Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 210 KR 636/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 17/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. November 2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Übernahme der Kosten für eine Stimm- und Atemtherapie.
Die im Jahre 1965 geborene Klägerin leidet an einer angeborenen Epilepsie, die seit dem Jahre 1990 regelmäßig zum Auftreten von kleinen und großen epileptischen Anfällen führt.
Die behandelnde Ärztin W L verordnete am 11. August 2008 mit den Diagnosen therapieresistente Epilepsie, chronisches Erschöpfungssyndrom, chronisches lumbales Schmerzsyndrom sowie Angst und depressive Störung Leistungen der therapeutischen Sprachgestaltung, welche die Beklagte mit Schreiben vom 29. September 2008 für 10 Behandlungen bei UM als Therapeutin bewilligte.
Mit Schreiben vom 24. November 2008 beantragte die Klägerin 10 weitere Behandlungen und wies darauf hin, dass nach Einschätzung der behandelnden Therapeutin 50 weitere Behandlungen notwendig seien. Durch Schreiben vom 27. November 2008 bewilligte die Beklagte weitere 10 Behandlungen, wies aber darauf hin, dass sie zukünftig keine Kosten mehr übernehmen könne, da es sich um ein anthroposophisches Heilmittel handele, das nicht in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen gehöre. Die Klägerin legte Widerspruch ein und beantragte die Bewilligung von 50 weiteren Behandlungen. Das lehnte die Beklagte durch weiteres Schreiben vom 12. Dezember 2008 ab.
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2008 beantragte die Klägerin "nach den Grundsätzen der Heilmittelverordnung" eine Verlängerung um weitere 10 Behandlungen. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 4. Februar 2009 ab. Auch dagegen wendete sich die Klägerin. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin "gegen den Bescheid vom 4. Februar 2009" durch Widerspruchsbescheid vom 17. März 2009 zurück. Bei der beantragten therapeutischen Sprachgestaltung handele es sich um eine Leistung der anthroposophischen Medizin, für die der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Empfehlung ausgesprochen habe. Die bisherige Betrachtungsweise lasse sich nicht weiter aufrechterhalten.
Dagegen richtet sich die am 14. April 2009 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangene Klage, mit der die Klägerin insbesondere darauf hingewiesen hat, dass für sie keine allgemein anerkannte dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung stehe, weswegen entsprechend dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98 die Beklagte die begehrte Therapie zu leisten habe.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 30. November 2011 abgewiesen, nachdem es Befundberichte bei der behandelnden Ärztin W L und der Therapeutin Ursula Marquardt eingeholt hat. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die Übernahme weiterer Kosten für die von ihr gewünschte Therapie habe. Aus der zweimal erfolgten Kostenübernahme folge kein Anspruch auf Weitergewährung. Die Beklagte habe weder eine entsprechende Zusicherung erteilt noch einen entsprechenden vertrauensbegründenden Tatbestand gesetzt. Ein gesetzlicher Leistungsanspruch bestehe ebenfalls nicht. Die begehrten Leistungen seien als Heilmittel im krankenversicherungsrechtlichen Sinne anzusehen. Es handele sich um ein neues Heilmittel, weil die Stimm-, Sprech- und Atemtherapie nicht entsprechend den in der Heilmittelrichtlinie genannten Indikationen, sondern zur Behandlung von Epilepsie, ihren Auswirkungen und einer Depression eingesetzt werden solle. Eine Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung sei deswegen nur nach einer positiven Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses möglich, an der es vorliegend aber fehle. Auch ein Fall des Systemversagens liege nicht vor. Es fehle an Anhaltspunkten für eine systemwidrige Untätigkeit des Gemeinsamen Bundesausschusses, der sich ausweislich der Fassung der Heilmittel-Richtlinie vom 20. Januar 2011 durchaus mit neueren anthroposophischen Heilmitteln beschäftigt habe. Neuere medizinische Erkenntnisse über den therapeutischen Nutzen der begehrten Leistungen bei Epilepsie, Angst, depressiver Störung und Schmerzsyndrom seien der Kammer nicht bekannt geworden. Auch aus dem sog. Nikolausbeschluss des BVerfG ergebe sich kein Anspruch der Klägerin. Denn die Behandlung ziele im Hinblick auf die Epilepsie nur auf eine Verbesserung der Lebensqualität, nicht aber auf die Heilung der Krankheit selbst. Soweit eine Besserung der depressiven Stimmung und des Schmerzsyndroms erreicht werden solle, lägen keine schweren Erkrankungen vor, die der Rechtsprechung des BVerfG unterfallen könnten.
Gegen das ihr am 5. Januar 2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 19. Januar 2012 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Klägerin, mit der sie Folgendes vorträgt: Sie habe jahrelang Medikamente zur Behandlung der Epilepsie eingenommen und schwere Nebenwirkungen ertragen müssen, ohne dass sich ihr Gesundheitszustand verbessert habe. Auch die neueren Antiepileptika seien nicht geeignet, irgendeine Besserung zu erreichen. Demgegenüber habe die Atemtherapie und therapeutische Sprachgestaltung zu einer positiven Beeinflussung der Grunderkrankung geführt. Insbesondere die kleinen Aussetzer hätten sich deutlich verringert. Die von der Beklagten bewilligten 10 Behandlungen seien von vorherein zu wenig gewesen, um den gewünschten Erfolg zu erzielen. Für eine langfristige und stabile Besserung seien 60 Behandlungen nötig. Die Behandlung der Epilepsie durch Medikamente sei nach wie vor ein ungelöstes Problem. Epilepsie führe oftmals zu seelischen Störungen. Aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und des Bundesgerichtshofs ergebe sich, dass auch die Kosten für alternative Behandlungen von der Steuer abgesetzt werden könnten bzw. von der privaten Krankenversicherung zu übernehmen seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. November 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. November 2008 in der Gestalt der Bescheide vom 12. Dezember 2008 und vom 4. Februar 2009 sowie des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr weitere 50 Leistungen der therapeutischen Sprachgestaltung zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Auch aus einer auf Veranlassung des Senats noch eingeholten umfassenden Stellungnahme des Medizinischen Dienstes des Krankenversicherung (MDK) habe sich nichts anderes ergeben.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts ist zutreffend. Der mit der Klage angegriffene Bescheid der Beklagten vom 27. November 2008 in der Gestalt der Bescheide vom 12. Dezember 2008 und vom 4. Februar 2009 sowie des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2009 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihr weitere Leistungen der therapeutischen Sprachgestaltung bewilligt.
