Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 11 AS 382/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 726/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 18/14 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 12. Oktober 2012 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 10. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2012 verurteilt, den Bescheid vom 23. Februar 2012 zurückzunehmen, sowie dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 30. Januar 2012 bis 30. April 2012, sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2012 für den Zeitraum ab dem 1. Mai 2012 bis zum 27. November 2013 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der 1993 geborene Kläger begehrt mit seiner Klage die Rücknahme von Bescheiden, mit denen die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) abgelehnt wurden sowie die Verpflichtung zur Leistungsgewährung dem Grunde nach.
Er ist bulgarischer Staatsangehöriger und reiste nach eigenen Angaben im Oktober 2011 in die Bundesrepublik Deutschland ein und bewohnt gemeinsam mit seiner Mutter und zeitweise auch mit seiner Schwester – der Klägerin des Berufungsverfahrens L 6 AS 378/12 – sowie deren Kinder eine Wohnung in A-Stadt. Am 30. Januar 2012 stellte er bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II.
Der Kläger ist im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung gemäß § 2 Abs. 1 i. V. m. § 13 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU), ausweislich derer eine unselbstständige Beschäftigung nur nach Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit nach § 284 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch Arbeitsförderung - (SGB III) gestattet ist. Eine Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit gemäß § 284 Abs. 1 SGB III liegt weder vor, noch ist sie von dem Kläger bislang beantragt worden. Ausweislich der von der zuständigen Ausländerbehörde am 23. August 2013 übersandten Verwaltungsvorgänge wurden bislang keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen eingeleitet.
Am 2. März 2012 meldete der Kläger ein "Garten- und Landschaftsbau"-Gewerbe an, das er am 20. Mai 2012 wieder abmeldete. Tätig war er nach seinen Angaben in diesem Gewerbe nicht. Nach seinen Angaben im Rahmen der informatorischen Anhörung vor dem Sozialgericht habe er im April 2012 einmal "nicht sozialversicherungspflichtig" für fünf oder sechs Tage für eine Firma in Limburg, deren Namen er nicht kenne, Batterien an Solarien installiert und dafür pauschal 60,- EUR pro Tag erhalten. Eine Arbeitserlaubnis habe er zu keinem Zeitpunkt beantragt; auf Stellenangebote habe er sich nicht beworben, dies wäre aufgrund der fehlenden Sprachkenntnisse auch aussichtslos gewesen. Von Bulgaren vermittelte Arbeit nehme er an. Er sei in keinem System der sozialen Sicherheit in Bulgarien oder Deutschland versichert. Über Einkommen oder Vermögen verfüge er nicht.
Mit Bescheid vom 23. Februar 2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Kläger sei nicht erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs. 2 SGB II. Am 28. März 2012 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X), der mit Bescheid vom 10. April 2012 abgelehnt wurde. Hiergegen erhob der Kläger am 18. April 2012 Widerspruch. Im Rahmen eines Erörterungstermins betreffend das ebenfalls am 18. April 2012 anhängig gemachte Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes am 4. Mai 2012 beschränkte der Kläger den Überprüfungsantrag auf den Zeitraum vom 30. Januar 2012 bis zum 30. April 2012 und stellte für den Zeitraum ab dem 1. Mai 2012 einen weiteren Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2012 lehnte die Beklagte den Widerspruch hinsichtlich des Ablehnungsbescheides betreffend den Überprüfungsantrag unter Hinweis auf die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ab. Mit Bescheid vom 15. Mai 2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 1. Mai 2012 ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2012 lehnte die Beklagte den Widerspruch hinsichtlich des Ablehnungsbescheides betreffend den Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 1. Mai 2012 ebenfalls unter Hinweis auf die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ab.
Aufgrund eines Eilverfahrens gewährte die Beklagte dem Kläger schließlich unter Vorbehalt der rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache bis zum 31. Oktober 2012 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe. Nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben der Beklagten erhält der Kläger bis heute Leistungen unter Vorbehalt.
Am 7. Mai 2012 - SG Wiesbaden S 11 AS 382/12, bezüglich des Überprüfungsantrages - und am 22. Juni 2012 - SG Wiesbaden S 11 AS 483/12, bezüglich der Leistungen ab 1. Mai 2012 - hat der Kläger Klage erhoben. Mit Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 12. Oktober 2012 sind die beiden Verfahren verbunden worden.
Der Kläger hat seine Ansicht wiederholt und vertieft, der in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II normierte Leistungsausschluss sei nicht europarechtskonform.
Die Beklagte hat auf die Ausführungen in den Widerspruchsbescheiden Bezug genommen.
Das Sozialgericht Wiesbaden hat die Klage mit Urteil vom 12. Oktober 2012 abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet. Der Kläger habe weder einen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihren Bescheid vom 23. Februar 2012 zurücknehme und ihm für den Zeitraum vom 30. Januar 2012 bis 30. April 2012 Leistungen nach dem SGB II gewähre, noch habe er für den Zeitraum ab dem 1. Mai 2012 einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II.
Der Bescheid vom 10. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2012 sei rechtmäßig. Nach § 44 Abs. 1. Satz 1 SGB X sei ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sich im Einzelfall ergebe, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden seien. Keine der beiden in § 44 Abs. 1 SGB X genannten Alternativen seien hier verwirklicht. Die Beklagte habe in ihrem Bescheid vom 23. Februar 2012 weder das Recht unrichtig angewandt, noch sei sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen habe. Es liege kein Fall der unrichtigen Rechtsanwendung vor. Der Kläger sei nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Leistungsanspruch ausgeschlossen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II seien Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, und ihre Familienangehörigen, von den Leistungen nach dem SGB II ausgenommen. Nach Auffassung der Kammer sei hinsichtlich des Aufenthaltsrechts allein auf den Kläger abzustellen, da er zwar das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet habe und damit grundsätzlich als Familienangehöriger seiner ebenfalls sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhaltenden Mutter anzusehen sei (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU), aber nach eigenen Angaben zur Arbeitssuche in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und nicht seiner Mutter nachgezogen sei (vgl. § 3 Abs. 1 Freizüg/EU). Tatsachen zur Begründung eines weiteren Aufenthaltsrechtes, welches zur Unanwendbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II führte, seien nicht gegeben. Der Kläger sei nicht Arbeitnehmer gewesen und auch nicht gegenwärtig Arbeitnehmer. Die Kammer vermöge auch eine selbstständige Tätigkeit des Klägers und somit ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU nicht anzunehmen. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU seien gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt Unionsbürger, wenn sie zur Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sind (niedergelassene selbstständige Erwerbstätige). Der Begriff der Niederlassung im Sinne des Art. 43 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 7. Dezember 1992 (EGV) erfasse die Aufnahme und Ausübung einer (wirtschaftlichen) Erwerbstätigkeit, die selbstständig und auf der Grundlage einer festen Einrichtung dauerhaft auf die Teilnahme am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaates angelegt sei, sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen. Von einer derartigen Niederlassung sei nicht auszugehen. Der Kläger sei nach eigenen Angaben in seinem vom 2. März 2012 bis 20. Mai 2012 angemeldeten Gewerbe nicht tätig gewesen. Eine Gewerbeanmeldung könne ohne die Ausübung entsprechender selbstständiger Tätigkeiten die Annahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit aber nicht begründen. Aus diesem Grund könne der Kläger seine Freizügigkeitsberechtigung auch nicht auf die Regelung des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU stützen, nach der ein Aufenthaltsrecht aufgrund einer vorher ausgeübten abhängigen Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit (vorübergehend) bestehen bliebe. Der Kläger habe auch kein Aufenthaltsrecht aus § 2 Abs. 2 Nr. 4 FreizügG/EU, wonach Unionsbürger als Empfänger von Dienstleistungen freizügigkeitsberechtigt seien. Dies gelte nicht für die Fälle, in denen der Unionsbürger beabsichtige, im Aufnahmemitgliedstaat auf unbestimmte Zeit Dienstleistungen zu empfangen. Der Kläger könne sich auch nicht auf ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 und 6 FreizügG/EU berufen. Er verfüge gemäß § 4 FreizügG/EU weder über ausreichenden Krankenversicherungsschutz noch über ausreichende Existenzmittel. Der Kläger könne mangels Daueraufenthaltsberechtigung seiner Mutter sein Aufenthaltsrecht auch nicht auf § 2 Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU stützen. Dem Kläger könne daher allein zur Arbeitssuche ein Aufenthaltsrecht zustehen. Bei einem alleinigen Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche seien Leistungen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II aber ausgeschlossen. Zweck dieser durch das Gesetz vom 24. März 2006 zum 1. April 2006 eingeführten gesetzlichen Neuregelung sei der Ausschluss von Ausländern gewesen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche infolge der Umsetzung der in Art. 24 Abs. 2 i. V. m. Art. 14 Abs. 4 Buchstabe d der Richtlinie 2004/38/EG bestehenden Regelung ergebe. Der nationale Gesetzgeber sei auch berechtigt gewesen, einen solchen Leistungsausschluss zu normieren. Zwar genieße gemäß Art. 24 Abs. 1 Richtlinie 2004/38/EG jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates aufhalte, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates. Allerdings sei der Aufnahmemitgliedstaat gemäß Art. 24 Abs. 2 Richtlinie 2004/38/EG nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibe, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b einen Anspruch auf Sozialhilfe bzw. Leistungen für Studien- und Berufsausbildung zu gewähren. Bei dem streitbefangenen Arbeitslosengeld II (§ 19 SGB II) handele es sich nach Auffassung der Kammer um eine Sozialhilfeleistung im Sinne des Art. 24 Richtlinie 2004/38/EG. Insoweit sei zwischen Leistungen zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit insbesondere durch Eingliederung in Arbeit (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 SGB II) und solchen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 SGB II) zu unterscheiden. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Kapitel 3 Abschnitt 2 des SGB II seien keine Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollten. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II und die Richtlinie 2004/38/EG seien auch mit europäischem Primärrecht vereinbar. Die Kammer schließe sich insoweit der Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts an (vgl. Hess. LSG, Beschluss vom 13. September 2007 - L 9 AS 44/07 ER - ; Hess. LSG, Beschluss vom 23. Juli 2010 - L 9 AS 341/10 B ER - ). Danach stelle die Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II auf Unionsbürger keine verbotene Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit (Art. 12 EGV) dar. Ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ergebe sich nach Auffassung der Kammer auch nicht aus Art. 4 i. V. m. Art. 70 der zum 1. Mai 2010 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) 883/2004) vom 29. April 2004. Ungeachtet der Frage, ob ein Anspruch auf Gewährung von beitragsunabhängigen Leistungen unmittelbar auf Art. 4 i. V. m. Art. 70 (EG) 883/2004 gestützt werden könne, Art. 4 i. V. m. Art. 70 VO (EG) 883/2004 mithin eine Anspruchsgrundlage darstelle, oder ob Art. 4 i. V. m. Art. 70 VO (EG) 883/2004 als Koordinierungsregelung (lediglich) ein Gleichbehandlungsgebot für den Fall normiere, dass der betroffene Unionsbürger einen auf die jeweiligen Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaates gestützten Anspruch auf Gewährung von beitragsunabhängigen Leistungen im Sinne des Art. 70 VO (EG) 883/2004 habe, sei der Kläger nach Auffassung der Kammer jedenfalls nicht vom persönlichen Anwendungsbereich der VO (EG) Nr. 883/2004 erfasst. Nach Art. 2 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 gelte die Verordnung für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten würden oder gegolten hätten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen. Nach Art. 1 lit. Buchstabe I VO (EG) 883/2004 bezeichne der Begriff "Rechtsvorschriften" für jeden Mitgliedstaat die Gesetze, Verordnungen, Satzungen und alle anderen Durchführungsvorschriften in Bezug auf die in Artikel 3 Abs. 1 genannten Zweige der sozialen Sicherheit. Staatsangehörige eines Mitgliedstaates seien somit dann vom persönlichen Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 erfasst, wenn sie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllten, d.h. im Rahmen der genannten Systeme der sozialen Sicherheit versichert seien. Es sei jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger auch nur gegen ein einziges Risiko bei einem der in Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 genannten allgemeinen oder besonderen Systeme der sozialen Sicherheit pflichtversichert oder freiwillig versichert sei. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus dem Europäischen Fürsorgeabkommen des Europarats vom 11. Dezember 1953. Bulgarien sei dem Abkommen nicht beigetreten. Der Kläger habe auch für den Zeitraum ab dem 1. Mai 2012 keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Der Bescheid vom 15. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2012 sei rechtmäßig. Der Kläger sei auch für diesen Zeitraum gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen gewesen, wobei insoweit auf die obigen Ausführungen verwiesen werde.
