Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 22 U 519/97
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 13/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Dezember 2000 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten habe die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung einer Lendenwirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO)und die Gewährung einer Verletztenteilrente.
Der 1953 geborene Kläger übte bis September 1973 eine Tätigkeit als Siebdrucker aus und war ab Dezember 1973 beim D R K zunächst bis Juni 1978 als Kraftfahrer mit Ladetätigkeit, anschließend als Rettungssanitäter tätig. Seit dem 8. März 1994 war er wegen Wirbelsäulensyndrom und Gonarthrose arbeitsunfähig erkrankt. 1998 kam es zu einer dekompensierten Leberzirrhose, in deren Folge dem Kläger eine Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit zuerkannt wurde.
Auf eine Anzeige der behandelnden Neurologin und Psychiaterin Dr. C-D vom 1. Dezember 1994 über eine Berufskrankheit wegen Wirbelsäulenveränderungen, Wirbelsäulensyndrom bei chronischer Belastung ("LWS-Syndrom, HWS-Syndrom, BWS-Syndrom, Gonalgie bds.") befragte die Beklagte den Arbeitgeber des Klägers zum Umfang der belastenden Tätigkeiten, nahm ein Vorerkrankungsverzeichnis zur Akte und holte Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte, der Internistin Dr. T, des Chirurgen Dr. T, des Orthopäden Dr. W und der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. C-D ein. Des Weiteren zog sie die Entlassungsberichte über Heilverfahren vom 23. Juni 1989 bis zum 21. Juli 1989 in der W-Klinik, Lund vom 28. Juli 1994 bis zum 8. September 1994 in der WKlinik, V bei. Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) kam in einer Arbeitsplatzanalyse vom 19. Mai 1995 zu dem Ergebnis, die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien für die Tätigkeit eines Kraftfahrers erfüllt, nicht jedoch für die Tätigkeit als Mitarbeiter im Rettungsdienst. Die daraufhin von der Beklagten angehörte Gewerbeärztin N vertrat in ihrer Stellungnahme vom 14. Februar 1996 die Auffassung, es liege keine Berufskrankheit nach Nr. 2108 vor, da bisher kein Bandscheibenvorfall diagnostiziert worden und die haftungsbegründende Kausalität nicht erfüllt sei.
Durch Bescheid vom 25. April 1996 lehnte die Beklagte eine Entschädigung aus Anlass der Wirbelsäulenverletzung ab. Die Untersuchung des Arbeitsplatzes habe ergeben, dass die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 nicht gegeben seien. Für die Tätigkeit als Mitarbeiter im Rettungsdienst sei das Merkmal des Hebens oder Tragens mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten nicht erfüllt.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, die angenommenen Tragetätigkeiten von 40 Minuten pro Schicht berücksichtigten nicht die besonderen Berliner Verhältnisse, die bis 1990 durch sehr kurze Fahrzeiten und erheblich höhere Hebe- und Tragetätigkeiten in mehrgeschossigen Wohnhäusern geprägt gewesen seien. In einem Attest der behandelnden Internistin T vom 11. Juni 1996 verwies diese darauf, es bestehe für sie kein Zweifel, dass, auch wenn kein Bandscheibenprolaps habe nachgewiesen werden können, es sich bei dem gesamten Krankheitsbild um eine Berufskrankheit handele.
Nach einer Rückfrage beim Arbeitgeber, der von einer Tragetätigkeit von 14 Minuten für einen Liegendtransport und vier Liegendfahrten pro Schicht ausging, wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 1997 zurück. Der alleinige Nachweis von degenerativen Veränderungen wie Osteochondrose, Spondylose und Spondylarthrose ohne chronische rezidivierende Beschwerden und Funktionsausfälle begründe noch keinen Berufskrankheitsverdacht. Vielmehr fehle es am Kriterium der Regelmäßigkeit und Häufigkeit von vermeintlich wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten.
Das dagegen angerufene Sozialgericht Berlin holte einen Befundbericht von Dr. C-D ein und zog im Rentenrechtsstreit eingeholte Befundberichte, u.a. von Dr. W sowie einen Arztbrief des Universitätsklinikums B F vom 5. März 1998 bei. Es vernahm den Leiter des Rettungsdienstes des DRK, L P, als Zeugen. Dieser schilderte bei seiner Vernehmung vom 26. Januar 1999 die Anzahl der Liegend- bzw. Sitzendtransporte für die Feuerwehr sowie für das DRK.