Ein Anspruch auf Bewilligung weiterer Behandlungsleistungen kann sich zunächst nicht daraus ergeben, dass die Beklagte bereits mit Bescheid vom 29. September 2008 Kosten für die Sprachgestaltung übernommen hatte und nach der Einschätzung der behandelnden Ärztin sowie der behandelnden Stimm- und Atemtherapeutin bei dem Krankheitsbild der Klägerin voraussichtlich 60 Behandlungen erforderlich waren. Der Bescheid vom 29. September 2008 hatte den Umfang der übernommenen Behandlungen ausdrücklich auf zehn beschränkt. Auch findet sich weder im Gesetz noch in den Heilmittelrichtlinien eine Vorschrift, aus der sich ergeben würde, dass die Beklagte eine Behandlung in dem von den Therapeuten für angemessen gehaltenen Umfang weiter bewilligen muss, wenn sie einmal der Aufnahme der Behandlung für einen bestimmten Zeitraum zugestimmt hat. Aus den Heilmittelrichtlinien, auf die sich die Klägerin im Verwaltungsverfahren berufen hat, ergibt sich vielmehr etwas Gegenteiliges: Wenn dort in § 7 Abs. 10 die maximale Verordnungsmenge bei Erst- und Folgeverordnungen auf 10 Behandlungen beschränkt wird, spricht das dafür, dass nach Ausschöpfung dieser Leistungen erneut zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen für eine weitere Bewilligung vorliegen. Zwar sieht § 32 Abs. 1a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i.V.m. § 8 Abs. 5 der Heilmittelrichtlinien mittlerweile auch eine längere Verordnungsdauer vor. Diese Regelungen sind aber erst mit Wirkung vom 1. Januar 2012 und damit zeitlich nach den von der Beklagten erteilten Bewilligungen in Kraft getreten, so dass schon deswegen aus ihnen hier nichts hergeleitet werden kann.
Aus den §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 32 SGB V ergibt sich ebenfalls kein Anspruch auf die weitere Bewilligung von Behandlungsleistungen der therapeutischen Sprachgestaltung. Nach den genannten Vorschriften haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Heilmitteln. Begrifflich gehören zu den Heilmitteln alle medizinischen Dienstleistungen, die ärztlich verordnet werden, nur von einer entsprechend ausgebildeten Person verabreicht werden können und mit denen ein Heilzweck oder Heilerfolg erreicht werden soll (Bundessozialgericht – BSG -, Urt. v. 28. Juni 2001 – B 3 KR 3/00 R – juris Rn 36). Bei der von der Klägerin begehrten therapeutischen Sprachgestaltung, handelt es sich um eine solche medizinische Dienstleistung. Sie ist ihr von einer Ärztin verordnet worden, soll von einer Stimm- und Atemtherapeutin erbracht werden und zu einer therapeutisch günstigen Beeinflussung der bestehenden Epilepsieerkrankung führen.
Anspruch auf Versorgung mit Heilmitteln haben Versicherte aber nur unter Beachtung der für die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung allgemein geltenden Regeln. Nach den §§ 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SGB V dürfen die Krankenkassen nur solche Leistungen erbringen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Speziell für Heilmittel steht § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB V einem Anspruch entgegen, soweit die Heilmittel nach § 34 SGB V ausgeschlossen sind. Allerdings enthält § 34 SGB V seit dem 1. Januar 2011 keine gesetzliche Regelung über den Ausschluss von Heilmitteln mehr und auch die vorher geltende Regelung war sachlich hier nicht einschlägig. Die auf der Grundlage des § 92 erlassene Heilmittelrichtlinie (Bundesanzeiger 2011 Nr. 96 S. 2011), auf die § 32 SGB V für den Anspruch der Versicherten ausdrücklich verweist, schließt zwar in ihrer Anlage bestimmte Heilmittel von der Verordnungsfähigkeit aus. Genannt wird dort etwa die Atemtherapie nach M oder die Stimmtherapie bei nicht krankhaftem Verlauf des Stimmbruchs, nicht aber die Behandlung der Epilepsie mittels therapeutischer Sprachgestaltung. Ein ausdrücklicher Ausschluss für das von der Klägerin begehrte Heilmittel liegt danach nicht vor.
Von Bedeutung ist aber § 138 SGB V, wonach neue Heilmittel nur verordnet werden dürfen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt hat. Neu ist ein Heilmittel dann, wenn es bisher nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung gewesen ist, was sich daran zeigt, ob es in den vom Gemeinsamen Bundesausschuss erlassenen Heilmittel-Richtlinien aufgeführt ist oder nicht (BSG, Urt. v. 26. September 2006 – B 1 KR 3/06 R – juris Rn 16-18). Regelmäßig setzt demnach die Leistungspflicht der Krankenkassen voraus, dass der Gemeinsame Bundesausschuss eine positive Entscheidung über das in Frage stehende Heilmittel getroffen hat.