Die hiergegen gerichtete Berufung ist am 22. Oktober 2012 bei dem Sozialgericht eingegangen.
Der Kläger trägt vor, die Kammer zeige sich mit ihrer Rechtsauffassung nicht auf dem Stand von Literatur und Rechtsprechung. Im Rahmen der Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärte der Kläger, er habe das selbständige Gewerbe abgemeldet, weil es erfolglos gewesen sei. Die Anmeldegebühr von 30 EUR habe er von seiner Mutter erhalten. Einen Sprachkurs habe er begonnen, ihn allerdings aus psychischen Gründen abgebrochen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Wiesbaden vom 12. Oktober 2012 und des Bescheides vom 10. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2012 zu verurteilen, den Bescheid vom 23. Februar 2012 zurückzunehmen und dem Kläger für den Zeitraum vom 30. Januar 2012 bis 30. April 2012, sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2012 für den Zeitraum ab dem 1. Mai 2012 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils.
Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 27. November 2013 Bezug genommen. Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (1 Band) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist im Wesentlichen begründet.
I.
Die Klage ist zulässig. Sie ist hinsichtlich des Überprüfungsantrages für den Zeitraum bis einschließlich 30. April 2012 (Bescheid vom 10. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2012) als eine auf den Erlass eines Grundurteils gerichtete kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und unechte Leistungsklage sowie hinsichtlich des nachfolgenden Zeitraums als auf den Erlass eines Grundurteils gerichtete kombinierte Anfechtungs- und unechte Leistungsklage u.a. nach § 130 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Trotz der bereits aus dem vorangegangenen Eilverfahren erkennbaren Einkommens- und Vermögenssituation war keine Klageänderung auf eine bezifferte Antragstellung angezeigt, da die Beklagte nach wie vor den Anspruch dem Grunde nach bestreitet und unter isolierter Betrachtung des klägerischen Vortrags ein Auszahlungsanspruch bestünde (vgl. zu den Voraussetzungen allg. Breitkreuz, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, § 130 Rn. 3; bei auch streitiger Höhe: BSG, Urteil vom 16. April 2013 – B 14 AS 81/12 R – juris).
II.
Die Berufung ist auch begründet, da die Klage entgegen der Auffassung des Sozialgerichts begründet ist. Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach §§ 7 ff., 19 ff. SGB II.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 13. Mai 2011 (BGBl. I, 850) erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die
1.das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.erwerbsfähig sind,
3.hilfebedürftig sind und
4.ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB III
1. Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2. Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen,
3. Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten (§ 7 Abs. 1 Satz 3 SGB II). Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt (§ 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II).
Der Kläger erfüllt die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II, insbesondere hat er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (dazu 1.). Er ist auch dem Grunde nach hilfebedürftig (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II; dazu unter 2.). Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts wird er nicht von einem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II erfasst (dazu 3.).
1. Der Kläger war zu Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums 18 Jahre und zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat 20 Jahre alt (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II). Er war im streitgegenständlichen Zeitraum auch erwerbsfähig. Der Erwerbsfähigkeit (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II) steht eine fehlende Arbeitsgenehmigung nicht entgegen. Für die Annahme, dass eine Beschäftigung i.S. des § 8 Abs. 2 SGB II erlaubt ist oder erlaubt werden könnte, reicht es aus, wenn die Aufnahme einer Tätigkeit im Sinne einer rechtlich-theoretischen Möglichkeit mit einer Zustimmung zur Beschäftigungsaufnahme durch die Bundesagentur für Arbeit erlaubt sein könnte, auch wenn dies bezogen auf einen konkreten Arbeitsplatz durch die Verfügbarkeit geeigneter bevorrechtigter Bewerber verhindert wird. Unabhängig hiervon ist Unionsbürgern, also auch Bulgaren, Vorrang gegenüber Drittstaatsangehörigen einzuräumen. Dass auf eine abstrakt-rechtliche Möglichkeit der Erteilung einer Arbeitsgenehmigung abzustellen ist, ergibt sich auch aus dem mit Wirkung zum 1. April 2011 eingefügten § 8 Abs. 2 Satz 2 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 B 4 AS 54/12 R – juris Rn. 15).
Der Kläger hatte im streitgegenständlichen Zeitraum seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Diese Definition gilt für alle Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuchs, soweit sich nicht aus seinen besonderen Teilen etwas anderes ergibt (§ 37 SGB I). Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist in erster Linie nach den objektiv gegebenen tatsächlichen Verhältnissen im streitigen Zeitraum zu beurteilen (zum Folgenden ausführlich BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 54/12 R – juris Rn. 18 ff. m.w.N.). Entscheidend ist, ob der örtliche Schwerpunkt der Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Inland ist. Dauerhaft ist ein solcher Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen ist. Mit einem Abstellen auf den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse im Gebiet der Bundesrepublik soll – auch im Sinne einer Missbrauchsabwehr – ausgeschlossen werden, dass ein Wohnsitz zur Erlangung von Sozialleistungen im Wesentlichen nur formal begründet, dieser jedoch tatsächlich weder genutzt noch beibehalten werden soll (BSG a.a.O. Rn. 18). Eine fehlende Dauerhaftigkeit oder Zukunftsoffenheit kann bei Unionsbürgern aber nicht bereits mit einem etwaigen Wegfall der materiell-rechtlichen Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts begründet werden, solange das Nichtbestehen oder der Verlust des Aufenthaltsrechts nicht durch einen Verwaltungsakt der Ausländerbehörde festgestellt worden ist; es gilt insoweit die Vermutung des legalen Aufenthalts (vgl. BSG a.a.O. Rn. 20). Bei unionsrechtlich überformten Sachverhalten ist zudem im Wege der Auslegung eine Kongruenz zwischen dem Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts und dem Begriff des Wohnortes nach Art. 1 lit. j VO (EG) 883/2004 sowie Art. 11 VO (EG) 987/2009 – der entsprechenden Durchführungsvorschrift im Falle von Meinungsverschiedenheiten unter den Mitgliedstaaten – anzustreben. Hiernach sind Hilfskriterien zur Bestimmung des Wohnortes:
"a) Dauer und Kontinuität des Aufenthalts im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats;
b) die Situation der Person, einschließlich
i) der Art und der spezifischen Merkmale jeglicher ausgeübten Tätigkeit, insbesondere des Ortes, an dem eine solche Tätigkeit in der Regel ausgeübt wird, der Dauerhaftigkeit der Tätigkeit und der Dauer jedes Arbeitsvertrags,
ii) ihrer familiären Verhältnisse und familiären Bindungen,
iii) der Ausübung einer nicht bezahlten Tätigkeit,
iv) im Falle von Studierenden ihrer Einkommensquelle,
v) ihrer Wohnsituation, insbesondere deren dauerhafter Charakter,
vi) des Mitgliedstaats, der als der steuerliche Wohnsitz der Person gilt."
Nach Art. 11 Abs. 2 VO (EG) 987/2009 gilt in Zweifelsfällen und Streitfällen zwischen den Trägern letztlich "der Wille der Person, wie er sich aus diesen Fakten und Umständen erkennen lässt, unter Einbeziehung insbesondere der Gründe, die die Person zu einem Wohnortwechsel veranlasst haben, bei der Bestimmung des tatsächlichen Wohnortes dieser Person als ausschlaggebend." Der aufenthaltsrechtliche Status ist hiernach nur mittelbar relevant, soweit er die o.g. Kriterien beeinflusst.
Bereits die Dauer des Aufenthalts seit Oktober 2011 und der zu Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums zeitweilig manifestierte Wille, eine Erwerbstätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland aufzubauen, sprechen gegen ein vorübergehendes Verweilen. Auch die familiäre Situation, insbesondere die Wohnsituation mit weiteren Familienmitgliedern mit Mutter, Schwester sowie deren Kind ist ein Indiz für einen dauerhaften Schwerpunkt der Lebensverhältnisse in A-Stadt. Da die Ausländerbehörde bislang keinen Wegfall des Aufenthaltsrechts festgestellt hat, spricht schließlich auch die aufenthaltsrechtliche Situation nicht gegen die Zukunftsoffenheit des Aufenthalts. Allein eine Anhörung zu einer beabsichtigten Feststellung des Wegfalls der Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts – wie von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgetragen – lässt in einer solchen Situation die Zukunftsoffenheit des Aufenthalts noch nicht entfallen. Insbesondere kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass sich der Kläger aufgrund veränderter Umstände in der Zukunft noch vor Erlass einer Feststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU auf einen anderen aufenthaltsrechtlichen Tatbestand beruft.
2. Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum auch hilfebedürftig. Er bildete zunächst mit seiner Mutter sowie seiner Schwester und ihrem Kind eine Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 SGB II), zuletzt nur noch mit seiner Mutter. Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass etwaige Unklarheiten über Einkommen und Vermögen der Bedarfsgemeinschaft nicht dazu führen können, dass der Leistungsanspruch des Klägers vollständig entfällt. Glaubhaft ist, dass der Kläger aufgrund seiner vorherigen Tätigkeit an wenigen Tagen im April 2012 über kein Vermögen verfügt, das die Freibeträge übersteigt. Dass das vorhandene Vermögen der Mutter bereits Ende 2011 erschöpft war, konnte der Senat im Verfahren L 6 AS 378/12 feststellen. Aus der dort festgestellten Einkommens- und Vermögenssituation der Schwester im Jahr 2011 ist auch im hiesigen Verfahren festzustellen, dass kein Vermögen vorhanden war. Im Übrigen macht sich der Senat die Feststellungen zu Einkommen und Vermögen der Beklagten zu Eigen, die zu den vorläufigen Bewilligungen im streitgegenständlichen Zeitraum geführt haben. Hiernach ist davon auszugehen, dass für jeden Monat des streitgegenständlichen Leistungszeitraums ein Leistungsanspruch besteht, der im Falle der Erfüllung der restlichen Voraussetzungen zu einem Auszahlungsbetrag führen würde.
3. Der Kläger ist entgegen der Rechtsansicht des Sozialgerichts nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Anspruch ausgeschlossen, da sich sein Aufenthaltsrecht nicht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt.
