Feststellung von Prof. Dr. H. hinzu, dass die BWS ebenfalls einsteifende degenerative Veränderungen aufweist, die für eine konstitutionelle Entwicklung sprechen.
Dem Antrag auf Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens bei Dr. J. nach § 109 SGG wegen der bei der Klägerin mittlerweile eingetretenen psychischen Beschwerden, die sie auf die Schmerzhaftigkeit der Wirbelsäulenerkrankung zurückführt, war nicht zu entsprechen. Da eine Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung als BK nicht erfolgen kann, scheidet auch eine Anerkennung der psychischen Erkrankung aus, selbst wenn sie sich ursächlich auf die Schmerzhaftigkeit der Wirbelsäulenerkrankung zurückführen ließe.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte Erkrankungen der Halswirbelsäule (HWS) und der Lendenwirbelsäule (LWS) der Klägerin als Berufskrankheiten (BKen) nach den Nummern 2109 und 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) zu entschädigen hat.
Die 1948 geborene Klägerin hat ab 1. April 1963 eine Ausbildung zur Fleischereifachverkäuferin absolviert und war dann bis 30. Juni 1979 in der Metzgerei ihres Vaters tätig. Vom 1. Juli 1979 an betrieb die Klägerin mit ihrem Ehemann einen Schlachtbetrieb. Hier schlachtete sie gemeinsam mit ihrem Ehemann ganztägig Rinder und Schweine im eigenen Schlachthaus und verarbeitete das Fleisch weiter, bevor es an Metzgereien weiterverkauft wurde. Die Klägerin gab an, in dem Betrieb seien wöchentlich sieben bis zehn Rinder und 50 bis 70 Schweine geschlachtet worden. Sie habe täglich 50 Mal und mehr Schweinehälften mit einem Gewicht von 40 bis 60 kg und Rinderviertel mit einem Gewicht von 80 bis 120 kg innerhalb des Schlachthauses und auch zum Transporter getragen. Das Tragen sei vor dem Körper, auf dem Rücken und auf der Schulter eng am Körper erfolgt. Im Sommer habe sie diese Tätigkeit bis zu 70 Stunden und im Winter bis zu 40 Stunden ausgeübt. Dieses Heben und Tragen schwerer Lasten habe den überwiegenden Teil ihrer Arbeit ausgemacht. Ab 26. Februar 1995 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt und nicht mehr in den Beruf zurückgekehrt, ein Arbeitsversuch im August 1995 scheiterte. Am 3. September 1996 stellte die Klägerin bei der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte einen Rentenantrag.
Am 14. August 1998 ging bei der Beklagten ein Antrag der Klägerin auf Anerkennung und Entschädigung ihrer LWS- und HWS-Erkrankung als BKen ein.
Die Beklagte zog eine Reihe von Berichten der behandelnden Ärzte und Kliniken der Klägerin bei. Im Rahmen einer stationären Rehabilitationsbehandlung in der Salinen Klinik Bad Rappenau vom 1. Mai bis zum 29. Mai 1996 wurden folgende Diagnosen gestellt:
- Vertebragenes pseudoradikuläres Cervikalsyndrom bei Fehlstatik und degenerativen Veränderungen
- Vertebragenes pseudoradikuläres Lumbalsyndrom bei Fehlhaltung, degenerativen Veränderungen, Protrusio L4/5
- Coxarthrose re. ) li., Busse Grad I-II
- AC-Gelenkarthrose bds., beginnende Omarthrose bds., Ansatztendinose der Supraspinatussehne re.
Es fand sich eine Druckschmerzhaftigkeit im mittleren und unteren HWS-Bereich bei endgradig schmerzhafter Beweglichkeit. Die Rotation war bds. bis 70°, die Seitneigung bis 30° bds. möglich, der Kinn-Jugulum-Abstand betrug 2/19 cm. Es fand sich ein Hartspann der cervikalen Muskulatur, die Kraft der Nackenstrecker und –beuger war unauffällig. Die untere LWS war diffus klopfschmerzhaft, der Finger-Boden-Abstand betrug 0 cm, das Zeichen nach Schober wurde mit 10/14 cm gemessen, das Zeichen nach Ott 30/31 cm. Die Seitneigung der LWS war bis zu 20° bds. möglich, die Rotation bds. bis zu 40°. Die paravertebrale Muskulatur war – rechtsseitig im Lumbalbereich verstärkt – verkürzt.
Der Orthopäde Dr. C. erstellte für den Rentenversicherungsträger ein Gutachten nach Untersuchung der Klägerin am 14. Februar 1997. Neben den fachfremden Diagnosen eines arteriellen Hypertonus und einer Adipositas stellte dieser folgende Diagnosen:
- Rezidivierende Lumbago mit pseudoradikulärer Ausstrahlung rechts bei leichten degenerativen LWS-Veränderungen (einschließlich altem "Lenden-Scheuer-mann"), Beckenverwringung und ISG-Irritation rechts
- Chronisches Zervikobrachial- und Thorakal-Syndrom bei röntgenologisch leichter Schädigung der Etagen C5 bis C7 ohne Wurzelkompressionszeichen und bei BWS-Fehlstatik
- Tendopathia calcarea rechtes Schultergelenk mit endgradigen Bewegungseinschänkungen (röntgenologisch und sonographisch nachgewiesen)
- Epicondylitis humeroradialis beidseits
- Leichte Heberden-Polyarthrose beider Hände ohne gröbere röntgenologische Veränderungen (bei angeborener Hypoplasie der Metacarpalia IV beidseits, funktionell kompensiert)
- Beginnende Coxarthrose rechts bei mittelgradiger Hüftgelenksdysplasie beidseits
- Leichte Chondropathia patellae beidseits
Dr. C. wertete die Röntgenaufnahmen aus der Salinen Klinik Bad Rappenau aus und stellte hier im Bereich der HWS leichte Bandscheibenverschmälerungen im Bereich der Segmente C5/C6 und ventrale/dorsale Spondylophyten der beiden unteren Etagen fest, im Bereich C6/C7 nur noch andeutungsweise erkennbar. Die Kopfgelenke fanden sich altersentsprechend, die kleinen Wirbelgelenke nur geringgradig degenerativ verändert. Im Bereich der LWS ergaben sich leichte Bandscheibenhöhenminderungen L3 bis L5 mit spondylotischen Kantenreaktionen, überwiegend ventral, mittelgroße Lateralspondylophyten der unteren LWS, insbesondere L4/L5, und mehrere Residuen alter Schmorl’scher Knötchen L2 und L3 als Zeichen für einen abgelaufenen Lenden-Scheuermann. Typische osteochondrotische Veränderungen der Deck- und Grundplatten fanden sich nicht.