Für die von der Klägerin begehrten Leistungen liegt eine solche positive Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht vor. Die Heilmittelrichtlinie listet zwar in ihren §§ 30 bis 34 Maßnahmen der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie als verordnungsfähige Heilmittel auf. Der Senat kann dabei dahinstehen lassen, inwieweit die von der Klägerin begehrten medizinischen Dienstleistungen der Art nach den Behandlungsleistungen entsprechen, die Gegenstand der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie nach der Heilmittelrichtlinie sind. Denn sie unterscheiden sich jedenfalls durch ihren Therapieansatz von der anerkannten Stimm- Sprech- und Sprachtherapie. Nach dem 2. Kapitel § 2 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses (Bundesanzeiger Nr. 84a vom 10. Juni 2009) gelten Heilmittel als neu, wenn für Maßnahmen, die für bestimmte Indikationen bereits nach der Heilmittelrichtlinie verordnet werden können, eine wesentliche Änderung oder Erweiterung ihrer Indikationsbereiche oder der Art ihrer Erbringung erfolgt. Eine Anwendungsempfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses ist danach bereits dann erforderlich, wenn Stimm-, Sprach- und Sprechtherapie mit einer Zielsetzung angewandt werden sollen, die von dem in den Heilmittelrichtlinien Anerkannten abweicht (BSG, Urt. v. 26. September 2006 – B 1 KR 3/06 R – juris Rn 19). Diese Voraussetzung liegt hier indessen vor. Nach dem (als Bestandteil der Heilmittelrichtlinien) erlassenen Heilmittelkatalog (dort unter II.) dienen Maßnahmen der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie der Therapie von konkreten Störungen der Stimme, der Sprache, des Redeflusses, der Stimm- und Sprechfunktion und des Schluckaktes. Die von der Klägerin eingeklagten Leistungen verfolgen demgegenüber ein anderes Ziel. Die von ihr begehrte Sprachgestaltung ist ein Fachbereich der Anthroposophischen Kunsttherapie, die ausgehend von einem ganzheitlichen Ansatz einer Erkrankung im Wege der Selbstregulation begegnen und aufgetretene krankheitstypische Gestaltungsphänomene durch therapeutische Maßnahmen ausgleichen will, die vom Patienten in seine Lebensführung übernommen werden sollen. Das Konzept der Anthroposophischen Kunsttherapie ergibt sich aus der dazu vom Berufsverband Anthroposophische Kunsttherapie e.V. im Jahre 2008 veröffentlichte Leitlinie (zu recherchieren unter http://www.anthroposophische-kunsttherapie.de). Dass die Klägerin in diesem Sinne von der Atem- und Stimmtherapeutin Marquardt behandelt worden ist und weiter behandelt werden soll, ergibt sich aus dem dort vom Sozialgericht eingeholten Befundbericht, insbesondere aus den Angaben zu den Behandlungszielen. Auch der MDK hat in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die von der Klägerin begehrte Behandlung nicht mit der in den Heilmittel-Richtlinien geregelten Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie übereinstimmt, ohne dass sich die Klägerin dazu geäußert hätte. Der bei der behandelnden Ärztin W L eingeholte Befundbericht belegt ebenso, dass die Verordnung der Sprechtherapie nicht wegen einer der in den Heilmittel-Richtlinien zugelassenen Indikationen erfolgt ist, sondern umfassend auf das Verhältnis von Körper, Seele und Geist einwirken soll. Nach alledem ist der Klägerin ein im krankenversicherungsrechtlichen Sinne "neues" Heilmittel verordnet worden, für das die nach § 138 SGB V erforderliche Anwendungsempfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht vorliegt.
Die Anwendungsempfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses ist auch nicht deswegen entbehrlich, weil die Klägerin ein Heilmittel begehrt, das der anthroposophischen Medizin und damit den besonderen Therapierichtungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V zuzuordnen ist. Der Umstand, dass der Gesetzgeber die besonderen Therapieeinrichtungen ausdrücklich als nicht ausgeschlossen erwähnt, bedeutet nicht, dass für die anthroposophische Medizin im Hinblick auf Qualität und Wirtschaftlichkeit andere oder geringerer Maßstäbe als für die sogenannte Schulmedizin gelten würden. Die reine Binnenanerkennung einer Behandlung im Rahmen einer besonderen Therapierichtung reicht daher für das Entstehen einer Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht aus. Auch unkonventionelle Methoden wie die der anthroposophischen Medizin sind daher auf ihren Nutzen nach dem Stand der allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu überprüfen, so dass die Möglichkeit ihrer Überprüfung durch den gemeinsamen Bundesausschuss eröffnet ist (Hessisches LSG, Urt. v. 24. November 2011 – L 8 KR 93/10 – juris Rn 51 mit weit. Nachw.).
Ein Ausnahmefall, in dem von einer Anwendungsempfehlung aus besonderen Gründen abgesehen werden kann, liegt nicht vor. Die Rechtsprechung anerkennt drei Ausnahmen von dem Erfordernis der vorherigen Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode durch den Bundesausschuss. Die erste ist das sog. Systemversagen, die zweite der sog. Seltenheitsfall und die dritte das Vorliegen einer notstandsähnlichen Situation entsprechend § 2 Abs. 1a SGB V.