Zwar erfüllte der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum nicht die Voraussetzungen eines anderen Aufenthaltsrechtstatbestandes (a), indes waren auch die Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts zur Arbeitssuche nicht erfüllt (b). Eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II verbietet es in einem derartigen Fall vor dem Hintergrund der bestehenden Aufenthaltsrechtslage in der Bundesrepublik Deutschland, § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II gleichsam als "Auffangausschlusstatbestand" auszulegen (c). Dies hat zur Folge, dass ein allein aufgrund der fortbestehenden Vermutung lediglich formal legaler Aufenthalt nicht unter den Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II fällt.
a) Die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II erfordert eine "fiktive Prüfung" des Grundes bzw. der Gründe des Aufenthaltsrechts am Maßstab des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) und ggf. des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG); bereits das Vorhandensein der Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts aus einem anderen Grund als dem Zweck der Arbeitsuche hindert die von der Rechtsprechung des BSG geforderte positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" i.S. von § 7 Abs. 1 S 2 Nr. 2 SGB II (BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 54/12 R – juris Rn. 23 ff. m.w.N.). Während der Senat hinsichtlich der Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts wegen der gesetzlichen Vermutung an die (Nicht-)Feststellung der Ausländerbehörde gebunden ist, hat er wegen der Zielrichtung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II das Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechtstatbestandes zu prüfen, allerdings nicht hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts, sondern allein zur Prüfung der Tatbestandsvoraussetzung "deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt" in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Die gegenteilige Auffassung, wonach es allein auf ein früheres "Gebrauchmachen" eines Aufenthaltsrechts zur Arbeitsuche ankommen soll und die Nichterfüllung oder ein späterer Wegfall der materiell-rechtlichen Voraussetzungen unbeachtlich sei (so ausdrücklich LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris Rn. 22), vermag bereits deshalb nicht zu überzeugen, da sowohl nach dem Wortlaut als auch nach Sinn und Zweck der Regelung freizügigkeitsrechtlich mögliche Wechsel des Aufenthaltsrechtszwecks von der Arbeitssuche weg zu einem anderen Aufenthaltsrechtszweck im streitgegenständlichen Zeitraum berücksichtigt werden müssen. Deshalb kann der rechtlich maßgebliche Zeitpunkt der Prüfung des Aufenthaltsrechtszwecks nicht vom streitgegenständlichen Zeitraum abweichen.
Der Kläger kann sich im Rahmen dieser fiktiven Prüfung auf kein nachwirkendes Aufenthaltsrecht als niedergelassener selbständig Erwerbstätiger berufen. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU sind gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt Unionsbürger, wenn sie zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sind (niedergelassene selbständige Erwerbstätige). Das Recht bleibt für Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätige nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU unberührt bei unfreiwilliger, durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit oder Einstellung einer selbständigen Tätigkeit infolge von Umständen, auf die der Selbständige keinen Einfluss hatte, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit. Bei unfreiwilliger, durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung bleibt nach § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU das Recht aus Absatz 1 während der Dauer von sechs Monaten unberührt. Da das FreizügG/EU der Umsetzung der RL 2004/38/EG dient, ist der Begriff der Selbständigkeit deckungsgleich mit dem entsprechenden unionsrechtlichen Begriff auszulegen. Mit der selbstständigen Tätigkeit ist die Erwerbstätigkeit gemeint, die nicht als Beschäftigung, sondern selbstständig durch einen Niedergelassenen ausgeübt wird (hier und zum Folgenden Dienelt, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 2 FreizügG/EU, Rn. 70 ff.). Ausschlaggebend ist das Gesamtbild der Tätigkeit. Die selbständige Tätigkeit im Rahmen einer Niederlassung ist die tatsächliche Ausführung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat auf unbestimmte Zeit (st. Rspr. seit EuGH, Urteil vom 25. Juli 1991 – Rs C-221/89 – Factortame Ltd. ua, Slg. I-3905, Rn. 24.). Die Definition beruht damit auf einem zeitlichen Element ("auf unbestimmte Dauer"), einem räumlichen Element ("mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat") und einem qualitativen Element in Bezug auf die ausgeübte Tätigkeit ("wirtschaftliche Tätigkeit"). Das zeitliche und räumliche Element ermöglichen die Abgrenzung zur Dienstleistung. Im Ergebnis zutreffend hat das Sozialgericht einen entsprechenden Aufenthaltsrechtszweck verneint; in seinem angemeldeten Gewerbe war der Kläger nach eigenen Angaben nicht tätig. Soweit er auf fünf oder sechs Tage Montagearbeit im April 2012 verweisen kann, könnte es sich auch um "Schwarzarbeit" im Sinne einer abhängigen Beschäftigung gehandelt haben. Jedenfalls ist keinerlei Bezug zu einer Niederlassung erkennbar.
Selbst wenn man die Tätigkeit im April 2012 als abhängige Beschäftigung einordnen wollte, so fehlt es an einem entsprechenden Aufenthaltsrecht bei Erhalt der Erwerbstätigeneigenschaft nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 FreizügG/EU, das bei Arbeitnehmern die Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit sowie deren Bestätigung durch die zuständige Agentur für Arbeit voraussetzt. Das letztgenannte Erfordernis ist nur erfüllt, wenn der Betroffene seinen arbeitsförderungsrechtlichen bzw. grundsicherungsrechtlichen Obliegenheiten nachkommt (Dienelt in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 2 FreizügG/EU, Rn. 105). Es würde es sich im Falle einer abhängigen Beschäftigung um eine arbeitsgenehmigungsrechtswidrige Beschäftigung gehandelt haben, da der Kläger nicht im Besitz einer Arbeitsgenehmigung war; es ist kein unionsrechtlicher Grund erkennbar, warum in einem solchen Falle ein Erhalt der Arbeitnehmereigenschaft über § 2 Abs. 3 FreizügG/EU eingreifen sollte, wenn mit der Beschäftigung gegen wirksame Beschränkungen des Zugangs zum Arbeitsmarkt verstoßen wurde.
Der Kläger kann sich auch nicht auf ein Recht als Dienstleistungserbringer nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 FreizügG/EU berufen, da er im streitgegenständlichen Zeitraum den Aufenthalt in Deutschland nicht zielgerichtet zur Erbringung von Dienstleistungen begründet hat. Die genannten Tatbestandsvarianten stellen auf den Willen ab, sich vorübergehend, inhaltlich und zeitlich begrenzt, gerade zu einem solchen Zweck in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben (vgl. Dienelt in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 2 FreizügG/EU, Rn. 83).
b) Dem Kläger kam auch kein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche zu. Über das Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 1. Var., § 2 Abs. 3 FreizügG/EU hinaus ist ein arbeitsuchender EU-Bürger gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 2. Var. FreizügG/EU in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH solange freizügigkeitsberechtigt, wie er mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht, wobei das Unionsrecht die Länge des angemessenen Zeitraums nicht regelt. Allerdings ist es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, den Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats, der zum Zweck der Stellensuche in sein Gebiet eingereist ist, auszuweisen, wenn dieser nach sechs Monaten keine Stelle gefunden hat, sofern der Betroffene nicht nachweist, dass er weiterhin und mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht (EuGH, Urteil vom 26. Februar 1991, Rs. C-292/89 – Antonissen). Der Kläger entfaltete im streitgegenständlichen Zeitraum schon keine hinreichenden Ambitionen, Arbeit zu suchen, um zu einer positiven Prognose zu gelangen. Mit Gewicht gegen der Erfolg der Arbeitsuche sprechen die augenscheinlich unzureichenden Kenntnisse der deutschen Sprache, die aufgrund des Abbruchs eines Sprachkurses nicht verbessert werden konnten. Die Aussage des Klägers, von Bulgaren vermittelte Arbeit würde er annehmen, entbehrt jeden Bezuges zu einem konkreten Angebot, aufgrund einer Arbeitsgenehmigung einer auch sonst legalen Beschäftigung nachgehen zu können.
c) Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts kann § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht im Wege des "erst recht"-Schlusses erweiternd dahingehend ausgelegt werden, dass unter den Ausschlusstatbestand auch ein "nur" (formal-)legaler Aufenthalt aufgrund des Umstandes fällt, dass die Ausländerbehörde noch keine Feststellung über den Wegfall der materiell-rechtlichen Voraussetzungen Aufenthaltsrechts getroffen hat (wie hier: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. März 2013 – L 31 AS 362/13 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Oktober 2013 – L 19 AS 129/13 – insbes. Rn. 37 ff. nach juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 1. November 2013 – L 2 AS 841/13 B ER; Kingreen, SGb 2013, 132, 134; tendenziell auch BSG, Urteil vom 25. Januar 2012 - B 14 AS 138/11 R – juris Rn. 20; a.A.: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 – L 15 AS 365/13 B ER – Rn. 22 nach juris).
Bereits nach ihrem Wortlaut stellt die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auf den Zweck des Aufenthaltsrechts ab, der – wie bereits unter II.2.a) ausgeführt wurde – für eine fiktive, materiell-rechtliche Betrachtungsweise am Maßstab des FreizügG/EU spricht, wovon auch das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 30. Januar 2013 (a.a.O.) ausgeht. Aus dem Aufbau der Norm ist abzuleiten, dass positiv festgestellt werden muss, dass ein Ausländer sich allein zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, denn nur dann kann auch der Leistungsausschluss festgestellt werden (so ausdrücklich auch BSG, Urteil vom 25. Januar 2012 - B 14 AS 138/11 R – juris Rn. 20). Es bedarf mithin aufgrund der grammatikalischen Auslegung einer Prüfung, dass ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 2. Var. FreizügG/EU tatsächlich vorlag bzw. vorliegt. Die systematische Auslegung unter Einbeziehung der Wertungen des FreizügG/EU verbietet es, im Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche gleichsam ein "Auffang-Aufenthaltsrecht" zu sehen (so ausdrücklich auch Dienelt, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 2 FreizügG/EU, Rn. 59 m.w.N.). Wie bereits oben dargelegt, handelt es sich beim Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche um einen qualifizierten Tatbestand mit objektivierbaren Kriterien; insbesondere die erforderliche Erfolgsprognose und das fehlende Erfordernis, die Voraussetzungen des § 4 FreizügG/EU einhalten zu müssen, verbieten eine Auslegung als Auffang-Tatbestand. Die Gegenauffassung würde zum aufenthaltsrechtlich widersinnigen Ergebnis führen, dass es allein am Unionsbürger läge, durch die bloße Behauptung, er suche Arbeit, die Wirkungen des § 2 Abs. 2 Nr. 5 in Verbindung mit § 4 FreizügG/EU zu umgehen (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 1. November 2013 – L 2 AS 841/13 B ER – Rn. 30 juris). Nach diesen Vorschriften gelten nämlich bei wirtschaftlicher Inaktivität wesentlich strengere Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht als beim Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche. Die Systematik spricht letztlich dafür, dass der sozialrechtliche Ausschlusstatbestand der aufenthaltsrechtlichen Wertung folgt. Die historische Auslegung ist für das Problem nur von geringer Aussagekraft. Den Gesetzesmaterialien zu § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ist allein zu entnehmen, dass von der "Option" des Art. 24 Abs. 2 i.V.m. Art. 14 Abs. 4 der RL 2004/38/EG (sog. Unionsbürger- oder Freizügigkeitsrichtlinie) auch im Bereich des SGB II Gebrauch gemacht werden sollte (BT-Drucks. 16/5065, S. 234; siehe auch BT-Drucks. 16/688, S. 13). Historisch wie nach Sinn und Zweck der Regelung kann aber festgehalten werden, dass die Auslegung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II durch die Zielsetzungen der Art. 24 Abs. 2 i.V.m. Art. 7 und 14 RL 2004/38/EG begrenzt ist. Die genannten Vorschriften dienen einerseits dazu die Rechtsprechung des EuGH zum sozialrechtlichen Gehalt des allgemeinen Diskriminierungsverbots bei der Ausübung der Unionsbürgerfreizügigkeit (nunmehr Art. 18 i.V.m. Art. 21 AEUV) zu konkretisieren (vgl. zu Art. 21 des Kommissionsentwurfs, KOM (2001) 257 endg., S. 19 f.; zur Begründung des Gemeinsamen Standpunktes und Art. 14 siehe auch ABl. C 54E/ 31 vom 2. März 2004). Andererseits sollen sie dem mitgliedstaatlichen Interesse Rechnung tragen, einer übermäßigen oder unangemessenen Inanspruchnahme von Sozialhilfe vorzubeugen (vgl. Erwägungsgründe Nr. 10 und Nr. 16 der Richtlinie). Nach Art. 24 Abs. 1 RL 2004/38/EG genießt jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats auch in Bezug auf Sozialleistungen, vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen. Nach Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG kann ausnahmsweise eine Ungleichbehandlung bei Leistungen der "Sozialhilfe" durch ein nationales Gesetz gerechtfertigt sein bei "anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen ( ) gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b)", d.h. bei Wahrnehmung eines längeren Aufenthaltsrechts zur Arbeitsuche.