Die Beklagte holte ein orthopädisches Zusammenhangsgutachten nach Aktenlage bei den Dres. D. und E. vom 28. April 1999 ein. Diese werteten insbesondere Röntgenaufnahmen vom 4. April 1995 (LWS und Becken), vom 24. Mai 1995 (HWS und LWS), vom 20. Februar 1997 (HWS und Brustwirbelsäule –BWS-) und vom 15. September 1997 (LWS und Becken) aus und kamen zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin im Bereich der LWS zwar im Segment L4/L5 eine bandscheibenbedingte Erkrankung bestehe, dass aber belastungsadaptive Reaktionen fehlten und deshalb ein belastungskonformes Schadensbild im Sinne der BK 2108 nicht bestätigt werden könne. Selbst im Segment L4/L5, wo eine Verschmälerung des Bandscheibenraumes auf eine Bandscheibenerkrankung hinweise, entspreche die Ausprägung der spondylotischen Kantenausziehungen allenfalls dem Alter der Klägerin. Die Osteochondrose betraf ebenfalls überwiegend das Segment L4/L5, die anderen Etagen ließen noch keine oder allenfalls angedeutete Reaktionen erkennen. Man hätte aber in allen Lendenwirbeln dem Alter deutlich vorauseilende umformende spondylotische und osteochondrotische Veränderungen finden müssen, um von belastungsadaptiven Reaktionen zu sprechen. Zudem weise das am stärksten belastete Segment L5/S1 keine relevanten Reaktionen auf, was ebenfalls gegen einen beruflichen Zusammenhang spreche. Die HWS dagegen weise lediglich altersübliche degenerative Veränderungen auf, weshalb eine Anerkennungsempfehlung zur BK 2109 nicht in Frage komme.
Der Landesgewerbearzt empfahl in seiner Stellungnahme vom 15. Juni 1999 eine weitere Begutachtung, da er unterschiedliche Bewertungen der Röntgenbefunde im Gutachten der Dres. D. und E. gegenüber dem Gutachten von Dr. C. und dem Entlassungsbericht der Salinen Klinik in Bad Rappenau sah.
Die Beklagte nahm daraufhin arbeitstechnische Ermittlungen auf und forderte zunächst von der Klägerin Geschäftsunterlagen zur Überprüfung ihrer Angaben zu den Hebe- und Tragebelastungen an. Die Klägerin legte exemplarische Ein- und Verkaufsbelege des Schlachtbetriebes ihres Ehemannes für den Monat Mai 1982 vor. Die Beklagte ließ die Unterlagen durch ihren Technischen Aufsichtsdienst (TAD) auswerten, der unter dem 20. Dezember 1999 ausführte, die angegebenen Schlachtmengen würden nicht erreicht. In dem von der Klägerin exemplarisch ausgewählten Monat Mai 1982 seien nur 77 Schweine, 11 Rinder und ein Kalb geschlachtet worden. Es sei auch mit Nutzvieh gehandelt worden, das ohne Tragebelastung transportiert werde. Es errechne sich eine Last von 440 kg pro Arbeitstag, wobei die Aufteilung der Tragelast unter den Eheleuten nicht zu ermitteln sei.
Die Beklagte holte hierzu sowie unter Vorlage der relevanten Röntgenbilder eine weitere Stellungnahme des Landesgewerbearztes ein (vom 28. Februar 2000), der nunmehr zu dem Ergebnis kam, eine Anerkennung einer BK 2108 oder 2109 könne nicht empfohlen werden, da nach den Ermittlungen des TAD eine BK-relevante Exposition nicht gegeben sei und zudem die vorgelegten Röntgenbilder die Beurteilung der Dres. D. und E. bestätige.
Hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. März 2000 die Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung der Klägerin als BK ab. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen lägen nicht vor. Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen ergebe sich zudem kein hinreichend begründeter Verdacht, dass aus medizinischer Sicht eine beruflich verursachte bandscheibenbedingte Wirbelsäulenerkrankung vorliege.
Den hiergegen am 5. April 2000 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. März 2001 zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 3. April 2001 Klage vor dem Sozialgericht Marburg (SG).
