L 10 R 2391/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 513/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2391/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 03.05.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.

Die 1954 geborene Klägerin ist ausgebildete Krankengymnastin. In diesem Beruf war sie bis zum Eintritt ihrer Arbeitsunfähigkeit am 21.04.2008 in Altenheimen und im Rahmen von Hausbesuchen tätig. Auf ihren Rentenantrag vom 05.05.2009 wegen Asthma bronchiale und bronchialer Hyperreagibilität (Bl. 31 Rs. VA) zog die Beklage zunächst ein Gutachten des Lungenarztes, Internisten, Allergologen und Umweltmediziners Dr. T. bei, das dieser im Auftrag der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege im Rahmen des Anerkennungsverfahrens für eine Berufskrankheit der Nrn. 4301/4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenver¬ordnung (BKV) erstattet hatte (Bl. 44 ff. VA; bislang ist keine Berufskrankheit anerkannt, das Berufungsverfahren - L 10 2904/10 - wurde mit Beschluss vom 19.12.2011 zum Ruhen gebracht). Damals beschrieb Dr. T. , dass die Beschwerden der Klägerin nach Beendigung ihrer Arbeitstätigkeit bis zum Sommer 2008 rückläufig gewesen seien; trotz fehlender medikamentöser Therapie hätten praktisch keine Beschwerden mehr bestanden. Der Gutachter diagnostizierte eine Atopie und beschrieb einen positiven Expositionstest gegenüber ätherischen Ölen (Bl. 57 VA), nicht aber gegenüber Desinfektionsmittel bzw. Massageöl (Bl. 61 VA). Es sei - so Dr. T. - der Klägerin problemlos möglich, die für ihre Beschwerden (Schleimhautreizung der oberen und unteren Atemwege ohne nachweisbare Obstruktion, Bl. 55 VA) ursächlichen Arbeitsstoffe durch eine innerbetriebliche Umsetzung vom Außendienst in den Innendienst zu vermeiden (Bl. 64 VA). Daneben veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch den Lungenarzt und Internisten Dr. H. (Bl. 101 ff. VA). Dieser diagnostizierte ein allergisches Asthma bronchiale, er vermochte jedoch - bei Vermeidung einer Exposition gegenüber Duftstoffen und ätherischen Ölen, bei Vermeidung von Arbeiten im Freien sowie von Arbeit unter Einwirkung von Nässe und Dämpfen - keine weitergehende Beeinträchtigung der Klägerin am allgemeinen Arbeitsmarkt und in ihrem Beruf als Physiotherapeutin zu erkennen (Bl. 109 VA). Dem schloss sich der Beratungsarzt der Beklagten an; zu vermeiden seien inhalative Schadstoffe und Kontakt zu ätherischen Ölen (Bl. 111 VA).

Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung mit Bescheid vom 13.07.2009 und der Begründung ab, der Klägerin sei auch weiterhin eine Beschäftigung in ihrem bisherigen Beruf möglich (Bl. 113 VA). Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchbescheid vom 08.02.2010 zurück (Bl. 251 VA; Bl. 121 - 210 der Verwaltungsakte fehlen).

Mit ihrer am 11.02.2010 beim Sozialgericht Mannheim erhobenen Klage hat sie ihren Anspruch weiter verfolgt. Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Internisten und Lungenfacharztes Dr. G. beigezogen, das dieser dem Sozialgericht Mannheim im Verfahren zur Anerkennung einer Berufskrankheit (S 1 U 2991/09) erstattet hat (Bl. 29 ff. SG-Akte). Darin hat Dr. G. eine unspezifische Reizsymptomatik der oberen und unteren Luftwege bei wiederholten Atemwegsinfekten, einen Bluthochdruck und einen Verdacht auf Hypothyreose diagnostiziert. Trotz Klagen über Husten bei unspezifischen Reizen wie starken Düften, längerem Sprechen und vor allem im Rahmen von Infekten hat der Sachverständige bei der Klägerin keine Atembeschwerden im Sinne von Asthma festgestellt und festgehalten, die Klägerin habe in den vergangenen zwölf Monaten kein atemwegserweiterndes Spray angewandt (Bl. 54 SG-Akte). Ihre Lungenfunktion sei völlig unauffällig gewesen; die Ursache für die Reizsymptomatik sei nach Ansicht des Sachverständigen eher durch Infekte ausgelöst (Bl. 58 SG-Akte).