Nach Beiziehung der Röntgenaufnahmen des Klägers aus der Zeit von 1989 bis 1994 bestellte das Sozialgericht den Chirurgen Dr. B zum medizinischen Sachverständigen. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 17. Januar 2000 fest, bei dem Kläger lägen im Bereich der Wirbelsäule folgende Gesundheitsstörungen vor: Steilstellung und mäßige degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule im Sinne einer generalisierten leichten Osteochondrose und Uncovertebralarthrose, ausgeprägte kyphoskoliotische Fehlhaltung im Bereich der Brustwirbelsäule mit generalisierten osteochondrotischen und spondylotischen Veränderungen, degenerative Veränderungen und Fehlhaltung der Lendenwirbelsäule mit Neigung zu lumbalen Reizerscheinungen bei osteochondrotischen und spondylotischen Veränderungen in den Wirbelsäulenetagen L4/L5 sowie L5/S1. Keine der Gesundheitsstörungen sei im Sinne der erstmaligen Entstehung oder im Sinne der wesentlichen Verschlimmerung eines berufsunabhängigen Leidens ursächlich auf die berufliche Tätigkeit als Rettungssanitäter zurückzuführen. Es handele sich vielmehr um generalisierte Veränderungen im Bereich der gesamten Wirbelsäule. Zudem seien Hinweise für eine bandscheibenbedingte Erkrankung nicht feststellbar gewesen, insbesondere hätten sich keine Hinweise für das Vorliegen einer Nervenwurzelreizsymptomatik gefunden, die die Diagnose eines Bandscheibenvorfalls rechtfertigen würde. Computertomographische Untersuchungen in den betroffenen Lendenwirbelsäulenetagen hätten ein Bandscheibenvorfallgeschehen im Jahre 1994 ausgeschlossen.
Der anschließend auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörte Chefarzt der Orthopädisch-rheumatologischen Abteilung des I-Krankenhauses, Prof. Dr. S, kam in seinem Gutachten vom 4. Juli 2000 zu dem Ergebnis, es bestünden gering- bis mittelgradige Nervenwurzelreizerscheinungen, aber kein Bandscheibenvorfall, bei einer deutlichen Fehlform des Achsorgans mit erheblichen degenerativen Veränderungen insbesondere bei L5/S1 und eine Osteoporose. Aufgrund der Fehlform des Achsorgans in allen drei Wirbelsäulenabschnitten, nämlich eine Vermehrung des physiologischen Schwunges der Hals- und Lendenwirbelsäule (Hyperlordose), eine Vermehrung des physiologischen Schwunges der Brustwirbelsäule (Kyphose) und darüber hinaus einer Seitverbiegung, insbesondere im Bereich der Brustwirbelsäule sei die Belastung der unteren Lendenwirbelsäule besonders hoch, so dass es in dieser Etage zu vermehrten degenerativen Veränderungen kommen könne. Zusätzlich müsse die deutliche Übergewichtigkeit des Klägers als weitere Belastung der unteren Lendenwirbelsäule genannt werden. Diese Gesundheitsstörungen seien überwiegend anlagebedingt und bedingten eine verminderte Belastbarkeit des Achsorgans. Es sei möglich, dass die festgestellte Erkrankung teilweise auf das Heben und Tragen schwerer Lasten und/oder auf langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugung zurückzuführen sei. Die bestehende Gesundheitsstörung wäre demnach zu 50 % Folge einer anlagebedingten Minderbelastbarkeit des Achsorgans und zu 50 % Folge der beruflichen Belastungen. Die berufskrankheitsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage 10 v.H.
Durch Urteil vom 8. Dezember 2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es sei bereits streitig, ob eine hinreichende berufliche ExpositionHH im Zeitraum der Aufgabe der Tätigkeit als Kraftfahrer bis zur Aufgabe der beruflichen Tätigkeit 1994 stattgefunden habe. Wie schon der TAD der Beklagten angemerkt habe, halte auch das Gericht die Angaben einer Nettotragezeit von 18 Minuten pro Krankentransport für völlig unrealistisch. Es seien aber auch die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt. Zum Zeitpunkt der Aufgabe der Tätigkeit als Rettungsassistent habe keine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule nachgewiesen werden können, vielmehr sei erstmals eine Bandscheibenvorwölbung bei L5/S1 im Jahr 1999 festgestellt worden. Neben der möglichen beruflichen Belastung lägen konkurrierende Ursachenfaktoren wie eine deutliche Wirbelsäulenfehlhaltung, eine Scheuermann’sche Erkrankung sowie eine ausgeprägte langjährige Adipositas vor. Auf dieser Grundlage seien beide Gutachter zu dem Ergebnis gekommen, dass die Gesundheitsstörungen der Lendenwirbelsäule überwiegend anlagebedingt seien. Nach der Kausalitätslehre der wesentlichen Mitverursachung könne ein ursächlicher Zusammenhang zwischen beruflicher Belastung und den Gesundheitsstörungen nicht bejaht werden. Auch eine richtunggebende Verschlimmerung eines anlagebedingten Leidens sei nicht überwiegend wahrscheinlich. Soweit Prof. Dr. S hierzu Ausführungen gemacht habe, bezögen sich diese nur auf einen allgemeinen umgangssprachlichen Ursachenbeitrag. Entscheidend im Rahmen der unfallversicherungsrechtlichen Kausalitätsbeurteilung sei jedoch, ob die heute bestehenden Gesundheitsschäden auch ohne berufliche Belastung so fortgeschritten wären oder ob die berufliche Belastung zwingende Voraussetzung für den jetzigen Zustand gewesen sei. Dagegen spreche schon die Schwere der Achsfehlform und der Umstand, dass erst nach Aufgabe der Tätigkeit als Rettungsassistent das Krankheitsbild nochmals einen wesentlichen Fortgang genommen habe.