Das SG holte zunächst auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein fachorthopädisches Gutachten bei Prof. Dr. F. (vom 25. April 2002) ein. Dieser stellte klinisch eine eingeschränkte Entfaltbarkeit der unteren LWS-Abschnitte und der BWS bei MRT-gesichertem Bandscheibenvorfall, eine Adipositas, einen Rundrücken mit nicht ausgleichbarer Verkürzung der großen Brustmuskeln, seitengleich bewegliche Hüft-, Knie- und Sprunggelenke ohne wesentliche Bewegungseinschränkung und ohne radiologisch nachweisbare Arthrosezeichen. Prof. Dr. F. wertete Röntgenaufnahmen aus den Jahren 2000 und 2002 aus und stellte hierbei eine degenerative Veränderung im Bereich der unteren LWS bei L4/L5 und L5/S1 sowie leichte Veränderungen der unteren HWS C5/C6 fest. Der Sachverständige führte hierzu aus, die geforderte berufsbedingte Belastung der Wirbelsäule sei durch die Klägerin erreicht worden, ein Bandscheibenschaden habe gesichert vorgelegen. Eine Wirbelsäulenfunktionsstörung sei vertikal und lumbal klinisch und radiologisch nachweisbar. Nach Wahrscheinlichkeit erscheine keine anlagebedingte Neigung zu einer Veränderung des Wirbelsäulenabschnitts vorzuliegen. Eine übermäßige radiologische und klinische Veränderung an anderen Gelenken sei ebenfalls nicht nachweisbar. Die Frage nach einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer berufsbedingten Veränderung der LWS müsse bejaht werden. Niemand sei in der Lage, eindeutig und unzweifelhaft zwischen belastungsbedingt und anlagebedingt zu unterscheiden. Die Anerkennung der BK 2108 wurde empfohlen. Im Falle der Klägerin handele es sich um ein polysegmentales Krankheitsbild.
Das SG holte anschließend ein fachorthopädisches Gutachten bei Prof. Dr. G. (vom 8. Oktober 2002) ein. Dieser diagnostizierte ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit Betonung der LWS und der HWS, eine Coxarthrose bds., rechts deutlich führend, und eine beidseitige AC-Gelenksarthrose. Er hielt die Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung sowohl als BK 2108 als auch als BK 2109 für gerechtfertigt. Die bei der Klägerin zu findenden Wirbelsäulenveränderungen zeigten einen multisegmentalen Befall, zumindest auf die LWS und die BWS bezogen, wobei die radiologischen Befunde deutlich das zu erwartende altersentsprechende Maß degenerativer Veränderungen überschritten. Im Hinblick auf die HWS finde sich eine ausgeprägte Osteochondrose im Segment C5/C6, wobei die angrenzenden Segmente keine wesentlichen über das altersentsprechende Maß hinausgehenden degenerativen Veränderungen zeigten. In der Gesamtschau seien die radiologischen Veränderungen als durchaus belastungskonform anzusehen. Zu der Beurteilung durch die Dres. D. und E. führte Prof. Dr. G. aus:
"Unserer Einschätzung nach [ ] finden sich deutliche, das altersentsprechende Maß überschreitende Veränderungen an der Lendenwirbelsäule und zwar nicht nur in dem schwer betroffenen Segment L4/L5, sondern auch den darüber liegenden LWS-Abschnitten. Die Einschätzung der Praxis D./E., dass es sich bei dem betroffenen Segment L4/L5 allenfalls um dem Alter der Versicherten entsprechende degenerative Veränderungen handele, kann aus radiologisch-orthopädischer Sicht nicht nachvollzogen werden. Das Argument, dass eine fehlende Beteiligung des Segmentes L5/S1 am Degenerationsprozess gegen eine Anerkennung spricht, kann ebenfalls nicht nachvollzogen werden. Als Begründung hierfür werden Ausführungen zur Biomechanik gemacht. Die Auffassung, dass das Segment L5/S1, welches das am höchsten belastete Segment ist, mit betroffen sein muss, ist eine mechanistische Auffassung des Degenerationsprozesses in der Wirbelsäule. Die praktischen Erfahrungen und auch die Statistik zeigt, dass eben das Segment L4/L5, welches das am zweithäufigsten betroffene Segment ist, unter Umständen zuerst befallen ist, dass also eine Beteiligung des Segmentes L5/S1 nicht per se notwendig sein muss. [ ... ] Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine nur mäßige Beteiligungen des Bandscheibenfaches L5/S1 nicht gegen eine berufliche Verursachung spricht, dass zweitens es sich in diesem Falle nicht um einen altersentsprechenden monosegmentalen Befall (Segment L4/L5) handele, sondern um einen weit über das altersentsprechende Maß hinausgehenden Verschleiß des Segmentes L4/L5 mit Beteiligung und auch hier wieder über das altersentsprechende Maß hinausgehenden, der darüber liegenden Abschnitte der LWS handelt."
Zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen regte der Sachverständige Nachermittlungen an.
Zu diesem Gutachten holte die Beklagte eine Stellungnahme der Dres. D. und E. (vom 31. Juli 2003) ein. Diese führten aus, die Argumentation des Gutachtens von Prof. Dr. G. stütze sich offenkundig in wesentlichen Teilen auf die Befundung von Röntgenaufnahmen der Jahre 2000 und 2002. Selbst wenn diese deutliche degenerative Reaktionen im Sinne der Osteochondrose und Spondylose zeigten, könne es sich Jahre nach Aufgabe der Tätigkeit nicht mehr um belastungsindizierte Reaktionen handeln. Es würde jeglicher wissenschaftlicher Logik widersprechen, dass ohne einwirkende Kräfte eine biologische Reaktion zu erwarten wäre. Eine Spätwirkung von früheren Belastungen gebe es nicht. Zum Zeitpunkt der Tätigkeitsaufgabe sei kein belastungskonformes Schadensbild zu belegen gewesen. Die Anerkennung einer BK 2108 oder 2109 könne weiterhin nicht befürwortet werden.