Nach ergänzender Einholung einer sachverständigen Zeugenauskunft bei dem Internisten Dr. K. (Bl. 66 f. SG-Akte), der bei der Klägerin im Zeitraum vom Februar 2005 bis Dezember 2008 eine kontinuierliche Verschlimmerung des allergischen Asthma (insbesondere Januar 2007 und Januar 2008; nach Beendigung der Tätigkeit Beruhigung der Atemnot und Hustenanfälle) festgestellt und dennoch die Verrichtung leichter Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden täglich für möglich erachtet hat, hat das Sozialgericht Mannheim die Klage mit Urteil vom 03.05.2011 abgewiesen (Bl. 102 ff. SG-Akte). Dabei ist es davon ausgegangen, die Klägerin könne die allergisierend wirkenden Stoffe vermeiden; eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen liege nicht vor. Es hat auf die vielfältigen Arbeitsmöglichkeiten der Klägerin als Krankengymnastin verwiesen, die noch in Betracht kämen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin am 10.06.2011 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Sie hat insbesondere darauf verwiesen, sie sei wegen ihrer Allergie gegen Duftstoffe in ihrem bisherigen bzw. in einem verwandten Tätigkeitskreis nicht vermittelbar. Die Tatsache, dass sie bei diesen Tätigkeiten mit Personen in Kontakt komme, die Duftstoffe verströmten, verbiete das (Bl. 15 LSG-Akte).

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 03.05.2011 abzuändern, den Bescheid vom 13.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.02.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat sachverständige Zeugenauskünfte bei dem Internisten Dr. K. (Bl. 61 LSG-Akte, Bl. 107 LSG-Akte) sowie bei dem Lungenfacharzt Dr. B. eingeholt (Bl. 62 LSG-Akte). Außerdem hat er ein Gutachten nach Aktenlage bei dem Internisten und Lungenfacharzt sowie Arbeitsmediziner Prof. Dr. M. veranlasst (Bl. 90 ff. LSG-Akte). Dieser hat im - derzeit ruhenden - Berufungsverfahren zur Anerkennung einer Berufskrankheit (L 10 U 2904/10) bereits ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattet (Bl. 25 ff. LSG-Akte), das der Senat zum vorliegenden Verfahren beigezogen hat. Prof. Dr. M. hat gegenüber dem Senat das Vorliegen einer im berufsgenossenschaftlichen Verfahren als Verdachtsdiagnose bezeichneten multiplen Chemikaliensensitivität (MCS) als sehr wahrscheinlich angesehen, allerdings lägen die üblicherweise vorhandenen Hauptsymptome wie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen nicht vor. Er hat die Erkrankung als somatoforme Störung qualifiziert. Die Klägerin sei noch in der Lage, alle Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden täglich auszuüben, sofern keine Einwirkungen von chemischen Substanzen bestünden, was allerdings im allgemeinen Erwerbsleben kaum zu erreichen sei. Bereits bei geringerer Einwirkung von chemischen Substanzen seien - so der Sachverständige - vermutlich größere Pausen erforderlich (Bl. 97 LSG-Akte).