Gegen das ihm am 3. Januar 2001 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 26. Januar 2001. Nachdem die Beklagte auf der Grundlage einer nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell berechneten Gesamtdosis die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der Berufskrankheit bejaht hat, macht der Kläger geltend, es sei jedenfalls eine wesentliche richtunggebende Verschlimmerung durch die langjährige Berufstätigkeit eingetreten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Dezember 2000 sowie den Bescheid vom 25. April 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO Verletztenteilrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von wenigstens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht geltend, die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung der Berufskrankheit seien nicht erfüllt und bezieht sich auf Stellungnahmen des sie beratenden Facharztes für Orthopädie/Chirotherapie, Dr. G vom 24. April 2002 und vom 2. Juni 2003. Danach führen immer wiederkehrende erhebliche Belastungseinwirkungen zu einer mehrsegmentalen, in der Regel von oben nach unten zunehmenden Schädigung sowohl im Bereich der Grund- und Deckplatten der Wirbelkörper als auch insbesondere im Bereich der Zwischenwirbelräume der Lendenwirbelsäule. Zusätzlich müsse eine erhebliche Abweichung von der altersüblichen Norm in der Form zu erkennen sein, dass es zu einer ausgeprägten, der Altersnorm erheblich vorauseilenden Schädigung vor dem 4. Lebensjahrzehnt komme. Bei dem Kläger sei eine der Altersnorm im Wesentlichen vorauseilende Schädigung der Bandscheibenräume an der Lendenwirbelsäule mit belastungsadaptiven Reaktionen an den Grund- und Deckplatten über mehrere Segmente nicht erkennbar. Im Vordergrund sowohl der subjektiv geklagten Beschwerden als auch der objektivierbaren Befunde stehe eine Funktionsbeeinträchtigung der Brustwirbelsäule, so dass ein Zusammenhang der Funktionsstörung des Achsenorgans mit der beruflichen Tätigkeit als Rettungsassistent nicht wahrscheinlich gemacht werden könne. Auch könne nicht eindeutig eine bandscheibenbedingte Erkrankung festgestellt werden, da wesentliche Lumboischialgien mit entsprechender radikulärer Symptomatik bzw. peripherer Wurzelreizsymptomatik nicht angegeben worden seien.
Auf Rückfrage des Senats hat Prof. Dr. S in einer Stellungnahme vom 2. Dezember 2002 darauf verwiesen, dass die Auffassungen in der Literatur zur Frage des monosegmentalen Bandscheibenschadens unterschiedlich beantwortet würden. Die Fragestellung, ob die heute bei dem Kläger bestehenden degenerativen Veränderungen auch ohne berufliche Belastung eingetreten wären, könne nur spekulativen Charakter haben. Aufgrund seiner ärztlichen Erfahrung und biomechanischen Kenntnisse der Belastung und der daraus folgenden Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule sei eine richtunggebende Verschlimmerung dahingehend möglich, dass zumindest die Hälfte des Leidens auf die berufsbedingte Belastung zurückgeführt werden könne. Gerade in den Pflegeberufen werde eine monosegmentale Manifestation bandscheibenbedingter Erkrankungen häufig angetroffen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich der Akten des SG - S 22 U 519/97 -) und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO und eine Verletztenteilrente.
Der im Dezember 1994 angemeldete Anspruch des Klägers richtet sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da die von ihm geltend gemachte Berufskrankheit vor dem In-Kraft-Treten des Sozialgesetzbuches (SGB) VII am 1. Januar 1997 eingetreten ist.
Wegen der gesundheitlichen Folgen eines Arbeitsunfalls wird gemäß § 581 Abs. 1 RVO Verletztenrente gewährt, solange infolge des Arbeitsunfalls die Erwerbsfähigkeit des Verletzten um wenigstens ein Fünftel gemindert ist. Nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall mit entsprechender Entschädigungspflicht auch eine Berufskrankheit. Zu den Berufskrankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet hat, gehören nach der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO "bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben und Tagen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können".
Die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung als einer solchen nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO setzt eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule voraus, die durch langjähriges berufsbedingtes Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige berufsbedingte Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ("arbeitstechnische Voraussetzungen") entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben. Als Konsequenz aus diesem Zwang muss die Aufgabe dieser Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein.