Ein Systemversagen liegt vor, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode nicht in angemessener Zeit überprüft hat und die begehrte Leistung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht (BSG, Urt. v. 7. November 2006 – B 1 KR 24/06 – juris Rn 18). Mit der therapeutischen Sprachgestaltung als Erscheinungsform der Kunsttherapie hat sich der Gemeinsame Bundesausschuss bisher nicht befasst. Es ist auch nicht bekannt, dass bei ihm die Durchführung eines entsprechenden Überprüfungsverfahrens eingeleitet worden ist. Allein das Unterbleiben einer Entscheidung über eine bereits längere Zeit eingeführte und praktizierte Behandlungsmethode begründet aber noch kein Systemversagen. Die Einleitung eines Überprüfungsverfahrens ist erst dann zwingend geboten, wenn der Stand der medizinischen Erkenntnisse nahe legt, dass zu einer bestimmten Behandlungsmethode eine positive Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses zu erwarten ist (BSG, Urt. v. 12.08.2009 – B 3 KR 10/07 R – juris Rn 26). Diese Voraussetzung ist indessen für die therapeutische Sprachgestaltung nicht gegeben. Auch die anthroposophische Medizin muss sich an den Maßstäben der evidenzbasierten Medizin messen lassen. Aus der vom MDK erstatteten Stellungnahme ergibt sich aber, dass es bisher keine belastbaren wissenschaftlich begründete evidenzbasierte Studien gibt, welche einen Behandlungserfolg der therapeutischen Sprachgestaltung bei der Therapie der Epilepsie belegen würden. Der Senat hat keine Veranlassung, diese Aussage in Frage zu stellen, zumal sie auch von der Klägerin nicht angegriffen worden ist. Ausreichend für einen relevanten Therapieerfolg ist jedenfalls nicht, dass die Klägerin meint, positive Effekte der Therapie auf ihren Krankheitsverlauf festgestellt zu haben. Denn in Frage steht der systematische Nachweis des therapeutischen Nutzens, nicht ein Behandlungserfolg im Einzelfall, dessen Genese unklar bleibt. Der Senat kann demnach nicht feststellen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss eine zeitnahe Überprüfung der therapeutischen Sprachgestaltung pflichtwidrig unterlassen hätte und dass diese Leistung dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen würde. Ein Systemversagen liegt nicht vor.
Ein Seltenheitsfall kann nur gegeben sein, wenn die zu behandelnde Erkrankung so selten auftritt, dass sich ihre Therapie einer systematischen evidenzbasierten Erforschung entzieht (BSG, Urt. v. 19. Oktober 2004 – B 1 KR 27/02 R – juris Rn 29). Das ist bei der Epilepsie aber offensichtlich nicht der Fall, so dass auch insoweit keine Ausnahme von dem Gebot der vorherigen Anerkennung einer Behandlungsmethode durch den Gemeinsamen Bundesausschuss anzuerkennen ist.
Schließlich fehlt es auch an dem Vorliegen einer notstandsähnlichen Situation. Nach der Rechtsprechung des BVerfG darf einem an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leidenden Versicherten eine von ihm gewählte ärztlich angewandte Behandlungsmethode nicht verweigert werden, wenn eine allgemein anerkannte dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethode nicht zur Verfügung steht und mit der gewählten Methode eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder spürbar günstiger Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht (BVerfG, Beschluss v. 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98). Das BSG hat den Begriff der lebensbedrohlichen Erkrankung auf andere wertungsmäßig gleichstehende Fälle erweitert (BSG, Urt. v. 27. April 2006 – B 1 KR 12/04 R – juris Rn 31). Mit diesem Inhalt ist diese Rechtsprechung vom Gesetzgeber in § 2 Abs. 1a SGB V kodifiziert worden. Bei der Klägerin fehlt es aber bereits an dem Vorliegen einer lebensbedrohlichen bzw. gleichstehenden Erkrankung. Es ist nicht dokumentiert, dass bei ihr jemals eine akute Lebensgefahr oder die Gefahr des Eintretens eines unwiederbringlichen Verlusts wichtiger körperlicher und geistiger Funktionen eingetreten ist. Eine solche Indikation wird auch von der die therapeutische Sprachtherapie verordnenden behandelnden Ärztin W L nicht angegeben. Frau WL berichtet in ihrem Befundbericht lediglich darüber, dass die bisherigen Anfälle zu Verletzungen wie Platzwunde, Hämatom und Muskelzerrung geführt hätten, sie will mit der Verordnung einem Schmerzsyndrom in der Lendenwirbelsäule, Depressionen und Einschränkungen der sozialen Kontakte entgegen wirken. Soweit die Klägerin vorträgt, dass der Zustand während eines (großen) epileptischen Anfalls lebensbedrohlich werden könne, verkennt sie den Inhalt des Begriffs einer lebensbedrohlichen oder einer solchen gleichstehenden Erkrankung. Die abstrakte Gefahr des Todeseintrittes nach Komplikationen besteht bei jeder schwereren Erkrankung und steht deswegen einem konkret lebensbedrohlichen Zustand nicht gleich (BSG, Urt. v. 27. März 2007 – B 1 KR 17/06 R – juris Rn 20/21). Auch die von der Klägerin geltend gemachten seelischen Störungen können nicht als lebendbedrohlich anerkannt werden. Konkret lebensgefährlich kann ihre Erkrankung erst während eines großen epileptischen Anfalls werden. Aus den von der Klägerin selbst vorgelegten Literaturauszügen ergibt sich aber, dass der sich bei einem großen epileptischen Anfall eintretenden Lebensgefahr durch ärztliche Behandlungsmaßnahmen begegnet werden kann. Insoweit gibt es also durchaus Behandlungsmöglichkeiten, welche geeignet sind, der mit einem epileptischen Leiden einhergehenden Lebensgefahr zu begegnen.
Dagegen hat die Anwendung von therapeutischer Sprachgestaltung keinen Einfluss auf den Zustand des Patienten währen eines großen epileptischen Anfalls. Die Klägerin selbst trägt zu den Wirkungen der Therapie vor, die in der Vergangenheit durchgeführten Behandlungen hätten ihr geholfen, die Zahl der kleinen Aussetzer zu vermindern. Diese bedingen aber keinen lebensgefährlichen Zustand. Demnach liegt schon keine notstandsähnliche Situation vor, die es rechtfertigen könnte, von dem Erfordernis eines durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bestätigten Wirksamkeitsnachweis für die von der Klägerin begehrte Behandlungsmethode abzusehen. Auf die Frage, ob es noch andere wirksame anerkannte Methoden zur Behandlung der Epilepsie gibt, kommt es deswegen nicht an.