Schließlich hat der Senat eine Begutachtung der Klägerin durch den Neurologen und Psychiater Dr. B. veranlasst (Bl. 126 ff. LSG-Akte). Dr. B. hat eine sogenannte MCS im Sinne einer vorrangig somatoformen Störung (mit im somatischen Bereich beklagten Beschwerden ohne ausreichend erklärendes organisch-somatisches Korrelat), keinen Anhalt für eine organ-neurologische Erkrankung, stattdessen mit ausreichend wahrscheinlich zu machender psychogener (konversionsneurotischer) Genese, bei vorbestehenden Persönlichkeitsakzentuierungen (mit histrionischen, affektlabilen, dependenten, aber auch aggressionsgehemmten Zügen) sowie (berichteten) Allergien und eine (berichtete) chronische Atemwegserkrankung diagnostiziert. Der Sachverständige hat darauf aufmerksam gemacht, dass bislang weder eine psychotherapeutische noch eine etwa adjuvant psychopharmakologische oder überhaupt eine psychiatrische Behandlung stattgefunden habe (Bl. 167 LSG-Akte). Auffälligkeiten im Zusammenhang mit dem Einsatz zweier Hautdesinfektionsmittel, eines Ultraschall-Gels und eines Duft-Sprays bei der Untersuchung durch Dr. B. traten bei der Klägerin nicht auf (Bl. 151 LSG-Akte). Aus nervenärztlicher Perspektive sei die Klägerin noch in der Lage, bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten. Zu vermeiden seien ständiger Zeitdruck, ständige nervöse Anspannung, Nacht- oder Wechselschicht, die Tätigkeit an unmittelbar gefährdenden Maschinen und die Tätigkeit mit weit überdurchschnittlich fordernder sozialer Interaktion (Bl. 168 LSG-Akte).

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 141, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 13.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.02.2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente dargelegt (§§ 43, 240 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI) und mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil sie trotz ihrer Gesundheitsstörungen leichte bis mittelschwere berufliche Tätigkeiten bei Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen (Vermeidung inhalativer Reizstoffe und übermäßiger Exposition gegenüber ätherischen Ölen, Tätigkeiten ohne ständigen Zeitdruck, ohne ständige nervöse Anspannung, ohne Nacht- und Wechselschicht, nicht an unmittelbar gefährdenden Maschinen und ohne weit überdurchschnittlich fordernde soziale Interaktionen) zumindest sechs Stunden täglich ausüben kann und mit diesem Leistungsvermögen im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen keine Erwerbsminderung vorliegt. Der Senat sieht deshalb insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren vorträgt, sie sei wegen ihrer Allergie gegen Duftstoffe in ihrem bisherigen bzw. in einem verwandten Tätigkeitskreis nicht vermittelbar (Bl. 15 LSG-Akte), ist die Frage der Vermittelbarkeit für die Beurteilung der geltend gemachten Erwerbsminderung unerheblich, weil hierfür nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz und § 240 Abs. 2 Satz 4 zweiter Halbsatz SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist. Das Risiko, ob der Klägerin überhaupt ein ihrem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, trägt die Arbeitsverwaltung, nicht jedoch die gesetzliche Rentenversicherung, welche ihre Versicherten allein vor den Nachteilen einer durch Krankheit oder Behinderung geminderten Leistungsfähigkeit zu schützen hat (vgl. BSG, Urteil vom 14.05.1996, 4 RA 60/94 in SozR 3-2600 § 43 Nr. 13).

Die bei der Klägerin vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die als Klagen über Husten bei starken Düften, längerem Sprechen und vor allem im Rahmen von Infekten umschrieben wurden (so gegenüber Dr. G. , Bl. 54 SG-Akte; im Einzelnen auch Prof. Dr. M. , Bl. 33 LSG-Akte), führen nicht zu einer quantitativen Leistungsminderung für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Sinne des § 43 SGB VI.

Dies gilt zunächst für die vorliegenden somatischen Beeinträchtigungen auf lungenärztlichem Fachgebiet. Der Lungenarzt und Internist Dr. T. objektivierte eine obstruktive Atemwegserkrankung (Bl. 62 VA), der Lungenarzt und Internist Dr. H. diagnostizierte ein allergisches Asthma bronchiale (Bl. 107 VA), der Internist und Lungenfacharzt Dr. G. eine unspezifische Reizsymptomatik der oberen und unteren Luftwege bei wiederholten Atemwegsinfekten (Bl. 53, 59 SG-Akte) und der Internist und Lungenfacharzt Prof. Dr. M. eine chronische Bronchitis ohne Obstruktionshinweis (Bl. 32 LSG-Akte). Betrachtet man die von allen Gutachtern in diesem Zusammenhang erhobenen Befunde, dann ergeben sich daraus - trotz der im Einzelnen voneinander abweichenden Diagnostik - auf lungenfachärztlichem Gebiet keine quantitativen Leistungseinschränkungen für eine Tätigkeit als Physiotherapeutin und Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. So beschrieb Dr. T. keine obstruktive Lungenfunktionsstörung (Bl. 60 VA) und Dr. H. erhob trotz leichter Asthmaerkrankung der Klägerin Normalbefunde bei den Lungenfunktionswerten (Bl. 108 VA). Dr. G. hat klinisch keinen Hinweis auf eine Obstruktion gefunden, die durchgeführte Lungenfunktionsprüfung hat völlig unauffällige Werte gezeigt, so dass er die Diagnose eines Asthma bronchiale oder einer COPD sogar ausdrücklich in Frage gestellt hat (Bl. 54 f. SG-Akte), eine Funktionsminderung ist nicht feststellbar gewesen (Bl. 59 SG-Akte). Auch Prof. Dr. M. hat bei seiner Untersuchung keine Lungenfunktionseinschränkungen bemerkt (Bl. 36, 38 LSG-Akte).