Für das Vorliegen des Tatbestandes der Berufskrankheit ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (Bundessozialgericht -BSG- vom 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - mwN; Brackmann/Krasney, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, SGB VII, 12. Aufl, § 9 RdNrn 22, 23 mwN).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist schon das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO zweifelhaft. Zwar hat Prof. Dr. S eine bandscheibenbedingte Erkrankung festgestellt. Er beschreibt das Bestehen gering- bis mittelgradiger Nervenwurzelreizerscheinungen mit erheblichen degenerativen Veränderungen insbesondere bei L5/S1 und eine Osteoporose. Abweichend davon schildert Dr. G eine ausgeprägte osteochondrotische Veränderung des lumbosacralen Übergangssegments mit reaktiver Spondylosis deformans, Verdichtung an den Grund- und Deckplatten sowie Höhenreduzierung des Zwischenwirbelraums und äußert in seiner Stellungnahme vom 2. Juni 2003 Zweifel am Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung. Demgegenüber verneint der Sachverständige Dr. B schon deren Vorliegen, weil sich bei der Untersuchung keine Hinweise für das Vorliegen einer Nervenwurzelreizsymptomatik, die die Diagnose eines Bandscheibenvorfalls rechtfertigen würde, gefunden hätten. Auch die 1994 durchgeführten computertomographischen Untersuchungen in den betroffenen Lendenwirbelsäulenetagen hätten ein Bandscheibenvorfallgeschehen ausgeschlossen.
Der Senat konnte jedenfalls nicht feststellen, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch die berufliche Exposition verursacht worden ist. Ein derartiger ursächlicher Zusammenhang auch im Sinne einer richtunggebenden Verschlimmerung ist nicht wahrscheinlich. Übereinstimmend gehen die Sachverständigen davon aus, dass bei dem Kläger in erheblichem Umfang mit einer beruflichen Belastung konkurrierende Ursachenfaktoren vorliegen, nämlich eine deutliche Wirbelsäulenfehlhaltung vor allem in Form einer Hyperlordose der Brust- und Lendenwirbelsäule sowie einer Kyphose und einer Skoliose der Brustwirbelsäule. Insbesondere durch eine skoliotische Fehlhaltung kommt es zu einer asymmetrischen Belastung, die zu einem vorzeitigen Bandscheibenverschleiß prädisponiert, der im Bereich des Scheitelpunkts der Skoliose am stärksten ausgeprägt ist. Auch hat Prof. Dr. S darauf hingewiesen, dass aufgrund der vorbestehenden Fehlformen die Belastung der unteren Lendenwirbelsäule besonders hoch ist, so dass es in dieser Etage zu vermehrten degenerativen Veränderungen kommen könne. Des Weiteren müsse die deutliche Übergewichtigkeit des Klägers als weitere Belastung der unteren Lendenwirbelsäule genannt werden.
Das Vorhandensein derartiger Prädispositionen kann dazu führen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Mitverursachung der Bandscheibenschädigung durch die berufliche Einwirkung nicht schlüssig zu begründen ist. Maßgeblich ist, ob der individuelle Erkrankungsverlauf unter Berücksichtigung der prädisponierenden Faktoren der zu erwartenden schicksalsmäßigen Entwicklung entspricht oder ob eine wesentliche Mitverursachung des Erkrankungsgeschehens durch die beruflichen Wirbelsäulenbelastungen wahrscheinlich ist. Es muss festgestellt werden, ob nach der Eigenart der prädisponierenden Faktoren unter Berücksichtigung biomechanischer Erkenntnisse davon auszugehen ist, dass eine schädigende Wirkung der exogenen Belastungen durch diese Faktoren begünstigt würde, so dass eine Mitursächlichkeit der beruflichen Wirbelsäulenbelastungen gerade deshalb wahrscheinlich ist (vgl. Brandenburg, BG 2001, 365, 370).
Eine Begünstigung der schädigenden Wirkung der exogenen Belastungen durch die prädisponierenden Faktoren ist nicht mit der hinreichenden Wahrscheinlichkeit festzustellen. Dr. B verneint das Vorliegen eines Kausalzusammenhanges mit der Begründung, es handele sich um generalisierte degenerative Veränderungen sämtlicher Wirbelsäulenabschnitte, die durch die Wirbelsäulenfehlhaltung verstärkt würden. Dies entspricht der unfallmedizinischen Literatur, die bei einer Verteilung der Bandscheibenerkrankungen mit Beteiligung auch der Halswirbelsäule und der Brustwirbelsäule auf eine starke konstitutionelle Veranlagung zum Bandscheibenverschleiß abstellt (vgl. Mehrtens/Perlebach, M 2108 Ziff. 7.1. am Ende).
Auch Prof. Dr. S hält eine richtunggebende Verschlimmerung lediglich für möglich. Dadurch ist - selbst wenn man die Auffassung von Prof. Dr. S zugrunde legt - ein Ursachenzusammenhang gerade nicht wahrscheinlich. Abgesehen davon ist jedenfalls der Einwand von Dr. G, dass bildtechnisch und klinisch nachweisbare segmentale Bandscheibenveränderungen, deren Folge das altersdurchschnittlich zu erwartende Ausmaß überschreiten, beim Kläger nicht vorliegen, durch Prof. Dr. Snicht wiederlegt worden. In seiner Stellungnahme setzt sich Prof. Dr. S nämlich nur mit dem Einwand des Erfordernisses eines mehrsegmentalen Bandscheibenvorfalls auseinander.
Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung einer Lendenwirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO)und die Gewährung einer Verletztenteilrente.
Der 1953 geborene Kläger übte bis September 1973 eine Tätigkeit als Siebdrucker aus und war ab Dezember 1973 beim D R K zunächst bis Juni 1978 als Kraftfahrer mit Ladetätigkeit, anschließend als Rettungssanitäter tätig. Seit dem 8. März 1994 war er wegen Wirbelsäulensyndrom und Gonarthrose arbeitsunfähig erkrankt. 1998 kam es zu einer dekompensierten Leberzirrhose, in deren Folge dem Kläger eine Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit zuerkannt wurde.
Auf eine Anzeige der behandelnden Neurologin und Psychiaterin Dr. C-D vom 1. Dezember 1994 über eine Berufskrankheit wegen Wirbelsäulenveränderungen, Wirbelsäulensyndrom bei chronischer Belastung ("LWS-Syndrom, HWS-Syndrom, BWS-Syndrom, Gonalgie bds.") befragte die Beklagte den Arbeitgeber des Klägers zum Umfang der belastenden Tätigkeiten, nahm ein Vorerkrankungsverzeichnis zur Akte und holte Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte, der Internistin Dr. T, des Chirurgen Dr. T, des Orthopäden Dr. W und der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. C-D ein. Des Weiteren zog sie die Entlassungsberichte über Heilverfahren vom 23. Juni 1989 bis zum 21. Juli 1989 in der W-Klinik, Lund vom 28. Juli 1994 bis zum 8. September 1994 in der WKlinik, V bei. Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) kam in einer Arbeitsplatzanalyse vom 19. Mai 1995 zu dem Ergebnis, die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien für die Tätigkeit eines Kraftfahrers erfüllt, nicht jedoch für die Tätigkeit als Mitarbeiter im Rettungsdienst. Die daraufhin von der Beklagten angehörte Gewerbeärztin N vertrat in ihrer Stellungnahme vom 14. Februar 1996 die Auffassung, es liege keine Berufskrankheit nach Nr. 2108 vor, da bisher kein Bandscheibenvorfall diagnostiziert worden und die haftungsbegründende Kausalität nicht erfüllt sei.
Durch Bescheid vom 25. April 1996 lehnte die Beklagte eine Entschädigung aus Anlass der Wirbelsäulenverletzung ab. Die Untersuchung des Arbeitsplatzes habe ergeben, dass die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 nicht gegeben seien. Für die Tätigkeit als Mitarbeiter im Rettungsdienst sei das Merkmal des Hebens oder Tragens mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten nicht erfüllt.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, die angenommenen Tragetätigkeiten von 40 Minuten pro Schicht berücksichtigten nicht die besonderen Berliner Verhältnisse, die bis 1990 durch sehr kurze Fahrzeiten und erheblich höhere Hebe- und Tragetätigkeiten in mehrgeschossigen Wohnhäusern geprägt gewesen seien. In einem Attest der behandelnden Internistin T vom 11. Juni 1996 verwies diese darauf, es bestehe für sie kein Zweifel, dass, auch wenn kein Bandscheibenprolaps habe nachgewiesen werden können, es sich bei dem gesamten Krankheitsbild um eine Berufskrankheit handele.
Nach einer Rückfrage beim Arbeitgeber, der von einer Tragetätigkeit von 14 Minuten für einen Liegendtransport und vier Liegendfahrten pro Schicht ausging, wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 1997 zurück. Der alleinige Nachweis von degenerativen Veränderungen wie Osteochondrose, Spondylose und Spondylarthrose ohne chronische rezidivierende Beschwerden und Funktionsausfälle begründe noch keinen Berufskrankheitsverdacht. Vielmehr fehle es am Kriterium der Regelmäßigkeit und Häufigkeit von vermeintlich wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten.
Das dagegen angerufene Sozialgericht Berlin holte einen Befundbericht von Dr. C-D ein und zog im Rentenrechtsstreit eingeholte Befundberichte, u.a. von Dr. W sowie einen Arztbrief des Universitätsklinikums B F vom 5. März 1998 bei. Es vernahm den Leiter des Rettungsdienstes des DRK, L P, als Zeugen. Dieser schilderte bei seiner Vernehmung vom 26. Januar 1999 die Anzahl der Liegend- bzw. Sitzendtransporte für die Feuerwehr sowie für das DRK.