Der Senat teilt zwar die Auffassung des Sozialgerichts, dass das Arbeitslosengeld II trotz seiner Eigenschaft als besondere beitragsunabhängige Geldleistung i.S.d. Art. 3 Abs. 3 und Art. 70 VO (EG) 883/2004 zugleich "Sozialhilfe" im Sinne von Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG ist (so auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 19. November 2013 – L 7 AS 753/13 B ER – Leitsatz 1; siehe auch SG Osnabrück, Beschluss vom 20. Oktober 2011 S 16 AS 711/11 ER – Leitsatz 1; SG Berlin, Beschluss vom 11. Juni 2012 S 205 AS 11266/12 ER – juris; zusammenfassend Hofmann/Kummer, ZESAR 2013, 199, 201 f. m.w.N.; a.A. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. August 2010 – L 7 AS 3769/10 ER-B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. November 2010 L 34 AS 1501/10 B ER, beide m.w.N. auch zur Gegenauffassung; ebenfalls a.A. aber letztendlich im Ergebnis wie hier: Hessisches LSG, Urteil vom 20. September 2013 – L 7 AS 474/13 – juris). Zwischenzeitlich ist nämlich geklärt, dass der Begriff der Sozialhilfe dort autonom freizügigkeitsrechtlich zu definieren ist (EuGH, Urteil vom 19. September 2013 – Rs. C-140/12 – Brey, juris Rn. 60 ff., 77). Das Arbeitslosengeld II ist in diesem Sinne ein Hilfesystem, das auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene besteht und das ein Einzelner in Anspruch nimmt, der nicht über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung seiner Grundbedürfnisse und derjenigen seiner Familie verfügt.
Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG regelt indes bei einem Aufenthalt von mehr als drei Monaten gerade nicht den Fall eines nur wegen der Vermutung des legalen Aufenthalts fortbestehenden Aufenthaltsrechts, sondern allein die Möglichkeit, bei einem längeren Aufenthalt aufgrund eines bestehenden Aufenthaltsrechts zur Arbeitsuche durch nationales Gesetz die Sozialhilfeberechtigung auszuschließen (Fall des Art. 14 Abs. 4 b) RL 2004/38/EG). Dieses Schweigen in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG ist bedeutsam, da in Art. 14 Abs. 3 RL 2004/38/EG die aufenthaltsrechtliche Folge dieser Sachverhaltskonstellation geregelt worden ist, nämlich, dass der Sozialhilfebezug nicht automatisch zur Ausweisung (im unionsrechtlichen Sinne) führen darf. Kommission und Rat hatten den Fall des fortbestehenden Aufenthaltsrechts bei Wegfall der Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts also im Blick – wie auch die Bezugnahme auf die Rechtssache Grzelczyk in den oben zitierten Materialien sowie die Systematik von Art. 7 und Art. 14 RL 2004/38/EG zeigen – und regelten diesen Fall gerade nicht als Leistungsausschlussmöglichkeit in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG. Bis zur behördlichen Feststellung, dass das Aufenthaltsrecht entfallen ist, besteht in einem solchen Fall nach der klaren Regelungssystematik des Art. 24 RL 2004/38/EG in Zusammenschau mit den Regelungen des FreizügG/EU der Gleichbehandlungsanspruch beim Bezug von Sozialleistungen nach Art. 24 Abs. 1 RL 2004/38/EG fort (so im Ergebnis bereits zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Unionsbürgerrichtlinie: EuGH, Urteil vom 20. September 2001 – Rs. C-184/99 – Grzelczyk – Slg. 2001, I-6193, Rn. 44 ff.; Urteil vom 7. September 2004 – Rs. C-456/02 - Trojani, Slg. 2004, I-7573, insbes. Rn. 45 f.). Selbst wenn man den vorliegenden Fall von Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG erfasst sehen oder Art. 24 RL 2004/38/EG nicht als abschließende Regelung begreifen wollte, ist die Ermächtigung zur Schaffung von Leistungsausschlüssen im nationalen Recht nach der Rechtsprechung des EuGH engen Grenzen unterworfen. Die Richtlinie 2004/38 erkennt nämlich – in Übereinstimmung mit dem sozialrechtlichen Gehalt des Diskriminierungsverbots nach Art. 18 i.V.m. Art. 21 AEUV – eine "bestimmte finanzielle Solidarität" der Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats mit denen der anderen Mitgliedstaaten an (so ausdrücklich EuGH, Urteil vom 19. September 2013 Rs. C 140/12 – Brey, juris Rn. 72 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 20. September 2001 – Rs. C-184/99 – Grzelczyk – Slg. 2001, I-6193, Rn. 44; Urteil vom 15. März 2005 – Rs. C-209/03 – Bidar, Slg. 2005, I-2119, Rn. 56 und vom 18. November 2008 – Rs. C-158/07 – Förster, Slg. 2008, I-8507, Rn. 48). Das nationale Recht muss demnach eine Prüfung der unangemessenen Inanspruchnahme im Einzelfall ermöglichen und darf keinen Automatismus des Leistungsausschlusses vorsehen (EuGH, Urteil vom 19. September 2013 a.a.O., insbes. Rn. 77 ff.): "Es ist festzustellen, dass ein solcher automatischer Ausschluss der wirtschaftlich nicht aktiven Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten von der Gewährung einer bestimmten Sozialhilfeleistung durch den Aufnahmemitgliedstaat selbst für die in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 genannte Zeit nach einem dreimonatigen Aufenthalt es den zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats nicht erlaubt, im Einklang mit den Anforderungen, die sich insbesondere aus den Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und 8 Abs. 4 dieser Richtlinie sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben, in Fällen, in denen die Existenzmittel des Betroffenen geringer sind als der Richtsatz für die Gewährung dieser Leistung, eine umfassende Beurteilung der Frage vorzunehmen, welche Belastung die Gewährung dieser Leistung nach Maßgabe der die Lage des Betroffenen kennzeichnenden individuellen Umstände konkret für das gesamte Sozialhilfesystem darstellen würde. Insbesondere muss es ( ) den zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats möglich sein, bei der Prüfung des Antrags eines wirtschaftlich nicht aktiven Unionsbürgers, ( ), u. a. die Höhe und die Regelmäßigkeit der ihm verfügbaren Einkünfte, den Umstand, dass diese Einkünfte die nationalen Behörden zur Ausstellung einer Anmeldebescheinigung bewogen haben, und den Zeitraum zu berücksichtigen, in dem ihm die beantragte Leistung voraussichtlich gezahlt werden wird." Nicht zu rechtfertigen sind daher nationale Regelungen, die einen bestimmten Personenkreis unter Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit ohne individuelle Prüfung des Maßes der Inanspruchnahme von "Sozialhilfe" von den Leistungen ausschließen (so bereits ausdrücklich zu § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II: EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts vom 12. März 2009, Rs. C-22/08 und 23/08 – Vatsouras/Koupatantze, Slg. 2009, I-4585 unter VIII., Rn. 55 und insbesondere Rn. 61 nach juris).
Nach alledem stehen Art. 18 i.V.m. Art. 21 AEUV und eine hiermit vereinbare Auslegung von Art. 24 RL 2004/38/EG einer erweiternden Auslegung von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II für ein nur formal fortbestehendes Aufenthaltsrecht wirtschaftlich inaktiver Unionsbürger entgegen. Die sozialpolitischen Erwägungen und befürchteten Wertungswidersprüche einer Besserstellung von Unionsbürgern, die allein vom Fortbestand der Legalitätsvermutung profitieren, gegenüber rechtmäßig arbeitsuchenden Unionsbürgern, die offenbar für die vom Sozialgericht und vom LSG Niedersachsen-Bremen vertretene Gegenauffassung tragend sind, sind nach Auffassung des Senates allein im Freizügigkeitsrecht, nicht aber im Sozialrecht anzusiedeln. Die für den Vollzug des FreizügG/EU zuständigen Behörden haben nach Wegfall der Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens auf der Grundlage von nunmehr § 5 Abs. 4 FreizügG/EU (§ 5 Abs. 5 FreizügG/EU a.F.) den Wegfall auch festzustellen (vgl. dazu auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Oktober 2013 L 19 AS 129/13 – juris Rn. 69).
Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Rechtsauffassung des Sozialgerichts wegen §§ 21, 23 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – und § 1 AsylbLG einen Totalausschluss von Leistungen zur Sicherung der Menschenwürde allein aufgrund einer Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit zur Folge hätte. Dies dürfte am Maßstab der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Februar 2012 - 1 BvL 14/07 – und vom 18. Juli 2012 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – verfassungswidrig sein (ausf. dazu Kingreen, SGb 2013, 132, 137 ff.).
Da bereits eine unionsrechtskonforme Auslegung am Maßstab von Art. 18. i.V.m. 21 AEUV sowie Art. 24 RL 2004/38/EG einer erweiternden Auslegung des Leistungsausschlusses entgegenstehen, kann offen bleiben, ob aus Art. 4 i.V.m. Art. 70 VO (EG) 883/2004 strengere Voraussetzungen herzuleiten sind (vgl. dazu das nach der mündlichen Verhandlung ergangene Vorabentscheidungsersuchen des Bundessozialgerichts vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 9/13 R – sowie das Vorabentscheidungsersuchen des SG Leipzig, vom 3. Juni 2013 – S 17 AS 2198/12 –, anhängig beim EuGH unter Rs. C-333/13).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
III.
Es bestand kein Anlass, das Verfahren auszusetzen und im Wege des Vorabentscheidungsersuchens dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, da es sich vorliegend zunächst um eine Auslegungsfrage des deutschen Rechts handelt und die hier mittelbar streitentscheidende Rechtsfrage der Anforderungen des Primärrechts an die Auslegung von Art. 24 RL 2004/38/EG aufgrund einer Vielzahl von Entscheidungen des EuGH zum sozialrechtlichen Gehalt des allgemeinen Diskriminierungsverbotes bzw. der Unionsbürgerfreizügigkeit und zu Art. 24 RL 2004/38/EG (chronologisch: EuGH, Urteil vom 20. September 2001 – Rs. C-184/99 – Grzelczyk, Slg. 2001, I-6193; Urteil vom 7. September 2004 – Rs. C-456/02 - Trojani, Slg. 2004, I-7573, insbes. Rn. 46; Urteil vom 15. März 2005 – Rs. C-209/03 – Bidar, Slg. 2005, I-2119; Urteil vom 18. November 2008 – Rs. C-158/07 – Förster, Slg. 2008, I-8507; Urteil vom 19. September 2013 Rs. C 140/12 – Brey, ZESAR 2014, 36) – spätestens aufgrund der Entscheidung in der Rechtssache Brey – als geklärt angesehen werden kann.