Damit gelangt der Senat mit Dr. H. und der beratungsärztlichen Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass die Klägerin trotz der - allerdings nur geringfügigen - Einschränkungen auf somatisch-lungenfachärztlichem Fachgebiet noch in der Lage ist, ihre bisherige Tätigkeit als Physiotherapeutin und leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden zu verrichten. Auch Dr. T. sieht die Klägerin in der Lage, ihre Tätigkeit als Physiotherapeutin - nach Umsetzung vom Außen- in den Innendienst - weiterhin zu verrichten (Bl. 64 VA). Letztlich gilt dies auch nach Einschätzung des Dr. B. , der für die Leistungsbeurteilung der Klägerin den somatischen Part ihrer Beschwerden für nicht ausschlaggebend erachtet (Bl. 166 LSG-Akte).

Eine davon abweichende Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Klägerin mit Blick auf den somatisch-lungenfachärztlichen Bereich ist auch nicht aus den Befunden der die Klägerin behandelnden Ärzte abzuleiten. Zwar hat der Internist Dr. K. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom Juli 2010 - ausgehend von einer letzten Behandlung im Dezember 2009 (Bl. 61 LSG-Akte) - gegenüber dem Sozialgericht mitgeteilt, die Klägerin könne leichte körperliche Arbeiten bis maximal sechs Stunden täglich verrichten (Bl. 66 SG-Akte). In seiner zweiten Auskunft vom März 2013 hat ihn die bei zweimaligem Arztkontakt im November 2012 beschriebene Zunahme der Verschleimung mit häufigen intensiven Hustenattacken und fast täglicher Atemnot - bei Feststellung derzeitiger Arbeitsunfähigkeit - dazu veranlasst, weitere Untersuchungen durch den Lungenfacharzt Dr. B. durchführen zu lassen (Bl. 107 LSG-Akte). Dieser hat dann im März 2013 bei (grenzwertig) normalem Atemwiderstand sogar überdurchschnittlich gute dynamische Parameter festgestellt (Bl. 120 LSG-Akte). Bereits gegenüber dem Sozialgericht im Jahr 2011 hatte er noch über dynamische Parameter im Normbereich berichtet, dabei die Klägerin noch in der Lage gesehen, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden täglich zu verrichten (Bl. 62 LSG-Akte). Konkrete quantitative Leistungseinschränkungen aus der medikamentös behandelten (vgl. Bericht Dr. B. vom April 2013) Atemwegserkrankung sind aus diesen Befunden nicht abzuleiten. Es bleibt daher bei der Leistungsbeurteilung von Dr. H. , Dr. T. und der beratungsärztlichen Stellungnahme.

Ebenso bewirkt die von Prof. Dr. M. zunächst lediglich als Verdachtsdiagnose geäußerte (Bl. 32 LSG-Akte) und in dem späteren Aktengutachten als "sehr wahrscheinlich" (Bl. 94 LSG-Akte) vorliegende MCS (von Dr. B. als sogenannte MCS im Sinne einer vorrangig somatoformen Störung bezeichnet, Bl. 166 LSG-Akte) keine Leistungseinschränkung für sechsstündige leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Auch wenn bei der Klägerin die für die Diagnose einer MCS üblicherweise vorhandenen Hauptsymptome wie Konzentrations- oder Gedächtnisstörungen nicht vorliegen (so Prof. Dr. M. , Bl. 94 LSG-Akte) und damit das Vorliegen dieser Erkrankung - für die hierfür beweisbelastete Klägerin (BSG, Urteil vom 20.10.2004, B 5 RJ 48/03 R) - nicht nachgewiesen ist, geht der Senat für die Leistungsbeurteilung - auch im Anschluss an die Feststellungen des Sachverständigen Dr. B. - zu Gunsten der Klägerin vom Vorliegen einer MCS aus.