Nach Beiziehung der Röntgenaufnahmen des Klägers aus der Zeit von 1989 bis 1994 bestellte das Sozialgericht den Chirurgen Dr. B zum medizinischen Sachverständigen. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 17. Januar 2000 fest, bei dem Kläger lägen im Bereich der Wirbelsäule folgende Gesundheitsstörungen vor: Steilstellung und mäßige degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule im Sinne einer generalisierten leichten Osteochondrose und Uncovertebralarthrose, ausgeprägte kyphoskoliotische Fehlhaltung im Bereich der Brustwirbelsäule mit generalisierten osteochondrotischen und spondylotischen Veränderungen, degenerative Veränderungen und Fehlhaltung der Lendenwirbelsäule mit Neigung zu lumbalen Reizerscheinungen bei osteochondrotischen und spondylotischen Veränderungen in den Wirbelsäulenetagen L4/L5 sowie L5/S1. Keine der Gesundheitsstörungen sei im Sinne der erstmaligen Entstehung oder im Sinne der wesentlichen Verschlimmerung eines berufsunabhängigen Leidens ursächlich auf die berufliche Tätigkeit als Rettungssanitäter zurückzuführen. Es handele sich vielmehr um generalisierte Veränderungen im Bereich der gesamten Wirbelsäule. Zudem seien Hinweise für eine bandscheibenbedingte Erkrankung nicht feststellbar gewesen, insbesondere hätten sich keine Hinweise für das Vorliegen einer Nervenwurzelreizsymptomatik gefunden, die die Diagnose eines Bandscheibenvorfalls rechtfertigen würde. Computertomographische Untersuchungen in den betroffenen Lendenwirbelsäulenetagen hätten ein Bandscheibenvorfallgeschehen im Jahre 1994 ausgeschlossen.
Der anschließend auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörte Chefarzt der Orthopädisch-rheumatologischen Abteilung des I-Krankenhauses, Prof. Dr. S, kam in seinem Gutachten vom 4. Juli 2000 zu dem Ergebnis, es bestünden gering- bis mittelgradige Nervenwurzelreizerscheinungen, aber kein Bandscheibenvorfall, bei einer deutlichen Fehlform des Achsorgans mit erheblichen degenerativen Veränderungen insbesondere bei L5/S1 und eine Osteoporose. Aufgrund der Fehlform des Achsorgans in allen drei Wirbelsäulenabschnitten, nämlich eine Vermehrung des physiologischen Schwunges der Hals- und Lendenwirbelsäule (Hyperlordose), eine Vermehrung des physiologischen Schwunges der Brustwirbelsäule (Kyphose) und darüber hinaus einer Seitverbiegung, insbesondere im Bereich der Brustwirbelsäule sei die Belastung der unteren Lendenwirbelsäule besonders hoch, so dass es in dieser Etage zu vermehrten degenerativen Veränderungen kommen könne. Zusätzlich müsse die deutliche Übergewichtigkeit des Klägers als weitere Belastung der unteren Lendenwirbelsäule genannt werden. Diese Gesundheitsstörungen seien überwiegend anlagebedingt und bedingten eine verminderte Belastbarkeit des Achsorgans. Es sei möglich, dass die festgestellte Erkrankung teilweise auf das Heben und Tragen schwerer Lasten und/oder auf langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugung zurückzuführen sei. Die bestehende Gesundheitsstörung wäre demnach zu 50 % Folge einer anlagebedingten Minderbelastbarkeit des Achsorgans und zu 50 % Folge der beruflichen Belastungen. Die berufskrankheitsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage 10 v.H.
Durch Urteil vom 8. Dezember 2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es sei bereits streitig, ob eine hinreichende berufliche ExpositionHH im Zeitraum der Aufgabe der Tätigkeit als Kraftfahrer bis zur Aufgabe der beruflichen Tätigkeit 1994 stattgefunden habe. Wie schon der TAD der Beklagten angemerkt habe, halte auch das Gericht die Angaben einer Nettotragezeit von 18 Minuten pro Krankentransport für völlig unrealistisch. Es seien aber auch die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt. Zum Zeitpunkt der Aufgabe der Tätigkeit als Rettungsassistent habe keine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule nachgewiesen werden können, vielmehr sei erstmals eine Bandscheibenvorwölbung bei L5/S1 im Jahr 1999 festgestellt worden. Neben der möglichen beruflichen Belastung lägen konkurrierende Ursachenfaktoren wie eine deutliche Wirbelsäulenfehlhaltung, eine Scheuermann’sche Erkrankung sowie eine ausgeprägte langjährige Adipositas vor. Auf dieser Grundlage seien beide Gutachter zu dem Ergebnis gekommen, dass die Gesundheitsstörungen der Lendenwirbelsäule überwiegend anlagebedingt seien. Nach der Kausalitätslehre der wesentlichen Mitverursachung könne ein ursächlicher Zusammenhang zwischen beruflicher Belastung und den Gesundheitsstörungen nicht bejaht werden. Auch eine richtunggebende Verschlimmerung eines anlagebedingten Leidens sei nicht überwiegend wahrscheinlich. Soweit Prof. Dr. S hierzu Ausführungen gemacht habe, bezögen sich diese nur auf einen allgemeinen umgangssprachlichen Ursachenbeitrag. Entscheidend im Rahmen der unfallversicherungsrechtlichen Kausalitätsbeurteilung sei jedoch, ob die heute bestehenden Gesundheitsschäden auch ohne berufliche Belastung so fortgeschritten wären oder ob die berufliche Belastung zwingende Voraussetzung für den jetzigen Zustand gewesen sei. Dagegen spreche schon die Schwere der Achsfehlform und der Umstand, dass erst nach Aufgabe der Tätigkeit als Rettungsassistent das Krankheitsbild nochmals einen wesentlichen Fortgang genommen habe.