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision entsprechend § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Tatbestand:
Streitig ist die Übernahme der Kosten für eine Stimm- und Atemtherapie.
Die im Jahre 1965 geborene Klägerin leidet an einer angeborenen Epilepsie, die seit dem Jahre 1990 regelmäßig zum Auftreten von kleinen und großen epileptischen Anfällen führt.
Die behandelnde Ärztin W L verordnete am 11. August 2008 mit den Diagnosen therapieresistente Epilepsie, chronisches Erschöpfungssyndrom, chronisches lumbales Schmerzsyndrom sowie Angst und depressive Störung Leistungen der therapeutischen Sprachgestaltung, welche die Beklagte mit Schreiben vom 29. September 2008 für 10 Behandlungen bei UM als Therapeutin bewilligte.
Mit Schreiben vom 24. November 2008 beantragte die Klägerin 10 weitere Behandlungen und wies darauf hin, dass nach Einschätzung der behandelnden Therapeutin 50 weitere Behandlungen notwendig seien. Durch Schreiben vom 27. November 2008 bewilligte die Beklagte weitere 10 Behandlungen, wies aber darauf hin, dass sie zukünftig keine Kosten mehr übernehmen könne, da es sich um ein anthroposophisches Heilmittel handele, das nicht in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen gehöre. Die Klägerin legte Widerspruch ein und beantragte die Bewilligung von 50 weiteren Behandlungen. Das lehnte die Beklagte durch weiteres Schreiben vom 12. Dezember 2008 ab.
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2008 beantragte die Klägerin "nach den Grundsätzen der Heilmittelverordnung" eine Verlängerung um weitere 10 Behandlungen. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 4. Februar 2009 ab. Auch dagegen wendete sich die Klägerin. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin "gegen den Bescheid vom 4. Februar 2009" durch Widerspruchsbescheid vom 17. März 2009 zurück. Bei der beantragten therapeutischen Sprachgestaltung handele es sich um eine Leistung der anthroposophischen Medizin, für die der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Empfehlung ausgesprochen habe. Die bisherige Betrachtungsweise lasse sich nicht weiter aufrechterhalten.
Dagegen richtet sich die am 14. April 2009 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangene Klage, mit der die Klägerin insbesondere darauf hingewiesen hat, dass für sie keine allgemein anerkannte dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung stehe, weswegen entsprechend dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98 die Beklagte die begehrte Therapie zu leisten habe.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 30. November 2011 abgewiesen, nachdem es Befundberichte bei der behandelnden Ärztin W L und der Therapeutin Ursula Marquardt eingeholt hat. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die Übernahme weiterer Kosten für die von ihr gewünschte Therapie habe. Aus der zweimal erfolgten Kostenübernahme folge kein Anspruch auf Weitergewährung. Die Beklagte habe weder eine entsprechende Zusicherung erteilt noch einen entsprechenden vertrauensbegründenden Tatbestand gesetzt. Ein gesetzlicher Leistungsanspruch bestehe ebenfalls nicht. Die begehrten Leistungen seien als Heilmittel im krankenversicherungsrechtlichen Sinne anzusehen. Es handele sich um ein neues Heilmittel, weil die Stimm-, Sprech- und Atemtherapie nicht entsprechend den in der Heilmittelrichtlinie genannten Indikationen, sondern zur Behandlung von Epilepsie, ihren Auswirkungen und einer Depression eingesetzt werden solle. Eine Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung sei deswegen nur nach einer positiven Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses möglich, an der es vorliegend aber fehle. Auch ein Fall des Systemversagens liege nicht vor. Es fehle an Anhaltspunkten für eine systemwidrige Untätigkeit des Gemeinsamen Bundesausschusses, der sich ausweislich der Fassung der Heilmittel-Richtlinie vom 20. Januar 2011 durchaus mit neueren anthroposophischen Heilmitteln beschäftigt habe. Neuere medizinische Erkenntnisse über den therapeutischen Nutzen der begehrten Leistungen bei Epilepsie, Angst, depressiver Störung und Schmerzsyndrom seien der Kammer nicht bekannt geworden. Auch aus dem sog. Nikolausbeschluss des BVerfG ergebe sich kein Anspruch der Klägerin. Denn die Behandlung ziele im Hinblick auf die Epilepsie nur auf eine Verbesserung der Lebensqualität, nicht aber auf die Heilung der Krankheit selbst. Soweit eine Besserung der depressiven Stimmung und des Schmerzsyndroms erreicht werden solle, lägen keine schweren Erkrankungen vor, die der Rechtsprechung des BVerfG unterfallen könnten.
Gegen das ihr am 5. Januar 2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 19. Januar 2012 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Klägerin, mit der sie Folgendes vorträgt: Sie habe jahrelang Medikamente zur Behandlung der Epilepsie eingenommen und schwere Nebenwirkungen ertragen müssen, ohne dass sich ihr Gesundheitszustand verbessert habe. Auch die neueren Antiepileptika seien nicht geeignet, irgendeine Besserung zu erreichen. Demgegenüber habe die Atemtherapie und therapeutische Sprachgestaltung zu einer positiven Beeinflussung der Grunderkrankung geführt. Insbesondere die kleinen Aussetzer hätten sich deutlich verringert. Die von der Beklagten bewilligten 10 Behandlungen seien von vorherein zu wenig gewesen, um den gewünschten Erfolg zu erzielen. Für eine langfristige und stabile Besserung seien 60 Behandlungen nötig. Die Behandlung der Epilepsie durch Medikamente sei nach wie vor ein ungelöstes Problem. Epilepsie führe oftmals zu seelischen Störungen. Aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und des Bundesgerichtshofs ergebe sich, dass auch die Kosten für alternative Behandlungen von der Steuer abgesetzt werden könnten bzw. von der privaten Krankenversicherung zu übernehmen seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. November 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. November 2008 in der Gestalt der Bescheide vom 12. Dezember 2008 und vom 4. Februar 2009 sowie des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr weitere 50 Leistungen der therapeutischen Sprachgestaltung zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Auch aus einer auf Veranlassung des Senats noch eingeholten umfassenden Stellungnahme des Medizinischen Dienstes des Krankenversicherung (MDK) habe sich nichts anderes ergeben.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts ist zutreffend. Der mit der Klage angegriffene Bescheid der Beklagten vom 27. November 2008 in der Gestalt der Bescheide vom 12. Dezember 2008 und vom 4. Februar 2009 sowie des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2009 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihr weitere Leistungen der therapeutischen Sprachgestaltung bewilligt.