Für die sozialmedizinische Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Klägerin sind sich die Sachverständigen Prof. Dr. M. (Bl. 95 LSG-Akte) und Dr. B. (Bl. 160 f. LSG-Akte) einig, dass die von ihr beschriebenen Symptome unter dem Oberbegriff einer somatoformen Störung zu diskutieren sind. Hierbei handelt es sich um eine Störung, bei der körperliche Beschwerden beklagt werden, für die es keine hinreichend erklärende organische Ursache gibt. Entsprechend dieser Einordnung der MCS als somatoformer Störung sind die zur Leistungseinschränkung führenden Funktionsstörungen mit Dr. B. nicht anhand objektivierbarer, organisch-somatischer Befunde, sondern allein über die Konsistenz-Prüfung der reklamierten Beschwerden herauszuarbeiten (Bl. 161 f. LSG-Akte). Davon geht letztlich auch Prof. Dr. M. aus, wenn er empfiehlt, die sozialmedizinischen Aspekte der MCS seien durch einen in der Rentenversicherung erfahrenen psychiatrischen Gutachter zu bewerten (Bl. 98 LSG-Akte).

Im Anschluss an Dr. B. ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin trotz der MCS noch in der Lage ist, ihren erlernten Beruf und Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechsstündig auszuüben. Dr. B. geht in diesem Zusammenhang sogar von einem vollschichtigen Leistungsvermögen für bis mittelschwere Tätigkeiten aus; ständiger Zeitdruck, ständige nervöse Anspannung, Nacht- und Wechselschicht, Tätigkeiten an gefährdenden Maschinen und ohne weit überdurchschnittlich fordernde Interaktionen sind zu vermeiden (Bl. 168 LSG-Akte). Soweit Prof. Dr. M. die Klägerin nur mehr in der Lage sieht, alle Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechsstündig auszuüben, sofern keine Einwirkungen von chemischen Substanzen bestehen, was aus seiner Sicht im allgemeinen Erwerbsleben kaum zu erreichen sei (Bl. 97 LSG-Akte), ist dieser weitreichenden Einschränkung nicht zu folgen.

Der Sachverständige Prof. Dr. M. leitet die besonders einschneidende Behinderung der Klägerin im Erwerbsleben allein aus den von ihr geschilderten Beschwerden (Augenschwellungen und -schmerzen, Ruhe- und Belastungsluftnot, Schwitzen und Schweißausbrüche, Niesattacken, Ohrjucken, Halsschmerzen und -jucken, Abgeschlagenheit und Herzrasen, verursacht durch "verschiedenste chemische Einwirkungen", Bl. 95 LSG-Akte) ab. Dabei hat er keine einzige beschwerdeauslösende Substanz konkretisiert. Er legt vielmehr die pauschalen Angaben der Klägerin über das Auftreten von Beschwerden seiner Verdachtsdiagnose und deren Ausprägung (verschiedenste chemische Substanzen) zu Grunde und behauptet auf dieser Grundlage pauschal, Personen mit MCS seien kaum vermittelbar und ihnen seien fast nur Homeoffice-Tätigkeiten zuzumuten (Bl. 95 LSG-Akte). Mit diesem Vorgehen schließt er jedoch unzulässiger Weise aus bloßen Angaben der Klägerin auf die Diagnose MCS und daraus auf eine schwere Beeinträchtigung der Klägerin im Erwerbsleben. Er unterstellt dabei beispielsweise, es komme bereits bei der Fahrt zur Arbeit häufig zu unverträglichen Ereignissen wie die Einwirkung von Parfums in öffentlichen Verkehrsmitteln (Bl. 95 LSG-Akte) und setzt sich nicht damit auseinander, dass es der Klägerin möglich ist, regelmäßig über Stunden auf engstem Raum in einem Flugzeug zu sitzen (z.B. Bl. 127 LSG-Akte), ohne dass von ihr entsprechende Beschwerden berichtet werden. Auch die aus seiner Sicht zu vermeidenden Tonereinwirkungen (Bl. 96 LSG-Akte) sind bislang von der Klägerin bei keiner Untersuchung als problematisch geschildert worden. Sie widersprechen darüber hinaus auch den eigenen beruflichen Vorstellungen der Klägerin; denn in den von ihr selbst als möglich angesehenen Tätigkeiten als Lektorin für f. Texte im Verlagswesen (Bl. 23 LSG-Akte), freie Redakteurin oder Dolmetscherin/Übersetzerin (Bl. 134 LSG-Akte) ist ein Kontakt mit "büroüblichen Schadstoffen" gerade nicht zu vermeiden.