Gegen das ihm am 3. Januar 2001 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 26. Januar 2001. Nachdem die Beklagte auf der Grundlage einer nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell berechneten Gesamtdosis die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der Berufskrankheit bejaht hat, macht der Kläger geltend, es sei jedenfalls eine wesentliche richtunggebende Verschlimmerung durch die langjährige Berufstätigkeit eingetreten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Dezember 2000 sowie den Bescheid vom 25. April 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO Verletztenteilrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von wenigstens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht geltend, die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung der Berufskrankheit seien nicht erfüllt und bezieht sich auf Stellungnahmen des sie beratenden Facharztes für Orthopädie/Chirotherapie, Dr. G vom 24. April 2002 und vom 2. Juni 2003. Danach führen immer wiederkehrende erhebliche Belastungseinwirkungen zu einer mehrsegmentalen, in der Regel von oben nach unten zunehmenden Schädigung sowohl im Bereich der Grund- und Deckplatten der Wirbelkörper als auch insbesondere im Bereich der Zwischenwirbelräume der Lendenwirbelsäule. Zusätzlich müsse eine erhebliche Abweichung von der altersüblichen Norm in der Form zu erkennen sein, dass es zu einer ausgeprägten, der Altersnorm erheblich vorauseilenden Schädigung vor dem 4. Lebensjahrzehnt komme. Bei dem Kläger sei eine der Altersnorm im Wesentlichen vorauseilende Schädigung der Bandscheibenräume an der Lendenwirbelsäule mit belastungsadaptiven Reaktionen an den Grund- und Deckplatten über mehrere Segmente nicht erkennbar. Im Vordergrund sowohl der subjektiv geklagten Beschwerden als auch der objektivierbaren Befunde stehe eine Funktionsbeeinträchtigung der Brustwirbelsäule, so dass ein Zusammenhang der Funktionsstörung des Achsenorgans mit der beruflichen Tätigkeit als Rettungsassistent nicht wahrscheinlich gemacht werden könne. Auch könne nicht eindeutig eine bandscheibenbedingte Erkrankung festgestellt werden, da wesentliche Lumboischialgien mit entsprechender radikulärer Symptomatik bzw. peripherer Wurzelreizsymptomatik nicht angegeben worden seien.
Auf Rückfrage des Senats hat Prof. Dr. S in einer Stellungnahme vom 2. Dezember 2002 darauf verwiesen, dass die Auffassungen in der Literatur zur Frage des monosegmentalen Bandscheibenschadens unterschiedlich beantwortet würden. Die Fragestellung, ob die heute bei dem Kläger bestehenden degenerativen Veränderungen auch ohne berufliche Belastung eingetreten wären, könne nur spekulativen Charakter haben. Aufgrund seiner ärztlichen Erfahrung und biomechanischen Kenntnisse der Belastung und der daraus folgenden Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule sei eine richtunggebende Verschlimmerung dahingehend möglich, dass zumindest die Hälfte des Leidens auf die berufsbedingte Belastung zurückgeführt werden könne. Gerade in den Pflegeberufen werde eine monosegmentale Manifestation bandscheibenbedingter Erkrankungen häufig angetroffen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich der Akten des SG - S 22 U 519/97 -) und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO und eine Verletztenteilrente.
Der im Dezember 1994 angemeldete Anspruch des Klägers richtet sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da die von ihm geltend gemachte Berufskrankheit vor dem In-Kraft-Treten des Sozialgesetzbuches (SGB) VII am 1. Januar 1997 eingetreten ist.
Wegen der gesundheitlichen Folgen eines Arbeitsunfalls wird gemäß § 581 Abs. 1 RVO Verletztenrente gewährt, solange infolge des Arbeitsunfalls die Erwerbsfähigkeit des Verletzten um wenigstens ein Fünftel gemindert ist. Nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall mit entsprechender Entschädigungspflicht auch eine Berufskrankheit. Zu den Berufskrankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet hat, gehören nach der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO "bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben und Tagen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können".
Die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung als einer solchen nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO setzt eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule voraus, die durch langjähriges berufsbedingtes Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige berufsbedingte Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ("arbeitstechnische Voraussetzungen") entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben. Als Konsequenz aus diesem Zwang muss die Aufgabe dieser Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein.