Ein Anspruch auf Bewilligung weiterer Behandlungsleistungen kann sich zunächst nicht daraus ergeben, dass die Beklagte bereits mit Bescheid vom 29. September 2008 Kosten für die Sprachgestaltung übernommen hatte und nach der Einschätzung der behandelnden Ärztin sowie der behandelnden Stimm- und Atemtherapeutin bei dem Krankheitsbild der Klägerin voraussichtlich 60 Behandlungen erforderlich waren. Der Bescheid vom 29. September 2008 hatte den Umfang der übernommenen Behandlungen ausdrücklich auf zehn beschränkt. Auch findet sich weder im Gesetz noch in den Heilmittelrichtlinien eine Vorschrift, aus der sich ergeben würde, dass die Beklagte eine Behandlung in dem von den Therapeuten für angemessen gehaltenen Umfang weiter bewilligen muss, wenn sie einmal der Aufnahme der Behandlung für einen bestimmten Zeitraum zugestimmt hat. Aus den Heilmittelrichtlinien, auf die sich die Klägerin im Verwaltungsverfahren berufen hat, ergibt sich vielmehr etwas Gegenteiliges: Wenn dort in § 7 Abs. 10 die maximale Verordnungsmenge bei Erst- und Folgeverordnungen auf 10 Behandlungen beschränkt wird, spricht das dafür, dass nach Ausschöpfung dieser Leistungen erneut zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen für eine weitere Bewilligung vorliegen. Zwar sieht § 32 Abs. 1a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i.V.m. § 8 Abs. 5 der Heilmittelrichtlinien mittlerweile auch eine längere Verordnungsdauer vor. Diese Regelungen sind aber erst mit Wirkung vom 1. Januar 2012 und damit zeitlich nach den von der Beklagten erteilten Bewilligungen in Kraft getreten, so dass schon deswegen aus ihnen hier nichts hergeleitet werden kann.
Aus den §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 32 SGB V ergibt sich ebenfalls kein Anspruch auf die weitere Bewilligung von Behandlungsleistungen der therapeutischen Sprachgestaltung. Nach den genannten Vorschriften haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Heilmitteln. Begrifflich gehören zu den Heilmitteln alle medizinischen Dienstleistungen, die ärztlich verordnet werden, nur von einer entsprechend ausgebildeten Person verabreicht werden können und mit denen ein Heilzweck oder Heilerfolg erreicht werden soll (Bundessozialgericht – BSG -, Urt. v. 28. Juni 2001 – B 3 KR 3/00 R – juris Rn 36). Bei der von der Klägerin begehrten therapeutischen Sprachgestaltung, handelt es sich um eine solche medizinische Dienstleistung. Sie ist ihr von einer Ärztin verordnet worden, soll von einer Stimm- und Atemtherapeutin erbracht werden und zu einer therapeutisch günstigen Beeinflussung der bestehenden Epilepsieerkrankung führen.
Anspruch auf Versorgung mit Heilmitteln haben Versicherte aber nur unter Beachtung der für die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung allgemein geltenden Regeln. Nach den §§ 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SGB V dürfen die Krankenkassen nur solche Leistungen erbringen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Speziell für Heilmittel steht § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB V einem Anspruch entgegen, soweit die Heilmittel nach § 34 SGB V ausgeschlossen sind. Allerdings enthält § 34 SGB V seit dem 1. Januar 2011 keine gesetzliche Regelung über den Ausschluss von Heilmitteln mehr und auch die vorher geltende Regelung war sachlich hier nicht einschlägig. Die auf der Grundlage des § 92 erlassene Heilmittelrichtlinie (Bundesanzeiger 2011 Nr. 96 S. 2011), auf die § 32 SGB V für den Anspruch der Versicherten ausdrücklich verweist, schließt zwar in ihrer Anlage bestimmte Heilmittel von der Verordnungsfähigkeit aus. Genannt wird dort etwa die Atemtherapie nach M oder die Stimmtherapie bei nicht krankhaftem Verlauf des Stimmbruchs, nicht aber die Behandlung der Epilepsie mittels therapeutischer Sprachgestaltung. Ein ausdrücklicher Ausschluss für das von der Klägerin begehrte Heilmittel liegt danach nicht vor.
Von Bedeutung ist aber § 138 SGB V, wonach neue Heilmittel nur verordnet werden dürfen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt hat. Neu ist ein Heilmittel dann, wenn es bisher nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung gewesen ist, was sich daran zeigt, ob es in den vom Gemeinsamen Bundesausschuss erlassenen Heilmittel-Richtlinien aufgeführt ist oder nicht (BSG, Urt. v. 26. September 2006 – B 1 KR 3/06 R – juris Rn 16-18). Regelmäßig setzt demnach die Leistungspflicht der Krankenkassen voraus, dass der Gemeinsame Bundesausschuss eine positive Entscheidung über das in Frage stehende Heilmittel getroffen hat.