Da zu dem hier und von Senaten der Landessozialgerichte Berlin-Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt aufgestellten Rechtssatz bezüglich einer erweiternden Auslegung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom 15. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen eine Gegenauffassung vertreten wird, war indes die Revision zum Bundessozialgericht zuzulassen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der 1993 geborene Kläger begehrt mit seiner Klage die Rücknahme von Bescheiden, mit denen die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) abgelehnt wurden sowie die Verpflichtung zur Leistungsgewährung dem Grunde nach.
Er ist bulgarischer Staatsangehöriger und reiste nach eigenen Angaben im Oktober 2011 in die Bundesrepublik Deutschland ein und bewohnt gemeinsam mit seiner Mutter und zeitweise auch mit seiner Schwester – der Klägerin des Berufungsverfahrens L 6 AS 378/12 – sowie deren Kinder eine Wohnung in A-Stadt. Am 30. Januar 2012 stellte er bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II.
Der Kläger ist im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung gemäß § 2 Abs. 1 i. V. m. § 13 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU), ausweislich derer eine unselbstständige Beschäftigung nur nach Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit nach § 284 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch Arbeitsförderung - (SGB III) gestattet ist. Eine Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit gemäß § 284 Abs. 1 SGB III liegt weder vor, noch ist sie von dem Kläger bislang beantragt worden. Ausweislich der von der zuständigen Ausländerbehörde am 23. August 2013 übersandten Verwaltungsvorgänge wurden bislang keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen eingeleitet.
Am 2. März 2012 meldete der Kläger ein "Garten- und Landschaftsbau"-Gewerbe an, das er am 20. Mai 2012 wieder abmeldete. Tätig war er nach seinen Angaben in diesem Gewerbe nicht. Nach seinen Angaben im Rahmen der informatorischen Anhörung vor dem Sozialgericht habe er im April 2012 einmal "nicht sozialversicherungspflichtig" für fünf oder sechs Tage für eine Firma in Limburg, deren Namen er nicht kenne, Batterien an Solarien installiert und dafür pauschal 60,- EUR pro Tag erhalten. Eine Arbeitserlaubnis habe er zu keinem Zeitpunkt beantragt; auf Stellenangebote habe er sich nicht beworben, dies wäre aufgrund der fehlenden Sprachkenntnisse auch aussichtslos gewesen. Von Bulgaren vermittelte Arbeit nehme er an. Er sei in keinem System der sozialen Sicherheit in Bulgarien oder Deutschland versichert. Über Einkommen oder Vermögen verfüge er nicht.
Mit Bescheid vom 23. Februar 2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Kläger sei nicht erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs. 2 SGB II. Am 28. März 2012 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X), der mit Bescheid vom 10. April 2012 abgelehnt wurde. Hiergegen erhob der Kläger am 18. April 2012 Widerspruch. Im Rahmen eines Erörterungstermins betreffend das ebenfalls am 18. April 2012 anhängig gemachte Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes am 4. Mai 2012 beschränkte der Kläger den Überprüfungsantrag auf den Zeitraum vom 30. Januar 2012 bis zum 30. April 2012 und stellte für den Zeitraum ab dem 1. Mai 2012 einen weiteren Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2012 lehnte die Beklagte den Widerspruch hinsichtlich des Ablehnungsbescheides betreffend den Überprüfungsantrag unter Hinweis auf die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ab. Mit Bescheid vom 15. Mai 2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 1. Mai 2012 ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2012 lehnte die Beklagte den Widerspruch hinsichtlich des Ablehnungsbescheides betreffend den Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 1. Mai 2012 ebenfalls unter Hinweis auf die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ab.
Aufgrund eines Eilverfahrens gewährte die Beklagte dem Kläger schließlich unter Vorbehalt der rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache bis zum 31. Oktober 2012 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe. Nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben der Beklagten erhält der Kläger bis heute Leistungen unter Vorbehalt.
Am 7. Mai 2012 - SG Wiesbaden S 11 AS 382/12, bezüglich des Überprüfungsantrages - und am 22. Juni 2012 - SG Wiesbaden S 11 AS 483/12, bezüglich der Leistungen ab 1. Mai 2012 - hat der Kläger Klage erhoben. Mit Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 12. Oktober 2012 sind die beiden Verfahren verbunden worden.
Der Kläger hat seine Ansicht wiederholt und vertieft, der in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II normierte Leistungsausschluss sei nicht europarechtskonform.
Die Beklagte hat auf die Ausführungen in den Widerspruchsbescheiden Bezug genommen.
Das Sozialgericht Wiesbaden hat die Klage mit Urteil vom 12. Oktober 2012 abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet. Der Kläger habe weder einen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihren Bescheid vom 23. Februar 2012 zurücknehme und ihm für den Zeitraum vom 30. Januar 2012 bis 30. April 2012 Leistungen nach dem SGB II gewähre, noch habe er für den Zeitraum ab dem 1. Mai 2012 einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II.
Der Bescheid vom 10. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2012 sei rechtmäßig. Nach § 44 Abs. 1. Satz 1 SGB X sei ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sich im Einzelfall ergebe, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden seien. Keine der beiden in § 44 Abs. 1 SGB X genannten Alternativen seien hier verwirklicht. Die Beklagte habe in ihrem Bescheid vom 23. Februar 2012 weder das Recht unrichtig angewandt, noch sei sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen habe. Es liege kein Fall der unrichtigen Rechtsanwendung vor. Der Kläger sei nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Leistungsanspruch ausgeschlossen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II seien Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, und ihre Familienangehörigen, von den Leistungen nach dem SGB II ausgenommen. Nach Auffassung der Kammer sei hinsichtlich des Aufenthaltsrechts allein auf den Kläger abzustellen, da er zwar das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet habe und damit grundsätzlich als Familienangehöriger seiner ebenfalls sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhaltenden Mutter anzusehen sei (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU), aber nach eigenen Angaben zur Arbeitssuche in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und nicht seiner Mutter nachgezogen sei (vgl. § 3 Abs. 1 Freizüg/EU). Tatsachen zur Begründung eines weiteren Aufenthaltsrechtes, welches zur Unanwendbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II führte, seien nicht gegeben. Der Kläger sei nicht Arbeitnehmer gewesen und auch nicht gegenwärtig Arbeitnehmer. Die Kammer vermöge auch eine selbstständige Tätigkeit des Klägers und somit ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU nicht anzunehmen. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU seien gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt Unionsbürger, wenn sie zur Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sind (niedergelassene selbstständige Erwerbstätige). Der Begriff der Niederlassung im Sinne des Art. 43 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 7. Dezember 1992 (EGV) erfasse die Aufnahme und Ausübung einer (wirtschaftlichen) Erwerbstätigkeit, die selbstständig und auf der Grundlage einer festen Einrichtung dauerhaft auf die Teilnahme am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaates angelegt sei, sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen. Von einer derartigen Niederlassung sei nicht auszugehen. Der Kläger sei nach eigenen Angaben in seinem vom 2. März 2012 bis 20. Mai 2012 angemeldeten Gewerbe nicht tätig gewesen. Eine Gewerbeanmeldung könne ohne die Ausübung entsprechender selbstständiger Tätigkeiten die Annahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit aber nicht begründen. Aus diesem Grund könne der Kläger seine Freizügigkeitsberechtigung auch nicht auf die Regelung des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU stützen, nach der ein Aufenthaltsrecht aufgrund einer vorher ausgeübten abhängigen Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit (vorübergehend) bestehen bliebe. Der Kläger habe auch kein Aufenthaltsrecht aus § 2 Abs. 2 Nr. 4 FreizügG/EU, wonach Unionsbürger als Empfänger von Dienstleistungen freizügigkeitsberechtigt seien. Dies gelte nicht für die Fälle, in denen der Unionsbürger beabsichtige, im Aufnahmemitgliedstaat auf unbestimmte Zeit Dienstleistungen zu empfangen. Der Kläger könne sich auch nicht auf ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 und 6 FreizügG/EU berufen. Er verfüge gemäß § 4 FreizügG/EU weder über ausreichenden Krankenversicherungsschutz noch über ausreichende Existenzmittel. Der Kläger könne mangels Daueraufenthaltsberechtigung seiner Mutter sein Aufenthaltsrecht auch nicht auf § 2 Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU stützen. Dem Kläger könne daher allein zur Arbeitssuche ein Aufenthaltsrecht zustehen. Bei einem alleinigen Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche seien Leistungen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II aber ausgeschlossen. Zweck dieser durch das Gesetz vom 24. März 2006 zum 1. April 2006 eingeführten gesetzlichen Neuregelung sei der Ausschluss von Ausländern gewesen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche infolge der Umsetzung der in Art. 24 Abs. 2 i. V. m. Art. 14 Abs. 4 Buchstabe d der Richtlinie 2004/38/EG bestehenden Regelung ergebe. Der nationale Gesetzgeber sei auch berechtigt gewesen, einen solchen Leistungsausschluss zu normieren. Zwar genieße gemäß Art. 24 Abs. 1 Richtlinie 2004/38/EG jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates aufhalte, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates. Allerdings sei der Aufnahmemitgliedstaat gemäß Art. 24 Abs. 2 Richtlinie 2004/38/EG nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibe, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b einen Anspruch auf Sozialhilfe bzw. Leistungen für Studien- und Berufsausbildung zu gewähren. Bei dem streitbefangenen Arbeitslosengeld II (§ 19 SGB II) handele es sich nach Auffassung der Kammer um eine Sozialhilfeleistung im Sinne des Art. 24 Richtlinie 2004/38/EG. Insoweit sei zwischen Leistungen zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit insbesondere durch Eingliederung in Arbeit (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 SGB II) und solchen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 SGB II) zu unterscheiden. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Kapitel 3 Abschnitt 2 des SGB II seien keine Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollten. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II und die Richtlinie 2004/38/EG seien auch mit europäischem Primärrecht vereinbar. Die Kammer schließe sich insoweit der Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts an (vgl. Hess. LSG, Beschluss vom 13. September 2007 - L 9 AS 44/07 ER - ; Hess. LSG, Beschluss vom 23. Juli 2010 - L 9 AS 341/10 B ER - ). Danach stelle die Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II auf Unionsbürger keine verbotene Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit (Art. 12 EGV) dar. Ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ergebe sich nach Auffassung der Kammer auch nicht aus Art. 4 i. V. m. Art. 70 der zum 1. Mai 2010 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) 883/2004) vom 29. April 2004. Ungeachtet der Frage, ob ein Anspruch auf Gewährung von beitragsunabhängigen Leistungen unmittelbar auf Art. 4 i. V. m. Art. 70 (EG) 883/2004 gestützt werden könne, Art. 4 i. V. m. Art. 70 VO (EG) 883/2004 mithin eine Anspruchsgrundlage darstelle, oder ob Art. 4 i. V. m. Art. 70 VO (EG) 883/2004 als Koordinierungsregelung (lediglich) ein Gleichbehandlungsgebot für den Fall normiere, dass der betroffene Unionsbürger einen auf die jeweiligen Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaates gestützten Anspruch auf Gewährung von beitragsunabhängigen Leistungen im Sinne des Art. 70 VO (EG) 883/2004 habe, sei der Kläger nach Auffassung der Kammer jedenfalls nicht vom persönlichen Anwendungsbereich der VO (EG) Nr. 883/2004 erfasst. Nach Art. 2 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 gelte die Verordnung für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten würden oder gegolten hätten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen. Nach Art. 1 lit. Buchstabe I VO (EG) 883/2004 bezeichne der Begriff "Rechtsvorschriften" für jeden Mitgliedstaat die Gesetze, Verordnungen, Satzungen und alle anderen Durchführungsvorschriften in Bezug auf die in Artikel 3 Abs. 1 genannten Zweige der sozialen Sicherheit. Staatsangehörige eines Mitgliedstaates seien somit dann vom persönlichen Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 erfasst, wenn sie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllten, d.h. im Rahmen der genannten Systeme der sozialen Sicherheit versichert seien. Es sei jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger auch nur gegen ein einziges Risiko bei einem der in Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 genannten allgemeinen oder besonderen Systeme der sozialen Sicherheit pflichtversichert oder freiwillig versichert sei. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus dem Europäischen Fürsorgeabkommen des Europarats vom 11. Dezember 1953. Bulgarien sei dem Abkommen nicht beigetreten. Der Kläger habe auch für den Zeitraum ab dem 1. Mai 2012 keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Der Bescheid vom 15. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2012 sei rechtmäßig. Der Kläger sei auch für diesen Zeitraum gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen gewesen, wobei insoweit auf die obigen Ausführungen verwiesen werde.