Hierzu holte das SG eine ergänzende Stellungnahme bei Prof. Dr. G. vom 8. Oktober 2003 ein. Dieser gab an davon auszugehen, dass bereits zum Zeitpunkt der Tätigkeitsaufgabe ein belastungskonformes Schadensbild vorgelegen habe. Es sei durchaus möglich, dass auch Spätwirkungen von beruflichen Belastungen aufträten.
Die Beklagte veranlasste eine ausführliche arbeitstechnische Stellungnahme des TAD vom 5. März 2004, der ein Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der BK 2108 bestätigte, bezüglich der BK 2109 jedoch verneinte. Es wurden insoweit drei verschiedene Berechnungen der Hebe- und Tragebelastung vorgenommen, wobei die "worst case"-Berechnung davon ausging, dass die gesamte im Schlachtbetrieb anfallende derartige Belastung die Klägerin betraf, während der Ehemann nicht entsprechend tätig war.
Das SG holte darauf eine weitere ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. G. ein (vom 19. Juli 2004). Dieser ging nun nicht mehr vom Vorliegen der Voraussetzungen der BK 2109 aus, insoweit bestehe Übereinstimmung mit der Befundung der Röntgenbilder der HWS von 1995 und der BWS von 1997 durch die Dres. D. und E ... Am Vorliegen der BK 2108 hielt der Sachverständige dagegen fest. Die LWS betreffend zeige die Beckenübersichtsaufnahme von Februar 1997 eine deutliche Osteochondrose mit Zunahme der spondylophytären Randausziehungen im Segment L4/L5 sowie altersentsprechende Befunde bei L3/L4. Die LWS-Röntgenaufnahme aus dem Jahr 1995 zeige eine Höhenminderung der Bandscheibe im Bereich L4/L5 sowie spondylophytäre Randausziehungen auch bei L5/S1, aber keine dramatischen Befunde. Die Aussage, eine vorzeitige Spondylose müsse bevorzugt an den oberen LWS-Segmenten bzw. an den unteren BWS-Segmenten vorhanden sein, sei rein mechanistisch gedacht und könne so nicht gelten. Auch würde es sich gegenseitig ausschließen, wenn ein multisegmentaler Befall als Indiz für eine konstitutionelle Störung und damit nicht anerkennungsfähig angesehen werde, andererseits aber eine aufsteigende Degeneration bis in den thorakolumbalen Übergangsbereich gefordert werde. Die besonders ausgeprägte degenerative Veränderung im Segment L4/L5, die schon 1997 erkennbar gewesen sei, hänge mit der beruflichen Belastung zusammen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 25. November 2004 abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Anerkennung und Entschädigung einer BK nach der BK-Nr. 2109 scheitere vorliegend bereits am Fehlen der arbeitstechnischen Voraussetzungen. Eine entsprechende Belastung der HWS habe bei der Klägerin ausweislich der Feststellung des TAD nicht vorgelegen. Für eine Anerkennung der BK nach der BK-Nr. 2108 lägen zwar die arbeitstechnischen Voraussetzungen vor, es fehle insoweit aber an den medizinischen Voraussetzungen. Das zu fordernde belastungskonforme Schadensbild zeitnah zur Berufsaufgabe liege nicht vor. Das SG folgte den Feststellungen der Dres. D. und E ... Der Schwerpunkt der Veränderungen habe immer im Segment L4/L5 gelegen. Noch fünf Jahre nach der Berufsaufgabe sei in der Auswertung der Röntgenaufnahmen aus dem Jahr 2000 durch Prof. Dr. G. der Befund im Segment L5/S1 als altersentsprechend bezeichnet worden. Es habe sich also nicht um einen von oben nach unten hin zunehmenden vorzeitigen degenerativen Befund aller LWS-Abschnitte gehandelt. Auch Prof. Dr. G. habe zugestanden, dass zeitnah zur Berufsaufgabe auch im Segment L3/L4 ein altersentsprechender Befund vorgelegen habe. Zu den Segmenten L1/L2 und L2/L3 fänden sich für diesen Zeitpunkt keine Angaben über vorauseilende Veränderungen. Zudem lägen – nachdem die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK 2109 nicht festgestellt werden könnten – deutliche degenerative Veränderungen auch in belastungsfernen Wirbelsäulenabschnitten vor. Weder Prof. Dr. F. noch Prof. Dr. G. hätten sich mit den geforderten Kriterien hinreichend auseinandergesetzt. Entgegen der Annahme des Prof. Dr. G. könne eine berufliche Verursachung nicht schon dann angenommen werden, wenn konkurrierende außerberufliche und/oder anlagebedingte innere Ursachen nicht zu identifizieren seien, da auch in der beruflich nicht belasteten Allgemeinbevölkerung Lendenbandscheibenschäden weit verbreitet seien.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 26. Januar 2005 zugestellte Urteil am 11. Februar 2005 Berufung eingelegt.
Die Klägerin ist der Auffassung, die bei ihr bestehenden Wirbelsäulenbeschwerden seien auf die beruflichen Belastungen während ihrer Tätigkeit als Metzgerin zurückzuführen. Sie bezieht sich hierbei insbesondere auf die Gutachten des Prof. Dr. F. und des Prof. Dr. G. Im Übrigen ließe auch das Gutachten des vom Senat beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. H. keine endgültige Festlegung zu. Zudem habe Prof. Dr. H. gegenüber der Klägerin bestätigt, dass die Beschwerden allesamt von der Arbeit kämen. Außerdem bestünden mittlerweile psychische Probleme, die auf die schmerzhafte Wirbelsäulenerkrankung zurückzuführen seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 25. November 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8. März 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. März 2001 zu verurteilen, ihre Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit nach den Nrn. 2108 und 2109 der Anlage zur BKV anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für rechtmäßig und sieht diese durch das Gutachten von Prof. Dr. H. bestätigt.