Vergleicht man das Gutachten des Prof. Dr. M. mit dem des Sachverständigen Dr. B. , dann ist das von Prof. Dr. M. zu Grunde gelegte Ausmaß der Beschwerden der Klägerin widerlegt. Denn Dr. B. , der als einziger Sachverständiger eine ausführliche Befragung der Klägerin zu ihrem Alltag dokumentiert hat, ist es im Rahmen seiner Untersuchung lediglich gelungen, unspezifische und letztlich auch inkonsistente Beschwerdeschilderungen und auslösende Situationen zu eruieren (Bl. 138 ff. LSG-Akte). So hat er die von der Klägerin behaupteten unspezifischen Beschwerden wie Erschöpfung und Ermüdung in seiner Untersuchung nicht objektivieren können (Bl. 141 f., 147 LSG-Akte). Auch Auffassung, Merkfähigkeit, Gedächtnis und Aufmerksamkeit der Klägerin sind bis zuletzt ungestört geblieben (Bl. 147 LSG-Akte). Dies verwundert angesichts der von Prof. Dr. M. angenommenen Beschwerden der Klägerin umso mehr, als Dr. B. bei seiner Untersuchung ein Hautdesinfektionsmittel und ein Ultraschallgel benutzt hat sowie in seiner Praxis Händedesinfektionsmittel und ein Raumspray zum Einsatz gekommen sind, ohne dass die Klägerin die Problematik beschwerdeauslösender chemischer Substanzen angesprochen hätte oder dem Sachverständigen eine objektiv erkennbare Problematik ersichtlich gewesen wäre (Bl. 151 LSG-Akte). Letztlich steht diese Beobachtung des Sachverständigen Dr. B. auch in Übereinstimmung mit allen anderen aktenkundigen medizinischen Gutachten und Unterlagen der behandelnden Ärzte, in denen an keiner Stelle die - mit Desinfektionsmitteln und Duftsprays "kontaminierte" - medizinische Umgebung beschwerdeauslösend gewesen wäre. In dieses Bild fügt sich auch ein, dass es dem Gutachter Dr. T. im Rahmen der von ihm vorgenommenen Arbeitsplatzexposition erst - worauf Dr. G. ausdrücklich aufmerksam macht (Bl. 56 f. SG-Akte) - durch eine massive und in keiner Weise arbeitsplatztypische Exposition mit einer Auswahl von der Klägerin mitgebrachter Arbeitsstoffe gelungen war, mit ätherischen Ölen Reaktionen im Bereich der Atemwege auszulösen. Auf Massageöl und Desinfektionsmittel reagierte die Klägerin dagegen nicht (Bl. 61 VA). Damit steht nur fest, dass die Klägerin bei massiver Exposition gegenüber ätherischen Ölen mit Beschwerden reagiert, was - so Dr. G. überzeugend - auch beim Gesunden geschehen kann (Bl. 57 SG-Akte).