Für das Vorliegen des Tatbestandes der Berufskrankheit ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (Bundessozialgericht -BSG- vom 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - mwN; Brackmann/Krasney, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, SGB VII, 12. Aufl, § 9 RdNrn 22, 23 mwN).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist schon das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO zweifelhaft. Zwar hat Prof. Dr. S eine bandscheibenbedingte Erkrankung festgestellt. Er beschreibt das Bestehen gering- bis mittelgradiger Nervenwurzelreizerscheinungen mit erheblichen degenerativen Veränderungen insbesondere bei L5/S1 und eine Osteoporose. Abweichend davon schildert Dr. G eine ausgeprägte osteochondrotische Veränderung des lumbosacralen Übergangssegments mit reaktiver Spondylosis deformans, Verdichtung an den Grund- und Deckplatten sowie Höhenreduzierung des Zwischenwirbelraums und äußert in seiner Stellungnahme vom 2. Juni 2003 Zweifel am Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung. Demgegenüber verneint der Sachverständige Dr. B schon deren Vorliegen, weil sich bei der Untersuchung keine Hinweise für das Vorliegen einer Nervenwurzelreizsymptomatik, die die Diagnose eines Bandscheibenvorfalls rechtfertigen würde, gefunden hätten. Auch die 1994 durchgeführten computertomographischen Untersuchungen in den betroffenen Lendenwirbelsäulenetagen hätten ein Bandscheibenvorfallgeschehen ausgeschlossen.
Der Senat konnte jedenfalls nicht feststellen, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch die berufliche Exposition verursacht worden ist. Ein derartiger ursächlicher Zusammenhang auch im Sinne einer richtunggebenden Verschlimmerung ist nicht wahrscheinlich. Übereinstimmend gehen die Sachverständigen davon aus, dass bei dem Kläger in erheblichem Umfang mit einer beruflichen Belastung konkurrierende Ursachenfaktoren vorliegen, nämlich eine deutliche Wirbelsäulenfehlhaltung vor allem in Form einer Hyperlordose der Brust- und Lendenwirbelsäule sowie einer Kyphose und einer Skoliose der Brustwirbelsäule. Insbesondere durch eine skoliotische Fehlhaltung kommt es zu einer asymmetrischen Belastung, die zu einem vorzeitigen Bandscheibenverschleiß prädisponiert, der im Bereich des Scheitelpunkts der Skoliose am stärksten ausgeprägt ist. Auch hat Prof. Dr. S darauf hingewiesen, dass aufgrund der vorbestehenden Fehlformen die Belastung der unteren Lendenwirbelsäule besonders hoch ist, so dass es in dieser Etage zu vermehrten degenerativen Veränderungen kommen könne. Des Weiteren müsse die deutliche Übergewichtigkeit des Klägers als weitere Belastung der unteren Lendenwirbelsäule genannt werden.
Das Vorhandensein derartiger Prädispositionen kann dazu führen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Mitverursachung der Bandscheibenschädigung durch die berufliche Einwirkung nicht schlüssig zu begründen ist. Maßgeblich ist, ob der individuelle Erkrankungsverlauf unter Berücksichtigung der prädisponierenden Faktoren der zu erwartenden schicksalsmäßigen Entwicklung entspricht oder ob eine wesentliche Mitverursachung des Erkrankungsgeschehens durch die beruflichen Wirbelsäulenbelastungen wahrscheinlich ist. Es muss festgestellt werden, ob nach der Eigenart der prädisponierenden Faktoren unter Berücksichtigung biomechanischer Erkenntnisse davon auszugehen ist, dass eine schädigende Wirkung der exogenen Belastungen durch diese Faktoren begünstigt würde, so dass eine Mitursächlichkeit der beruflichen Wirbelsäulenbelastungen gerade deshalb wahrscheinlich ist (vgl. Brandenburg, BG 2001, 365, 370).
Eine Begünstigung der schädigenden Wirkung der exogenen Belastungen durch die prädisponierenden Faktoren ist nicht mit der hinreichenden Wahrscheinlichkeit festzustellen. Dr. B verneint das Vorliegen eines Kausalzusammenhanges mit der Begründung, es handele sich um generalisierte degenerative Veränderungen sämtlicher Wirbelsäulenabschnitte, die durch die Wirbelsäulenfehlhaltung verstärkt würden. Dies entspricht der unfallmedizinischen Literatur, die bei einer Verteilung der Bandscheibenerkrankungen mit Beteiligung auch der Halswirbelsäule und der Brustwirbelsäule auf eine starke konstitutionelle Veranlagung zum Bandscheibenverschleiß abstellt (vgl. Mehrtens/Perlebach, M 2108 Ziff. 7.1. am Ende).
Auch Prof. Dr. S hält eine richtunggebende Verschlimmerung lediglich für möglich. Dadurch ist - selbst wenn man die Auffassung von Prof. Dr. S zugrunde legt - ein Ursachenzusammenhang gerade nicht wahrscheinlich. Abgesehen davon ist jedenfalls der Einwand von Dr. G, dass bildtechnisch und klinisch nachweisbare segmentale Bandscheibenveränderungen, deren Folge das altersdurchschnittlich zu erwartende Ausmaß überschreiten, beim Kläger nicht vorliegen, durch Prof. Dr. Snicht wiederlegt worden. In seiner Stellungnahme setzt sich Prof. Dr. S nämlich nur mit dem Einwand des Erfordernisses eines mehrsegmentalen Bandscheibenvorfalls auseinander.
Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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