Der Senat hat ein orthopädisches Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. H. vom 9. Februar 2006 eingeholt nach persönlicher Untersuchung der Klägerin. Dieser hat die Röntgenaufnahmen aus den Jahren 1995 bis 2001 sowie im Rahmen der Begutachtung erstellte Röntgenaufnahmen ausgewertet. Hieraus ergab sich eine nach dem 20. Februar 1997 eingetretene deutliche Befundverschlechterung im Bereich L4/5 mit Höhepunkt um das Jahr 2000. Die Verschmälerung der Gelenkspalte habe im Jahre 2001 deutlich zugenommen. Die überbrückende und damit einsteifende Spondylose der unteren BWS finde sich nicht - wie üblicherweise - in der Konkavität, sondern in der Konvexität ausgeprägt und habe seit 1997 kontinuierlich deutlich zugenommen. Insgesamt stellte Prof. Dr. H. folgende radiologische Veränderungen und funktionelle Beeinträchtigungen fest:
"- Halswirbelsäule: Altersentsprechende geringe umformende und verschleißende Veränderungen in der unteren Halswirbelsäule (wie sie sich üblicherweise nach Rückbildung der Bandscheibengefäße zunächst an der Halswirbelsäule langsam fortschreitend ab dem 10. Lebensjahr entwickeln).
- Brustwirbelsäule Leicht S-förmige Einstellung der Brustwirbelsäule mit altersentsprechenden umformenden und verschleißenden Veränderungen in der unteren Brustwirbelsäule innerhalb des Rippenkäfigs. Die Veränderungen entsprechen im Ausprägungsgrad denen der Halswirbelsäule.
- Lendenwirbelsäule I Minimale Vorderkantenspondylose in LW3/4 (die sich seit 1995 nicht geändert hat) und fortschreitende Spondylarthrose (Veränderungen der Wirbelbogengelenke) L5/S1 in Folge anlagebedingter nicht paralleler Ausrichtung (die bei ungefähr 10 % der Menschen zu erwarten ist) ohne auffällige Bandscheibenbeteiligung. Keine belastungsadaptiven Veränderungen an der Lendenwirbelsäule.
- Lendenwirbelsäule II Ausgeprägte verschleißende Veränderungen mit erheblicher fortschreitender Höhenminderung des Zwischenwirbelraumes LW4/5 und seitlich ausladenden umformenden Veränderungen mit deutlicher Befundbeschleunigung zwischen 2000 und 2001. Die Befundsklerosierung in diesem Bereich ab 2000 kann sowohl dem typischen pathophysiologischen Verlauf der Bandscheibendegeneration L4/5 entsprechen, wie sie seit 1995 bekannt ist; die rasche Befundveränderung lässt aber auch an den Ablauf eines entzündlichen Prozesses innerhalb der Bandscheibe - zum Beispiel nach einer Injektion in diesen Bereich - denken."
Prof. Dr. H. hat das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung sowohl in der LWS als auch in der HWS bejaht, sieht insoweit jedoch nicht die Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK 2108 oder BK 2109 gegeben. Der klinische und röntgenologische Befund im Bereich der HWS unterscheide sich in keiner Weise von altersentsprechenden Verläufen. Bekanntlich beginne der Bandscheibenverschleiß des Menschen in der unteren HWS. Insbesondere sprechen die ausgeprägten Befunde in der BWS für eine anlagebedingte Erkrankung und gegen äußere Einflüsse. Als Handhabungsmöglichkeiten zur Bewertung solcher LWS-Erkrankungen stünden mittlerweile die "Medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule. Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe. Trauma und Berufskrankheit 7(2005) 211 bis 252" zur Verfügung. Konkurrierende Ursachen für die Veränderungen im Zwischenwirbelraum L4/5 seien im konkreten Fall nicht festzustellen. Die Veränderungen an der HWS und der BWS, die Reifungsstörung der LWS, die Variation der Stellung der Wirbelbogengelenke stünden wahrscheinlich nicht im Zusammenhang mit den Veränderungen des Zwischenwirbelraumes L4/5. Es fehlten aber jegliche belastungsadaptive Veränderungen, wie sie im Leistungssport regelmäßig anzutreffen seien, und worauf mit umfassenden Ausführungen in den beiden Gutachten von Dr. E., aber auch in den Konsensempfehlungen hingewiesen worden sei. Der nahezu isolierte Befund im Zwischenwirbelraum L4/5 der Klägerin sei deshalb mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht Folge einer langjährigen und regelmäßigen Belastung. Dies ändere nichts daran, dass die Ursache der Bandscheibendegeneration (kein Bandscheibenvorfall) unbekannt sei und vermutlich viele Jahre vor den hier zur Verfügung stehenden ersten Röntgenaufnahmen des Jahres 1995 gelegt worden sei. Die Ursache für Verschleißerscheinungen an den Haltungs- und Bewegungsorganen sei selbst bei den Gliedmaßengelenken in mehr als 50 % der Fälle nicht zu ermitteln, man spreche deshalb von idiopathischer Arthrose, d.h. Arthrose unbekannten Ursprungs. Die Situation der Klägerin komme der "Konstellation B 3" der Konsensusempfehlungen nahe, wenn man nur den LWS-Befund betrachte. Hauptargument gegen eine berufliche Belastung entsprechend den Anforderungen der BK 2108 oder 2109 sei aber die gleichsinnige Entwicklung des einsteifenden Befundes an der BWS.