Auch die Betrachtung des - außerberuflichen - Alltags der Klägerin, der sich schon deshalb zur Konsistenz-Prüfung der reklamierten Beschwerden anbietet, da berufsbezogene Aspekte ihrer Beschwerden von Dr. B. nicht herauszuarbeiten gewesen sind (Bl. 150 LSG-Akte) und die Klägerin selbst angegeben hat, ihre Beschwerden seien überall gleich und nicht von bestimmten Orten abhängig (Bl. 130 LSG-Akte), zeigt, dass die Klägerin mit Blick auf die MCS keinen wesentlichen Einschränkungen unterliegt. So ist es ihr möglich, regelmäßig mit dem Flugzeug zwischen Finnland und Deutschland zu reisen (Bl. 127 LSG-Akte), ein sozialer Rückzug oder ein Vermeidungsverhalten auf Grund der Beschwerden findet nicht statt (Bl. 129 f. LSG-Akte). Auch gegenüber Dr. G. hat die Klägerin berichtet, viel Zeit mit Freunden zu verbringen (Bl. 33 SG-Akte). Konkrete Einschränkungen in ihrem privaten Leben aufgrund der MCS sind von ihr gegenüber den Sachverständigen nicht vorgetragen worden. So malt die Klägerin sogar mit Acrylfarbe, wenngleich auf Grund des Gestanks (nicht wegen auftretender Beschwerden) nur im Freien (Bl. 129 LSG-Akte). Sie geht Beeren pflücken, Radfahren, Spazieren, Einkaufen, macht ihren Haushalt und hat ihren neun Monate alten Enkel mit ihrer Tochter zu Besuch gehabt (Bl. 128 LSG-Akte). Über dabei auftretende Beschwerden hat die Klägerin Dr. B. ebenso wenig berichtet wie über ein Vermeidungsverhalten.

Gegen eine wesentliche Beeinträchtigung der Klägerin durch das MCS im Alltag spricht auch die Tatsache, dass die Klägerin ihre behandelnden Ärzte in niedriger Behandlungsfrequenz aufsucht (dazu auch Dr. B. Bl. 136 LSG-Akte) und sich diese überdies regelmäßig nicht mit der Behandlung akuter Beschwerdezustände konfrontiert sehen (eine Ausnahme stellen hier die zwei Behandlungen im November 2012 dar, die Dr. K. jedoch nur zur Feststellung damaliger Arbeitsunfähigkeit und zur Überweisung an den Lungenfacharzt veranlasst haben, Bl. 107 LSG-Akte).

Auch aus einem von der Klägerin vorgelegten Abschlussbericht der Fortbildungsakademie der Wirtschaft gGmbH, der den Abbruch einer zweitägigen Arbeitserprobung als Betreuungskraft für Menschen mit geistiger Behinderung wegen allergischer Reaktionen sowie den Abbruch einer Besichtigung von Sanitätshäusern erwähnt, weil die Klägerin Duftstoffe verspürt habe (Bl. 18 ff. LSG-Akte), lässt sich kein anderer Schluss ziehen. Denn die diesbezüglich vom Senat eingeholte schriftliche Zeugenauskunft der dortigen Mitarbeiterin Meier (Bl. 69 f. LSG-Akte) zeigt, dass dieser Auskunft vor allem Angaben der Klägerin zu Grunde lagen; die Zeugin hat lediglich einen Vorfall von Atemnot geschildert, ohne den konkreten Auslöser benennen zu können.

Damit ist im Ergebnis festzuhalten, dass die Klägerin nicht nur aus somatisch-lungenfachärztlicher Perspektive, sondern - im Anschluss an die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. B. - auch aus dem Blickwinkel der nach den Grundsätzen einer somatoformen Störung zu beurteilenden MCS noch in der Lage ist, jedenfalls leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Entsprechend der sozialmedizinischen Stellungnahme der Beklagten (Bl. 111 VA) sind inhalative Stoffe und - entsprechend der arbeitsplatzuntypischen (so Dr. G. Bl. 65 f. VA) Testung ätherischer Öle durch Dr. T. - eine übermäßige Exposition gegenüber ätherischen Ölen zu vermeiden. Der konversionsneurotischen Genese der MCS bei vorbestehenden Persönlichkeitsakzentuierungen ist nach Dr. B. (Bl. 168 LSG-Akte) aus psychiatrischer Sicht zusätzlich dadurch Rechnung zu tragen, dass ständiger Zeitdruck, ständige nervöse Anspannung, Nacht- und Wechselschicht, die Tätigkeit an unmittelbar gefährdenden Maschinen und überdurchschnittlich fordernde soziale Interaktionen zu vermeiden sind.