Die hiergegen gerichtete Berufung ist am 22. Oktober 2012 bei dem Sozialgericht eingegangen.
Der Kläger trägt vor, die Kammer zeige sich mit ihrer Rechtsauffassung nicht auf dem Stand von Literatur und Rechtsprechung. Im Rahmen der Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärte der Kläger, er habe das selbständige Gewerbe abgemeldet, weil es erfolglos gewesen sei. Die Anmeldegebühr von 30 EUR habe er von seiner Mutter erhalten. Einen Sprachkurs habe er begonnen, ihn allerdings aus psychischen Gründen abgebrochen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Wiesbaden vom 12. Oktober 2012 und des Bescheides vom 10. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2012 zu verurteilen, den Bescheid vom 23. Februar 2012 zurückzunehmen und dem Kläger für den Zeitraum vom 30. Januar 2012 bis 30. April 2012, sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2012 für den Zeitraum ab dem 1. Mai 2012 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils.
Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 27. November 2013 Bezug genommen. Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (1 Band) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist im Wesentlichen begründet.
I.
Die Klage ist zulässig. Sie ist hinsichtlich des Überprüfungsantrages für den Zeitraum bis einschließlich 30. April 2012 (Bescheid vom 10. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2012) als eine auf den Erlass eines Grundurteils gerichtete kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und unechte Leistungsklage sowie hinsichtlich des nachfolgenden Zeitraums als auf den Erlass eines Grundurteils gerichtete kombinierte Anfechtungs- und unechte Leistungsklage u.a. nach § 130 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Trotz der bereits aus dem vorangegangenen Eilverfahren erkennbaren Einkommens- und Vermögenssituation war keine Klageänderung auf eine bezifferte Antragstellung angezeigt, da die Beklagte nach wie vor den Anspruch dem Grunde nach bestreitet und unter isolierter Betrachtung des klägerischen Vortrags ein Auszahlungsanspruch bestünde (vgl. zu den Voraussetzungen allg. Breitkreuz, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, § 130 Rn. 3; bei auch streitiger Höhe: BSG, Urteil vom 16. April 2013 – B 14 AS 81/12 R – juris).
II.
Die Berufung ist auch begründet, da die Klage entgegen der Auffassung des Sozialgerichts begründet ist. Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach §§ 7 ff., 19 ff. SGB II.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 13. Mai 2011 (BGBl. I, 850) erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die
1.das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.erwerbsfähig sind,
3.hilfebedürftig sind und
4.ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB III
1. Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2. Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen,
3. Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten (§ 7 Abs. 1 Satz 3 SGB II). Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt (§ 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II).
Der Kläger erfüllt die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II, insbesondere hat er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (dazu 1.). Er ist auch dem Grunde nach hilfebedürftig (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II; dazu unter 2.). Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts wird er nicht von einem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II erfasst (dazu 3.).
1. Der Kläger war zu Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums 18 Jahre und zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat 20 Jahre alt (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II). Er war im streitgegenständlichen Zeitraum auch erwerbsfähig. Der Erwerbsfähigkeit (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II) steht eine fehlende Arbeitsgenehmigung nicht entgegen. Für die Annahme, dass eine Beschäftigung i.S. des § 8 Abs. 2 SGB II erlaubt ist oder erlaubt werden könnte, reicht es aus, wenn die Aufnahme einer Tätigkeit im Sinne einer rechtlich-theoretischen Möglichkeit mit einer Zustimmung zur Beschäftigungsaufnahme durch die Bundesagentur für Arbeit erlaubt sein könnte, auch wenn dies bezogen auf einen konkreten Arbeitsplatz durch die Verfügbarkeit geeigneter bevorrechtigter Bewerber verhindert wird. Unabhängig hiervon ist Unionsbürgern, also auch Bulgaren, Vorrang gegenüber Drittstaatsangehörigen einzuräumen. Dass auf eine abstrakt-rechtliche Möglichkeit der Erteilung einer Arbeitsgenehmigung abzustellen ist, ergibt sich auch aus dem mit Wirkung zum 1. April 2011 eingefügten § 8 Abs. 2 Satz 2 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 B 4 AS 54/12 R – juris Rn. 15).
Der Kläger hatte im streitgegenständlichen Zeitraum seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Diese Definition gilt für alle Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuchs, soweit sich nicht aus seinen besonderen Teilen etwas anderes ergibt (§ 37 SGB I). Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist in erster Linie nach den objektiv gegebenen tatsächlichen Verhältnissen im streitigen Zeitraum zu beurteilen (zum Folgenden ausführlich BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 54/12 R – juris Rn. 18 ff. m.w.N.). Entscheidend ist, ob der örtliche Schwerpunkt der Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Inland ist. Dauerhaft ist ein solcher Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen ist. Mit einem Abstellen auf den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse im Gebiet der Bundesrepublik soll – auch im Sinne einer Missbrauchsabwehr – ausgeschlossen werden, dass ein Wohnsitz zur Erlangung von Sozialleistungen im Wesentlichen nur formal begründet, dieser jedoch tatsächlich weder genutzt noch beibehalten werden soll (BSG a.a.O. Rn. 18). Eine fehlende Dauerhaftigkeit oder Zukunftsoffenheit kann bei Unionsbürgern aber nicht bereits mit einem etwaigen Wegfall der materiell-rechtlichen Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts begründet werden, solange das Nichtbestehen oder der Verlust des Aufenthaltsrechts nicht durch einen Verwaltungsakt der Ausländerbehörde festgestellt worden ist; es gilt insoweit die Vermutung des legalen Aufenthalts (vgl. BSG a.a.O. Rn. 20). Bei unionsrechtlich überformten Sachverhalten ist zudem im Wege der Auslegung eine Kongruenz zwischen dem Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts und dem Begriff des Wohnortes nach Art. 1 lit. j VO (EG) 883/2004 sowie Art. 11 VO (EG) 987/2009 – der entsprechenden Durchführungsvorschrift im Falle von Meinungsverschiedenheiten unter den Mitgliedstaaten – anzustreben. Hiernach sind Hilfskriterien zur Bestimmung des Wohnortes:
"a) Dauer und Kontinuität des Aufenthalts im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats;
b) die Situation der Person, einschließlich
i) der Art und der spezifischen Merkmale jeglicher ausgeübten Tätigkeit, insbesondere des Ortes, an dem eine solche Tätigkeit in der Regel ausgeübt wird, der Dauerhaftigkeit der Tätigkeit und der Dauer jedes Arbeitsvertrags,
ii) ihrer familiären Verhältnisse und familiären Bindungen,
iii) der Ausübung einer nicht bezahlten Tätigkeit,
iv) im Falle von Studierenden ihrer Einkommensquelle,
v) ihrer Wohnsituation, insbesondere deren dauerhafter Charakter,
vi) des Mitgliedstaats, der als der steuerliche Wohnsitz der Person gilt."
Nach Art. 11 Abs. 2 VO (EG) 987/2009 gilt in Zweifelsfällen und Streitfällen zwischen den Trägern letztlich "der Wille der Person, wie er sich aus diesen Fakten und Umständen erkennen lässt, unter Einbeziehung insbesondere der Gründe, die die Person zu einem Wohnortwechsel veranlasst haben, bei der Bestimmung des tatsächlichen Wohnortes dieser Person als ausschlaggebend." Der aufenthaltsrechtliche Status ist hiernach nur mittelbar relevant, soweit er die o.g. Kriterien beeinflusst.
Bereits die Dauer des Aufenthalts seit Oktober 2011 und der zu Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums zeitweilig manifestierte Wille, eine Erwerbstätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland aufzubauen, sprechen gegen ein vorübergehendes Verweilen. Auch die familiäre Situation, insbesondere die Wohnsituation mit weiteren Familienmitgliedern mit Mutter, Schwester sowie deren Kind ist ein Indiz für einen dauerhaften Schwerpunkt der Lebensverhältnisse in A-Stadt. Da die Ausländerbehörde bislang keinen Wegfall des Aufenthaltsrechts festgestellt hat, spricht schließlich auch die aufenthaltsrechtliche Situation nicht gegen die Zukunftsoffenheit des Aufenthalts. Allein eine Anhörung zu einer beabsichtigten Feststellung des Wegfalls der Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts – wie von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgetragen – lässt in einer solchen Situation die Zukunftsoffenheit des Aufenthalts noch nicht entfallen. Insbesondere kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass sich der Kläger aufgrund veränderter Umstände in der Zukunft noch vor Erlass einer Feststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU auf einen anderen aufenthaltsrechtlichen Tatbestand beruft.
2. Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum auch hilfebedürftig. Er bildete zunächst mit seiner Mutter sowie seiner Schwester und ihrem Kind eine Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 SGB II), zuletzt nur noch mit seiner Mutter. Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass etwaige Unklarheiten über Einkommen und Vermögen der Bedarfsgemeinschaft nicht dazu führen können, dass der Leistungsanspruch des Klägers vollständig entfällt. Glaubhaft ist, dass der Kläger aufgrund seiner vorherigen Tätigkeit an wenigen Tagen im April 2012 über kein Vermögen verfügt, das die Freibeträge übersteigt. Dass das vorhandene Vermögen der Mutter bereits Ende 2011 erschöpft war, konnte der Senat im Verfahren L 6 AS 378/12 feststellen. Aus der dort festgestellten Einkommens- und Vermögenssituation der Schwester im Jahr 2011 ist auch im hiesigen Verfahren festzustellen, dass kein Vermögen vorhanden war. Im Übrigen macht sich der Senat die Feststellungen zu Einkommen und Vermögen der Beklagten zu Eigen, die zu den vorläufigen Bewilligungen im streitgegenständlichen Zeitraum geführt haben. Hiernach ist davon auszugehen, dass für jeden Monat des streitgegenständlichen Leistungszeitraums ein Leistungsanspruch besteht, der im Falle der Erfüllung der restlichen Voraussetzungen zu einem Auszahlungsbetrag führen würde.
3. Der Kläger ist entgegen der Rechtsansicht des Sozialgerichts nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Anspruch ausgeschlossen, da sich sein Aufenthaltsrecht nicht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt.