Die Klägerin hat beantragt, ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten nach § 109 SGG bei Dr. J. einzuholen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig (§ 143 SGG), jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente aus Anlass einer BK der Nr. 2108 oder der Nr. 2109 der Anlage zur BKV, weil deren Voraussetzungen nicht vorliegen.
BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch –SGB- VII (bis zum Inkrafttreten des SGB VII § 551 Abs. 1 Satz 2 Reichesversicherungsordnung –RVO-) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Nach der BKV gehören zu den BKen auch "bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung" (Nr. 2108) und "bandscheibenbedingte Erkrankungen der HWS durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter" (Nr. 2109), sofern sie jeweils zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Voraussetzung für die Feststellung einer BK nach diesen Listen-Nrn. ist, dass die versicherte Tätigkeit, die arbeitstechnischen Voraussetzungen (schädigende berufliche Einwirkungen) sowie die Erkrankung, für die Entschädigungsleistungen geltend gemacht wird, im Vollbeweis (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) festgestellt werden (BSGE 61, 127; 45, 285, 287). Für die Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen den schädigenden Einwirkungen und den Gesundheitsstörungen genügt dagegen die hinreichende Wahrscheinlichkeit, die bloße Möglichkeit reicht jedoch nicht (vgl. Bundessozialgericht –BSG- in SozR 2200 § 581 Nr. 26). Ein Zusammenhang ist wahrscheinlich, wenn bei der Abwägung der für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen diese so stark überwiegen, dass darauf die Überzeugung der entscheidenden Stelle gegründet werden kann (vgl. BSGE 61, 127, 128; 58, 76, 78). Lassen sich unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht nachweisen, so geht dies nach dem auch im Sozialrecht geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Versicherten, wenn er hieraus eine ihm günstigere Rechtsfolge herleiten will (BSG in SozR 3-2200 § 548 Nrn. 11 und 14; BSGE 58, 76, 79; 43, 110, 111; 41, 297, 300 und 6, 70, 72).
Dem Verordnungstext zur BK-Nr. 2109 können zwar die einzelnen Tatbestandsmerkmale der arbeitstechnischen Voraussetzungen dieser BK (langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter) nicht genau entnommen werden. Insoweit handelt es sich um einen auslegungsbedürftigen und -fähigen unbestimmten Rechtsbegriff, der jedoch noch nicht gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot verstößt (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 1999 - B 2 U 12/98 R - zur gleichgelagerten Problematik bei der BK-Nr. 2108). Unter Berücksichtigung der in den Gesetzesmaterialien (Begründung zur Änderung der BKV, Abschnitt B zu Artikel 1 Nr. 4a) in BR-Drucks. 773/92, S. 9) und in dem vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) herausgegebenen Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK-Nr. 2109 (in Bundesarbeitsblatt 3/1993, S. 53) - im folgenden: Merkblatt zur BK 2109 - genannten arbeitstechnischen Kriterien, hält der Senat zur Bejahung einer beruflichen Exposition im Sinne der BK-Nr. 2109 eine mindestens zehnjährige Tätigkeit mit dem Tragen von Lastgewichten von 50 kg und mehr auf der Schulter für erforderlich. Die Lasten müssen mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten getragen worden sein. Hierbei sieht der Senat eine gewisse Regelmäßigkeit und Häufigkeit nur dann als gegeben an, sofern pro Arbeitsschicht mindestens eine Stunde lang Lasten von 50 kg und mehr auf der Schulter getragen worden sind, und zwar bei gleichzeitig nach vorn und seitwärts erzwungener Kopfhaltung (s. u.a. HLSG, Urteile vom 3. Mai 2005 – L 3 U 71/04 -, 17. April 2004 – L 3 U 780/00 -, 20. August 2003 – L 3 U 450/97 -, 28. Mai 2003 L 3 U 785/00 – , vom 10. Dezember 2003 – L 3 U 981/00 ; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11. November 1998 - L 2 U 883/98 -). Denn nach dem Willen der Verordnungsgeberin (vgl. BR-Drucks. 773/92, S. 8 und 9) sollen von dieser BK nur die Berufsgruppen erfasst werden, bei denen außergewöhnlich hohe Belastungen der Wirbelsäule durch Heben und Tragen von Lasten regelmäßig wiederkehrende Tätigkeitsmerkmale sind. Als hierfür typische Tätigkeiten sind bezüglich der BK-Nr. 2109 die Fleischträger in Schlachthäusern, die Lasten auf der Schulter oder über Kopf unter Zwangshaltung im Bereich der HWS und maximaler Anspannung der Nackenmuskulatur transportieren, sowie als Berufsgruppe mit vergleichbaren Belastungen die Lastenträger, die schwere Säcke auf der Schulter tragen, genannt worden. Der Aufnahme der BK-Nr. 2109 in die BKV lagen die epidemiologischen Studien über das Verhältnis zwischen HWS-Veränderungen und der Tätigkeit von Fleischabträgern von L. Hult von 1954 ("Cervical, dorsal and lumbar spinal syndromes, a field investigation of a non-selected material of 1 200 workers in different occupations with special reference to disc degeneration and so-called muscular rheumatism" in Acta Orthop. Suppl. 