Das von Prof. Dr. M. pauschal vermutete ("vermutlich") erhöhte Bedürfnis nach größeren Pausen bei gelegentlich geringen Einwirkungen durch - von ihm nicht weiter spezifizierte - chemische Substanzen (Bl. 97 LSG-Akte) vermag - wie vorstehend dargestellt und im Anschluss an die ausdrückliche Feststellung Dr. B. s (Bl. 168 LSG-Akte) - schon deshalb nicht überzeugen, da Prof. Dr. M. seine Einschätzung lediglich auf der Grundlage bloßer Spekulationen vor dem Hintergrund allgemeiner - und gerade nicht konkret auf die Klägerin bezogener - Erwägungen zum Krankheitsbild der MCS trifft (Bl. 95 LSG-Akte).

Soweit der Lungenfacharzt Dr. H. eine Vermeidung von Tätigkeiten unter Einwirkung von Nässe und Dämpfen fordert (Bl. 109 VA), ist diese Einschränkung bereits vom Erfordernis der Vermeidung inhalativer Reizstoffe erfasst. Soweit die Klägerin nach Dr. H. zudem auch Arbeiten im Freien vermeiden sollte, ist dem bereits aus den eigenen Angaben der Klägerin nicht zu folgen. Denn gegenüber Dr. B. hat sich die Klägerin dahingehend eingelassen, dass sie in größerem Umfang Beeren sammle und ihr frische Luft wichtig sei, weshalb sie spazieren gehe (Bl. 128 f. LSG-Akte). Dabei auftretende Beschwerden sind von ihr nicht geschildert worden.

Aus dem gleichen Grund überzeugt auch die Empfehlung des behandelnden Lungenfacharztes Dr. B. nicht, die Klägerin müsse Kräuter und Blumen vermeiden (Bl. 62 LSG-Akte). Soweit sich dieser Hinweis auf die aus diesen Pflanzen gewonnenen ätherischen Öle bezieht, sind diese von der oben genannten Leistungseinschränkung der Vermeidung übermäßiger Exposition solcher Stoffe erfasst. Die von Dr. B. zusätzlich genannte Vermeidung von Duftstoffen und von chemisch-irritativen Stoffen (Bl. 62 LSG-Akte; ähnlich auch Prof. Dr. M. , Bl. 96 LSG-Akte, wenn er allgemein die Vermeidung chemischer Substanzen fordert) geht in dem vorliegend zu Grunde gelegten Gebot zur Vermeidung inhalativer Stoffe auf.

Ausgehend von den Erwägungen des Sachverständigen Dr. B. kann die Klägerin damit nach Überzeugung des Senats sowie entsprechend der Einschätzung des Lungenfacharztes Dr. H. (Bl. 109 VA) sogar weiterhin ihren bisherigen Beruf als Physiotherapeutin mindestens sechs Stunden täglich ausüben (die von Dr. B. behauptete Berufsunfähigkeit der Klägerin bezieht sich nur auf die Tätigkeit als Physiotherapeutin in der Altenpflege, Bl. 62 LSG-Akte; ähnlich auch Dr. T. mit der von ihm angeregten Umsetzung der Klägerin in den Innendienst, Bl. 64 VA). Die vorstehend genannten qualitativen Leistungseinschränkungen stehen der Ausübung dieses Berufes nicht entgegen. Im Rahmen der Tätigkeit beispielsweise in einer physiotherapeutischen Praxis treten üblicherweise keine massiven Konzentrationen ätherischer Öle, wie sie bei Dr. T. beschwerdeauslösend waren, auf. Massageöl und Desinfektionsmittel sind bei der Klägerin - wie der Test bei Dr. T. belegt - nicht beschwerdeauslösend.

Kann die Klägerin somit ihren zuletzt ausgeübten und der dritten Stufe nach dem Mehrstufenschema des BSG (zusammenfassend Urteil vom 29.07.2004, B 4 RA 5/04 R, veröffentlicht in juris, Rdnr. 33) zuzuordnenden Facharbeiterberuf weiterhin ausüben, besteht auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs. 1 SGB VI.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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