Zwar erfüllte der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum nicht die Voraussetzungen eines anderen Aufenthaltsrechtstatbestandes (a), indes waren auch die Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts zur Arbeitssuche nicht erfüllt (b). Eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II verbietet es in einem derartigen Fall vor dem Hintergrund der bestehenden Aufenthaltsrechtslage in der Bundesrepublik Deutschland, § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II gleichsam als "Auffangausschlusstatbestand" auszulegen (c). Dies hat zur Folge, dass ein allein aufgrund der fortbestehenden Vermutung lediglich formal legaler Aufenthalt nicht unter den Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II fällt.
a) Die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II erfordert eine "fiktive Prüfung" des Grundes bzw. der Gründe des Aufenthaltsrechts am Maßstab des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) und ggf. des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG); bereits das Vorhandensein der Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts aus einem anderen Grund als dem Zweck der Arbeitsuche hindert die von der Rechtsprechung des BSG geforderte positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" i.S. von § 7 Abs. 1 S 2 Nr. 2 SGB II (BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 54/12 R – juris Rn. 23 ff. m.w.N.). Während der Senat hinsichtlich der Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts wegen der gesetzlichen Vermutung an die (Nicht-)Feststellung der Ausländerbehörde gebunden ist, hat er wegen der Zielrichtung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II das Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechtstatbestandes zu prüfen, allerdings nicht hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts, sondern allein zur Prüfung der Tatbestandsvoraussetzung "deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt" in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Die gegenteilige Auffassung, wonach es allein auf ein früheres "Gebrauchmachen" eines Aufenthaltsrechts zur Arbeitsuche ankommen soll und die Nichterfüllung oder ein späterer Wegfall der materiell-rechtlichen Voraussetzungen unbeachtlich sei (so ausdrücklich LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris Rn. 22), vermag bereits deshalb nicht zu überzeugen, da sowohl nach dem Wortlaut als auch nach Sinn und Zweck der Regelung freizügigkeitsrechtlich mögliche Wechsel des Aufenthaltsrechtszwecks von der Arbeitssuche weg zu einem anderen Aufenthaltsrechtszweck im streitgegenständlichen Zeitraum berücksichtigt werden müssen. Deshalb kann der rechtlich maßgebliche Zeitpunkt der Prüfung des Aufenthaltsrechtszwecks nicht vom streitgegenständlichen Zeitraum abweichen.
Der Kläger kann sich im Rahmen dieser fiktiven Prüfung auf kein nachwirkendes Aufenthaltsrecht als niedergelassener selbständig Erwerbstätiger berufen. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU sind gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt Unionsbürger, wenn sie zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sind (niedergelassene selbständige Erwerbstätige). Das Recht bleibt für Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätige nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU unberührt bei unfreiwilliger, durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit oder Einstellung einer selbständigen Tätigkeit infolge von Umständen, auf die der Selbständige keinen Einfluss hatte, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit. Bei unfreiwilliger, durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung bleibt nach § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU das Recht aus Absatz 1 während der Dauer von sechs Monaten unberührt. Da das FreizügG/EU der Umsetzung der RL 2004/38/EG dient, ist der Begriff der Selbständigkeit deckungsgleich mit dem entsprechenden unionsrechtlichen Begriff auszulegen. Mit der selbstständigen Tätigkeit ist die Erwerbstätigkeit gemeint, die nicht als Beschäftigung, sondern selbstständig durch einen Niedergelassenen ausgeübt wird (hier und zum Folgenden Dienelt, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 2 FreizügG/EU, Rn. 70 ff.). Ausschlaggebend ist das Gesamtbild der Tätigkeit. Die selbständige Tätigkeit im Rahmen einer Niederlassung ist die tatsächliche Ausführung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat auf unbestimmte Zeit (st. Rspr. seit EuGH, Urteil vom 25. Juli 1991 – Rs C-221/89 – Factortame Ltd. ua, Slg. I-3905, Rn. 24.). Die Definition beruht damit auf einem zeitlichen Element ("auf unbestimmte Dauer"), einem räumlichen Element ("mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat") und einem qualitativen Element in Bezug auf die ausgeübte Tätigkeit ("wirtschaftliche Tätigkeit"). Das zeitliche und räumliche Element ermöglichen die Abgrenzung zur Dienstleistung. Im Ergebnis zutreffend hat das Sozialgericht einen entsprechenden Aufenthaltsrechtszweck verneint; in seinem angemeldeten Gewerbe war der Kläger nach eigenen Angaben nicht tätig. Soweit er auf fünf oder sechs Tage Montagearbeit im April 2012 verweisen kann, könnte es sich auch um "Schwarzarbeit" im Sinne einer abhängigen Beschäftigung gehandelt haben. Jedenfalls ist keinerlei Bezug zu einer Niederlassung erkennbar.
Selbst wenn man die Tätigkeit im April 2012 als abhängige Beschäftigung einordnen wollte, so fehlt es an einem entsprechenden Aufenthaltsrecht bei Erhalt der Erwerbstätigeneigenschaft nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 FreizügG/EU, das bei Arbeitnehmern die Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit sowie deren Bestätigung durch die zuständige Agentur für Arbeit voraussetzt. Das letztgenannte Erfordernis ist nur erfüllt, wenn der Betroffene seinen arbeitsförderungsrechtlichen bzw. grundsicherungsrechtlichen Obliegenheiten nachkommt (Dienelt in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 2 FreizügG/EU, Rn. 105). Es würde es sich im Falle einer abhängigen Beschäftigung um eine arbeitsgenehmigungsrechtswidrige Beschäftigung gehandelt haben, da der Kläger nicht im Besitz einer Arbeitsgenehmigung war; es ist kein unionsrechtlicher Grund erkennbar, warum in einem solchen Falle ein Erhalt der Arbeitnehmereigenschaft über § 2 Abs. 3 FreizügG/EU eingreifen sollte, wenn mit der Beschäftigung gegen wirksame Beschränkungen des Zugangs zum Arbeitsmarkt verstoßen wurde.
Der Kläger kann sich auch nicht auf ein Recht als Dienstleistungserbringer nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 FreizügG/EU berufen, da er im streitgegenständlichen Zeitraum den Aufenthalt in Deutschland nicht zielgerichtet zur Erbringung von Dienstleistungen begründet hat. Die genannten Tatbestandsvarianten stellen auf den Willen ab, sich vorübergehend, inhaltlich und zeitlich begrenzt, gerade zu einem solchen Zweck in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben (vgl. Dienelt in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 2 FreizügG/EU, Rn. 83).
b) Dem Kläger kam auch kein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche zu. Über das Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 1. Var., § 2 Abs. 3 FreizügG/EU hinaus ist ein arbeitsuchender EU-Bürger gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 2. Var. FreizügG/EU in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH solange freizügigkeitsberechtigt, wie er mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht, wobei das Unionsrecht die Länge des angemessenen Zeitraums nicht regelt. Allerdings ist es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, den Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats, der zum Zweck der Stellensuche in sein Gebiet eingereist ist, auszuweisen, wenn dieser nach sechs Monaten keine Stelle gefunden hat, sofern der Betroffene nicht nachweist, dass er weiterhin und mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht (EuGH, Urteil vom 26. Februar 1991, Rs. C-292/89 – Antonissen). Der Kläger entfaltete im streitgegenständlichen Zeitraum schon keine hinreichenden Ambitionen, Arbeit zu suchen, um zu einer positiven Prognose zu gelangen. Mit Gewicht gegen der Erfolg der Arbeitsuche sprechen die augenscheinlich unzureichenden Kenntnisse der deutschen Sprache, die aufgrund des Abbruchs eines Sprachkurses nicht verbessert werden konnten. Die Aussage des Klägers, von Bulgaren vermittelte Arbeit würde er annehmen, entbehrt jeden Bezuges zu einem konkreten Angebot, aufgrund einer Arbeitsgenehmigung einer auch sonst legalen Beschäftigung nachgehen zu können.
c) Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts kann § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht im Wege des "erst recht"-Schlusses erweiternd dahingehend ausgelegt werden, dass unter den Ausschlusstatbestand auch ein "nur" (formal-)legaler Aufenthalt aufgrund des Umstandes fällt, dass die Ausländerbehörde noch keine Feststellung über den Wegfall der materiell-rechtlichen Voraussetzungen Aufenthaltsrechts getroffen hat (wie hier: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. März 2013 – L 31 AS 362/13 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Oktober 2013 – L 19 AS 129/13 – insbes. Rn. 37 ff. nach juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 1. November 2013 – L 2 AS 841/13 B ER; Kingreen, SGb 2013, 132, 134; tendenziell auch BSG, Urteil vom 25. Januar 2012 - B 14 AS 138/11 R – juris Rn. 20; a.A.: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 – L 15 AS 365/13 B ER – Rn. 22 nach juris).
Bereits nach ihrem Wortlaut stellt die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auf den Zweck des Aufenthaltsrechts ab, der – wie bereits unter II.2.a) ausgeführt wurde – für eine fiktive, materiell-rechtliche Betrachtungsweise am Maßstab des FreizügG/EU spricht, wovon auch das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 30. Januar 2013 (a.a.O.) ausgeht. Aus dem Aufbau der Norm ist abzuleiten, dass positiv festgestellt werden muss, dass ein Ausländer sich allein zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, denn nur dann kann auch der Leistungsausschluss festgestellt werden (so ausdrücklich auch BSG, Urteil vom 25. Januar 2012 - B 14 AS 138/11 R – juris Rn. 20). Es bedarf mithin aufgrund der grammatikalischen Auslegung einer Prüfung, dass ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 2. Var. FreizügG/EU tatsächlich vorlag bzw. vorliegt. Die systematische Auslegung unter Einbeziehung der Wertungen des FreizügG/EU verbietet es, im Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche gleichsam ein "Auffang-Aufenthaltsrecht" zu sehen (so ausdrücklich auch Dienelt, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 2 FreizügG/EU, Rn. 59 m.w.N.). Wie bereits oben dargelegt, handelt es sich beim Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche um einen qualifizierten Tatbestand mit objektivierbaren Kriterien; insbesondere die erforderliche Erfolgsprognose und das fehlende Erfordernis, die Voraussetzungen des § 4 FreizügG/EU einhalten zu müssen, verbieten eine Auslegung als Auffang-Tatbestand. Die Gegenauffassung würde zum aufenthaltsrechtlich widersinnigen Ergebnis führen, dass es allein am Unionsbürger läge, durch die bloße Behauptung, er suche Arbeit, die Wirkungen des § 2 Abs. 2 Nr. 5 in Verbindung mit § 4 FreizügG/EU zu umgehen (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 1. November 2013 – L 2 AS 841/13 B ER – Rn. 30 juris). Nach diesen Vorschriften gelten nämlich bei wirtschaftlicher Inaktivität wesentlich strengere Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht als beim Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche. Die Systematik spricht letztlich dafür, dass der sozialrechtliche Ausschlusstatbestand der aufenthaltsrechtlichen Wertung folgt. Die historische Auslegung ist für das Problem nur von geringer Aussagekraft. Den Gesetzesmaterialien zu § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ist allein zu entnehmen, dass von der "Option" des Art. 24 Abs. 2 i.V.m. Art. 14 Abs. 4 der RL 2004/38/EG (sog. Unionsbürger- oder Freizügigkeitsrichtlinie) auch im Bereich des SGB II Gebrauch gemacht werden sollte (BT-Drucks. 16/5065, S. 234; siehe auch BT-Drucks. 16/688, S. 13). Historisch wie nach Sinn und Zweck der Regelung kann aber festgehalten werden, dass die Auslegung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II durch die Zielsetzungen der Art. 24 Abs. 2 i.V.m. Art. 7 und 14 RL 2004/38/EG begrenzt ist. Die genannten Vorschriften dienen einerseits dazu die Rechtsprechung des EuGH zum sozialrechtlichen Gehalt des allgemeinen Diskriminierungsverbots bei der Ausübung der Unionsbürgerfreizügigkeit (nunmehr Art. 18 i.V.m. Art. 21 AEUV) zu konkretisieren (vgl. zu Art. 21 des Kommissionsentwurfs, KOM (2001) 257 endg., S. 19 f.; zur Begründung des Gemeinsamen Standpunktes und Art. 14 siehe auch ABl. C 54E/ 31 vom 2. März 2004). Andererseits sollen sie dem mitgliedstaatlichen Interesse Rechnung tragen, einer übermäßigen oder unangemessenen Inanspruchnahme von Sozialhilfe vorzubeugen (vgl. Erwägungsgründe Nr. 10 und Nr. 16 der Richtlinie). Nach Art. 24 Abs. 1 RL 2004/38/EG genießt jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats auch in Bezug auf Sozialleistungen, vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen. Nach Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG kann ausnahmsweise eine Ungleichbehandlung bei Leistungen der "Sozialhilfe" durch ein nationales Gesetz gerechtfertigt sein bei "anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen ( ) gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b)", d.h. bei Wahrnehmung eines längeren Aufenthaltsrechts zur Arbeitsuche.