17, 1954) sowie von G. E. und W. Rademacher von 1971 ("Die Bedeutung von Belastung und außergewöhnlicher Haltung für das Entstehen von Verschleißschäden der Halswirbelsäule, dargestellt an einem Kollektiv von Fleischabträgern" in Zeitschrift für die gesamte Hygiene und ihre Grenzgebiete 17 (1971) 11, S. 841 bis 843) zu Grunde (vgl. Merkblatt zur BK 2109 S. 5). Danach war die Arbeit der Fleischabträger durch das Tragen von Tierhälften oder -vierteln von 50 kg und mehr auf dem Kopf bzw. dem Schultergürtel geprägt. Die hierbei nach vorn und seitwärts erzwungene Kopfbeugehaltung und das gleichzeitige maximale Anspannen der Nackenmuskulatur führten zu einer Hyperlordosierung und auch zu einer Verdrehung der HWS. Das im Vergleich zu dem im vom BMA herausgegebenen Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK-Nr. 2108 (in Bundesarbeitsblatt 3/1993, S. 50) genannte höhere Lastgewicht begründet sich mit dem Umstand, dass auf der Schulter bzw. dem Kopf die getragene Last achsennah einwirkt und der Hebelarm, der bei der Belastung der LWS durch Heben und Tragen schwerer Lasten zu berücksichtigen ist, entfällt. Zwar sind zur Frage der Häufigkeit oder zum Zeitanteil der Tragevorgänge je Arbeitsschicht weder den Gesetzesmaterialien noch dem Merkblatt zur BK 2109 konkrete Hinweise zu entnehmen, auch sind nach den Erkenntnissen des Senats bisher keine epidemiologischen Studien bekannt, in denen eine statistisch abgesicherte Korrelation zwischen der Häufigkeit der Tragevorgänge auf der Schulter und einer Erkrankung der HWS aufgestellt wurde. Gleichwohl sieht der Senat es als sachgerecht an, als Mindestkriterium einen täglichen Zeitanteil pro Arbeitsschicht von einer Stunde (netto) für die spezifische Tragetätigkeit zu fordern. Denn nach dem Willen der Verordnungsgeberin sollen von der BK-Nr. 2109 nur Tätigkeiten, die mit einer außergewöhnlich hohen spezifischen Tragebelastung verbunden sind, erfasst werden. Orientiert man sich an den in den Gesetzesmaterialien genannten Berufsgruppen, den vollschichtig als Fleischabträger oder Lastenträger eingesetzten Versicherten, und berücksichtigt man weiterhin, dass die zugrundeliegenden Studien aus den Jahren 1954 und 1971 noch auf Arbeitsbedingungen beruhen, die seit Ende der sechziger Jahre wegen der massiv eingetretenen Mechanisierung des Lastentransportes durch Einführung von Kränen, Lastenaufzügen, Förderbänder, Rohrbahnen, Gabelstapler u.ä. kaum noch anzutreffen sind, so muss die spezifische Tragetätigkeit einen deutlichen Teil der täglichen Arbeitszeit ausmachen, um sie als gefährdend im Sinne der BK-Nr. 2109 ansehen zu können. Schließlich wird auch in den der Einführung der BK-Nr. 2108 zugrundeliegenden epidemiologischen Studien (vgl. Merkblatt zur BK 2108 a.a.O., S. 6) bezüglich der gefährdeten Berufsgruppe der Schwesternhelferinnen als tägliche spezifische Belastungsdauer ein Zeitanteil von ca. 12 % der Arbeitsschicht genannt, der bei einem Acht-Stunden-Arbeitstag ca. 58 Minuten, d.h. etwa einer Stunde, entspricht. Zwar sind die arbeitstechnischen Kriterien zur BK 2108 im Hinblick auf die anders geartete Belastung der LWS durch Hebe- und Tragetätigkeiten nicht direkt auf die BK-Nr. 2109 zu übertragen, bis zum Vorliegen anderer Anhaltspunkte, insbesondere konkreter epidemiologischer Belastungsstudien betreffend die HWS, ist hierin jedoch eine angemessene Orientierungshilfe zu sehen (so auch: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11. November 1998 - L 2 U 883/98 -; SG Gießen, Urteil vom 22. Januar 1997 - S 1 U 509/95 - in Breithaupt 1997, 771, 780).
Die Klägerin leidet zwar an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der HWS, gemessen an den zuvor genannten Kriterien steht zur Überzeugung des Senats jedoch nicht fest, dass diese mit Wahrscheinlichkeit durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter verursacht worden ist, da die von der Klägerin bis Februar 1995 ausgeführten beruflichen Tätigkeiten nicht den tatbestandlichen Voraussetzungen der BK-Nr. 2109 entsprechen. Die diesbezügliche Überzeugung des Senats gründet sich auf alle im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gewonnenen Erkenntnisse (§ 128 SGG), insbesondere die Angaben der Klägerin zu ihren Tragebelastungen und die vorgelegten Unterlagen zu den Schlachtmengen im Mai 1992 und den in der Arbeitsplatzanalyse des TAD der Beklagten vom 5. März 2004 dokumentierten Sachverhalt. Selbst in der "worst case"-Betrachtung, d.h. unter der Voraussetzung, dass sämtliche Tragearbeiten im Betrieb von der Klägerin und nicht von ihrem Ehemann durchgeführt wurden, führt dies zu einer entsprechenden Belastung über nur ca. 39 Minuten pro Arbeitsschicht.
Nach Feststellung des Sachverständigen Prof. Dr. H. in dessen Gutachten vom 9. Februar 2006 sind zudem auch die medizinischen Voraussetzungen einer BK 2109 nicht gegeben. Im Bereich der HWS finden sich klinisch und röntgenologisch lediglich altersentsprechende Verläufe. In gleicher Ausprägung finden sich zudem altersentsprechende umformende und verschleißende Veränderungen im Bereich der BWS, was zusätzlich für eine anlagebedingte und gegen eine durch äußere Einflüsse bedingte Entwicklung spricht. Dieses Ergebnis hat auch der erstinstanzlich tätige Sachverständige Prof. Dr. G. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19. Juli 2004 bestätigt.