Für die von der Klägerin begehrten Leistungen liegt eine solche positive Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht vor. Die Heilmittelrichtlinie listet zwar in ihren §§ 30 bis 34 Maßnahmen der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie als verordnungsfähige Heilmittel auf. Der Senat kann dabei dahinstehen lassen, inwieweit die von der Klägerin begehrten medizinischen Dienstleistungen der Art nach den Behandlungsleistungen entsprechen, die Gegenstand der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie nach der Heilmittelrichtlinie sind. Denn sie unterscheiden sich jedenfalls durch ihren Therapieansatz von der anerkannten Stimm- Sprech- und Sprachtherapie. Nach dem 2. Kapitel § 2 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses (Bundesanzeiger Nr. 84a vom 10. Juni 2009) gelten Heilmittel als neu, wenn für Maßnahmen, die für bestimmte Indikationen bereits nach der Heilmittelrichtlinie verordnet werden können, eine wesentliche Änderung oder Erweiterung ihrer Indikationsbereiche oder der Art ihrer Erbringung erfolgt. Eine Anwendungsempfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses ist danach bereits dann erforderlich, wenn Stimm-, Sprach- und Sprechtherapie mit einer Zielsetzung angewandt werden sollen, die von dem in den Heilmittelrichtlinien Anerkannten abweicht (BSG, Urt. v. 26. September 2006 – B 1 KR 3/06 R – juris Rn 19). Diese Voraussetzung liegt hier indessen vor. Nach dem (als Bestandteil der Heilmittelrichtlinien) erlassenen Heilmittelkatalog (dort unter II.) dienen Maßnahmen der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie der Therapie von konkreten Störungen der Stimme, der Sprache, des Redeflusses, der Stimm- und Sprechfunktion und des Schluckaktes. Die von der Klägerin eingeklagten Leistungen verfolgen demgegenüber ein anderes Ziel. Die von ihr begehrte Sprachgestaltung ist ein Fachbereich der Anthroposophischen Kunsttherapie, die ausgehend von einem ganzheitlichen Ansatz einer Erkrankung im Wege der Selbstregulation begegnen und aufgetretene krankheitstypische Gestaltungsphänomene durch therapeutische Maßnahmen ausgleichen will, die vom Patienten in seine Lebensführung übernommen werden sollen. Das Konzept der Anthroposophischen Kunsttherapie ergibt sich aus der dazu vom Berufsverband Anthroposophische Kunsttherapie e.V. im Jahre 2008 veröffentlichte Leitlinie (zu recherchieren unter http://www.anthroposophische-kunsttherapie.de). Dass die Klägerin in diesem Sinne von der Atem- und Stimmtherapeutin Marquardt behandelt worden ist und weiter behandelt werden soll, ergibt sich aus dem dort vom Sozialgericht eingeholten Befundbericht, insbesondere aus den Angaben zu den Behandlungszielen. Auch der MDK hat in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die von der Klägerin begehrte Behandlung nicht mit der in den Heilmittel-Richtlinien geregelten Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie übereinstimmt, ohne dass sich die Klägerin dazu geäußert hätte. Der bei der behandelnden Ärztin W L eingeholte Befundbericht belegt ebenso, dass die Verordnung der Sprechtherapie nicht wegen einer der in den Heilmittel-Richtlinien zugelassenen Indikationen erfolgt ist, sondern umfassend auf das Verhältnis von Körper, Seele und Geist einwirken soll. Nach alledem ist der Klägerin ein im krankenversicherungsrechtlichen Sinne "neues" Heilmittel verordnet worden, für das die nach § 138 SGB V erforderliche Anwendungsempfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht vorliegt.
Die Anwendungsempfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses ist auch nicht deswegen entbehrlich, weil die Klägerin ein Heilmittel begehrt, das der anthroposophischen Medizin und damit den besonderen Therapierichtungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V zuzuordnen ist. Der Umstand, dass der Gesetzgeber die besonderen Therapieeinrichtungen ausdrücklich als nicht ausgeschlossen erwähnt, bedeutet nicht, dass für die anthroposophische Medizin im Hinblick auf Qualität und Wirtschaftlichkeit andere oder geringerer Maßstäbe als für die sogenannte Schulmedizin gelten würden. Die reine Binnenanerkennung einer Behandlung im Rahmen einer besonderen Therapierichtung reicht daher für das Entstehen einer Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht aus. Auch unkonventionelle Methoden wie die der anthroposophischen Medizin sind daher auf ihren Nutzen nach dem Stand der allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu überprüfen, so dass die Möglichkeit ihrer Überprüfung durch den gemeinsamen Bundesausschuss eröffnet ist (Hessisches LSG, Urt. v. 24. November 2011 – L 8 KR 93/10 – juris Rn 51 mit weit. Nachw.).
Ein Ausnahmefall, in dem von einer Anwendungsempfehlung aus besonderen Gründen abgesehen werden kann, liegt nicht vor. Die Rechtsprechung anerkennt drei Ausnahmen von dem Erfordernis der vorherigen Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode durch den Bundesausschuss. Die erste ist das sog. Systemversagen, die zweite der sog. Seltenheitsfall und die dritte das Vorliegen einer notstandsähnlichen Situation entsprechend § 2 Abs. 1a SGB V.