Der Senat teilt zwar die Auffassung des Sozialgerichts, dass das Arbeitslosengeld II trotz seiner Eigenschaft als besondere beitragsunabhängige Geldleistung i.S.d. Art. 3 Abs. 3 und Art. 70 VO (EG) 883/2004 zugleich "Sozialhilfe" im Sinne von Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG ist (so auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 19. November 2013 – L 7 AS 753/13 B ER – Leitsatz 1; siehe auch SG Osnabrück, Beschluss vom 20. Oktober 2011 S 16 AS 711/11 ER – Leitsatz 1; SG Berlin, Beschluss vom 11. Juni 2012 S 205 AS 11266/12 ER – juris; zusammenfassend Hofmann/Kummer, ZESAR 2013, 199, 201 f. m.w.N.; a.A. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. August 2010 – L 7 AS 3769/10 ER-B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. November 2010 L 34 AS 1501/10 B ER, beide m.w.N. auch zur Gegenauffassung; ebenfalls a.A. aber letztendlich im Ergebnis wie hier: Hessisches LSG, Urteil vom 20. September 2013 – L 7 AS 474/13 – juris). Zwischenzeitlich ist nämlich geklärt, dass der Begriff der Sozialhilfe dort autonom freizügigkeitsrechtlich zu definieren ist (EuGH, Urteil vom 19. September 2013 – Rs. C-140/12 – Brey, juris Rn. 60 ff., 77). Das Arbeitslosengeld II ist in diesem Sinne ein Hilfesystem, das auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene besteht und das ein Einzelner in Anspruch nimmt, der nicht über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung seiner Grundbedürfnisse und derjenigen seiner Familie verfügt.
Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG regelt indes bei einem Aufenthalt von mehr als drei Monaten gerade nicht den Fall eines nur wegen der Vermutung des legalen Aufenthalts fortbestehenden Aufenthaltsrechts, sondern allein die Möglichkeit, bei einem längeren Aufenthalt aufgrund eines bestehenden Aufenthaltsrechts zur Arbeitsuche durch nationales Gesetz die Sozialhilfeberechtigung auszuschließen (Fall des Art. 14 Abs. 4 b) RL 2004/38/EG). Dieses Schweigen in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG ist bedeutsam, da in Art. 14 Abs. 3 RL 2004/38/EG die aufenthaltsrechtliche Folge dieser Sachverhaltskonstellation geregelt worden ist, nämlich, dass der Sozialhilfebezug nicht automatisch zur Ausweisung (im unionsrechtlichen Sinne) führen darf. Kommission und Rat hatten den Fall des fortbestehenden Aufenthaltsrechts bei Wegfall der Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts also im Blick – wie auch die Bezugnahme auf die Rechtssache Grzelczyk in den oben zitierten Materialien sowie die Systematik von Art. 7 und Art. 14 RL 2004/38/EG zeigen – und regelten diesen Fall gerade nicht als Leistungsausschlussmöglichkeit in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG. Bis zur behördlichen Feststellung, dass das Aufenthaltsrecht entfallen ist, besteht in einem solchen Fall nach der klaren Regelungssystematik des Art. 24 RL 2004/38/EG in Zusammenschau mit den Regelungen des FreizügG/EU der Gleichbehandlungsanspruch beim Bezug von Sozialleistungen nach Art. 24 Abs. 1 RL 2004/38/EG fort (so im Ergebnis bereits zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Unionsbürgerrichtlinie: EuGH, Urteil vom 20. September 2001 – Rs. C-184/99 – Grzelczyk – Slg. 2001, I-6193, Rn. 44 ff.; Urteil vom 7. September 2004 – Rs. C-456/02 - Trojani, Slg. 2004, I-7573, insbes. Rn. 45 f.). Selbst wenn man den vorliegenden Fall von Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG erfasst sehen oder Art. 24 RL 2004/38/EG nicht als abschließende Regelung begreifen wollte, ist die Ermächtigung zur Schaffung von Leistungsausschlüssen im nationalen Recht nach der Rechtsprechung des EuGH engen Grenzen unterworfen. Die Richtlinie 2004/38 erkennt nämlich – in Übereinstimmung mit dem sozialrechtlichen Gehalt des Diskriminierungsverbots nach Art. 18 i.V.m. Art. 21 AEUV – eine "bestimmte finanzielle Solidarität" der Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats mit denen der anderen Mitgliedstaaten an (so ausdrücklich EuGH, Urteil vom 19. September 2013 Rs. C 140/12 – Brey, juris Rn. 72 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 20. September 2001 – Rs. C-184/99 – Grzelczyk – Slg. 2001, I-6193, Rn. 44; Urteil vom 15. März 2005 – Rs. C-209/03 – Bidar, Slg. 2005, I-2119, Rn. 56 und vom 18. November 2008 – Rs. C-158/07 – Förster, Slg. 2008, I-8507, Rn. 48). Das nationale Recht muss demnach eine Prüfung der unangemessenen Inanspruchnahme im Einzelfall ermöglichen und darf keinen Automatismus des Leistungsausschlusses vorsehen (EuGH, Urteil vom 19. September 2013 a.a.O., insbes. Rn. 77 ff.): "Es ist festzustellen, dass ein solcher automatischer Ausschluss der wirtschaftlich nicht aktiven Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten von der Gewährung einer bestimmten Sozialhilfeleistung durch den Aufnahmemitgliedstaat selbst für die in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 genannte Zeit nach einem dreimonatigen Aufenthalt es den zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats nicht erlaubt, im Einklang mit den Anforderungen, die sich insbesondere aus den Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und 8 Abs. 4 dieser Richtlinie sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben, in Fällen, in denen die Existenzmittel des Betroffenen geringer sind als der Richtsatz für die Gewährung dieser Leistung, eine umfassende Beurteilung der Frage vorzunehmen, welche Belastung die Gewährung dieser Leistung nach Maßgabe der die Lage des Betroffenen kennzeichnenden individuellen Umstände konkret für das gesamte Sozialhilfesystem darstellen würde. Insbesondere muss es ( ) den zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats möglich sein, bei der Prüfung des Antrags eines wirtschaftlich nicht aktiven Unionsbürgers, ( ), u. a. die Höhe und die Regelmäßigkeit der ihm verfügbaren Einkünfte, den Umstand, dass diese Einkünfte die nationalen Behörden zur Ausstellung einer Anmeldebescheinigung bewogen haben, und den Zeitraum zu berücksichtigen, in dem ihm die beantragte Leistung voraussichtlich gezahlt werden wird." Nicht zu rechtfertigen sind daher nationale Regelungen, die einen bestimmten Personenkreis unter Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit ohne individuelle Prüfung des Maßes der Inanspruchnahme von "Sozialhilfe" von den Leistungen ausschließen (so bereits ausdrücklich zu § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II: EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts vom 12. März 2009, Rs. C-22/08 und 23/08 – Vatsouras/Koupatantze, Slg. 2009, I-4585 unter VIII., Rn. 55 und insbesondere Rn. 61 nach juris).
Nach alledem stehen Art. 18 i.V.m. Art. 21 AEUV und eine hiermit vereinbare Auslegung von Art. 24 RL 2004/38/EG einer erweiternden Auslegung von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II für ein nur formal fortbestehendes Aufenthaltsrecht wirtschaftlich inaktiver Unionsbürger entgegen. Die sozialpolitischen Erwägungen und befürchteten Wertungswidersprüche einer Besserstellung von Unionsbürgern, die allein vom Fortbestand der Legalitätsvermutung profitieren, gegenüber rechtmäßig arbeitsuchenden Unionsbürgern, die offenbar für die vom Sozialgericht und vom LSG Niedersachsen-Bremen vertretene Gegenauffassung tragend sind, sind nach Auffassung des Senates allein im Freizügigkeitsrecht, nicht aber im Sozialrecht anzusiedeln. Die für den Vollzug des FreizügG/EU zuständigen Behörden haben nach Wegfall der Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens auf der Grundlage von nunmehr § 5 Abs. 4 FreizügG/EU (§ 5 Abs. 5 FreizügG/EU a.F.) den Wegfall auch festzustellen (vgl. dazu auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Oktober 2013 L 19 AS 129/13 – juris Rn. 69).
Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Rechtsauffassung des Sozialgerichts wegen §§ 21, 23 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – und § 1 AsylbLG einen Totalausschluss von Leistungen zur Sicherung der Menschenwürde allein aufgrund einer Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit zur Folge hätte. Dies dürfte am Maßstab der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Februar 2012 - 1 BvL 14/07 – und vom 18. Juli 2012 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – verfassungswidrig sein (ausf. dazu Kingreen, SGb 2013, 132, 137 ff.).
Da bereits eine unionsrechtskonforme Auslegung am Maßstab von Art. 18. i.V.m. 21 AEUV sowie Art. 24 RL 2004/38/EG einer erweiternden Auslegung des Leistungsausschlusses entgegenstehen, kann offen bleiben, ob aus Art. 4 i.V.m. Art. 70 VO (EG) 883/2004 strengere Voraussetzungen herzuleiten sind (vgl. dazu das nach der mündlichen Verhandlung ergangene Vorabentscheidungsersuchen des Bundessozialgerichts vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 9/13 R – sowie das Vorabentscheidungsersuchen des SG Leipzig, vom 3. Juni 2013 – S 17 AS 2198/12 –, anhängig beim EuGH unter Rs. C-333/13).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
III.
Es bestand kein Anlass, das Verfahren auszusetzen und im Wege des Vorabentscheidungsersuchens dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, da es sich vorliegend zunächst um eine Auslegungsfrage des deutschen Rechts handelt und die hier mittelbar streitentscheidende Rechtsfrage der Anforderungen des Primärrechts an die Auslegung von Art. 24 RL 2004/38/EG aufgrund einer Vielzahl von Entscheidungen des EuGH zum sozialrechtlichen Gehalt des allgemeinen Diskriminierungsverbotes bzw. der Unionsbürgerfreizügigkeit und zu Art. 24 RL 2004/38/EG (chronologisch: EuGH, Urteil vom 20. September 2001 – Rs. C-184/99 – Grzelczyk, Slg. 2001, I-6193; Urteil vom 7. September 2004 – Rs. C-456/02 - Trojani, Slg. 2004, I-7573, insbes. Rn. 46; Urteil vom 15. März 2005 – Rs. C-209/03 – Bidar, Slg. 2005, I-2119; Urteil vom 18. November 2008 – Rs. C-158/07 – Förster, Slg. 2008, I-8507; Urteil vom 19. September 2013 Rs. C 140/12 – Brey, ZESAR 2014, 36) – spätestens aufgrund der Entscheidung in der Rechtssache Brey – als geklärt angesehen werden kann.
Da zu dem hier und von Senaten der Landessozialgerichte Berlin-Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt aufgestellten Rechtssatz bezüglich einer erweiternden Auslegung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom 15. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen eine Gegenauffassung vertreten wird, war indes die Revision zum Bundessozialgericht zuzulassen.
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Aus
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