Unstreitig hat die Klägerin dagegen die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK der LWS, BK 2108 der Anlage zur BKV, durch ihre Tätigkeit als Metzgerin vom 1. April 1963 bis 26. Februar 1995 erfüllt und es liegt auch ein bandscheibenbedingtes LWS-Leiden vor. Dies führt jedoch nicht zu der im Sinne des Anscheinsbeweises zu rechtfertigenden Annahme, dass auch von einem wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhang der Erkrankung mit der beruflichen Belastung im Rahmen der medizinischen Zusammenhangsbeurteilung auszugehen wäre (vgl. HLSG, Urteile vom 27. November 2000 – L 3 U 823/97 - und vom 24. Oktober 2001 – L 3 U 408/98 -; BSG, Urteil vom 18. November 1997 – 2 RU 48/96 -). Für die Anerkennung einer LWS-Erkrankung als BK nach BK-Nr. 2108 müssen Art, Ausprägung und Lokalisation des Krankheitsbildes der spezifischen Einwirkung entsprechen. Die bildtechnisch nachweisbaren segmentalen Bandscheibenveränderungen und deren Folgen müssen das altersdurchschnittlich zu erwartende Ausmaß übersteigen, (vgl. Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheiten-Verordnung, Kommentar, Anm. 5.3 zu M 2108).
Die Voraussetzungen einer Anerkennung sind bei der Klägerin nicht erfüllt. Unter Bezugnahme auf die "Medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule. Konsensusempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe. Trauma und Berufskrankheit 3 (2005) 211-252" ist mit Prof. Dr. H. festzustellen, dass es bei der Klägerin an jeglichen belastungsadaptiven Veränderungen fehlt. Es ist lediglich ein nahezu isolierter (monosegmentaler) Befund im Zwischenwirbelraum L4/5 der Klägerin zu erheben. Die Beurteilung dieser Konstellation und das Erfordernis solcher belastungsadaptiver Veränderungen, insbesondere einer so genannten Begleitspondylose, ist in der aktuellen gutachterlichen Diskussion unter den die Konsensusempfehlungen bearbeitenden Sachverständigen umstritten. Nach der Beurteilung von Prof. Dr. H. ist ein monosegmentaler Befund, wie er bei der Klägerin festzustellen ist, mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht Folge einer langjährigen und regelmäßigen Belastung. Letztlich ist die Ursache der hier vorliegenden Bandscheibendegeneration (ohne Bandscheibenvorfall) demnach unbekannt. Mit dieser Einschätzung folgt Prof. Dr. H. der Bewertung der Gruppe der Sachverständigen in der Konsensusgruppe, die im Falle einer entsprechenden Schadenskonstellation einen Ursachenzusammenhang mit einer belastenden Tätigkeit verneinen. Es handelt sich bei der vorliegende Befundsituation um die Konstellation B 3 der Konsensempfehlungen, bezüglich derer letztlich unter den Sachverständigen keine Einigung erzielt werden konnte. Es sprechen jedoch gewichtige Argumente gegen einen Zusammenhang: Zunächst entspricht diese Konstellation der häufigsten Manifestationsform eigenständiger Bandscheibenerkrankungen innerer Ursache an der LWS. Es existieren keinerlei epidemiologische Arbeiten, welche nachweisen, dass bei Schadensbildern, die der Konstellation B 3 entsprechen, bei beruflich Exponierten im Vergleich zur Normalbevölkerung statistisch eine relevante Risikoerhöhung besteht. Die epidemiologische Literatur zu berufsbedingten Bandscheibenerkrankungen bestätigt eine relative Häufung von Chondrosen bei schwerer im Vergleich zu leichter Arbeit an der mittleren und oberen LWS und eine absolute Häufung in den unteren beiden LWS-Segmenten; dies entspricht auch der aus biomechanischer Sicht zu erwartenden Entwicklung, während ein monosegmentaler Befall biomechanisch kaum plausibel ist (vgl. zu alldem Grosser, E., Anmerkungen zu den nicht im Konsens beurteilten Fallkonstellationen, Anhang 1, Trauma und Berufskrankheit 3 (2005), 219 f.). Andere Vertreter (vgl. Seidler, Bolm-Audorff, Anmerkungen zu den nicht im Konsens beurteilten Fallkonstellationen, Anhang 2, Trauma und Berufskrankheit 3 (2005), 221 f.) halten den hohen Stellenwert einer Begleitspondylose für die Beurteilung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS für wissenschaftlich nicht begründbar. Damit ist nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Diskussion ein Zusammenhang eines monosegmentalen Bandscheibenschadens im Bereich der unteren LWS, wie er bei der Klägerin beschrieben ist, zwar nicht auszuschließen, er lässt sich in dieser Konstellation jedoch nicht im erforderlichen Maß wahrscheinlich machen, was im Rahmen der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin geht.
Im Falle der Klägerin kommt nach Feststellung von Prof. Dr. H. hinzu, dass die BWS ebenfalls einsteifende degenerative Veränderungen aufweist, die für eine konstitutionelle Entwicklung sprechen.
Dem Antrag auf Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens bei Dr. J. nach § 109 SGG wegen der bei der Klägerin mittlerweile eingetretenen psychischen Beschwerden, die sie auf die Schmerzhaftigkeit der Wirbelsäulenerkrankung zurückführt, war nicht zu entsprechen. Da eine Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung als BK nicht erfolgen kann, scheidet auch eine Anerkennung der psychischen Erkrankung aus, selbst wenn sie sich ursächlich auf die Schmerzhaftigkeit der Wirbelsäulenerkrankung zurückführen ließe.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
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