Ein Systemversagen liegt vor, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode nicht in angemessener Zeit überprüft hat und die begehrte Leistung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht (BSG, Urt. v. 7. November 2006 – B 1 KR 24/06 – juris Rn 18). Mit der therapeutischen Sprachgestaltung als Erscheinungsform der Kunsttherapie hat sich der Gemeinsame Bundesausschuss bisher nicht befasst. Es ist auch nicht bekannt, dass bei ihm die Durchführung eines entsprechenden Überprüfungsverfahrens eingeleitet worden ist. Allein das Unterbleiben einer Entscheidung über eine bereits längere Zeit eingeführte und praktizierte Behandlungsmethode begründet aber noch kein Systemversagen. Die Einleitung eines Überprüfungsverfahrens ist erst dann zwingend geboten, wenn der Stand der medizinischen Erkenntnisse nahe legt, dass zu einer bestimmten Behandlungsmethode eine positive Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses zu erwarten ist (BSG, Urt. v. 12.08.2009 – B 3 KR 10/07 R – juris Rn 26). Diese Voraussetzung ist indessen für die therapeutische Sprachgestaltung nicht gegeben. Auch die anthroposophische Medizin muss sich an den Maßstäben der evidenzbasierten Medizin messen lassen. Aus der vom MDK erstatteten Stellungnahme ergibt sich aber, dass es bisher keine belastbaren wissenschaftlich begründete evidenzbasierte Studien gibt, welche einen Behandlungserfolg der therapeutischen Sprachgestaltung bei der Therapie der Epilepsie belegen würden. Der Senat hat keine Veranlassung, diese Aussage in Frage zu stellen, zumal sie auch von der Klägerin nicht angegriffen worden ist. Ausreichend für einen relevanten Therapieerfolg ist jedenfalls nicht, dass die Klägerin meint, positive Effekte der Therapie auf ihren Krankheitsverlauf festgestellt zu haben. Denn in Frage steht der systematische Nachweis des therapeutischen Nutzens, nicht ein Behandlungserfolg im Einzelfall, dessen Genese unklar bleibt. Der Senat kann demnach nicht feststellen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss eine zeitnahe Überprüfung der therapeutischen Sprachgestaltung pflichtwidrig unterlassen hätte und dass diese Leistung dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen würde. Ein Systemversagen liegt nicht vor.
Ein Seltenheitsfall kann nur gegeben sein, wenn die zu behandelnde Erkrankung so selten auftritt, dass sich ihre Therapie einer systematischen evidenzbasierten Erforschung entzieht (BSG, Urt. v. 19. Oktober 2004 – B 1 KR 27/02 R – juris Rn 29). Das ist bei der Epilepsie aber offensichtlich nicht der Fall, so dass auch insoweit keine Ausnahme von dem Gebot der vorherigen Anerkennung einer Behandlungsmethode durch den Gemeinsamen Bundesausschuss anzuerkennen ist.
Schließlich fehlt es auch an dem Vorliegen einer notstandsähnlichen Situation. Nach der Rechtsprechung des BVerfG darf einem an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leidenden Versicherten eine von ihm gewählte ärztlich angewandte Behandlungsmethode nicht verweigert werden, wenn eine allgemein anerkannte dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethode nicht zur Verfügung steht und mit der gewählten Methode eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder spürbar günstiger Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht (BVerfG, Beschluss v. 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98). Das BSG hat den Begriff der lebensbedrohlichen Erkrankung auf andere wertungsmäßig gleichstehende Fälle erweitert (BSG, Urt. v. 27. April 2006 – B 1 KR 12/04 R – juris Rn 31). Mit diesem Inhalt ist diese Rechtsprechung vom Gesetzgeber in § 2 Abs. 1a SGB V kodifiziert worden. Bei der Klägerin fehlt es aber bereits an dem Vorliegen einer lebensbedrohlichen bzw. gleichstehenden Erkrankung. Es ist nicht dokumentiert, dass bei ihr jemals eine akute Lebensgefahr oder die Gefahr des Eintretens eines unwiederbringlichen Verlusts wichtiger körperlicher und geistiger Funktionen eingetreten ist. Eine solche Indikation wird auch von der die therapeutische Sprachtherapie verordnenden behandelnden Ärztin W L nicht angegeben. Frau WL berichtet in ihrem Befundbericht lediglich darüber, dass die bisherigen Anfälle zu Verletzungen wie Platzwunde, Hämatom und Muskelzerrung geführt hätten, sie will mit der Verordnung einem Schmerzsyndrom in der Lendenwirbelsäule, Depressionen und Einschränkungen der sozialen Kontakte entgegen wirken. Soweit die Klägerin vorträgt, dass der Zustand während eines (großen) epileptischen Anfalls lebensbedrohlich werden könne, verkennt sie den Inhalt des Begriffs einer lebensbedrohlichen oder einer solchen gleichstehenden Erkrankung. Die abstrakte Gefahr des Todeseintrittes nach Komplikationen besteht bei jeder schwereren Erkrankung und steht deswegen einem konkret lebensbedrohlichen Zustand nicht gleich (BSG, Urt. v. 27. März 2007 – B 1 KR 17/06 R – juris Rn 20/21). Auch die von der Klägerin geltend gemachten seelischen Störungen können nicht als lebendbedrohlich anerkannt werden. Konkret lebensgefährlich kann ihre Erkrankung erst während eines großen epileptischen Anfalls werden. Aus den von der Klägerin selbst vorgelegten Literaturauszügen ergibt sich aber, dass der sich bei einem großen epileptischen Anfall eintretenden Lebensgefahr durch ärztliche Behandlungsmaßnahmen begegnet werden kann. Insoweit gibt es also durchaus Behandlungsmöglichkeiten, welche geeignet sind, der mit einem epileptischen Leiden einhergehenden Lebensgefahr zu begegnen.
Dagegen hat die Anwendung von therapeutischer Sprachgestaltung keinen Einfluss auf den Zustand des Patienten währen eines großen epileptischen Anfalls. Die Klägerin selbst trägt zu den Wirkungen der Therapie vor, die in der Vergangenheit durchgeführten Behandlungen hätten ihr geholfen, die Zahl der kleinen Aussetzer zu vermindern. Diese bedingen aber keinen lebensgefährlichen Zustand. Demnach liegt schon keine notstandsähnliche Situation vor, die es rechtfertigen könnte, von dem Erfordernis eines durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bestätigten Wirksamkeitsnachweis für die von der Klägerin begehrte Behandlungsmethode abzusehen. Auf die Frage, ob es noch andere wirksame anerkannte Methoden zur Behandlung der Epilepsie gibt, kommt es deswegen nicht an.
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision entsprechend § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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